Amtsgericht Nordenham
Urt. v. 16.01.2002, Az.: 4 F 260/01 UEUK
Berechnung der Vermögensverhältnisse wegen Gewährung von Unterhalt nach einer Scheidung; Komplex der gesamten Vermögensverwaltung
Bibliographie
- Gericht
- AG Nordenham
- Datum
- 16.01.2002
- Aktenzeichen
- 4 F 260/01 UEUK
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 29062
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGNOHAM:2002:0116.4F260.01UEUK.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1629 Abs. 3 BGB
- § 1361 BGB
Fundstelle
- FamRZ 2002, 896-897 (Volltext mit red. LS)
In der Familiensache hat
das Amtsgericht Nordenham
auf die mündliche Verhandlung vom 16.01.2002
durch
die Direktorin des Amtsgerichts Dr. Nolte-Schwarting
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen monatlichen Trennungsunterhalt von je 303,00 DM (154,92 Euro) für Juli bis September 2001 und von 670,00 DM (342,57 Euro) ab Oktober 2001 zu zahlen.
- 2.
Er wird weiter verurteilt, an die Klägerin für die Kinder ..., geb. 27.03.1998 und ..., geb. 25.02.1999 einen monatlichen Kindesunterhalt von 155,00 DM (79,25 Euro) je Kind für Juli bis September 2001 und von 271,00 DM (138,56 Euro) je Kind ab Oktober 2001 zu zahlen.
- 3.
Rückständige Beträge sind sofort fällig und an den Landkreis Wesermarsch, Sozialamt, zu zahlen. Künftig fällig werdender Unterhalt ist monatlich im Voraus am ersten eines Monats an die Klägerin zu zahlen.
- 4.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
- 5.
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
- 6.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 32 % und der Beklagte 68 %.
- 7.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien sind Eheleute, die getrennt leben. Die Klägerin macht Unterhalt für sich und die beiden gemeinsamen Kinder ... geb. 27.03.1998 und ..., geb. 25.02.1999 geltend, und zwar für den Zeitraum ab Juli 2001.
Die Ehe wurde 1997 geschlossen. Am 22.06.2000 zog die Klägerin aus der Ehewohnung aus. Die Klägerin bezieht für sich und die Kinder Sozialhilfe bzw. Unterhaltsvorschuß. Mit Schreiben vom 29.03.2001 erklärte der Landkreis Wesermarsch noch, zur Zeit keine Unterhaltsansprüche gegen den Beklagten geltend machen zu wollen, behielt sich aber eine erneute Überprüfung vor. Am 13.07.2001 übertrug er auf die Klägerin die übergegangenen Unterhaltsansprüche zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung. Unterhalt wurde bisher nicht gezahlt.
Die Klägerin ist nicht berufstätig. Der Beklagte ist Angestellter der Stadt Nordenham. Er war Eigentümer von vier vermieteten Eigentumswohnungen, von welchen inzwischen eine veräußert ist.
Die Klägerin trägt vor,
der Beklagte habe - wie sich aus seiner dem Landkreis gegenüber erteilten Auskunft ergebe - ein monatliches Nettogehalt von 3.132,91 DM, unter Einschluß des Weihnachts- und Urlaubsgeldes von 3.394,07 DM im Jahr 2001. Unter Absetzung von 5 % berufsbedingten Aufwendungen seien 3.224,37 DM zugrunde zu legen. Nur dieses Einkommen sei ohne weitere Abzüge für die Unterhaltsberechnung maßgebend. Verbindlichkeiten des Beklagten werden bestritten. Prüfbare Belege habe er nicht vorgelegt. Eine Darlehensverbindlichkeit gegenüber den Eltern sei an der Immobilie abgesichert, die inzwischen verkauft sei. Sie müsse annehmen, daß mit dem Verkauf auch das Darlehen zurückgeführt worden sei. Das voreheliche Darlehen bei der OLB sei nicht familienbezogen und dürfe die Unterhaltsansprüche nicht schmälern. In das Darlehen bei der City-Bank habe sie nicht eingewilligt, auch dieses habe keinen Familienbezug. Das PKW Darlehen sei überflüssig gewesen, weil der Beklagte für den davor gefahrenen Volvo 25.000,00 DM erlöst habe. Im übrigen habe der Beklagte inzwischen über ein Jahr Zeit gehabt, sich auf die Situation einzustellen und eine Umschulung vorzunehmen, insbesondere auch das Insolvenzverfahren zu betreiben. Dieses sei ihm gerade im vorliegenden Fall zuzumuten, weil er unter Berücksichtigung der zum 1.1.2002 angehobenen Pfändungsfreigrenze damit rechnen könne, bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen ganz von seinen Verbindlichkeiten befreit zu werden und dabei trotzdem noch den verlangten Unterhalt zahlen zu können.
