Landgericht Hannover
Beschl. v. 08.12.2000, Az.: 20 T 2104/00 (99)
Voraussetzungen des Vorliegens eines Anspruchs auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens; Anforderungen an die Ausgestaltung eines insolvenzrechtlichen Schuldenbereinigungsplans
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 08.12.2000
- Aktenzeichen
- 20 T 2104/00 (99)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 32660
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2000:1208.20T2104.00.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hameln - 02.11.2000 - AZ: 37 IK 27/00
Rechtsgrundlage
- § 305 InsO
Fundstellen
- EWiR 2001, 773
- KTS 2001, 271
- NZI 2001, 39
- ZIP 2001, 208-209
In dem Verbraucherinsolvenz-Antragsverfahren
...
hat die 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 16.11.2000 - eingegangen am gleichen
Tage -
gegen
den Beschluß des Amtsgerichts Hameln vom 2.11.2000 (Az.: 37 IK 27/00)
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...,
die Richterin am Landgericht ... und
den Richter ...
am 08.12.2000
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Amtsgerichts Hameln vom 2.11.2000 (Az.: 37 IK 27/00) aufgehoben.
Das Verfahren wird zur Fortsetzung des Verschluss an das Amtsgericht Hameln zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer wendet sich gegen die Abweisung seines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse.
Er beantragte mit Schriftsatz vom 8.03.2000 die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens (§305 InsO). Nach Scheitern eines ersten Schuldenbereinigungsplanes mangels Zustimmung der erforderlichen Anzahl der am Verfahren beteiligten Gläubiger reichte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 20.07.2000 einen geänderten bzw. ergänzten Schuldenbereinigungsplan beim Insolvenzgericht ein. Nachdem auch dieser abgelehnt worden war, übersandte er dem Insolvenzgericht unter dem 27.09.2000 einen weiteren, nachgebesserten Schuldenbereinigungsplan. Zugleich wies er darauf hin, dass sich nunmehr zwei Gläubiger, die Volksbank Baden-Baden Rastatt eG sowie die L-Bank bereiterklärt hätten, der darin erzielten Einigung - Einmalzahlung in Höhe von 80.000,00 DM, zahlbar in drei Monatsraten - zuzustimmen. Wegen des Inhaltes des letztgenannten Schuldenbereinigungsplanes wird auf Blatt 66 der Akte Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat dem Beschwerdeführer mit Beschluß vom 28.09.2000 aufgegeben, Kostenvorschuß zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens zu leisten und zugleich auf die kostenpflichtige Abweisung des Insolvenzantrages bei Nichtzahlung hingewiesen. Seine dagegen am 11.10.2000 eingelegte sofortige Beschwerde hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 23.10.2000 zurückgenommen, Kostenvorschuß hat er nicht eingezahlt.
Das Amtsgericht hat daraufhin den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse mit Beschluß vom 2.11.2000 abgewiesen. Dazu hat es ausgeführt, es sei über die Verfahrenseröffnung zu entscheiden gewesen, da das Gesetz keinen dritten Schuldenbereinigungsplan erlaube. Hinzukomme, dass der eingereichte Schuldenbereinigungsplan nicht den Inhalt des Vorschlags des Planes richtig wiedergebe.
Mit seiner dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde macht der Antragsteller geltend, das Insolvenzgericht sei zur Zustellung auch eines weiteren, nachgebesserten Schuldenbereinigungsplanes verpflichtet, da mit der Volksbank Baden-Baden Rastatt eG und der L-Bank zwei Gläubiger mitgeteilt hätten, einem nachgebesserten Schuldenbereinigungsplan zuzustimmen. Der nachgebesserte Plan entspreche auch dem Vorschlag, den die Gläubiger angenommen hätten.
II.
Die gemäß §§6 Abs. 1, 34 Abs. 1, 2. Alternative, 26 Abs. 1 Satz 1 InsO statthafte und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers hat auch in der Sache Erfolg.
Denn entgegen der Auffassung des Insolvenzgerichtes ist der vom Schuldner unter dem 27.09.2000 vorgelegte nachgebesserte Schuldenbereinigungsplan den am Verfahren beteiligten Gläubigern zuzustellen, §307 Abs. 3 InsO, über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§311 InsO) ist mithin noch nicht zu entscheiden.
Der Wortlaut des §307 Abs. 3 InsO ist hinsichtlich der Frage, ob nach einem bereits nachgebesserten Schuldenbereinigungsplan eine erneute Ergänzung bzw. Änderung durch den Schuldner statthaft ist, nicht eindeutig. §307 Abs. 3 InsO bestimmt lediglich, dass dem Schuldner Gelegenheit zu geben sei, den Schuldenbereinigungsplan binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist zu ändern oder zu ergänzen. Dies läßt zwar durchaus dem vom Amtsgericht gezogenen Schluß zu, das Gesetz gehe nach gescheitertem Schuldenbereinigungsplan regelmäßig nur von einem Nachbesserungsversuch aus, schließt jedoch nach Ansicht der Kammer auch nicht aus, dass eine weitere Änderung unter besonderen Umständen, die vorliegend als gegeben anzunehmen sind, zuzulassen ist.
