Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.04.2023, Az.: 2 Ws 116/23

Pflichtverteidiger; Beiordnung; Vollstreckungsverfahren; Erledigung; Maßregel; Unterbringung; Beiordnung eines Verteidigers im Fall der Erledigterklärung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
20.04.2023
Aktenzeichen
2 Ws 116/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 17247
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2023:0420.2WS116.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 21.03.2023 - AZ: 164 StVK 28/23

Fundstellen

  • RPsych 2023, 429-431
  • StRR 2023, 4
  • StraFo 2023, 232-234

Amtlicher Leitsatz

Die Mitwirkung eines Verteidigers im Verfahren zur Erledigung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist regelmäßig in entsprechender Anwendung des § 140 Abs. 2 StPO erforderlich, wenn die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wegen fehlender Erfolgsaussicht trotz Fortbestehens des Therapiewillens des Untergebrachten gem. § 67d Abs. 5 StGB für erledigt erklärt wird.

In der Straf- und Maßregelvollstreckungssache
gegen J. E. P.,
geboren am ...,
zurzeit Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie L., ...
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht XXX, den Richter am Oberlandesgericht XXX und den Richter am Landgericht XXX am 20. April 2023 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg vom 21.März 2023 im Ausspruch über die Nichtaussetzung der Reststrafe zur Bewährung aufgehoben; die Anordnung entfällt. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Das Landgericht Lüneburg hat den Verurteilten am 3. April 2020 wegen besonders schwerer räuberischen Erpressung in 4 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub, in einem anderen Fall in Tateinheit mit besonders schwerem Raub zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Nach den Feststellungen dieses Urteils leidet der Verurteilte seit geraumer Zeit an Polytoxikomanie. Die Taten beging der Verurteilte nach den Feststellungen des Landgerichts Lüneburg aufgrund seiner Abhängigkeitserkrankung und seiner dissozialen Seite, die noch keine Persönlichkeitsstörung, aber durchaus eine schwere andere seelische Abartigkeit darstellte, im Zustand eingeschränkter Schuldfähigkeit. Das Urteil ist seit dem 15. April 2020 rechtskräftig. Der Verurteilte wurde am 20. Oktober 2019 vorläufig festgenommen und befand sich vom Folgetag bis zum 22. März 2020 in Untersuchungshaft in vorliegender Sache. Im Anschluss wurde zwischen dem 23. März 2020 bis zum 9. November 2020 die Hälfte einer Jugendstrafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Leer vom 23. März 2017 (609 Ls 6/17) und im Anschluss daran ab dem 10. November 2020 bis zum 24. September 2021 die Hälfte einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 22. August 2019 (2641 Js 31476/19 VRs der Staatsanwaltschaft Hannover) vollstreckt. Seit dem 24. September 2021 wird die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie L. (im Folgenden PK-L) vollstreckt. Mit Beschlüssen vom 10. Februar 2022 und vom 13. Juli 2022 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg jeweils die Fortdauer der Unterbringung in der Entziehungsanstalt beschlossen.

In der Anhörung des Verurteilten am 9. Januar 2023 zur Frage der Fortdauer der Unterbringung räumte der Verurteilte ein, dass er am 6. Januar 2023 von einem Geländeausgang mit einem Mitpatienten nicht zurückgekehrt war, sich stattdessen bis zur Nacht vom 7. auf den 8. Januar 2023 in H. aufgehalten und Alkohol und Kokain konsumiert hatte. Daraufhin erforderte der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer bei der PK-L eine aktuelle Stellungnahme zu der Erfolgsaussicht der Unterbringung.

Mit Stellungnahme vom 13. Januar 2023 teilte die PK-L mit, der Verurteilte habe im Dezember 2022 vermehrt über Suchtdruck geklagt und sich der Therapie gegenüber ambivalent gezeigt, er habe immer wieder Abbruchsgedanken gehabt. Am 6. Januar 2023 sei der Verurteilte von einem Geländeausgang mit einem Mitpatienten nicht zurückgekehrt und habe stattdessen in H. Alkohol und Kokain konsumiert. Im Anschluss an die Rückkehr des Verurteilten in die PK-L sei bei diesem eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit führenden dissozialen und Borderline-Persönlichkeitsanteilen, eine leichte depressive Episode und ein einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung diagnostiziert worden. Diese Persönlichkeitsstörung des Verurteilten erschwere eine Ausbildung einer stabilen Behandlungsbeziehung. Seine weiterhin bestehende starke Suchtmittelabhängigkeit werde durch zwei Suchtmittelrückfälle während des Vollzuges der Unterbringung untermauert. Aktuell scheine der Verurteilte aber dazu bereit, sich auf die Therapie wieder einzulassen. Mit Beschluss vom 30. Januar 2023 ordnete die Strafvollstreckungskammer daraufhin, nachdem der Verurteilte auf die Durchführung einer mündlichen Anhörung verzichtet hatte, die Fortdauer der Unterbringung in der Entziehungsanstalt an.

