Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.02.2023, Az.: 8 K 152/22

Beschwer; Einkunftsart; Keine Beschwer durch abweichende Zuordnung von Einkünften ohne steuerliche Auswirkung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
28.02.2023
Aktenzeichen
8 K 152/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 45655
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE::2023:0228.8K152.22.00

Amtlicher Leitsatz

Der Streit über die Zuordnung von Einkünften zu einer bestimmten Einkunftsart führt mangels Beschwer nicht zu einer Anfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheides, wenn daraus keine abweichende Steuerfestsetzung resultiert.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit eines Einspruchs. In der Sache begehren die Kläger die Zuordnung von Verpachtungserträgen als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.

Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Neben weiteren Einkünften erzielte die Klägerin unter anderem Erträge aus der Verpachtung landwirtschaftlich genutzter Flächen in Höhe von ... € im Jahr 2017, in Höhe von ... € im Jahr 2018 sowie in Höhe von ... € im Jahr 2019. Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärungen für die betreffenden Jahre erklärten die Kläger diese Erträge als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Beklagte veranlagte die Kläger zunächst erklärungsgemäß und setzte die Einkommensteuer für das Jahr 2017 in Höhe von ... €, für das Jahr 2018 in Höhe von ... € und für das Jahr 2019 in Höhe von ... € fest. Die Bescheide ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO).

Im Rahmen einer von ... 2021 bis ... 2022 bei den Klägern durchgeführten Außenprüfung sah der Prüfer die verpachteten Flächen als land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen an und beurteilte die erzielten Erträge als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Die Umqualifizierung der Einkünfte hatte auf die Höhe der festgesetzten Einkommensteuer keine Auswirkung. Der Beklagte erließ nach Durchführung der Außenprüfung am ... 2022 geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen er jeweils den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob und die Einkommensteuer für die Jahre 2017 - 2019 unverändert in Höhe von ... €, ... € bzw. ... € festsetzte.

Gegen diese Bescheide legten die Kläger ... mit der Begründung Einspruch ein, dass keine Nachweise für eine Umqualifizierung der Einkünfte in solche aus Land- und Forstwirtschaft vorgelegen hätten. Der Beklagte verwarf den Einspruch mit Bescheid vom ... 2022 als unzulässig, da die Kläger keine Beschwer geltend gemacht hätten. Die Umqualifizierung der Vermietungserträge in solche aus Land- und Forstwirtschaft habe keinen Einfluss auf die Höhe der festgesetzten Steuer gehabt und habe auch keine weiteren Folgewirkungen in der Form einer bindenden Grundlage für zukünftige Veranlagungszeiträume.

Mit ihrer dagegen erhobenen Klage machen die Kläger geltend, dass der Beklagte den Einspruch der Kläger nicht als unzulässig hätte verwerfen dürfen. In den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden seien die Vermietungserträge zu Unrecht als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erfasst worden. Durch die Umqualifizierung der Einkünfte würden die in den verpachteten Flächen ruhenden stillen Reserven steuerverhaftet, sodass bereits jetzt eine steuerliche Benachteiligung für später folgende Veranlagungszeiträume klar erkennbar sei. Insoweit verweisen die Kläger auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. September 2021 (VIII R 2/19, BStBl 2022 II 169). In dem entschiedenen Urteilsfall habe der Steuerpflichtige in den Folgejahren eine für ihn nachteilige steuerliche Würdigung gegen sich gelten lassen müssen, nachdem in den Vorjahren eine fehlerhafte rechtliche Beurteilung durch das Finanzamt bestandskräftig geworden sei.

Die Kläger beantragen,

die Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom ... 2022 betreffend die Einkommensteuerbescheide 2017-2019 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist zur Begründung seines Antrags darauf, dass es sich bei der Einordnung der Grundstücke als landwirtschaftliches Betriebsvermögen und die Erfassung der Erträge als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft lediglich um eine unselbständige Besteuerungsgrundlage handele, die mangels gesonderter Feststellung nicht selbständig anfechtbar sei. In dem von den Klägern zitierten BFH-Urteil vom 28. September 2021 habe ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen, da es dort um den Verbrauch einer antragsgebundenen Steuervergünstigung gegangen sei.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist unbegründet.

Die angefochtene Einspruchsentscheidung vom ... 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat den Einspruch der Kläger mangels Beschwer zu Recht als unzulässig verworfen.

Gemäß § 350 Abs. 1 AO ist ein Steuerpflichtiger nur befugt einen Einspruch einzulegen, wenn er geltend macht, durch einen Verwaltungsakt oder dessen Unterlassung beschwert zu sein.