Die Klägerin beantragt,
eine einstweilige Anordnung dahingehend zu erlassen, daß der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 877,00 DM ab 1.11.2001 zu zahlen und Kindesunterhalt für ... geb. 27.03.1998 und ..., geb. 25.02.1999 ab 1.11.2001 in Höhe von 353,00 DM je Kind.
Sie beantragt ferner in der Hauptsache,
- 1.
der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 877,00 DM ab dem 01.07.2001, jeweils zum ersten eines Monats zu zahlen;
- 2.
der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Kinder ..., geb. am 27.03.1998, und ..., geb. am 25.02.1999, ab dem 01.07.2001 einen monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von je 353,00 DM jeweils zum Monatsersten zu zahlen. Die Zahlungen sind an den Landkreis Wesermarsch zu erbringen, soweit für die Vergangenheit Unterhaltsansprüche aufgrund Gewährung von Sozialhilfeleistungen bzw. Unterhaltsvorschußleistungen auf den Landkreis Wesermarsch übergangen sind.
Der Beklagte beantragt
Zurückweisung der Anträge.
Er trägt vor,
sein durchschnittliches Nettoeinkommen belaufe sich nur auf rund 2.700,00 DM. Er sei leistungsunfähig. Von 1994-1998 habe er einen Kiosk betrieben. Zur Abdeckung der Verbindlichkeiten habe er seinerzeit ein Darlehen bei der OLB aufgenommen und zahle dieses monatlich mit 600,50 DM bis September 2001 ab (Kreditvertrag Blatt 28 der Akte). Er zahle auf einen PKW-Kredit aus Juni 1999 monatlich 222,00 DM (Blatt 29 der Akte). Bei der Commerzbank habe er 1998 einen Kredit über 19.000,00 DM aufgenommen zur Finanzierung einer Vorfälligkeitsentschädigung, auf welchen er monatlich 336,83 DM abzahle. Ferner habe er zur Abdeckung diverser Verbindlichkeiten bei seinen Eltern ein Darlehen über 150.000,00 DM aufgenommen und dafür ein Laibrentenversprechen im Wert von monatlich 750,00 DM gegeben (notarieller Vertrag Blatt 31 der Akte). Um der vielen weiteren Verbindlichkeiten (Maklergebühren, Renovierung Mietwohnung, fehlende Mieten, überzogene Konten) Herr zu werden, habe er einen weiteren Kredit in der Ehezeit mit Einvernehmen der Klägerin aufgenommen, und zwar bei der City-Bank, für welchen er monatlich 469,00 DM zu zahlen habe (Blatt 35 der Akte).
Von vier Eigentumswohnungen habe er eine bereits verkauft und die drei anderen Wohnungen zum Verkauf angeboten. Er erziele jetzt noch monatliche Kaltmieten von insgesamt 1.380,00 DM und zahle für diese drei Wohnungen monatliche Zinsen von 1.246,67 DM ohne Tilgung und ohne Instandhaltungsrücklage.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache zur Entscheidung reif, weshalb ein Urteil ergeht und der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen wird.
Die Klage ist zulässig. Die Klägerin kann im eigenen Namen auch den Unterhalt der gemeinsamen Kinder verfolgen nach § 1629 Abs. 3 BGB. Übergegangene Ansprüche wurden zur gerichtlichen Geltendmachung auf sie zurückübertragen. Rückständige Beträge sind allerdings entsprechend dem Antrag der Klägerin an den Landkreis Wesermarsch zu zahlen.
Die Klage ist teilweise begründet. Der Klägerin steht Unterhalt für sich selbst nach § 1361 BGB zu nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse, sowie für die Kinder nach § 1602 ff BGB. Ausgangspunkt der Berechnung ist das zur Verfügung stehende Nettoeinkommen des Beklagten. Dem Gericht liegt eine Verdienstbescheinigung mit unleserlichem Datum, einer leserlichen Steuerklasse 3 und einem ausgewiesenen Nettoeinkommen von 3.617,91 DM vor. Ferner liegt eine Bescheinigung für August 2001 mit den bis dahin aufgelaufenen Jahreszahlen in Steuerklasse 1 vor (Blatt 49 der Akte). Da dies die für den Beklagten jetzt aktuelle Steuerklasse ist, legt das Gericht diese Bescheinigung zugrunde. Das ausgewiesene Jahresnettoeinkommen von 22.189,47 DM ergibt einen Monatslohn von durchschnittlich 2.773,00 DM. Unter Einschluß eines dreizehnten Gehaltes ist mit 3.004,00 DM monatlich zu rechnen. Abzusetzen sind 5 % berufsbedingte Aufwendungen mit 150,00 DM, verbleiben 2.854,00 DM.