Mit einer weiteren Stellungnahme zum Behandlungsverlauf vom 7. März 2023 empfahl die PK-L dann aber, die Unterbringung in der Entziehungsanstalt für erledigt zu erklären, weil keine hinreichende Aussicht auf einen therapeutischen Erfolg mehr bestehe. Am 20. Januar 2023 sei der Verurteilte auf eine andere Aufnahmestation verlegt worden. Er habe dann im Februar 2023 die Mitarbeit in einer Deliktsgruppe verweigert. Auch Gespräche mit der Stationsleitung und dem Oberarzt hätten nicht zu einer Klärung der Situation geführt. In einem Streit um das Fernsehprogramm habe er außerdem am 16. Februar 2023 einen Mitpatienten mit der Faust in das Gesicht geschlagen. Der Verurteilte beschäftige sich außerdem in den vergangenen Wochen in seiner Freizeit mit drogen- und szenetypischen Inhalten, was eine fehlende innere Distanzierung von einem Leben mit Drogen und Straftaten belege. Es liege ein therapieverweigerndes Verhalten des Verurteilten vor. Auch der Stationswechsel habe keine erkennbaren Fortschritte erbracht. Die Verlegung in einer anderen Maßregelvollzugseinrichtung würde keine anderen Ergebnisse zur Folge haben, weil die tief in der Persönlichkeit des Verurteilten verankerten dissozialen Persönlichkeitsanteile einer erfolgreichen Therapie - auch für den Fall eines Vollzuges der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus - im Wege stünden.

Der Verurteilte wurde daraufhin am 21. März 2023 mündlich von der Strafvollstreckungskammer angehört. Er gab an, sein Vertrauen in das Personal der PK-L sei zerstört. Man habe ihm in Aussicht gestellt, nach einer gewissen Zeit in der Aufnahmestation wieder auf die weiterführende Station verlegt zu werden. Das aber sei die Station, von der er geflohen sei, dies komme für ihn nicht in Frage. Er wolle die Therapie in einer anderen Einrichtung fortsetzen.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 21. März 2023 hat das Landgericht die Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt für erledigt erklärt, die Vollstreckung des Strafrestes nicht zur Bewährung ausgesetzt und ausgesprochen, dass mit der Entlassung des Verurteilten die - im angefochtenen Beschluss näher ausgestaltete - Führungsaufsicht eintritt. Gegen die Maßregelerledigung und die Nichtaussetzung des Strafrestes wendet sich der Verurteilte mit seiner am 27. März 2023 bei dem Landgericht Lüneburg eingegangenen sofortigen Beschwerde. Diese begründet er im Wesentlichen damit, dass noch im Januar 2023 die Fortdauer der Maßregel empfohlen worden sei und schon im März 2023 keine Erfolgsaussicht mehr gesehen werde. Er wolle die Therapie aber gerne fortsetzen. Nach seinem Rückfall im Januar 2023 sei er auf die Aufnahmestation verlegt worden, was auch einen Therapeutenwechsel zur Folge gehabt habe. In Teilen seiner Therapie sei er mit dem Personal seiner vorherigen Station in Kontakt gekommen und dabei sei ihm das Gefühl vermittelt worden, er habe eine Therapie nicht verdient. Er habe dann einen Verlegungsantrag gestellt, was die Stimmung gegen ihn verschlechtert habe. Der Auseinandersetzung am 16. Februar 2023 liege zugrunde, dass er ein Fernsehprogramm nicht habe sehen wollen, welches bei ihm Suchtdruck auslöse, allerdings sei sein Verhalten nicht in Ordnung gewesen. Die maßgebliche Verfasserin der Stellungnahme vom 7. März 2023, seine aktuelle Therapeutin, kenne ihn erst kurze Zeit.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die zulässig erhobene sofortige Beschwerde des Verurteilten hat lediglich den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen (vorläufigen) Erfolg.