1) Die Geltendmachung einer Beschwer ist grundsätzlich dann erfüllt, wenn ein Steuerpflichtiger eine niedrigere Steuerfestsetzung begehrt. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Kläger machen nicht geltend, dass die von ihnen begehrte Änderung der Zuordnung der Einkünfte in eine andere Einkunftsart eine niedrigere Steuerfestsetzung zur Folge hätte.

2) Im Streitfall ist jedoch auch keine der von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahme-Fallgruppen einschlägig, in denen eine Beschwer trotz einer Steuerfestsetzung auf 0 € bzw. eines mangelnden Antrags auf Festsetzung einer niedrigeren Steuer anerkannt wurde. Denn im vorliegenden Fall hat die angefochtene Zuordnung der Einkünfte zu einer bestimmten Einkunftsart keine steuerlichen Auswirkungen im Streitjahr und auch keine Bindungswirkungen für nachfolgende Veranlagungszeiträume.

a) Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung sind die Grundlagen für die Festsetzung der Einkommensteuer als Jahressteuer gem. § 2 Abs. 7 S. 1 und 2 Einkommensteuergesetz (EStG) jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln. Die vom Beklagten für die Streitjahre ohne Auswirkung auf die Höhe der Einkommensteuer vertretene Auffassung zu der mit der Verpachtungstätigkeit der Klägerin verwirklichten Einkunftsart entfaltet daher keine Bindungswirkung für spätere Veranlagungszeiträume, in denen die Kläger das Grundvermögen möglicherweise veräußern oder entnehmen werden. Es handelt sich lediglich um eine Besteuerungsgrundlage, die mangels gesonderter Feststellung gem. § 157 Abs. 2 AO nicht selbständig mit Rechtsbehelfen anfechtbar ist (so auch BFH-Beschluss vom 5. Juli 2011 - X B 222/10, BFH/NV 2015, 510 [BFH 16.12.2014 - X B 113/14]).

b) Dem steht nicht entgegen, dass nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung die Feststellung der Einkunftsart bei Bescheiden über die gesonderte Feststellung von Einkünften (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b AO) auch dann selbständig anfechtbar ist, wenn sich keine gleichzeitige Auswirkung auf die Höhe des festgestellten Einkünftebetrages ergibt. Denn die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen stellt stets einen eigenständigen Verwaltungsakt dar, der eine selbständige Beschwer entfalten kann. Innerhalb eines solchen Feststellungsbescheids bildet die Feststellung der Einkunftsart wiederum einen eigenständig anfechtbaren Teil des Bescheids. Auf die bloße Zusammenstellung unselbständiger Besteuerungsgrundlagen i.S. des § 157 Abs. 2 AO in einem Einkommensteuerbescheid ist dies nicht übertragbar (BFH-Beschluss vom 5. Juli 2011 - X B 222/10 -, Rn. 9 - 11, BFH/NV 2015, 510 [BFH 16.12.2014 - X B 113/14]).

c) Etwas Anderes folgt letztlich auch nicht aus dem vom Klägervertreter angeführten BFH-Urteil vom 28. September 2021. In dem der dortigen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt stand der Verbrauch einer Steuerermäßigung nach § 34 EStG einer möglichen niedrigeren Steuerfestsetzung entgegen, da in einem der Vorjahre die Finanzverwaltung eine antragsgebundene Vergünstigung gewährt hatte, obwohl ein entsprechender Antrag nach dortigem Klägervortrag nicht gestellt gewesen sei. Dazu hat der BFH ausgeführt, dass eine antragsgebundene Steuervergünstigung, die dem Steuerpflichtigen nur einmal gewährt werden kann, für die Zukunft auch dann "verbraucht" ist, wenn die Vergünstigung vom Finanzamt zu Unrecht gewährt worden ist. Ein Steuerpflichtiger, der sich die Möglichkeit vorbehalten will, die Vergünstigung nach § 34 EStG in einem späteren Jahr in Anspruch zu nehmen, müsse daher die Steuerfestsetzung anfechten, in der ihm die Vergünstigung zu Unrecht gewährt worden ist (BFH-Urteil vom 28. September 2021 VIII R 2/19, BStBl II 2022, 169).

Im vorliegenden Verfahren sind jedoch keinerlei bindende Auswirkungen für zukünftige Veranlagungszeiträume ersichtlich. Insbesondere waren auch keine antragsgebundenen Wahlrechte, die durch ihre Ausübung verbraucht sein könnten, Grundlage der Einkommensteuerfestsetzungen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135. Abs. 1 FGO.