Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 19.10.2006, Az.: 8 A 2/06
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 19.10.2006
- Aktenzeichen
- 8 A 2/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 44595
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2006:1019.8A2.06.0A
Fundstelle
- DÖD 2007, 204-206 (Volltext mit red. LS)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Für die Ersetzung einer vom Personalrat verweigerten Zustimmung zur Kündigung kommt es auf eine gerichtliche Interessenabwägung und Gesamtwürdigung aller bedeutsamen Gesichtspunkte an.
- 2.
In aller Regel hat einer außerordentlichen Kündigung noch eine Abmahnung vorauszugehen.
- 3.
Wird anstelle einer Verdachtskündigung eine Tatkündigung ausgesprochen, so ist für den Vorwurf eines "Reisekostenabrechnungsbetruges" in vollem Umfange Beweis zu erbringen.
- 4.
Wird eine einzige Unregelmäßigkeit geringen Gewichts eines ansonsten gewissenhaften Mitarbeiters zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung genommen, so kann schon dieses Vorgehen die Unwirksamkeit der Kündigung belegen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Zustimmung des Beteiligten zu 1) zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 2).
Sie ist eine geöffnete Betriebskrankenkasse mit ca. 970 Mitarbeitern, die auf die Standorte C... und H... verteilt sind, untersteht als bundesunmittelbare Krankenkasse der Aufsicht des Bundesversicherungsamtes und hat ihren Sitz in C.... Bei ihr ist ein Personalrat mit 11 Mitgliedern eingerichtet, dessen Vorsitzender der Beteiligte zu 2) ist.
Mit Schreiben vom 3. Mai 2006 beantragte die Antragstellerin unter Beifügung eines Berichts ihrer Revisionsabteilung beim Beteiligten zu 1) die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung gem. § 47 Abs. 1 S. 1 BPersVG mit der Begründung, es liege ein "Reisekostenabrechnungsbetrug" des Beteiligten zu 2) zu ihrem Nachteil vor: Im Frühjahr 2006 habe die Revisionsabteilung Abrechnungen der Reisekosten geprüft und sei dabei auf eine Abrechnung des Beteiligten zu 2) vom 28. Februar 2006 gestoßen, mit der Reisekosten für eine Dienstreise inklusive An- und Abfahrt (Wohnung - C... - und zurück) in der Zeit von 6.30 Uhr bis 18.00 Uhr durchgeführt worden sei. Hierbei sei wegen der mind. 8-stündigen Abwesenheit auch eine Tagespauschale von 6,- EUR geltend gemacht worden. In der Arbeitszeitliste sei ein Ende der Arbeitszeit um 14.00 Uhr eingetragen gewesen. Der Beteiligte zu 2) habe jedoch um 13.30 Uhr am ZOB in X... eine Busfahrkarte auf der Linie 5013 gelöst, deren Ersatz ebenfalls beansprucht worden sei. Bei Annahme einer Dauer von 35 Minuten für den Weg vom Bahnhof in X... zur Wohnung (einschließlich eines Fußweges von rd. 400 m) sei der abgerechnete Zeitverlust mit rd. 4 Stunden und 30 Minuten zu hoch angesetzt und abgerechnet worden. Hiermit am 2. Mai 2006 konfrontiert habe der Beteiligte zu 2) die Abweichungen nicht erläutern können; er sei unter Einräumung der Fehlerhaftigkeit der Abrechnung von einem Irrtum (Tippfehler) ausgegangen. Bei Würdigung aller Tatsachen sei - so die Antragstellerin - vom Tatbestand einer "betrügerischen Falschabrechnung" auszugehen. Der Einwand eines fahrlässigen Tippfehlers sei als Schutzbehauptung zu werten, zumal bekannt sei, dass der Beteiligte zu 2) als ansonsten gewissenhafter Mitarbeiter gelte.
Der Beteiligte zu 1) verweigerte in einer außerordentlichen Sitzung vom 4. Mai 2006 nach eingehender Diskussion einstimmig die beantragte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung und teilte das der Antragstellerin mit Schreiben vom 5. Mai 2006 unter Darlegung der Gründe mit. Dabei wurde hervorgehoben, die 2-Wochen-Frist nach § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten, da die Datenlage schon seit dem 8. August 2005 bekannt gewesen sei.