1. Soweit sich der Verurteilte gegen die Erledigung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wendet, bleibt der Beschwerde der Erfolg versagt.

a) Es sind keine formalen Mängel der angefochtenen Entscheidung ersichtlich. Insbesondere lag ein Fall notwendiger Verteidigung in entsprechender Anwendung des § 140 Abs. 2 StPO nicht vor. Zwar ist auch im Vollstreckungsverfahren dem Verurteilten ein Verteidiger beizuordnen, wenn dies wegen Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage oder wegen der Unfähigkeit des Verurteilten, sich selbst zu verteidigen, geboten erscheint (Meyer-Goßner-Schmitt, StPO, 65. Aufl. § 142, Rn. 34 m.w.N.). Eine Schwierigkeit der Rechtslage ist regelmäßig auch anzunehmen, wenn eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wegen fehlender Erfolgsaussicht trotz Fortbestehens des Therapiewillens des Verurteilten gem. § 67d Abs. 5 StGB für erledigt erklärt wird. Denn eine solche Entscheidung ist von weitreichender Bedeutung für den Untergebrachten, weil sie die erstrebte Suchtbehandlung beendet, die dem Untergebrachten von Ärzten und Gerichten bescheinigte Aussichtslosigkeit der Therapie dessen Vorstellung von der Sinnlosigkeit seiner Bemühungen, von der Sucht loszukommen, verstärkt und regelmäßig die Möglichkeiten späterer Rehabilitationsmaßnahmen in einer stationären Drogeneinrichtung geschmälert werden (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22. Februar 2005 - 2 Ws 20/05 -, Rn. 5, juris; OLG Celle, Beschluss vom 11. Oktober 2022 - 3 Ws 413 - 414/22 -, Rn. 1, juris; Senatsbeschluss vom 3. Januar 2023 - 2 Ws 338/22, nicht veröffentlicht; einschränkend aber OLG Hamm, Beschluss vom 3. Januar 2008 - 3 Ws 707 - 709/07 -, Rn. 7, juris; KG Berlin, Beschluss vom 15. November 2001 - 1 AR 1413/01 - 5 Ws 715/01 -, Rn. 3, juris).

Voraussetzung der Notwendigkeit einer Mitwirkung eines Verteidigers bleibt aber - soweit wie vorliegend eine spezialgesetzliche Regelung (§ 463 StPO) fehlt - stets, dass der Verurteilte wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage oder aus sonstigen in seiner Person liegenden Gründen im Einzelfall zur eigenen Verteidigung außerstande ist (KK-StPO/Willnow, 9. Aufl. 2023, StPO § 140 Rn. 6, OLG Braunschweig, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - 1 Ws 343/14 -, Rn. 13, juris; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 3. Januar 2008 - 3 Ws 707 - 709/07 -, Rn. 8, juris). Verfassungsrechtlich ist es geboten, aber auch ausreichend, in Konstellationen in denen die Bestellung eines Verteidigers nicht gem. § 463 StPO zwingend ist, von Fall zu Fall zu entscheiden, ob die Bestellung eines Verteidigers erforderlich ist (BVerfG Beschl. v. 6.7.2009 - 2 BvR 703/09, BeckRS 2009, 38656, beck-online für die Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. §§ 67d Abs. 2, 67e StGB). Daran gemessen liegt hier ein Fall notwendiger Verteidigung nicht vor, weil der Verurteilte ausreichend in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen.

Die Entscheidung über die Erledigung der Unterbringung muss auf einer ausreichenden tatsächlichen Erkenntnisgrundlage, die den Gesamtverlauf der Therapiebemühungen berücksichtigt und die Stellungnahmen der Einrichtung umfassend und kritisch würdigt, ergehen (OLG Karlsruhe, a.a.O.). Dementsprechend kann der Untergebrachte in tatsächlicher Hinsicht bei der Anhörung zur Frage des Abbruchs der Maßregel nur dann sachgerechte Anträge stellen und die aus seiner Sicht notwendigen Gesichtspunkte zum Ausdruck bringen, wenn er die maßgeblichen Ausführungen - auch psychiatrischer Natur - in den Stellungnahmen der Maßregelvollzugseinrichtung zum Unterbringungsverlauf einschließlich des von diesen in Bezug genommenen Gutachtens des in der Hauptverhandlung tätigen Sachverständigen erfassen kann (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O.).

An der Fähigkeit des Verurteilten, die tatsächliche Grundlage der Entscheidung über die Erledigung zu erfassen und daran ausgerichtet sachgerechte Anträge zu stellen, bestehen vorliegend keine Zweifel. Der bisherige Vollzug der Maßregel über einen Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren sowie die mehrfach gem. §§ 67d, 67e StGB durchgeführten Überprüfungen haben keine konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Verurteilte nicht dazu fähig ist, seine Rechte wahrzunehmen.

