Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 08.09.2011, Az.: 71 IN 138/06
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 08.09.2011
- Aktenzeichen
- 71 IN 138/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 45178
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Im Insolvenzverfahren ist die Anhörungsrüge nach § 321 a Abs. 1 ZPO i. V. m. § 4 InsO statthaft.
2. Ein Anspruch auf kostenfreie Übersendung von Ablichtungen des Schlussverzeichnisses besteht nicht (Bestätigung von AG Göttingen, Beschl. v. 07.04.2011 - NZI 2011, 542 = ZInsO 2011, 1019).
Tenor:
Die Rüge der Erinnerungsführerin wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs wird als unbegründet zurückgewiesen. Die Kosten dieses Verfahrens hat die Erinnerungsführerin zu tragen.
Gründe
Die Erinnerungsführerin meint, ihr sei durch die versehentliche Unterlassung der Mitteilung der Stellungnahme des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Göttingen in entscheidungserheblicher Weise das rechtliche Gehör abgeschnitten worden, weil sie bereits dann die erst in dem - unzulässigen - Beschwerdeverfahren vorgebrachten Argumente vor Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung hätte geltend machen können.
I.
In dem hier vorliegenden Nachlassinsolvenzverfahren - wobei zur weiteren Sachdarstellung auf die Gründe des Beschlusses vom 07.04.2011 verwiesen wird - war mit Beschluss vom 07.04.2011 die Erinnerung der Erinnerungsführerin gegen die Kostenrechnung des Amtsgerichts Göttingen auf Kosten der Erinnerungsführerin zurückgewiesen worden (AG Göttingen NZI 2011, 542 = ZInsO 2011, 1019 ). Die Erinnerungsführerin hatte begehrt, ihr die auf ihren Antrag hin gefertigten 69 Seiten Kopien, die mit Kostenrechnung vom 08.03.2011 in Höhe von 27,85 € in Ansatz gebracht worden waren, kostenfrei zur Verfügung zu stellen.
Nachdem die Erinnerungsführerin bereits vor Erlass des Beschlusses und dann auch in ihrer Beschwerde vom 19.05.2011 vorgetragen hatte, dass dieser Beschluss verfassungswidrig sei, er verletze grundlegend das Grundrecht auf Gehör und stelle eine Verhöhnung des rechtsuchenden Bürgers dar, verwarf die Beschwerdekammer des Landgerichts Göttingen die Beschwerde als unzulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 € nicht übersteige und auch die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung nicht besonders zugelassen worden sei (LG Göttingen, Beschl. v. 25.05.2011 - 10 T 43/11).
Die vormalige Beschwerdeführerin bittet nunmehr um Bescheidung ihrer im laufenden Beschwerdeverfahren anhängig gemachten Anhörungsrüge, wobei sie die in der Beschwerdebegründung vorgetragenen Argumente wiederholt bzw. darauf verweist.
II.
Die Anhörungsrüge nach § 321 a Abs. 1 ZPO i. V. m. § 4 InsO ist statthaft und zulässig, jedoch mangels Entscheidungserheblichkeit des Vorbringens der Erinnerungsführerin unbegründet.
Die durch § 4 InsO vorgenommene Verweisung bezieht sich zwar grundsätzlich nur auf das Insolvenzverfahren selbst, nicht hingegen auf Streitigkeiten außerhalb oder anlässlich des Insolvenzverfahrens, jedoch mag im Zuge der Entscheidung BGHZ 150, 136 = ZInsO 2002, 371, auch für den vorliegenden Fall der Anfechtung einer im Insolvenzverfahren entstandenen Kostenrechnung die Statthaftigkeit dieses außerordentlichen Rechtsbehelfs noch bejaht werden. Die Rüge ist auch rechtzeitig innerhalb der von § 321 a Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Notfrist nach Erkenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs rechtzeitig eingelegt und damit zulässig.
Die Rüge ist jedoch unbegründet.
Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass erst nach Kenntnis der Stellungnahme des Bezirksrevisors weitere vermeintliche entscheidungserhebliche Argumente hätten vorgebracht werden können - dagegen spricht, dass die Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführerin bereits vorab die Kostenrechnung als verfassungsrechtlich bedenklich, weil das Recht der Partei auf rechtliches Gehör einschränkend, gekennzeichnet hatte - verfangen die im nachgereichten Beschwerdeschriftsatz vom 19.05.2011 vorgebrachten Argumenten nicht.
Die Auferlegung der Kosten für 69 Seiten Ablichtungen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. GKGKV 9000 Nr. 1 in Höhe von 27,85 € ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, so dass auch der umfangreiche Vortrag im Schriftsatz vom 19.05.2011 zu keiner anderen als der getroffenen Entscheidung geführt hätte.
Die Beschwerdeführerin verkennt noch immer, dass ihr kein Anspruch auf kostenfreie Übersendung von Ablichtungen des Schlussverzeichnisses zusteht, vielmehr hat der Gesetzgeber durch die mit Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 und im Rahmen des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 05.05.2004 eingefügten Vorschriften auch unter dem Blickwinkel des 2. Justizmodernisierungsgesetzes vom 22.12.2006 Kostenregelungen für die Aktenversendung und auch für die Erstellung von Ablichtungen festgeschrieben, die grade vom Antragstellenden zu tragen sind, nicht aber von der Allgemeinheit, sprich der Staatskasse.
Der Erinnerungsführerin stand damit frei, Akteneinsicht zur Befriedigung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör zu verlangen, sie konnte aber auch begehren, dass auf ihre Kosten entsprechende Ablichtungen gefertigt werden, wenn ihr der dritte Weg, Akteneinsicht vor Ort bei Gericht vorzunehmen, zu zeitaufwändig und umständlich erschien.
Das Argument der Erinnerungsführerin, sie hätte dann mittels ihrer Rechtsanwältin bereits eine einfache Fahrtstrecke von der Kanzlei bis zum Amtsgericht Göttingen mit 330 km zurücklegen müssen, die Fahrtdauer per ICE von Berlin-Hauptbahnhof bis Göttingen-Hauptbahnhof dauere gleichfalls mehr als zwei Zeitstunden zuzüglich Taxitransfer, verkennt, dass sie unschwer zur Akteneinsicht eine Bevollmächtigte oder einen Bevollmächtigten vor Ort hätte beauftragen können.
Worin hier eine unzumutbare Behinderung des Rechts der Erinnerungsführerin auf Akteneinsicht und Kenntnisnahme von rechtlich relevanten Akteninhalten liegen soll, bleibt dem Gericht verschlossen.