Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 26.11.2009, Az.: 2 A 156/08
Doppelförderung; Ermessen; NAU (C); Rücknahme; Vertrauensschutz
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 26.11.2009
- Aktenzeichen
- 2 A 156/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 44114
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2009:1126.2A156.08.0A
Rechtsgrundlage
- Art. 73 Verordnung (EG) Nr. 796/2004
Tatbestand:
Der Kläger ist Landwirt und hat seinen Betriebssitz in J.. Er betreibt im Wesentlichen Weide- und Streuobstwirtschaft. Zu den von ihm bewirtschafteten Flächen gehört u. a. das Flurstück ... der Flur ... in der Gemarkung J., das in seinem Sammelantrag Agrarförderung 2006 die Schlagbezeichnung 11 mit einer Größe von 2,69 ha erhalten hat. Dieses Grundstück liegt in einem Hochwasserrückhaltebecken, dem sog. K. L.. Der Kläger nutzt diese Fläche aufgrund eines mit dem Land Niedersachsen, vertreten durch die Nds. Landgesellschaft mbH, am 13. Oktober 2004 abgeschlossenen Nutzungsvertrages. Dieser Vertrag regelt u. a., dass eine Nutzungsentschädigung, gleich aus welchem Grund, entfällt. Erkennbarer Grund hierfür sind die zahlreichen Bewirtschaftungsvorgaben des Vertrages. Sie haben, wie aus der Präambel des Vertrages ersichtlich, darin ihre Ursache, dass es sich bei der Fläche um einen Bestandteil eines international bedeutsamen Naturschutzgebietes und EU-Vogelschutzgebietes handelt. Schutz und Entwicklung des Lebensraums sowie der in ihm brütenden und rastenden Vogelarten hätten Vorrang vor allen anderen Aktivitäten. Alle Nutzungsberechtigten seien in diesem Gebiet nur zu Gast und sollten sich entsprechend verhalten. Konkrete, sehr detailierte Nutzungsvorgaben enthält § 6 des Vertrages, auf den insoweit gemäß § 117 Abs. 3 VwGO Bezug genommen wird. Ferner ist in § 10 des Vertrages geregelt, dass außerhalb der Vegetationsperiode (1. November bis 31. März) der vom Land Niedersachsen eingesetzte Schäfereibetrieb das Recht des Nachhütens hat.
Am 12. Mai 2005 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag zu den Nds. Agrar-Umwelt-Programmen (NAU) 2005 betreffend die Fördermaßnahme C "ökologische Anbauverfahren". In diesem Antrag war u. a. der Schlag 11 enthalten. Den diesbezüglichen Nutzungsvertrag vom 13. Oktober 2004 überreichte der Kläger der Beklagten am 22. Juli 2005. Die Beklagte befasste sich ausführlich mit den förderungsrechtlichen Auswirkungen der Pachtvertragsbestimmungen. Insbesondere untersuchte eine Mitarbeiterin der Beklagten, ob der Schlag 11 dem Kläger aufgrund der allgemeinen Bewirtschaftungsvorgaben in § 6 des Vertrages nur eingeschränkt zur Verfügung stehe und ob ein Fall einer Doppelförderung der streitbefangenen Fläche vorliege.
Nachdem die Beklagte die Fragen zugunsten der Förderungsfähigkeit der Fläche entschieden hatte, erließ sie unter dem 28. April 2006 einen Bewilligungsbescheid 2005 Nds. Agrar-Umwelt-Programm 2005. Sie gewährte dem Kläger für den Verpflichtungszeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2010 eine Zuwendung in Höhe von jährlich maximal 4 978,85 € für die Maßnahme (C) ökologische Anbauverfahren. Die Förderrichtlinie NAU wurde durch Nebenbestimmung für direkt und unmittelbar anwendbar erklärt. Ferner wurde die Zuwendung unter der Bedingung gewährt, dass im gesamten landwirtschaftlichen Betrieb mindestens die Anforderungen der guten landwirtschaftlichen Praxis im üblichen Sinn zu erfüllen seien; ab dem 1. Januar 2007 würden diese durch die Vorschriften von Cross-Compliance (CC) ersetzt. Als weitere Bedingung wurde verfügt, dass der Betrieb während des Verpflichtungszeitraumes selbst bewirtschaftet werde.
