Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 04.06.2009, Az.: 7 B 1528/09
Erteilung einer vorläufigen Fahrerlaubnis der Klassen B und BE im Wege der einstweiligen Anordnung; Geldstrafe von 30 Tagessätzen und ein Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr als eine erhebliche Straftat i.S.v. § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV)
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 04.06.2009
- Aktenzeichen
- 7 B 1528/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 19529
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2009:0604.7B1528.09.0A
Rechtsgrundlagen
- § 11 FeV
- § 20 Abs. 1 FeV
Fundstelle
- DAR 2009, 410-412
Verfahrensgegenstand
Fahrerlaubnis (Wiedererteilung)
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Fahrerlaubnisbehörde ist in einem Verfahren wegen Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nicht an die in einem vorherigen Strafurteil zu den Voraussetzungen von § 69 StGB getroffenen Feststellungen gebunden.
- 2.
Weder eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen noch der Strafrahmen von einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe stellen eine erhebliche Straftat im Sinne des § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 FeV dar.
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 7. Kammer -
am 4. Juni 2009
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig eine Fahrerlaubnis der Klassen B und BE zu erteilen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
- 2.
Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR (in Worten: dreitausendsiebenhundertfünfzig Euro) festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Der Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig eine Fahrerlaubnis der Klassen B und BE zu erteilen, ist zulässig und begründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der streitige Anspruch (Anordnungsanspruch) und der Grund für die Anordnung (die Dringlichkeit der gerichtlichen Entscheidung (Anordnungsgrund) müssen glaubhaft gemacht sein (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Maßgeblich sind hierbei die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Der Anordnungsgrund folgt aus der eidesstattlichen Versicherung von " e.V.", die glaubhaft macht, dass der Antragstellerin alsbald die Kündigung ihres Beschäftigungsverhältnisses droht, wenn sie nicht wieder über eine Fahrerlaubnis verfügt. Es ist ihr im Hinblick auf die Interessen der Beteiligten, insbesondere auch des öffentlichen Interesses an der Sicherheit des Straßenverkehrs wegen dieser sozialen Notlage nicht zumutbar, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
Auch ein Anordnungsanspruch ist gegeben, denn die Antragstellerin kann die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis beanspruchen, ohne dass sie zuvor ein medizinischpsychologisches Gutachten über ihre Fahreignung vorlegen muss.
Dem steht nicht entgegen, dass das Strafgericht der Antragstellerin wegen ihrer Trunkenheitsfahrt am 2. Mai 2008 unter Anwendung von §§ 69, 69b StGB die Fahrerlaubnis entzogen hat. Damit steht lediglich fest, dass sich aus der Tat der Antragstellerin ihre Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen für die Dauer dieser Maßnahme ergibt. Das Strafgericht konnte diese Feststellung treffen, ohne dabei die fahrerlaubnisrechtlichen Bestimmungen anzuwenden oder gar an deren Voraussetzungen gebunden zu sein. An die im Strafurteil zu den Voraussetzungen von § 69 StGB getroffenen Feststellungen ist die Fahrerlaubnisbehörde ihrerseits in einem späteren Verfahren wegen Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nicht gebunden, da § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG insoweit tatbestandlich nicht greift. Das Strafgericht hat allerdings mit der von ihm verfügten Sperrfrist den Zeitraum, in dem es die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis an die Antragstellerin ausgeschlossen hat, bis zum 13. März 2009 beschränkt (sieben Monate nach dem am 13. August 2008 richterlich unterzeichneten Strafbefehl zum Aktenzeichen 43 CS 441 Js 25201/08 (397/08)).
