Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 07.07.2011, Az.: 71 IN 66/11 NOM
Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters entfällt bei Verschweigen der Ankündigung eines Zahlungsvergleichs durch den Schuldner bei seinem Antrag auf Bestellung; Entfallen der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters bei Verschweigen der Ankündigung eines Zahlungsvergleichs durch den Schuldner bei seinem Antrag auf Bestellung; Begründung eines Anspruchs auf Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters durch eine kurzfristige Tätigkeit mit minimalem Aufwand
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 07.07.2011
- Aktenzeichen
- 71 IN 66/11 NOM
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 26972
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOETT:2011:0707.71IN66.11NOM.0A
Rechtsgrundlagen
- § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO
- § 63 InsO
- § 64 InsO
Fundstellen
- NZI 2011, 716-717
- ZInsO 2014, 743-744
- ZVI 2011, 393-394
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die Vergütung des vorläufigen Verwalters entfällt, wenn er bei seinem Antrag auf Bestellung wesentliche Umstände wie die Ankündigung eines Zahlungsvergleichs durch den Schuldner verschwiegen hat.
- 2.
Im Übrigen begründet auch eine nur kurzfristige Tätigkeit mit minimalem Aufwand keinen Anspruch auf Vergütung des vorläufigen Verwalters
Tenor:
In dem Insolvenzantragsverfahren ... wird der Vergütungsantrages des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 01.06.2011 auf Festsetzung einer Vergütung in Höhe von 1.368,50 EUR incl. Auslagen und Mehrwertsteuer abgelehnt.
Gründe
Mit dem genannten Antrag verfolgt der vorläufige Insolvenzverwalter für den Zeitraum vom 25.05.2011 bis 29.05.2011 Vergütung für die vorläufige Insolvenzverwaltung in Höhe der Mindestvergütung zuzüglich Auslagenpauschale und gesetzlicher Mehrwertsteuer. Zur Begründung führt er an, es seien mehrfach Gespräche mit der Antragstellerin sowie der Schuldnerin, einer GmbH, über die Rücknahme des Antrags geführt worden. Ferner habe der vorläufige Verwalter letztendlich die Verantwortung und ein nicht unbeachtliches Haftungsrisiko zu tragen gehabt, so dass selbst unter Berücksichtigung der sehr kurzen Zeit der Verwaltung eine Vergütung angezeigt sei.
I.
Mit Antrag vom 09.05.2011 begehrte die AOK Niedersachsen wegen säumiger Sozialversicherungsbeiträge einschließlich Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten von insgesamt 28.543,42 EUR, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die Gemeinschuldnerin zuzulassen. Diese betreibt eine Industrie- Hallenreinigung mit insgesamt 4 Arbeitnehmer/innen.
Einen auf den 17.05.2011 anberaumten Termin zur Anhörung über den Antrag der Gläubigerin ließ die Schuldnerin ohne jede weitere Nachricht verstreichen. Mit Beschluss vom 17.05.2011 bestellte das Gericht den späteren vorläufigen Insolvenzverwalter zum Sachverständigen und gab ihm auf, binnen 6 Wochen ein Gutachten über die Vermögenslage der Schuldnerin zu erstellen. Mit Fax vom 24.05.2011, eingegangen gegen 17.04 Uhr, beantragte der Sachverständige die Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung, weil er nach Erhalt des Beschlusses, mit dem er zum Sachverständigen bestellt worden war, nämlich am 20.05.2011, mit der Geschäftsführerin der Schuldnerin telefonische Rücksprache gehalten habe. In diesem Gespräch habe die Geschäftsführerin erklärt, dass der Geschäftsbetrieb nicht eingestellt sei, 4 Arbeitnehmer seien noch angestellt, die Schuldnerin erwirtschafte weiterhin Umsätze in Höhe von rund 10.000 EUR monatlich, Folgeaufträge seien vorhanden. Aufgrund dieser Mitteilung ordnete das Gericht am 25.05.2011, den Verwalter per Fax zugegangen um 9.42 Uhr, die vorläufige Verwaltung an. Per Fax vom 26.05.2011, 8.11 Uhr, teilte die Gläubigerin mit, dass die Forderung beglichen worden sei, die Schuldnerin habe sich bereit erklärt, die Kosten zu tragen. Eine gleichlautende Mitteilung seitens der Gläubigerin erging an den Verwalter am 26.05.2011 gleichfalls per Fax.
Die vorläufige Verwaltung ist danach förmlich mit Aufhebungsbeschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 30.05.2011 beendet worden.
Auf Nachfrage des Gerichts hat der vorläufige Verwalter erklärt, dass die Schuldnerin bereits beim ersten Telefonkontakt am Freitag, 20.05.2011, angegeben gehabt habe, dass sie sich mit der Gläubigerin bereits dergestalt geeinigt habe, dass die Gläubigerin nach Zahlung eines höheren Betrages den Antrag für erledigt erklären werde. Unter Berücksichtigung dieser Information habe der Verwalter der Geschäftsführerin Zeit bis Dienstag, 24.05.2011, gegeben, eine entsprechende Erklärung der Antragstellerin vorzulegen. Diese sei bis kurz vor Büroschluss des Verwalters am 24.05.2011 nicht eingegangen. Demzufolge habe er an diesem Tage um 17.04 Uhr per Fax den Antrag auf Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung bei Gericht gestellt.
II.
Der Vergütungsantrag für die vorläufige Verwaltung ist zurückzuweisen, weil die besonderen Umstände des Falles hier gebieten, die Vergütung auf 0 zu setzen.