Mit Sammelantrag Agrarförderung 2006, eingegangen bei der Beklagten am 15. Mai 2006 beantragte der Kläger die Auszahlung einer NAU-Förderung für das Jahr 2006. Auch in diesem Antrag war das streitbefangene Grundstück mit einer Größe von 2,69 ha enthalten. Mit Bescheid vom 11. Dezember 2006 teilte die Beklagte dem Kläger die Auszahlung der Zuwendung für 2006 in Höhe von 4 978,85 € mit.
Im Zusammenhang mit dem vom Kläger am 14. Mai 2007 gestellten Folgeantrag änderte die Beklagte ihre Rechtsauffassung. Nach vorheriger mündlicher Anhörung nahm die Beklagte mit Bescheid vom 4. Juni 2008 den Bewilligungsbescheid vom 28. April 2006 und den Bescheid "Auszahlungsmitteilung" vom 11. Dezember 2006 im Umfang von 844,45 € zurück und forderte diesen Betrag vom Kläger zurück. Der Schlag 11 mit einer Größe von 2,69 ha sei nicht förderfähig. Der Bewilligungsbescheid wie auch der Auszahlungsbescheid seien daher zum Teil rechtswidrig. Zum einen stehe die Fläche dem Kläger aufgrund des zwischen ihm und dem Land Niedersachsen abgeschlossenen Nutzungsvertrages nicht während der gesamten Förderzeit zur Verfügung. Zum anderen erhalte er für die Fläche und die durch Vertrag vorgesehenen Nutzungsbeschränkungen in Form des Pachtverzichts bereits eine Vergünstigung. Es liege daher eine förderungsschädliche Doppelförderung vor. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen. Zur Begründung berief sich die Beklagte auf eine dem Bescheid beigegebene, allgemein abstrakt gehaltene Anlage a, die zum Einzelfall des Klägers keinerlei Aussagen enthält. In dieser Anlage a enthalten, zum Teil vermischt mit Ausführungen zum Vertrauensschutz, sind auch Ausführungen zum Entscheidungsermessen. Der Bescheid selbst enthält Ermessensausführungen nicht und verweist insofern auch nicht ausdrücklich auf die Anlage a.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 4. Juli 2008 Klage erhoben.
Zu deren Begründung trägt er im Wesentlichen vor, eine Doppelförderung bestehe nicht. In dem Verzicht des Landes Niedersachsen auf eine Pachtzahlung für den Schlag 11 sei eine öffentliche Förderung nicht zu sehen. Sein Vertragspartner sei ein Privatrechtssubjekt. Insbesondere, was die Verwendung mineralischer Dünger angehe, seien die Bewirtschaftungsauflagen in diesem Nutzungsvertrag auch nicht strenger als die Auflagen nach den NAU-Richtlinien. Selbst wenn die ursprünglichen Förderbescheide rechtswidrig gewesen sein sollten, könne er sich auf Vertrauensschutz berufen. Er habe alles Erforderliche getan, um die Beklagte umfassend und vollständig über seine betrieblichen Verhältnisse in Kenntnis zu setzen. Er habe billigerweise nicht erkennen können, dass sich die Beklagte bei der ursprünglichen Bewilligung geirrt habe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2008 insoweit aufzuheben, als damit die Auszahlungsmitteilung vom 11. Dezember 2006 und der Bewilligungsbescheid vom 28. April 2006, soweit er sich auf das Jahr 2006 bezog, zurückgenommen und ein Betrag von 844,45 Euro zurückgefordert wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, dadurch dass der Kläger für den Schlag 11 eine Pacht nicht zu zahlen habe, greife der Förderausschluss der Textziffer 5.9 der NAU-Förderrichtlinien. Es liege eine den NAU "C" Bedingungen vergleichbare Nutzungseinschränkung und Förderung für den Schlag 11 vor. Im Übrigen stehe dem Kläger die Fläche auch nicht, wie erforderlich, ununterbrochen und uneingeschränkt zur Verfügung. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen. Er habe in seinem Antrag vom 12. Mai 2005 nicht auf die Vergünstigung, d. h. den Pachtnachlass hingewiesen. Dem Kläger hätte billigerweise auffallen müssen, dass sich die Beklagte in diesem Punkt geirrt hat.