Am 10. Mai 2006 leitete die Antragstellerin per Fax das vorliegende Ersetzungsverfahren ein. Sie trägt vor, die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei eingehalten und eine Wieterbeschäftigung des Beteiligten zu 2) unzumutbar. Sie beantragt,
die vom Beteiligten zu 1) nicht erteilte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 2) zu ersetzen.
Die Beteiligten beantragen, den Antrag zurückzuweisen.
Sie meinen, das Ersetzungsbegehren sei jedenfalls unbegründet, da ein wichtiger Grund für die Kündigung unter dem Gesichtspunkt eines Spesenbetruges nicht vorliege.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten nebst Vorgängen und Anlagen Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
1. Zulässig ist der Antrag, da die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten ist. Denn in dem Falle, dass zur Aufklärung noch Maßnahmen erforderlich sind, können diese einen Fristenlauf hemmen (BAG NJW 1994, 3117). Hier war der Gesamtkomplex aller relevanten Tatsachen erst durch die Revision bekannt. Die sichere und vollständige Kenntnis aller Kündigungsvoraussetzungen lag erst nach der Anhörung des Beteiligten zu 2) am 2. Mai 2006 vor. Vergleiche dazu VG Braunschweig, NZA-RR 2002, 279:
"Die Kündigungsfrist des § 626 II BGB wurde eingehalten. Diese Frist begann erst nach der Anhörung des Bet. zu 1 zu den gegen ihn erhobenen neuen Vorwürfen aus dem Ermittlungsverfahren zu laufen."
Demnach endete die Frist des § 626 Abs. 2 BGB am 16. Mai 2006. Zu diesem Zeitpunkt jedoch war die Verweigerung der Zustimmung ausgesprochen, lag der Ersetzungsantrag auch schon der erkennenden Kammer vor.
2. Jedoch ist der Antrag unbegründet. Die außerordentliche Kündigung ist unter Berücksichtigung aller Umstände nicht gerechtfertigt, so dass eine Ersetzung der Zustimmung des Personalrats nicht in Betracht kommt, § 47 Abs. 1 Satz 2 BPersVG. Eine dennoch ausgesprochene Kündigung wäre nichtig, § 134 BGB.
Die ordentliche Kündigung von Mitgliedern der Personalvertretungen ist grundsätzlich unzulässig (§ 15 Abs. 2 KSchG). Für sie kommt nur eine außerordentliche Kündigung in Betracht, die jedoch der Zustimmung der Personalvertretung bedarf. Dadurch sollen willkürliche Kündigungen missliebiger Personalratsmitglieder verhindert werden (BAGE 46, 258). Als Gründe kommen nur Pflichtverletzungen aus dem Dienstverhältnis in Betracht, nicht aber die Verletzung von Pflichten aus der Personalratstätigkeit. Demgemäß ist eine außerordentliche Kündigung eines Personalratsmitgliedes nur dann zulässig, wenn es im Arbeitsverhältnis wichtige Nebenpflichten durch einen schweren Verstoß in grober Weise verletzt hat und eine unmittelbare Rückwirkung auf das Arbeitsverhältnis vorliegt.
Gemäß § 47 Abs. 1 BPersVG kann das Verwaltungsgericht eine verweigerte Zustimmung der Personalvertretung dann ersetzen, wenn das nach Sinn und Zweck der personalvertretungsrechtlichen Bestimmung, die eine ungestörte Amtsausübung der Personalvertretung und ihrer Mitglieder sicherstellen und unter Schutz stellen soll, bei Würdigung aller Begleitumstände von der Sache her gerechtfertigt ist. Hierfür ist eine Einzelfallprüfung nebst richterlicher Gesamtwürdigung aller bedeutsamen Gesichtspunkte erforderlich (VG Berlin, Beschluss v. 17.10.1995 - 72 A 1.95). Entscheidend ist das individuelle Maß der vorgetragenen bzw. behaupteten Verfehlung, die ein grob-schwerer Verstoß sein muss.
