Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 03.06.2009, Az.: 5 A 254/09

Beseitigung der Bindungswirkung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids; Klagebefugnis von Berufsfischern gegen einen Offshore-Windpark in der Nordsee i.R.e. Drittanfechtungsklage; Anspruch auf Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs am Fischfang in den Küstengewässern; Berufsfischer als Inhaber von eigenständigen Fischereirechten bzw. Erlaubnissen nach dem Seefischereigesetz; Fanggründe und der dortige Fischreichtum als geschütztes Eigentum der Berufsfischer; Rückgang der Fischereierträge infolge der Errichtung eines Windparks als gefährdender Eingriff in die Fortführung eines Gewerbebetriebs; Anspruch auf Schaffung oder Aufrechterhaltung günstiger Benutzungsverhältnisse an einem bestimmten Fanggrund

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
03.06.2009
Aktenzeichen
5 A 254/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 20591
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2009:0603.5A254.09.0A

Amtlicher Leitsatz

Keine Klagebefugnis von Berufsfischern gegen Offshore-Windpark in der Nordsee

T a t b e s t a n d

1

Die Kläger, drei selbständige Fischer, wenden sich gegen einen der Beigeladenen gemäß § 9 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) erteilten Vorbescheid für den O.-Windpark R. in der Nordsee.

2

Die Beigeladene plant die Errichtung und den Betrieb des O.-Windparks R. innerhalb des niedersächsischen Küstenmeeres (12-Meilen-Zone), bestehend aus maximal 44 O.- Windkraftanlagen mit einer maximalen Nabenhöhe von 100 m, einem maximalen Rotordurchmesser von 127 m, einer Gesamthöhe von maximal 164 m und einer Leistung von je maximal 6 MW. Der geplante Windpark umfasst eine Fläche von etwa 6 km² und befindet sich ca. 14,5 km nordwestlich der Insel B. und ca. 25 km nordöstlich der Insel S. sowie ca. 4,2 km südlich des Verkehrstrennungsgebietes T. G B.. Er soll gemeinsam mit dem Windpark N. vor W. der Erprobung der Windenergienutzung auf See dienen.

3

Nach Durchführung eines Raumordnungsverfahrens und positiver Landesplanerischer Feststellung vom 9. März 2006 sowie Erstellung einer Umweltverträglichkeitsprüfung beantragte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen unter dem 20. Juli 2006 bei dem Beklagten einen Vorbescheid gemäß § 9 BImSchG zur Errichtung und dem Betrieb des O-Windparks R.. Das Vorhaben wurde am 18. Oktober 2006 öffentlich bekannt gemacht. Innerhalb der Einwendungsfrist wurden insgesamt 39 Einwendungen erhoben, unter anderem auch schriftsätzlich unter dem 5. Dezember 2006 von den Klägern.

4

Am 22. Januar 2008 erteilte der Beklagte der Beigeladenen den beantragten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid. In dem Bescheid stellte der Beklagte die Standorteignung und das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen nach den naturschutzrechtlichen Vorgaben fest, traf ein vorläufiges positives Gesamturteil über alle Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 BImSchG und erließ im Einzelnen aufgeführte Nebenbestimmungen.

5

Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger am 6. Mai 2008 Widerspruch, den sie wie folgt begründeten: Sie gingen der Baumkurrenfischerei auf Plattfische und Speisekrabben insbesondere im Bereich von der Emsmündung bis zur Wesermündung nach. In diesem Gebiet würden nahezu 100% der von ihnen erzielten Fänge gewonnen. Durch die Errichtung des Windparks gehe eine Jahresfangmenge von etwa 5.000 t Krabben dauerhaft verloren. Daraus ergebe sich eine Fangeinbuße von etwa 30% pro Kutter und Jahr. Sie, die Kläger, würden durch die Entziehung dieser Fischereichancen in ihren Gewerbebetrieben schwer und unerträglich getroffen und existenziell bedroht. Aufgrund der Schiffsgrößen sei es auch nicht möglich, in andere Seegebiete auszuweichen, da der Aktionsradius begrenzt und die Fangplätze wegen ihrer natürlichen Bedingungen ortsgebunden seien. Sie seien daher existenziell auf den Erhalt der Fischereimöglichkeiten im niedersächsischen Küstenmeer angewiesen, und zwar im Bereich einer Tagesfahrt zu ihren Heimathäfen. Die im Vorbescheid für zulässig erklärten 44 Windkraftanlagen wiesen keinen Erprobungscharakter mehr auf, sondern dienten allein einer wirtschaftlich gewinnbringenden Nutzung. Auch das Landes-Raumordnungsprogramm und die Landesplanerische Feststellung litten an Abwägungsmängeln und seien nicht mit anderweitigen Planungen und Maßnahmen im fraglichen Seegebiet abgestimmt. Überdies sei wegen der fehlenden Kabelverbindung die Erschließung des Windparkgebietes nicht gesichert.