Auch die einschlägige Kommentierung ist, wie das Amtsgericht zutreffend herausgestellt hat, durchaus uneinheitlich: Während teilweise eine weitere Stellungnahmerunde ausdrücklich abgelehnt wird (Grote, in: Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Auflage 1999, §307, Rn. 20) oder festgestellt wird, es werde im allgemeinen kein Anlaß bestehen, dem Schuldner eine weitere Nachbesserung zu gestatten (Eickmann/Flessner/Ischlinger/Kirchhof/Kraft/Landferman/Marotzke,InsolvenzordnungInsolvenzordnung, 1999, §307, Rn. 10), vertreten Nerlich/Römermann die Auffassung, die InsO sehe einen Regelsatz, wonach eine zweite Gelegenheit zur Nachbesserung nur ausnahmsweise eingeräumt werden dürfe, nicht vor (in: Insolvenzordnung, Stand Mai 2000, §307, Rn. 20).
Es kann dahinstehen, wieviele "Stellungnahmerunden" und "Nachbesserungsversuche" regelmäßig durchzuführen bzw. zu gestatten sind, bevor das Schuldenbereinigungsverfahren als gescheitert anzusehen und von Amts über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entscheiden ist, §311 InsO. Denn vorliegend sind nach Auffassung der Kammer besondere Umstände gegeben, die ausnahmsweise die Zustellung eines weiteren Schuldenbereinigungsplanes erlauben.
Zum einen nämlich ist zu berücksichtigen, dass vorliegend über einen Eigenantrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entscheiden ist. Bei einem solchen Antrag aber sind die Interessen der beteiligten Gläubiger an der Beschleunigung des Verfahrens regelmäßig geringer einzuschätzen als in dem Fall, in dem sie selbst die wirtschaftliche Situation des Schuldners als so kritisch und ihre Ansprüche als derart gefährdet ansehen, dass sie von sich aus den Weg in das Insolvenzverfahren wählen. Hinzukommt, dass es der Insolvenzschuldner in diesem Falle in der Hand hat, nach Scheitern des erstmals nachgebesserten Schuldenbereinigungsplanes seinen Antrag auf Durchführung des Insolvenzverfahrens zurückzunehmen und den zum zweiten Male ergänzten bzw. geänderten Plan zur Grundlage eines neuen Insolvenzantrages zu machen. Damit aber würde noch mehr Zeit verstreichen, bis sich die Verfahrensbeteiligten einigten, dem berechtigten Interesse der Gläubiger am zügigen Verfahrensablauf wäre mithin noch weniger Genüge getan.
Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass auf Grundlage des unwidersprochenen Vertrags des Schuldners sowie der Stellungnahmen der beteiligten Gläubigern zu dem (abgelehnten) zweiten Schuldenbereinigungsplan von einer Einigung für den Fall einer einmaligen Zahlung von 80.000,00 DM auszugehen ist. Daher ist nicht ersichtlich, wie den Interessen des Gläubigers am zügigen Verfahrensabschluss besser gedient sein könnte als mit der Zustellung des nachgebesserten Planes, zumindest wenn dieser - wie hier - derart hohe Erfolgsaussichten hat. Dieser Sichtweise steht im übrigen auch nicht entgegen, dass zwei der beteiligten Gläubiger auch einem dritten Schuldenbereinigungsplan aller Voraussicht nach widersprechen werden. Denn insgesamt werden mehr als die Hälfte der benannten Gläubiger, die überdies mehr als die Hälfte der Ansprüche auf sich vereinen, voraussichtlich zustimmen, wobei bislang weder eine nicht angemessene Beteiligung noch eine Schlechterstellung der widersprechenden Gläubiger bei Durchführung des Schuldenbereinigungsplanes glaubhaft gemacht worden ist (§309 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 InsO).
Vor diesem Hintergrund ist der nachgebesserte Schuldenbereinigungsplan erneut zuzustellen. Denn das Gericht hat - wie schon hinsichtlich der Frage der Zustellung der ersten Ergänzung - ein Ermessen und muß die Wahrscheinlichkeit einer Einigung mit der Pflicht der zügigen Durchführung des Verfahrens abwägen (so zur ersten Nachbesserung: Grote, a.a.O., §307, Rn. 16). Es muß also nicht nur, wie das Amtsgericht insoweit zutreffend ausgeführt hat, ein verfahrensverzögerndes "Stellungnahmekarussel" vermeiden, sondern es muß auch berücksichtigen, dass das Schuldenbereinigungsverfahren ja gerade das kostenintensivere und für alle Beteiligten aufwendigere Insolvenzverfahren vermeiden soll. Dies aber hat das Amtsgericht in Anbetracht der besonderen Umstände dieses Falles nicht hinreichend getan.
Im übrigen hat es zu Unrecht angenommen, der eingereichte Schuldenbereinigungsplan gäbe den Inhalt des Vorschlags des Schuldners nicht richtig wieder: denn ausweislich der Schreibens der Sparkasse Rastatt-Gernsbach vom 21. August 2000 sowie der Volksbank Baden-Baden vom 17. August 2000 sollte der Betrag von etwa 80.000,00 DM anteilsmäßig auf die vier Gläubiger verteilt werden. Genau dies aber sieht der Schuldenbereinigungsplan vor, indem er den nicht verzichtenden bzw. nicht zurücktretenden Gläubigern eine anteilige Quote der Befriedigung zubilligt.
Die Entscheidung des Amtsgerichts konnte daher nicht aufrechterhalten werden.
Richter