2.1 Soweit ein "steuerbares Verhalten" in Rede steht und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann, ist vor der Kündigung grundsätzlich eine Abmahnung erforderlich (vgl. BAG, NJW 2004, 1551 und OLG Köln, NJW-RR 2003, 398). Vergleiche dazu auch BVerwG, Beschl. v. 15.10.2002 - 6 PB 7.02 - in AP BPersVG § 83 Nr. 3:
"Im angefochtenen Beschluss des VGH finden sich folgende Rechtssätze: Bei Vertragsstörungen ist nicht nur im so genannten Leistungsbereich, sondern auch im so genannten Vertrauensbereich grundsätzlich vor der Kündigung eine Abmahnung erforderlich, wenn es um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers geht und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann, womit nur ausnahmsweise u.a. dann nicht gerechnet werden kann, wenn eine besonders schwere Pflichtverletzung vorliegt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar und bei der eine Hinnahme seines Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Diese Rechtssätze hat der VGH nicht eigenständig entwickelt, sondern aus der neueren Rechtsprechung des BAG übernommen (vgl. 4. 6. 1997 - 2 AZR 526/96, AP BGB § 626 Nr. 125 = BAG 86, 95, 102; 10. 2. 1999 - 2 ABR 31/98, AP KSchG1969 § 15 Nr. 42 = BAG 91, 30, 38; 11. 3. 1999 - 2 AZR 507/98, AP BGB § 626 Nr. 149; 8. 6. 2000 - 2 AZR 638/99, AP BGB § 626 Nr. 163 = BAG 95, 78, 88; 21. 6. 2001 - 2 AZR 30/00, PersR 2002, 261, 263 f.). Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen hat der VGH die zitierte Rechtsprechung des BAG nicht fehlerhaft wiedergegeben. Insbesondere kommt es danach für die Frage der Entbehrlichkeit der Abmahnung entscheidend auf das Gewicht der Pflichtverletzung an (vgl. 21.6.2001, a.a.O. S. 264). Zwar mögen die Formulierungen des BAG teilweise eine Offenheit für die vergleichbare Bewertung anderer besonderer Fallkonstellationen signalisieren. Dazu steht die Zusammenfassung dieser Rechtsprechung im angefochtenen Beschluss jedoch nicht in Widerspruch. Ist der VGH mit den hier allein in Rede stehenden Rechtssätzen im vollen Umfang der aktuellen Rechtsprechung des BAG gefolgt, so kann sein Beschluss schon deswegen nicht Anknüpfungspunkt für eine erfolgreiche Divergenzrüge sein."
Eine solche - hier erforderliche - Abmahnung liegt nicht vor. Sie lag hier deshalb nahe, weil es um eine verhältnismäßig geringfügige, nicht etwa besonders schwere Verfehlung des Beteiligten zu 2) geht, dieser als gewissenhaft gilt und eine Abmahnung somit der Antragstellerin auch zuzumuten war. Das gilt angesichts dessen, dass auch in anderen Fällen seitens der Revision schon empfohlen worden war, "die jeweiligen Mitarbeiter nach Darlegung der Beanstandungen zur Korrektur der Abrechnungen aufzufordern" (Pkt. 2.5 des Revisionsberichts v. 27.4.2006), für den Beteiligten zu 2), der unter einem speziellen Kündigungsschutz steht, in einem entsprechenden und gleichen Maße.
2.2 Im Übrigen ist hier mit dem Vorwurf eines "Reisekostenabrechnungsbetruges" zum Nachteil der Antragstellerin keine Verdachts-, sondern eine (vollendete) Tatkündigung ausgesprochen worden. Somit ist die Antragstellerin für die Tatbegehung im vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig. Denn anders als bei der Verdachtskündigung rechtfertigt allein eine unstreitige oder aber in vollem Umfange bewiesene strafbare Handlung eine Tatkündigung aus wichtigem Grund. Hierfür ist eine Täuschungs-, Bereicherungs- und Schädigungsabsicht i.S.v. § 263 StGB seitens des Beteiligten zu 2) erforderlich, an der es hier jedoch nach Lage der Dinge ersichtlich fehlt.