6

Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2008 als unzulässig zurück. Die Kläger seien nicht widerspruchsbefugt, da sie nicht geltend machen könnten, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Sie könnten sich nicht auf eine Verletzung einer drittschützenden Norm stützen, welche auch ihrem Individualinteresse zu dienen bestimmt sei. Sie könnten sich weder auf eine fischereirechtlich gesicherte Position berufen, noch könnten sie eine Widerspruchsbefugnis aus Art. 14 GG herleiten. Gewinnaussichten und in der Zukunft liegende Chancen würden von Art. 14 GG nicht geschützt. Ein existenzvernichtender Eingriff in die Gewerbebetriebe der Kläger durch die Errichtung des Windparks sei nicht ersichtlich. Die bloße Behauptung, es ergäben sich Fangeinbußen von etwa 30% pro Kutter, sei nicht belegt oder nachzuvollziehen. Die gerügte bislang fehlende Kabelanbindung führe ebenfalls nicht zu einer Verletzung der Kläger in eigenen Rechten. Die Kabelanbindung sei nicht Gegenstand des immissionsschutzrechtlichen Vorbescheidverfahrens. Diese sei im Übrigen durchaus realisierbar. Hinsichtlich des angeblich fehlenden Erprobungscharakters des Windparks fehle es ebenfalls an einer verletzten drittschützenden Norm. Ein möglicherweise ungültiges Landes- Raumordnungsprogramm oder eine rechtsfehlerhafte Landesplanerische Feststellung könnten die Kläger ebenfalls nicht rügen, da das Raumordnungsrecht ihnen gegenüber hier keinen Drittschutz vermittele.

7

Die Kläger haben am 9. Januar 2009 Klage erhoben. Sie tragen ergänzend vor: Sie hätten sich bereits frühzeitig am Raumordnungsverfahren beteiligt und Einwendungen und Bedenken vorgebracht. Beachte man die Auswirkungen der noch zu verlegenden Kabeltrasse, würden die Fangverluste durchschnittlich etwa 35% der bislang erzielten Fänge betragen. Sie hätten auch dezidiert vorgetragen, woraus sich die Fangeinbuße von etwa 35% ergebe. Entgegen der Auffassung des Beklagten seien sie, die Kläger, daher widerspruchs- und klagebefugt, da sie durch den Vorbescheid schwer und unerträglich in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieben betroffen würden.

8

Darüber hinaus seien weitere im Vorbescheidverfahren vorgelegte Unterlagen des Projektträgers nicht veröffentlicht worden. Daraus resultiere ein Verfahrensmangel. Auch habe der Beklagte nicht berücksichtigt, dass weitere Vorhaben im Bereich der 12-Seemeilen-Zone negative Auswirkungen auf die Fischerei haben würden. Diesbezüglich liege ebenfalls ein Abwägungsmangel vor. Es sei rechtsfehlerhaft, dass nicht gleichzeitig mit der Genehmigung über die Kabelanbindung des Windparks entschieden worden sei, da dadurch eine zusammenfassende Würdigung des Gesamtprojekts unterlassen werde.

9

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des Beklagten vom 22. Januar 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2008 aufzuheben.