Hiervon sind nur in sehr eingeschränktem Maße Kreditbelastungen abzusetzen. Das Gericht berücksichtigt die nachgewiesene Belastung mit dem OLB Kredit über 600,50 DM bis einschließlich September 2001. Diese schon vor der Ehe bestehende Verbindlichkeit muß die Klägerin gegen sich gelten lassen. Wer einen armen Mann heiratet, muß sich darauf einstellen. Es war auch sinnvoll, diese Belastung bis zu ihrem absehbaren Ende planvoll zu bedienen.
Der PKW-Kredit kann nach den neuen Richtlinien des Oberlandesgerichts Oldenburg nicht weiter berücksichtigt werden, weil der berufsbezogene Anteil schon in den berufsbedingten Aufwendungen abgegolten ist, und im übrigen die Notwendigkeit dieses Kredits auch nicht dargetan ist.
Der gesamte Komplex des Vermögens bleibt für die Unterhaltsberechnung außer Ansatz. Trotz der vom Beklagten eingereichten tabellenartigen Übersicht fehlt ein mit Belegen substantiierter Vortrag zu den Einnahmen und Ausgaben aus diesem Bereich für einen längeren Zeitraum, der auch die steuerliche Seite mit berücksichtigen müßte. Die tatsächlichen Erträge und Belastungen aus der Vermögensverwaltung lassen sich deshalb nicht konkret angeben. Im übrigen bleibt unklar, in wie fern dieser Komplex tatsächlich die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat. Die Tatsache, dass der Beklagte alle Kreditverträge allein abgeschlossen hat, auch Alleineigentümer aller Wohnungen ist, spricht dafür, daß er diesen gesamten Komplex nur für sich verwaltet hat ohne Bezug zum Lebensstandard in der Familie. Sofern die Verwaltung dieses Vermögens im Endergebnis tatsächlich mit Verlusten verbunden sein sollte, wäre dem Beklagten im übrigen tatsächlich zuzumuten, nach Ablauf des ersten Trennungsjahres das Insolvenzverfahren zu betreiben, um die Verbindlichkeiten nachhaltig zu reduzieren. Im Rahmen eines Schuldenbereinigungsplanes wären die Unterhaltsansprüche von Frau und Kindern zu sichern. Es geht nicht an, daß der Beklagte weiterhin seine umfangreichen Kredite bedient, dafür aber Frau und Kinder von der Allgemeinheit unterhalten läßt.
Zum Komplex der gesamten Vermögensverwaltung gehören neben den direkt auf die Wohnungen bezogenen Krediten (zu denen der Beklagte nicht vorträgt) die Zinszahlungen an die Eltern mit monatlich 750,00 DM, der Commerzbank-Kredit für die Vorfälligkeitsentschädigung und der City-Bank-Kredit für Renovierungen, ausgebliebene Mieten usw. Diese gesamten Belastungen bleiben außer Betracht.
Es steht somit für Juli bis September 2001 für Unterhaltszwecke ein Einkommen von 2.854,00 DM - 650,00 Kredit - 1.640,00 DM Selbstbehalt = 613,50 DM zur Verfügung.
Der Bedarf beträgt für die Ehefrau 3/7 von (2.854,00 - 600,50 = 966,00 DM), für jedes Kind 135 % des Regelbetrages = 495,00 DM. Der Gesamtbedarf von 1.956,00 DM kann aus den freien Mitteln von 613,50 DM zu 31,4 % bedient werden.
Auf die Ehefrau entfällt deshalb für Juli bis September 2001 ein monatlicher Unterhaltsanspruch von 303,00 DM (154,92 Euro), für jedes Kind monatlich 155,00 DM (79,25 Euro).
Ab Oktober 2001 steigt die Verteilungsmasse um 600,50 DM auf 1.214,00 DM. Der Bedarf der Ehefrau steigt auf 3/7 von 2.854,00 DM = 1.223,00 DM. Der Gesamtbedarf von jetzt 495,00 + 495,00 + 1.223,00 = 2.213,00 DM kann aus den zur Verfügung stehenden Mitteln von 1.214,00 DM zu 54,8 % gedeckt werden.
An Ehegattenunterhalt ist deshalb laufend ab Oktober 2001, 670,00 DM (342,57 Euro), für jedes Kind monatlich 271,00 DM (138,56 Euro) zu zahlen. Kindergeld ist nicht anzurechnen, da der Unterhalt für die Kinder den Mindestbedarf nicht erreicht.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Kostenquote gilt auch für das einstweilige Anordnungsverfahren.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 8 ZPO.