Der Antragstellerin ist der von ihr zu erbringende Nachweis der gen. Absicht nicht gelungen:
Soweit sie den Verweis des Beteiligten zu 2) auf einen "Tippfehler" für unglaubwürdig hält und der Ansicht ist, das vermöge "den Tatbestand einer betrügerischen Falschabrechnung nicht auszuräumen" (Schr. v. 3.5.2006, III Abs. 2) , übersieht sie, dass zum einen dem Falscheintrag für den 28.2.2005 ein HVV-Ticket mit der Zeitangabe 13.30 Uhr unmittelbar beilag, der Widerspruch zum Reisezeitende (18.00 Uhr) also sehr offen zu Tage lag, und zum andern zur Erlangung von 6,- EUR Abwesenheitspauschale schon eine Veränderung/Verlängerung der Reisezeit um nur 30 Minuten ausgereicht hätte. Im Prüfbericht Nr. 59 v. 27.4.2006 heißt es dazu unter 2.3:
"In einem von zehn Reisekostenabrechungen wurden unplausible Angaben festgestellt. Das Ende der Dienstreise wurde in diesem Fall mit 18 Uhr angegeben. Die entsprechende Fahrkarte wurde bereits um 13.30 Uhr gelöst. Unter Berücksichtigung der üblichen Fahrzeit des Busses von etwa 30 Minuten wäre nach Auffassung der Revision ein Ende der Dienstzeit zwischen 14 Uhr und 14.30 Uhr plausibel gewesen. Das Dienstzeitende im Stundennachweis, welcher von dem Mitarbeiter geführt wird, ist mit 14.00 Uhr angegeben worden. Ein gesetzlicher Anspruch auf die Tagespauschale hätte ab einer Beendigung der Dienstreise ab 14.30 Uhr bestanden."
Soweit die Reisekostenabrechung "nach Auffassung der Revision" angeblich den Eindruck erwecken soll, das Ende der Dienstreise sei "unter Umständen aus diesem Grunde" (nämlich zur Erlangung der Tagespauschale) manipuliert worden, stellt die von ihrem Auftrag her nach Unregelmäßigkeiten suchende Revision vorsichtig ("unter Umständen") eine bloße, den Beteiligten zu 2) allerdings belastende Vermutung in den Raum, betrachtet hierbei die Abrechnung nur für sich genommen und übersieht dabei, dass der Beteiligte zu 2) in seinem etwa zeitgleich erstellten Stundennachweis als Ende der Arbeitszeit völlig korrekt die Zeit 14.00 Uhr eingetragen hat. Eine bloße Vermutung ersetzt aber noch keinen schlüssigen Vortrag für einen Abrechnungsbetrug (so ausdrücklich OLG Köln NJW-RR 2003, 398 ff., 401). Nach Einschätzung der Kammer geht ein die Zeiten bewusst zu seinem Vorteil manipulierender Betrüger auch anders vor. Die sehr erheblichen Diskrepanzen der vom Beteiligten zu 2) angegebenen Zeiten zeigen vielmehr, dass es sich gerade nicht um einen Täuschungsversuch bzw. eine Täuschung gehandelt hat. Dabei sei die Einzigartigkeit der fehlerhaften Reisekostenabrechnung hervorgehoben (eine von zehn) und der geringe Wert der Tagespauschale von 6,- EUR. Unter diesen Umständen liegt es nach der Lebenserfahrung sehr nahe, dass es sich beim Falscheintrag um einen Schreib- und Tippfehler gehandelt hat, so wie das vom Beteiligten zu 2) eingewandt worden ist: Nicht jeder durch eine Revision objektiv feststellbare - menschliche - Fehler ist zugleich auch von einer Absicht getragen.
Bloße Unkorrektheiten, die auf Unachtsamkeit, Nachlässigkeiten oder Irrtümern beruhen können, begründen jedoch keinen Abrechnungsbetrug. Denn einen nur fahrlässigen Betrugstatbestand gibt es nicht. Eine Absicht des Beteiligten zu 2) fehlt damit ebenso wie ein entsprechender Vorsatz. Die objektive Unrichtigkeit der Angaben des Beteiligten zu 2) allein vermag den vorgeworfenen Betrug nicht zu tragen.