10

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Er bezieht sich auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren und erwidert ergänzend: Es lasse sich nicht miteinander vereinbaren, dass die Kläger einerseits eine Existenzbedrohung ihrer Betriebe geltend machten und andererseits lediglich 500,-- Euro als Streitwert für angemessen hielten. Substantiierte Angaben, die einen Schluss auf eine etwaige Existenzbedrohung zuließen, würden weiterhin nicht getätigt. Auf die Behauptung, die Unterlagen hätten nicht vollständig ausgelegen, komme es mangels einer zulässigen Klageerhebung nicht an. Festzuhalten sei aber, dass die ausgelegten Unterlagen ausgereicht hätten, um rechtzeitig und vollständig Einwendungen zu erheben. Der Erprobungscharakter des Windparks stehe nicht in Zweifel, zumal die Beigeladene auch bei der Antragstellung Bezug auf die Ausweisung von Eignungsgebieten für die Erprobung im Landes-Raumordnungsprogramm genommen habe. Die erst nach dem Erörterungstermin vorgelegten ergänzenden Unterlagen hätten eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung nicht erforderlich gemacht, da es sich lediglich um Ergänzungen und Präzisierungen gehandelt habe.

12

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

13

Sie hält die Klage für unzulässig und trägt vor, die Kläger könnten sich weder auf fischereirechtliche Rechtsnormen noch auf eine mögliche Verletzung von Art. 14 GG berufen. Bereits anhand der von den Klägern vorgetragenen Jahresfangmengen und Verluste scheide ein schwerer und unerträglicher Eingriff in ihre Gewerbebetriebe aus. Die Berechnungen und der Sachvortrag der Kläger seien teilweise falsch. Im Gegensatz zu den Befürchtungen der Kläger sei es vielmehr so, dass durch die Errichtung der Windenergieanlagen eine Verbesserung der Situation der Arten und Lebensgemeinschaften in der Nordsee hervorgerufen werden könne. Auch sei es falsch, dass den Klägern wegen der Eigenarten ihrer Fischkutter ein Ausweichen in andere Fanggebiete nicht möglich sei. Im Bereich der deutschen Nordseeküste stehe im Teilgebiet zwischen den ostfriesischen Inseln und der Grenze der 12-Seemeilen-Zone zur Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) eine mindestens 220 Mal so große Gesamtfläche der Fischerei zur Verfügung, wie die Vorhabenflächen selbst. Es sei daher denkbar unwahrscheinlich , dass bislang 1/20 (500 t) der insgesamt jährlich 10.000 t in Deutschland gefangenen Nordseegarnelen innerhalb des Vorhabengebietes erwirtschaftet worden seien.

14

Aus einem vermeintlichen Abwägungsfehler könne die Klagebefugnis ebenfalls nicht hergeleitet werden, da der Beklagte bei der Entscheidung nach § 9 BImSchG keine Abwägung im Rechtssinne vorzunehmen habe, sondern bei Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen eine gebundene Entscheidung ergehe.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

16

Die Klage ist unzulässig. Den Klägern fehlt die gemäß § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis.

17

Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den angegriffenen Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Dafür reicht die schlichte Behauptung einer Rechtsverletzung nicht aus, vielmehr muss eine Rechtsverletzung in dem Sinne möglich sein, dass zum einen eine subjektive Rechte begründende Norm vorhanden ist und zum anderen jeweils nach dem Vortrag des Klägers zumindest die Möglichkeit besteht, dass seine durch diese Norm geschützten Rechte verletzt sein könnten. Die Klage ist danach nur dann unzulässig, wenn eine Rechtsverletzung des Klägers offensichtlich und eindeutig nach jeder denkbaren Betrachtungsweise unmöglich erscheint (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1993 - 3 C 3.89 - [...]). Das ist hier der Fall.