Die Vergütung des vorläufigen Verwalters bestimmt sich nach §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 63, 64 InsO i.V.m. der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung (InsVV). Hierbei beträgt die Mindestvergütung des § 2 Abs. 2 InsVV 1.000,00 EUR, die grundsätzlich auch für den vorläufigen Verwalter ungekürzt gilt (BGH ZInsO 2006, 811, 816). Gemäß § 11 Abs. 3 InsVV sind Art, Dauer und Umfang der Tätigkeit des vorläufigen Verwalters bei der Vergütungsfestsetzung zu berücksichtigen. Ferner können gemäß §§ 10, 3 InsVV je nach Sachlage Zu- bzw. Abschläge festgesetzt werden, besondere Umstände, die die Tätigkeit des vorläufigen Verwalters kennzeichnen, sind zu berücksichtigen (BGH ZInsO 2004, 265).
Unter Abwägung der Umstände des Einzelfalles ist im vorliegenden Fall selbst die vom vorläufigen Verwalter beantragte Mindestvergütung in Höhe von 1.000,00 EUR zzgl. Auslagenpauschale und gesetzlicher Mehrwertsteuer nicht anzuerkennen, weil der vorläufige Verwalter hier treuwidrig seine entsprechende Bestellung durch Antrag vom 24.05.2011 erschlichen und auch die weitere Tätigkeit des Verwalters eine Vergütung neben seiner ohnehin zu vergütenden Tätigkeit als Sachverständiger nicht gebietet.
Wie der Verwalter selbst im Nachgang nunmehr einräumt, ist ihm bereits beim ersten telefonischen Kontakt mit der Schuldnerin am Freitag, 20.05.2011, mitgeteilt worden, dass sich die Geschäftsführerin der Schuldnerin mit der Antragstellerin geeinigt gehabt habe. Ein höherer Betrag solle gezahlt werden.
Diese Umstände finden sich nicht im Antragsschreiben vom 24.05.2011, vielmehr gibt der vorläufige Verwalter dort nur an, dass der Geschäftsbetrieb nicht eingestellt sei, er laufe ohne Einschränkungen, die Schuldnerin erwirtschafte hohe Umsätze. Das Unterlassen dieser entscheidenden Mitteilung hat maßgeblich dazu geführt, dass die Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter erfolgte, ohne den Umstand der offenkundig angekündigten und auch glaubhaften Erledigung der Hauptsache in die Entscheidung mit einfließen zu lassen. Damit verhinderte der Insolvenzverwalter grade, dass der bei derartigen Anordnungen zu beachtende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im vorliegenden Verfahren umfassend geprüft und erörtert werden konnte. Eine Sicherungsmaßnahme nach § 21 Abs. 1 Satz 1 InsO ist nur dann im verfassungsrechtlichen Sinne verhältnismäßig, wenn sie geeignet, erforderlich und angemessen ist (Bundesverfassungsgericht NJW 2001, 745, [BVerfG 06.11.2000 - 1 BvR 1746/00] BGH ZInsO 2002, 819, 822; Schmerbach, FK-InsO, 6. Auflage, § 21, RZ 32 ff.; Hamb-Kommentar /Schröder, 2. Auflage, § 21, Randnr. 22 ff.).
Insbesondere wäre hier auch gefordert gewesen, dass der vorläufige Verwalter dem Gericht Mitteilung darüber macht, dass der Geschäftsführerin der Schuldnerin eine Frist bis Dienstag, 24.05.2011, gewährt worden war, entsprechende Erledigungserklärung vorzulegen. Wenn dann der Insolvenzverwalter bereits am selben Tage um 17.04 Uhr per Fax einen Antrag auf Einrichtung der vorläufigen Insolvenzverwaltung stellt, handelt er treuwidrig, denn er hätte zumindest noch den Ablauf dieses Tages abwarten und vor allem auch die Umstände der angekündigten Zahlung näher benennen müssen.
Durch dieses Verhalten verursachte er die Anordnung der vorläufigen Verwaltung mit Beschluss vom 25.05.2011, zugegangen beim Insolvenzverwalter um 9.42 Uhr. Die vom Insolvenzverwalter danach entfalteten Tätigkeiten, die er nunmehr auf Nachfrage vorbringt, nämlich Anschreiben der Schuldnerin, der Hausbank und übersenden eines Musterliquiditätsplans nebst Checklisten, vermögen eine besondere Tätigkeit im Rahmen der vorläufigen Insolvenzverwaltung nicht zu begründen, zumal offenkundig gleichzeitig die Meldung über die Erledigung der Hauptsache auch beim Insolvenzverwalter einging. Unter Berücksichtigung dieses Zeitablaufs ist auch nicht aus dem Umstand, dass der hier neben seinem Sachverständigenamt als vorläufiger Insolvenzverwalter tätige Rechtsanwalt ein besonderes Haftungsrisiko für die Dauer der vorläufigen Insolvenz getragen hätte, denn der Fall erledigte sich am selben Tage in der Hauptsache. Worin hier ein besonderes, auch nur im entfernten Ansatz konkretisierbares Haftungsrisiko liegen soll, bleibt unerfindlich.
Nach allem ist im vorliegenden Fall der Vergütungsantrag des vorläufigen Verwalters zurückzuweisen, der Verwalter hat sich auf seine davon unabhängig entstandene Sachverständigenvergütung zu beschränken.