Im Einzelnen gilt hier fahrerlaubnisrechtlich seit dem 13. März 2009 Folgendes:
Nach dem hier anzuwendenden § 20 Abs. 1 FeV in seiner zum 19. Januar 2009 in Kraft getretenen Fassung der 3. Verordnung zur Veränderung der Fahrerlaubnisverordnung (BGBl. I 2009, 29) gelten im Verfahren der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung die Vorschriften über die Ersterteilung. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG müssen Fahrerlaubnisbewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sein. Dies ist gemäß § 2 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 StVG, § 11 Abs. 1 Satz 1 FeV der Fall, wenn sie die körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen haben. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV sind diese Anforderungen insbesondere dann nicht erfüllt, wenn ein Mangel oder eine Erkrankung im Sinne von Anlage 4 oder 5 zur FeV vorliegen. Gibt es - wie hier aufgrund der Trunkenheitsfahrt der Antragstellerin - Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Mangel vorliegen könnte, so ist die Fahrerlaubnisbehörde je nach Ausgestaltung der entsprechenden gesetzlichen Regelungen gemäß den §§ 11 bis 14 FeV dazu berechtigt oder gar verpflichtet, Maßnahmen zur Aufklärung bestehender Fahreignungszweifel zu ergreifen. Diese Voraussetzungen sind entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin hier nicht erfüllt.
Insbesondere ist § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV (in der hier maßgeblichen Fassung der Verordnung vom 18. Juli 2008 - BGBl. I S. 1338 - mit Wirkung vom 30. Oktober 2008) hier nicht einschlägig. Nach dieser Vorschrift kann die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) zur Klärung von Eignungszweifeln bei einer erheblichen Straftat, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr steht oder bei Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen, angeordnet werden. Eine solche erhebliche Straftat i.S.v. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 1. Alternative FeV liegt bei der Trunkenheitsfahrt der Antragstellerin am 2. Mai 2008 nicht vor. Durch das Wort "erheblich" hat der Verordnungsgeber verdeutlicht, dass nicht jede Straftat den Tatbestand von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV erfüllt. Zugleich ist in der BR-Drs. 302/08 vom 30. April 2008 zum Begriff der erheblichen Straftat ausgeführt, dass diese nicht ohne Weiteres mit "schwerwiegend" gleichzusetzen sei, sondern sich auf die Kraftfahreignung beziehe. Maßgeblich ist insofern - aufgrund einer entsprechenden Anwendung von § 3 Abs. 4 StVG - die strafrichterliche Würdigung des Verhaltens der Antragstellerin bzw. die maßgebliche Vorschrift des StGB. Das Gericht kann offen lassen, ob hier konkret auf den Strafbefehl des Amtsgerichts Oldenburg vom 13. August 2008 oder abstrakt auf § 316 StGB abzustellen ist. Weder eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen noch ein Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe stellen nach Überzeugung des Gerichts eine erhebliche Straftat i.S.v. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV dar (s. hierzu Kalus, VD 2008, 151, 153f.). Auch aus § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 2. Alternative ergibt sich nicht, dass die Antragsgegnerin von der Antragstellerin vor der Neuerteilung der Fahrerlaubnis ein medizinisch-psychologisches Gutachten verlangen darf. Es stehen nicht Straftaten der Antragstellerin in Rede.
Die Anwendung von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV scheidet hier zudem deshalb aus, weil nach dem Regelungssystem des Fahrerlaubnisrechts für Eignungsfragen im Zusammenhang mit Alkohol § 13 FeV bei alkoholtypischen Abläufen nach dem ausdrücklichen Willen des Verordnungsgebers wohl die spezielle Regelung ist (s. die BR-Drs. 443/98, S. 219 und 260). Dafür spricht auch die Begründung des Verordnungsgebers zu der Bestimmung des heutigen § 20 Abs. 5 FeV. Eine inhaltsgleiche Bestimmung war bereits in der vorangegangenen Regelung von § 20 Abs. 3 FeV enthalten, die seinerzeit lediglich mit folgendem Satz begründet worden war:
"Die Bestimmung übernimmt die in § 15c StVZO enthaltenen Regelungen" (a.a.O., S. 270).