18

Obwohl es im hier zu entscheidenden Rechtsstreit noch nicht um eine Vollgenehmigung des O.- Windparks R. geht, kann der angefochtene Vorbescheid bei Eintritt seiner Unanfechtbarkeit das weitere Genehmigungsverfahren präjudizieren und die Kläger von der Geltendmachung weiterer Rechtsbehelfe ausschließen (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2006 - 7 KS 81/03 - [...]). Der hier von der Beklagten erlassene immissionsschutzrechtliche Vorbescheid nach § 9 Abs. 1 BImSchG enthält eine abschließende Entscheidung über einen Ausschnitt aus dem feststellenden Teil der Anlagegenehmigung, die im Entscheidungsumfang eine der Vollgenehmigung nach § 4 BImSchG entsprechende Wirkung hat. Die Bindungswirkung solcher Entscheidungen kann nur unter engen Voraussetzungen beseitigt werden, §§ 9 Abs. 2, 17, 21 BImSchG, § 48 VwVfG. Soweit durch Vorbescheid eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens - etwa über den Standort - getroffen wird, bauen alle folgenden Genehmigungen auf dieser Feststellungswirkung des Vorbescheids auf und ergänzen diese um den gestattenden Teil. Dies bedeutet, dass die im Vorbescheid geregelten Fragen nicht Gegenstand einer Anfechtung der nachfolgenden Vollgenehmigung sein können. Betroffene Dritte müssen daher bereits gegen den Vorbescheid vorgehen, soweit dieser den Dritten betreffende Regelungen enthält (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 30. März 1999 - 1 M 897/99 - [...]). Im Fall der hier erhobenen Drittanfechtungsklage hängt die Klagebefugnis der Kläger, die nicht Adressaten des Verwaltungsaktes sind, im Sinne der so genannten Schutznormtheorie davon ab, ob die Möglichkeit einer Verletzung von Rechtsnormen besteht, die ausschließlich oder zumindest neben dem mit ihnen verfolgten allgemeinen Interesse auch dem Schutz von Individualinteressen der Kläger zu dienen bestimmt sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 1954 - I B 196.53 - [...]; Nds. OVG, Urteil vom 8. März 2006 - 7 KS 146/02 - [...]). Die mögliche Verletzung einer solchen Rechtsnorm ist hier nicht zur Überzeugung der Kammer dargetan.

19

Die Kläger als Berufsfischer können eine im Rahmen von §§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 BImSchG zu berücksichtigende Gefahr, einen erheblichen Nachteil oder eine erhebliche Belästigung weder aus einem Fischereirecht (1) noch aus einer möglichen Verletzung eigener Grundrechte (2) herleiten. Auch Verfahrensverstöße, die zu einer Rechtsverletzung der Kläger führen könnten, sind nicht ersichtlich (3).

20

(1)

Auf eine Verletzung einer einfachgesetzlichen Norm können sich die Kläger nicht berufen. Das Fischereirecht vermittelt den Klägern keine Klagebefugnis.

21

In den Küstengewässern ist gemäß § 16 Abs. 1 Nds. FischG der Fischfang frei. Dieser unterfällt damit dem Gemeingebrauch, auf dessen Aufrechterhaltung kein Anspruch besteht und mit dem besondere Nutzungsrechte nicht verbunden sind (Nds. OVG, Beschluss vom 23. Juni 2003 - 7 ME 13/03 - [...]). Im Übrigen wird selbst der Gemeingebrauch durch die der Beigeladenen erteilte Genehmigung nicht entzogen, sondern der O.-Windpark R. hat lediglich in tatsächlicher Hinsicht zur Folge, dass eine Fläche von etwa 6 km² (vgl. Vorbescheid, Seite 11) bzw. 13 km einschließlich der Sicherheitszone (vgl. Landesplanerische Feststellung vom 9. März 2006, S. 10) für die Ausübung der Fischerei nicht mehr zur Verfügung steht. Den Klägern steht keinerlei Rechtsposition dahingehend zu, dass ihnen die bisher befischbaren Flächen der 12-Seemeilen-Zone weiterhin uneingeschränkt zur Verfügung stehen müssten.

22

Auch aus den §§ 2, 3 Seefischereigesetz können die Kläger kein subjektives Recht herleiten. Es kann daher dahinstehen, ob die Kläger überhaupt Inhaber von eigenständigen Fischereirechten bzw. Erlaubnissen nach dem Seefischereigesetz sind, was nicht vorgetragen ist. Sofern ein solches Recht bestünde, würde es nämlich durch die der Beigeladenen erteilte Genehmigung nicht verletzt. Denn die o.g. Bestimmungen ermöglichen öffentlich-rechtliche Beschränkungen der Seefischerei und dienen dem Interesse der Allgemeinheit an einer Begrenzung des Fischfangs, ohne aber den Klägern private Aneignungsrechte einzuräumen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 23. Juni 2003 - 7 ME 13/03 - [...] sowie Nds. OVG, Beschluss vom 16. Februar 2005 - 7 ME 289/04 - NUR 2005, 604 ff.). Ein mögliches Fischereirecht in der Nordsee umfasst nämlich nicht den Anspruch auf einen bestimmten Fanggrund oder einen Fischreichtum (BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1982 - 7 C 111.81 - [...]; vgl. VG Greifswald, Beschluss vom 18. Oktober 2006 - 5 B 961/06 - V.n.b.).