Es ist somit in keiner Weise erkennbar, dass der Beteiligte zu 2) wichtige Nebenpflichten durch einen vorwerfbar schweren Verstoß gerade in grober Weise verletzt hat.
2.3 Eine Interessenabwägung unter Einbeziehung und Würdigung des hier einschlägigen Revisionsberichtes Nr. 59 v. 27.4.2006 führt ebenso dazu, dass die Kündigung ungerechtfertigt ist.
Eine konsequente Umsetzung dieses Berichtes ist nach eigener Einschätzung der Antragstellerin bislang nicht erfolgt und die Dokumentation gerade von Reisekostenabrechnungen danach in entscheidenden Punkten verbesserungswürdig. Denn gerade bei ihnen sind die einschlägigen Bestimmungen nicht in der erforderlichen Weise berücksichtigt worden (Pkt. 2 des Prüfberichts Nr. 59):
"Anhand von 210 Reisekostenabrechnungen (30 % aller Reisekostenabrechnungen des Jahres 2005) 65 verschiedener Mitarbeiter wird festgestellt, dass die Dokumentation zur Rechtfertigung von Dienstreisegründen und Reisekostenerstattungen nicht durchgehend den Anforderungen (BRKG, BVA-Prüfungen etc.) gerecht werden. So weisen 52 % (110 von 210) der geprüften Abrechnungen keine Dokumentation des Reisegrundes - beispielsweise in Form eines Teilnehmerzertifikates - auf. Bei 17 % der Abrechnungen (36 Fälle) fehlt es an einem Nachweis der Entfernungskilometer. Unterschriften, ... wurden ... nicht geleistet ..."
Bei Durchsicht des Prüfberichtes Nr. 59 fällt auch auf, dass Flugreisekosten (H.../M... bzw. N...) in einer Höhe von 1.155,55 EUR u.a. ohne Angabe eines Reisegrundes bei Fehlen einer Vergleichsberechnung unter Beteiligung einer Mitreisenden erstattet wurden, die nicht Mitarbeiterin des Unternehmens ist (5.1 des Prüfberichts).
Bei derartig allgemeinen Mängeln hinsichtlich der Abrechnung von Reisekosten im Betrieb der Antragstellerin ist es unverständlich, dass gerade die marginale Unregelmäßigkeit in einer einzigen Abrechnung des Beteiligten zu 2) von der Antragstellerin zum Anlass genommen worden ist, eine außerordentliche Kündigung des Personalratsvorsitzenden gem. § 47 Abs. 1 BPersVG in Erwägung zu ziehen und auch zu beantragen. Diese Vorgehensweise erscheint bei Abwägung aller Umstände und Gesichtspunkte überzogen und bei Würdigung aller Umstände unverhältnismäßig.
Unter diesen Umständen ist zu betonen, dass ein zielstrebiges Suchen nach Kündigungsgründen, welche Personalratsmitglieder betreffen, die Kündigung gerade eines Vorsitzenden des Personalrates schon für sich genommen unwirksam werden lassen kann. Vergleiche dazu OLG Köln, NJW-RR 2003, 398 ff., 399:
"Mit nicht zu übertreffender Deutlichkeit haben die Beklagten in der Berufungsinstanz vorgetragen, dass sie (teilweise mit geradezu detektivischen Mitteln) versucht haben, dem Kläger einen Abrechnungsbetrug nachzuweisen, weil sie sich unter allen Umständen fristlos von ihm trennen wollten. Allein dies rechtfertigt es, die fristlosen Kündigungen im Rahmen der gemäß § 626 BGB bzw. § 89a HGB vorzunehmenden Interessenabwägung als unverhältnismäßig und daher unwirksam anzusehen."
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Verfahren frei von Gebühren und Auslagen des Gerichts ist (§ 12 Abs. 5 ArbGG) und eine Erstattung der Aufwendungen der Beteiligten nicht vorgesehen ist (BVerwGE 4, 357, 359).