Auch die Angaben des Verurteilten in der mündlichen Anhörung sowie die Begründung der von ihm selbst erhobenen sofortigen Beschwerde lassen erkennen, dass er sich intensiv mit der jeweils aktuellen Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung zum Behandlungsverlauf auseinandergesetzt hat. Auch schon in der Vergangenheit hat der Verurteilte sein rechtlich relevantes Verhalten an die aktuelle Vollstreckungssituation angepasst, indem er im Hinblick auf die Fortdauerentscheidungen vom 10. Februar 2022 und vom 13. Juli 2022 auf die Durchführung einer mündlichen Anhörung verzichtet hat, hingegen nach seiner - von ihm selbst mithin als relevant erkannten - Flucht im Januar 2023 die Durchführung einer mündlichen Anhörung am 9. Januar 2023 beantragt hat, dann aber - nachdem die Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung vom 13. Januar 2023 den weiteren Vollzug der Unterbringung empfohlen hatte - auf die Durchführung einer mündlichen Anhörung hinsichtlich der Fortdauerentscheidung vom 30. Januar 2023 wiederum verzichtet hat. Dies zeigt, dass der Verurteilte in der Lage ist, den Inhalt der jeweils aktuellen Stellungnahme der Vollzugseinrichtung zum Behandlungsverlauf inhaltlich zutreffend zur Kenntnis zu nehmen und sein Verhalten danach auszurichten.

Insbesondere der Inhalt der Beschwerdebegründung macht deutlich, dass der Verurteilte in der Lage war, seine bei der angefochtenen Entscheidung zu beachtenden Belange vorzutragen. Er hat die gespaltene Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses (Anfechtung der Erledigungs- und Strafrestaussetzungsentscheidung mit der sofortigen und Anfechtung der Entscheidung über den Eintritt und den Inhalt der Führungsaufsicht mit der einfachen Beschwerde) zutreffend erfasst. Er hat außerdem in seiner Beschwerdebegründung auf die Stellungnahme der Vollzugseinrichtung vom März 2023 Bezug genommen und diese ins Verhältnis zu der Stellungnahme aus dem Januar 2023 gesetzt.

Besonderheiten der Vollstreckungssituation, etwa ein unmittelbar bevorstehendes Ende des vikariierenden Zeitraums, so dass die weiterhin in der Maßregel verbrachte Zeit im Falle eines späteren Abbruchs die Dauer des Freiheitsentzuges insgesamt verlängern könnte (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.) sind vorliegend nicht gegeben.

Aus diesen Gründen hat der Senat keine Zweifel, dass der Verurteilte auch angesichts der erheblichen Bedeutung der Entscheidung über die Erledigung vorliegend ausreichend in der Lage war, seine eigenen Belange zu vertreten, so dass ein Fall notwendiger Verteidigung nicht gegeben ist.

b) Auch in der Sache ist die Entscheidung des Landgerichts über die Erledigung der Maßregel nicht zu beanstanden. Nach § 67d Abs. 5 StGB ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt zu erklären, wenn die Voraussetzungen des § 64 S. 2 StGB nicht mehr vorliegen, mithin, wenn keine hinreichend konkrete Aussicht mehr besteht, den Untergebrachten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen. Um das festzustellen, ist eine Prognose auf zuverlässiger Erkenntnisgrundlage erforderlich, wonach der Zweck der Maßregel aller Voraussicht nach nicht mehr erreicht werden kann. Bei der Prognoseentscheidung muss der Gesamtverlauf der bisherigen Maßregelvollstreckung berücksichtigt werden, wobei dem Ziel der Unterbringung, die süchtige Person zu heilen oder über eine erhebliche Zeitspanne vor einem Rückfall in den suchtbedingten Rauschmittelkonsum zu bewahren, erhebliche Bedeutung zukommt (vgl. Senat, Beschl. v. 22.2.2010 - 2 Ws 41/10, BeckRS 2010, 5990). Bei dieser Entscheidung hat das Gericht kein Ermessen. Das bedeutet, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht erst dann abzubrechen ist, wenn sie sich als zweifelsfrei aussichtslos erwiesen hat, sondern dass ihr weiterer Vollzug bereits unzulässig ist, sobald aus Gründen, die in der Person des Verurteilten liegen, eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht seiner Behandlung im Maßregelvollzug nicht mehr erkennbar ist (OLG Hamm, Beschluss vom 2. Juli 2019 - III-3 Ws 240 - 241/19 -, Rn. 13, juris m.w.N.).