23

Eine Klagebefugnis scheidet auch auf der Grundlage von § 3 Satz 1 der Seeanlagenverordnung (SeeAnlV) vom 23. Januar 1997 in der seit dem 26. Juli 2008 gültigen Fassung aus, da diese für den Bereich der 12-Seemeilen-Zone gemäß § 1 SeeAnlV nicht anwendbar ist. Diese Norm gewährleistet überdies nicht den erforderlichen Drittschutz zu Gunsten der Kläger. Die durch diese Verordnung geschützten zentralen Güter wie die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sowie der Meeresumwelt dienen dem Schutz der Allgemeinheit, ohne dass diese Vorschrift für einen bestimmten Personenkreis individualisierbar wäre (OVG Hamburg, Beschluss vom 30. September 2004 - 1 Bf 162/04 - NUR 2005, 50 ff.; VG Hamburg, Urteil vom 25. März 2004 - 8 K 4795/03 - NUR 2004, 548 ff.).

24

(2)

Die erforderliche Klagebefugnis ergibt sich für die Kläger auch nicht aus dem möglicherweise von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Der diesbezügliche Vortrag der Kläger, wonach sich im Gebiet des geplanten Windparks wichtige und ergiebige Fanggründe befänden, führt nicht dazu, eine mögliche Verletzung einer von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten eigentumsrechtlichen Position annehmen zu können.

25

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, gehören Fanggründe und der dortige Fischreichtum nicht in der Weise zu dem durch Art. 14 GG geschützten Eigentum, das ihre bloße, ggf. schwere, Beeinträchtigung schon einen Eingriff in den Gewerbebetrieb darstellen würde. Vermittelt werden durch die Fanggründe lediglich bloße Erwerbsmöglichkeiten oder Chancen, die eigentumsrechtlich aber nicht gesichert sind.

26

Rechtsschutz setzt erst dort ein, wo eine gesetz- und rechtswidrige Entziehung dieser Chancen zur Folge hätte, dass der Gewerbebetrieb des Betroffenen schwer und unerträglich getroffen oder der Bestand seines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs ernsthaft in Frage gestellt würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1982 - 7 C 111.81 - [...]; ebenso VG Hamburg, Urteil vom 25. März 2004 - 8 K 4795/03 - NUR 2004, 548 ff.; Nds. OVG, Beschluss vom 16. Februar 2005 - 7 ME 289/04 - a.a.O.). Ein die Existenz des Gewerbebetriebes gefährdender Eingriff liegt erst dann vor, wenn absehbar ist, dass die Fischereierträge infolge der Errichtung des Windparks in einer die Fortführung seines Gewerbebetriebes gefährdenden Weise zurückgegangen sind und überdies auch ein Ausweichen in andere Seegebiete nicht möglich ist, weil der Aktionsradios des Schiffes begrenzt und die Fangplätze wegen ihrer natürlichen Bedingungen ortsgebunden sind (vgl. BVerwG, a.a.O.; dem folgend VG Hamburg, Urteil vom 25. März 2004 - 8 K 4795/03 - NUR 2004, 548 ff. und OVG Hamburg, Beschluss vom 30. September 2004 - 1 Bf 162/04 - a.a.O.).

27

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe genügt das Vorbringen der Kläger den aufgezeigten Anforderungen nicht. Der pauschale Hinweis, alle Kläger würden ca. 30% (35% bei Hinzurechnung des Gebiets für die Kabelanbindung) ihrer Gesamtjahresfangmenge im Bereich des geplanten Windparks erwirtschaften, genügt in dieser Allgemeinheit nicht, einen schweren und unerträglichen Eingriff in sämtlichen klägerischen Betrieben glaubhaft zu machen. Die vorgetragenen Bedenken dahingehend, dass das Fanggebiet im Bereich des geplanten Windparks R. durch die Errichtung der Windenergienanlagen verloren geht bzw. stark eingeschränkt ist, mögen verständlich erscheinen; die behaupteten wirtschaftlichen Konsequenzen sind von den Klägern jedoch nicht schlüssig anhand von Zahlen und Fakten aufgezeigt worden. Zwar trugen die Kläger im Zuge der Einwendungen gegen das Raumordnungsprogramm mit Schreiben vom 12. Juli 2005 vor, wie sich ihrer Auffassung nach die Fangeinbuße von ca. 30% je Kutter ergibt. Nachweise für die möglichen Fangeinbußen und die aufgeführten Berechnungen legten sie jedoch nicht vor. Auch fehlen jegliche Belege dafür, dass die Fangerlöse nachts tatsächlich das Dreifache des Tagesfangs betragen und jeder der Kläger auch überwiegend nachts seiner Tätigkeit nachgeht. Die Kläger stützen sich daher lediglich auf die nicht von Art. 14 GG geschützten Gewinnaussichten und möglichen Erwerbschancen.