Diese Erklärung lässt nicht den Schluss zu, dass § 11 Abs. 3 FeV im Verfahren auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis das ausdrücklich hervorgehobene Prinzip der Spezialität von § 13 FeV für die Fälle alkoholbedingter Fahreignungszweifel durchbrechen sollte. Die StVZO enthielt in ihrer bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung keine speziellen Regelungen zur Frage der Fahreignung bei Alkohol- oder Drogenproblemen. Der wesentliche diesbezügliche Regelungsgehalt der durch die FeV ersetzten Bestimmungen der StVZO a.F. bestand darin, bei der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangenen erheblichen oder wiederholten Verkehrsverstößen den Ermessensspielraum bezüglich der Anordnung eines Fahreignungsgutachtens einzuschränken. Gerade dieser Regelungsinhalt ist durch § 11 Abs. 3 Satz 1 FeV weggefallen, da nunmehr die Anordnung der Begutachtung in das "einfache" Ermessen der Behörde gestellt ist (s. hierzu ausführlich Bayerischer VGH, Beschluss vom 9. Februar 2009 - 11 CE 08.3028 -, zitiert nach [...]). M.a.W.: Geht es - wie hier - um ein Alkoholproblem und somit um Anhaltspunkte für einen Mangel im Sinne einer Untergliederung von Nummer 8 der Anlage 4 zur FeV, so ist § 13 FeV die im System der §§ 11 bis 14 FeV spezielle Vorschrift zur Klärung von Fahreinungszweifeln wegen des Alkoholkonsumverhaltens des Fahrerlaubnisbewerbers (s. Begründung zu der ursprünglichen Fassung von § 13 FeV, BR-Drs. 443/98, S. 260). Nur wenn § 13 FeV in ihrer seit 30. Oktober 2008 gültigen Fassung zur Anordnung einer Begutachtung des Fahrerlaubnisbewerbers zwingt, so darf die Behörde die Fahrerlaubnis nur wiedererteilen, wenn ein positives Gutachten zur Ausräumung der Eignungszweifel vorgelegt wird.
Hier fehlt es danach an einer Rechtsgrundlage für die Anordnung der medizinischpsychologischen Begutachtung der Antragstellerin. Im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut von § 13 Nr. 2 FeV kommt hier lediglich § 13 Nr. 2a FeV in Betracht. Danach ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, wenn nach dem ärztlichen Gutachten zwar keine Alkoholabhängigkeit, jedoch Anhaltspunkte für Alkoholmissbrauch vorliegen oder sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Dabei hat sich die Auslegung dieser Vorschrift am gesamten Kontext von § 13 Nr. 2 FeV auszurichten. Die Systematik, der Sinn und der Zweck sowie die Struktur dieser Bestimmungen lassen nicht den Schluss zu, dass § 13 Nr. 2a FeV die Anforderung eines medizinischpsychologischen Gutachten in allen Fallkonstellationen erlaubt, die von den Buchstaben b bis e nicht erfasst werden. Vielmehr ist § 13 Nr. 2 FeV so zu verstehen, dass die drei Unterfälle a bis e grundsätzlich voneinander unabhängige Konstellationen regeln, in denen wegen ähnlich gewichteter Hinweise auf eine alkoholbedingte Straßenverkehrsgefährdung die Kraftfahreignung durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten erforderlich ist (s. Bayerischer VGH, Beschluss vom 11. Juni 2007 - 11 CS 06.3023 -, zitiert nach [...]). Aus § 13 Nr. 2b und c FeV folgt, dass ein einmaliges Fahren unter Alkoholeinfluss erst dann die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertigt, wenn dabei eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 ? nachgewiesen wurde. Der Regelung in § 13 Nr. 2b und c FeV hätte es nicht bedurft, wenn schon § 13 Nr. 2a die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auch schon bei einer einmaligen Alkoholfahrt mit niedrigeren Blutkonzentrationen rechtfertige (Bayerischer VGH, Beschluss vom 9. Februar 2009 - 11 CE 08.3028 -, zitiert nach [...]). Zudem setzte die rechtmäßige Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 13 Nr. 2a FeV ein ärztliches Gutachten voraus, wonach zwar keine Alkoholabhängigkeit, jedoch Anzeichen für Alkoholmissbrauch vorliegen oder sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Ein solches Gutachten liegt nicht vor; im Gegenteil: Die Antragstellerin hat im Strafverfahren eine fachärztliche Bescheinigung des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie B. M. (s. Blatt 40 BA A) vorgelegt, wonach die Antragstellerin sich in seiner ambulanten psychotherapeutischen Behandlung befinde und sich dabei kein Hinweis auf eine Suchterkrankung gezeigt habe. Die Einmaligkeit der Anlassstraftat sei vielmehr "in einem komplexen Zusammenspiel eigener Erschöpfung, berufliche Überlastung, umfangreichen aktuellen Konflikten in der Ursprungsfamilie sowie einer unerwarteten Beendigung der langjährigen Partnerschaft zu sehen".