Bei einer Gesamtbetrachtung des bisherigen Vollzugsverlaufs ist die Strafvollstreckungskammer in ihrer angefochtenen Entscheidung daher zurecht davon ausgegangen, dass eine Erfolgsaussicht im vorgenannten Sinn bei dem Verurteilten trotz von ihm selbst behaupteter Therapiebereitschaft in einer anderen Maßregelvollzugseinrichtung nicht mehr gegeben ist. Dabei ist zu beachten, dass der Verurteilte mit seiner Flucht und dem damit einhergehenden Suchtmittelrückfall vom Januar 2023 nicht etwa zum ersten Mal rückfällig geworden ist. Vielmehr berichtet schon die Stellungnahme der Vollzugseinrichtung zum Behandlungsverlauf vom 30. Juni 2022 davon, dass der Verurteilte selbst einen Rückfall durch den mehrfachen Konsum des synthetische Cannabinoide enthaltenden Suchtmittels "Spice" im Juni 2022 eingeräumt hat. Außerdem wird in der Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung vom 14. Dezember 2022 von einem, mit dem zeitweiligen Entzug von Lockerungen sanktionierten, Verstoß gegen Hausregeln im November 2022 berichtet, der darin bestand, dass der Verurteilte sich DVDs mit pornografischem Material von Mitpatienten hatte mitbringen lassen und zur Verdeckung dieses Umstands mehrfach sein Taschengeldbuch gefälscht hatte. In der Gesamtbetrachtung des Verhaltens des Verurteilten ergibt sich damit, dass der seit dem 24. September 2021 in der Maßregelvollzugseinrichtung untergebrachte Verurteilte nach etwa neun Monaten Unterbringungsdauer erstmals mit der Substanz "Spice" rückfällig geworden ist, er dann etwa fünf Monate später im November 2022 nicht unerheblich gegen Hausregeln verstoßen hat, wiederum etwa zwei Monate später Januar 2023 gelegentlich seines Entweichens aus dem Maßregelvollzug erneut - mit Kokain und Alkohol - rückfällig geworden ist und er schließlich im Februar 2023 einen Mitpatienten im Rahmen eines Streits um das Fernsehprogramm mit der Faust ins Gesicht geschlagen hat. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme der Strafvollstreckungskammer, therapeutische Bemühungen würden aufgrund der Persönlichkeit des Verurteilten auch in Zukunft von diesem abprallen und ein Wechsel der Therapieeinrichtung oder ein Vorgehen nach § 67a StGB verspräche keinen Erfolg, nicht zu beanstanden.

2. Soweit sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde gegen die in der angefochtenen Entscheidung erfolgte Ablehnung der Strafrestaussetzung wendet, hat sein Rechtsmittel allerdings - wenigstens vorläufig - Erfolg. Zwar kann dem Verurteilten mangels erfolgreich abgeschlossener Therapie keine positive Sozialprognose gestellt werden. Wie sich in der jüngsten Vergangenheit gezeigt hat, ist davon auszugehen, dass der Verurteilte in Freiheit erneut Betäubungsmittel konsumieren wird, und es steht zu befürchten, dass er - wie in der Vergangenheit auch - die Finanzierung des Konsums durch Straftaten decken wird.

Indes war eine entsprechende Entscheidung zum derzeitigen Zeitpunkt gemäß § 67 Abs. 5 StGB noch nicht veranlasst, weil unter Berücksichtigung anzurechnender Untersuchungshaft und der bisherigen Dauer des Maßregelvollzuges noch nicht die Hälfte der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren vollstreckt ist und außerdem nach jetzigem Stand über die Frage der Reststrafenaussetzung unter Berücksichtigung von § 454b Abs. 4 StPO gemeinsam mit der Gesamtfreiheitsstrafe des Amtsgerichts Hannover aus dem Urteil vom 22. August 2019 und - falls die Vollstreckung dieser Jugendstrafe gem. § 85 Abs. 6 JGG an die Staatsanwaltschaft abgegeben worden ist (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 2. Mai 2005 - 1 Ws 147/05 -, Rn. 10, juris) - auch mit der Jugendstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Leer vom 23. März 2017 (609 Ls 6/17) zu entscheiden sein wird.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S. 1 StPO. Die geringfügige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung hat im Ergebnis lediglich klarstellenden Charakter und führt nicht zu einem Teilerfolg des Rechtsmittels im Sinne von § 473 Abs. 4 StPO.

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).