28

Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar dargelegt, warum die bisher in diesem Bereich erwirtschaftete Fangmenge nicht alternativ in einem Ausweichbereich erzielt werden kann. Zwar tragen die Kläger vor, lediglich im Bereich einer Tagesfahrt vom Heimathafen aus fischen zu können. Da die Kläger aber auch bislang lediglich maximal 30% ihrer Gesamtjahresfangmenge im Bereich des streitgegenständlichen R.-Gebietes erzielten - also den zumeist überwiegenden Anteil anderswo erwirtschafteten -, scheint es nicht ausgeschlossen, dass sie nunmehr auch den übrigen Anteil in Ausweichfangquartieren erreichen können. Die Fangplätze sind gerade nicht ortsgebunden. Vielmehr trug der Prozessbevollmächtigte der Kläger (im Widerspruch zu seinem zeitlich vorangegangenen Vortrag in der Klagebegründung) hinsichtlich der Streitwertfestsetzung vor, aufgrund der Variabilität der Bioproduktion und des Wanderungsverhaltens der Fisch- und Krustentiere lasse sich eine Wertminderung für die klägerischen Betriebe nicht greifen. Im Übrigen bestehe eine Gebiets-Ausübungskonkurrenz zwischen den Klägern, so dass niemals alle betroffenen Fischer gleichzeitig im Windparkgebiet fischen könnten. Daraus folgt zum einen, dass zumindest ein Teil der Fangverluste an anderer Stelle ausgeglichen werden kann (und muss, da die Kläger, welche zu den fraglichen Zeiten in dem Fanggebiet bereits jetzt hinter anderen zurückstehen müssen, sich zwangsläufig anderswo ihre Fänge sichern werden). Eventuell durch den Windpark verursachte verlängerte Anfahrtswege und eine Verdichtung des Konkurrenzdrucks auf den verbleibenden Flächen sind dabei ohne Weiteres hinzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 31. Januar 1966 - III ZR 110.64 - [...]; ebenso VG Hamburg, Urteil vom 25. März 2004 - 8 K 4795/03 - NUR 2004, 548 ff.). Unter Zugrundelegung des zur Verfügung stehenden Kartenmaterials erschließt sich dem Gericht im Übrigen nicht, warum ein Ausweichen in andere Fanggründe - etwa in Richtung der benachbarten Inseln - nicht möglich sein sollte. Zum anderen wurde eine existenzvernichtende Bedrohung durch den streitgegenständlichen Bescheid nicht glaubhaft gemacht, da die Kläger selbst herausstellen, ihre Fangeinbußen und damit einhergehende Nachteile aufgrund rein hypothetischer Überlegungen herzuleiten. Nicht in die Berechnungen der Kläger einbezogen wurde auch die Tatsache, dass der behauptete Verlust an Fängen wie dargestellt zumindest teilweise durch Fänge in Ausweichgebieten ausgeglichen werden kann, die die Kläger statt des Windparkgebiets aufsuchen könnten, so dass der befürchtete Verlust von 30% in jedem Fall reduziert werden kann.

29

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass in der Landesplanerischen Feststellung vom 9. März 2006 lediglich von einer geringen bis mittleren fischereilichen Nutzung des Projektgebiets ausgegangen wurde. Detaillierte Fischerei- und Fangdaten hätten laut Ergebnis der Landesplanerischen Feststellung von der Vorhabenträgerin nicht in Erfahrung gebracht werden können, da die Rückmeldungen der niederländischen und deutschen Fischereiverbände bzw. Fischern keine repräsentativen Angaben zugelassen hätten. Selbst das staatliche Fischereiamt bestätigte, dass das Projektgebiet zu klein sei, um für dieses genaue Fangdaten zu erhalten. Auch diese Feststellungen lassen darauf schließen, dass es sich bei den vagen Angaben der Kläger hinsichtlich der angeblichen 30%-Einbuße nicht um nachprüfbare, objektive ermittelte und tatsächlich eintretende Verluste handelt.