Auf diesem Hintergrund ist die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens von der Antragstellerin wegen der Trunkenheitsfahrt am 2. Mai 2008 auch nicht gemäß § 20 Abs. 5 FeV i.V.m. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 rechtfertigt. Gemäß § 20 Abs. 5 FeV bleibt die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nach der letztgenannten Vorschrift unberührt. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 ermöglicht u.a. in Buchstaben b) bei der hier in Rede stehenden Neuerteilung einer Fahrerlaubnis die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung, wenn der Entzug der Fahrerlaubnis auf einem Grund aus § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 bis 7 FeV beruhte, also auf einer erheblichen oder wiederholten oder fahrerlaubnisrechtlich qualifizierten Zuwiderhandlung(en) im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr (Straftaten oder Verkehrsverstöße). Die Anwendung von § 20 Abs. 5 FeV i.V.m. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 FeV scheidet hier jedoch deshalb aus, weil einerseits nach dem oben Ausgeführten die Spezialregelung von § 13 FeV den Rückgriff auf diese Regelung "sperrt" und weil andererseits nach der hier nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage auch das Vorliegen der Voraussetzungen von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 FeV fraglich ist. Zweifellos hat die Antragstellerin nicht wiederholt oder "aggressive" Zuwiderhandlungen (Straftaten oder Verkehrsverstöße) im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr begangen, und es scheint auch im Hinblick auf den Strafbefehl vom 13. August 2008 äußerst zweifelhaft (s. o.), ob die Zuwiderhandlung vom 2. Mai 2008 mit hohem Aggressionspotential oder erheblich im Sinne dieser Vorschrift ist. Etwas anderes folgt entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin (Schriftsatz vom 3. Juni 2009) auch nicht aus dem Urteil des Bayerischen VGH vom 7. Mai 2001 (11 B 99.2527), da diese Entscheidung vor dem Inkrafttreten der Neufassung von § 11 Abs. 3 FeV im Jahre 2008 ergangen ist. Sofern sich aus der Kommentierung von Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan zu den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (s. die dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 3. Juni 2009 beigefügten Auszüge) etwas anderes zur Auslegung von §§ 11 Abs. 3, 20 Abs. 5 FeV ergeben sollte, so tritt dem die Kammer nach der hier nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtlage ausdrücklich nicht bei.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin aus der Nichtvorlage des angeforderten Gutachtens auch aus anderem Grunde nicht gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung der Antragstellerin schließen durfte. Die Anforderung des Gutachtens durch das Schreiben der Antragsgegnerin vom 11. März 2009 dürfte rechtswidrig sein. Die Untersuchungsfrage
"Ist aufgrund der Straftat(en) zu erwarten, dass die untersuchte Person künftig Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr oder im Zusammenhang mit der Fahreignung begehen wird?"
entspricht nicht den tatsächlichen Eignungszweifeln der Antragsgegnerin.
Es geht ihr offenkundig nicht um die Frage, ob die Antragstellerin künftig Straftaten begehen werde, sondern um die Aufklärung einer Alkoholproblematik. Im Übrigen ist es auch rechtswidrig, dass das Schreiben der Antragsgegnerin vom 11. März 2009 die Antragstellerin nicht auf ihr besonderes Recht der Akteneinsicht gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 2. Halbsatz FeV hinweist.
Dem Begehren der Antragstellerin steht auch nicht das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen. Zwar kann dem Wesen und Zweck einer einstweiligen Anordnung entsprechend das Gericht in diesem Verfahren grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit oder unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie von Art. 19 Abs. 4 GG gilt dies aber dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Klärung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragssteller unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (s. Kopp, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2007, § 123 Rz. 14 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier nach dem zu Anordnungsgrund und -anspruch Ausgeführten erfüllt.
Nach alledem war dem Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 46.3 und 46.8 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327).
Rechtsmittelbelehrung:
zu Nr. 1 des Tenors:
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft.
...
zu Nr. 2 des Tenors:
Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt.
...
Schallenberger
Brandt