30

Das Argument der Kläger, im Bereich der von ihnen befischten Fanggründe seien Einschränkungen durch weitere bauliche Maßnahmen erfolgt und weitere würden etwa durch die erforderliche Kabeltrasse hinzukommen, muss außer Betracht bleiben, da hier im Rahmen der Drittanfechtungsklage nur die Maßnahme des Windparks zu betrachten ist. Eine fiktive kumulierte Zusammenzählung der Auswirkung aller vorhandenen Maßnahmen, um die Schwelle zu einem schweren und unerträglichen Eingriff zu überschreiten, ist nicht möglich. Die Kläger haben hinsichtlich ihrer Fischereibetriebe keinen Anspruch auf Schaffung oder Aufrechterhaltung ihnen günstiger Benutzungsverhältnisse (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 23. Juni 2003 - 7 ME 13/03 - [...]) und müssen die erlaubte Benutzung des Meeres durch andere und rechtmäßiges Vorgehen Dritter hinnehmen, sofern dieses - hier durch den Betrieb des Windparks - den Gewerbebetrieb nicht ernsthaft in seinem Bestand gefährdet und dieser unerträglich getroffen würde. Für einen derartig intensiven Eingriff fehlt es hier indessen wie ausgeführt an hinreichenden Anhaltspunkten.

31

Eine Klagebefugnis ergibt sich auch nicht aus der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit. Der der Beigeladenen erteilte Vorbescheid lässt keine objektiv berufsregelende Tendenz erkennen (vgl. VG Hamburg, Urteil vom 25. März 2004, 8 K 4795/03 - NordÖR 2004, 248 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 30. September 2004 - 1 Bf 162/04 - NUR 2005, 50 ff.; Nds. OVG, Beschluss vom 16. Februar 2005 - 7 ME 289/04 - a.a.O.). Die mit dem Vorbescheid bzw. der nachfolgenden Genehmigung verbundene Sperrung der Fanggründe im Bereich des Windparks kann allenfalls mittelbare Auswirkungen auf die fischereiliche Tätigkeit der Kläger haben, in dem sie ihnen einen Teil der Fanggründe entzieht. Fragen der Berufsregelung enthält der Vorbescheid jedoch offensichtlich nicht.

32

(3)

Formelle Fehler, welche möglicherweise den Klägern Drittschutz vermittelnde Verfahrensvorschriften verletzen und daher den nachfolgenden Vorbescheid rechtswidrig machen (vgl. hierzu Jarass, BImSchG, 6. Auflage, § 10 Rn. 130 ff.) und zu einer Rechtsverletzung der Kläger führen könnten, sind nicht ersichtlich. Im Einzelnen:

33

Der streitige Erprobungscharakter des Windparks hat, wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat, keinerlei Bezug zu der Überprüfung des Verfahrens der Beteiligung der Öffentlichkeit. Ob eine Anlage der Erprobung dient, ist kein Aspekt, der hinsichtlich der Angaben über die Auswirkungen der Anlage auf die Nachbarschaft und die Allgemeinheit (vgl. § 10 Abs. 1 9. BImSchV) von Belang wäre. Im Übrigen wurden gerade der Grund und die Rechtfertigung für die Erprobung in der Landesplanerischen Feststellung vom 9. März 2006 thematisiert und die Notwendigkeit der Erprobung plausibel dargestellt. Von der Landesplanerischen Feststellung geht gemäß § 16 Abs. 5 Nds. Raumordnungsgesetz (Nds. ROG) eine Bindungswirkung für das nachfolgende Genehmigungsverfahren aus. Bei Bedenken gegen den Erprobungscharakter hätten die Kläger ein Normenkontrollverfahren gegen das als Rechtsverordnung erlassene Landesraumordnungs- Programm (vom 27. Juni 2006, Nds. GVBl. Nr. 17/2006) anstrengen müssen.

34

Auch sind Verfahrensfehler im Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung, die die Kläger in ihren Rechten beeinträchtigten könnten, nicht ersichtlich. Das Argument der Kläger, auch durch die erforderliche Kabeltrasse komme es zu Beeinträchtigungen ihrer Rechte und es sei im Zuge einer Gesamtwürdigung erforderlich gewesen, die Kabeltrasse bereits im Genehmigungsverfahren mit zu berücksichtigen, führt nicht zur Anerkennung eines Verfahrensfehlers. Die Trasse ist immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftig und der Beklagte ist für deren Überprüfung nicht zuständig, so dass bereits deshalb kein formeller Fehler im Vorbescheidverfahren verursacht worden sein kann.

35

Hinsichtlich des Vorwurfs der fehlerhaften Abwägung durch den Beklagten dadurch, dass die befürchteten Gewinneinbußen der Kläger nicht hinreichend im Genehmigungsverfahren berücksichtigt worden seien, ist festzuhalten, dass die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht im Ermessen der Behörde steht, sondern die Genehmigung erteilt werden muss, wenn die Voraussetzungen des § 6 BImSchG erfüllt sind. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist auch beim Erlass eines Vorbescheids zu prüfen. Ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen der jeweils geprüften Genehmigungsvoraussetzungen besteht nicht, ins Ermessen der Behörde wird nur die Entscheidung über die Grundsatzfrage, nämlich ob ein Vorbescheid erteilt werden kann und soll, gestellt (vgl. Jarass, BImSchG, 6. Auflage, § 9 Rn. 9). Werden anschließend die Genehmigungsvoraussetzungen positiv festgestellt, bleibt für eine weitere Abwägung kein Raum. Da der Beklagte nach Überprüfung des Antrags zu dem Ergebnis kam, dass von dem Windpark keine schädlichen Umwelteinwirkungen oder Gefahren für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft ausgehen (also auch nicht für die Küstenfischer), stand der Erteilung des Vorbescheids nichts entgegen. Ob dem Landes-Raumordnungsprogramm hinsichtlich der Auswirkungen auf die Fischerei keine hinreichenden Abwägungen zugrunde liegen, ist hier ohne Belang. Der Beklagte musste jedenfalls entgegen der Auffassung der Kläger keine eigene Abwägung vornehmen, da vor der Erteilung des Vorbescheids die jeweils beantragten Genehmigungsvoraussetzungen anhand des § 6 BImSchG geprüft werden und bei deren Vorliegen eine vorläufige Gesamtbeurteilung erfolgt. Bei Bedenken gegen das Landes- Raumordnungsprogramm hätten die Kläger wie bereits ausgeführt rechtzeitig beispielsweise gegen die Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Landes-Raumordnungsprogramm vom 27. Juni 2006 vorgehen müssen. Möglich wäre auch ein Normenkontrollverfahren gegen die Änderungsverordnung vom 8. Mai 2008 (Nds. GVBl. Nr. 10 vom 22. Mai 2008) gewesen.

36

Die Tatsache, dass nach dem Erörterungstermin dem Beklagten weitere Unterlagen von der Beigeladenen vorgelegt wurden, führt nicht zu einem drittschützende Rechte berührenden Verfahrensfehler. Die vom Beklagten benannten Unterlagen, welche verspätet ins Verfahren eingeführt und/oder nicht öffentlich bekannt gemacht worden sind (vgl. die Auflistung im Schriftsatz des Beklagten vom 20. Februar 2009) sind nicht solche, die noch hätten vorgelegt werden müssen. Anhand der nachgereichten Unterlagen (etwa zum Flucht- und Rettungskonzept, Ergebnisse aus dem Erörterungstermin etc.) ist nachvollziehbar, dass diese keine Auslegungspflicht begründeten, da dadurch das Vorhaben als solches nicht verändert, sondern lediglich die vorgelegten Unterlagen teilweise präzisiert und ergänzt wurden. Eine Pflicht zur Bekanntmachung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 9. BImSchG wurde durch das Nachreichen dieser Materialien jedoch nicht ausgelöst. Im Übrigen wären selbst bei einer durch die Ergänzungen erfolgten Änderung der Anlage keine zusätzlichen oder erheblichen Auswirkungen auf die in § 1a 9. BImSchV genannten Schutzgüter zu befürchten gewesen, so dass auch deshalb gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 BImSchV von einer zusätzlichen Auslegung oder Bekanntmachung abgesehen werden durfte.

37

Die Klage ist daher mangels Klagebefugnis unzulässig und war mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO abzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig, weil diese einen Antrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).