Mittlerweile lägen nicht nur Rücknahme, sondern auch Widerrufsgründe vor. Denn die im Sammelantrag 2006 noch mit einer Größe 2,69 ha angegebene Fläche, sei vom Kläger in den Jahren 2008 und 2009 nur noch mit einer Größe von 2,26 ha beantragt worden. Würden Flächen vorzeitig, d. h. vor Ablauf der Förderungsdauer vermindert, entfalle die Förderung grundsätzlich für den gesamten Zeitraum (Textziffer 5.4 der Förderrichtlinien). Der auf Rücknahmegründe gestützte Bescheid vom 4. Juni 2008 solle jedoch nicht in einen Widerrufsbescheid umgedeutet werden. Sollte die Fläche von Anfang an vom Kläger um 0,43 ha zu groß angegeben worden sein, läge ein weiterer Grund für die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Bewilligungs- und Auszahlungsbescheide vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2008 ist im klagegegenständlichen Umfang rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten ( § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ). Die Beklagte hat dem Kläger zu Unrecht Vertrauensschutz versagt.
Rechtstechnisch wird die Gewährung von Leistungen nach dem Nds. Agrar-Umwelt-Programm (NAU) durch zwei Bescheide geregelt. Mit dem Bewilligungsbescheid, hier dem Bescheid der Beklagten vom 28. April 2006, wird der Höchstbetrag der jährlichen Zuwendung bestimmt. Mit der Auszahlungsmitteilung, hier dem Bescheid vom 11. Dezember 2006, wird die Höhe der Zuwendung für das jeweilige Kalenderjahr, hier das Jahr 2006, konkretisiert. Bei beiden Regelungen handelt es sich um Verwaltungsakte im Sinne der §§ 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. 35 Satz 1 VwVfG. Sind Leistungen rechtswidrig gewährt, müssen beide Bescheide zurückgenommen werden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 23.07.2009 - 10 LA 278/07 - zitiert nach juris). Dem ist die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 4. Juni 2008 dem Grunde nach nachgekommen.
Zwischen den Beteiligten zu Recht unumstritten ist, dass sich die Rücknahme nach § 48 VwVfG richtet. Das Gemeinschaftsrecht enthält keine Rechtsvorschriften, die die Befugnis der Behörden gegenüber dem Beihilfeempfänger regeln, Bewilligungsbescheide über in Durchführung des Gemeinschaftsrechts gewährte Prämien und Beihilfen zurückzunehmen oder zu widerrufen. So wird die hier fragliche Zuwendung nach dem NAU zwar auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts gewährt, nämlich aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 (ABl. Nr. L 160 S. 80); die Rücknahme von rechtswidrigen Bescheiden erfolgt jedoch nach nationalem Recht (vgl. OVG, a.a.O.; Urteil vom 21.02.2006 - 10 LB 45/03 -, AUR 2007, 244, [OVG Niedersachsen 21.02.2006 - 10 LB 45/03] m.w.N.). Da es bei dem Nds. Agrarumweltprogramm nicht um eine produktbezogene, sondern um produktionsverfahrensbezogene Zuwendung geht, ist nicht § 10 MOG einschlägig (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.2003 - 3 C 22.02 - RdL 2004, 132; OVG Lüneburg, Urteil vom 21.02.2006, a.a.O.).
Gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den - europarechtlich modifizierten - Einschränkungen des § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG zurückgenommen werden.
Die Kammer lässt im Ergebnis offen, ob der Anwendungsbereich des § 48 Abs. 1 VwVfG eröffnet ist. Ob der Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 28. April 2006 und ihr Auszahlungsbescheid vom 11. Dezember 2006 rechtswidrig waren, weil die Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Beihilfe nicht vorgelegen haben, bedarf nicht der Entscheidung. Insoweit sind lediglich folgende Ausführungen veranlasst:
Die Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 vermittelt dem Kläger Ansprüche nicht. Diese Verordnung legt nach ihrem Artikel 1 Abs. 1 lediglich den Rahmen für die gemeinschaftliche Förderung einer nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums fest. Die Bewilligungsvoraussetzungen für die Gewährung der vom Kläger begehrten Zuwendung ergeben sich aus der jährlich neu aufgelegten Richtlinie zum NAU (hier der NAU 2005, Runderlass d. ML vom 20.06.2005, Nds. Ministerialblatt S. 604). Diese Richtlinie ist eine Verwaltungsvorschrift ohne die Qualität einer Rechtsnorm mit Außenwirkung und vermittelt deshalb unmittelbar keinen Anspruch auf die in der Richtlinie genannten Zuwendungen. Der Kläger hat deshalb nur einen Anspruch darauf, dass die Bewilligungsbehörde über seinen Antrag im Sinne des Artikel 3 Abs. 1 GG willkürfrei und im Rahmen der durch die gesetzliche Zweckbestimmung gezogenen Grenzen entscheidet. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die o. g. Richtlinie die gleichmäßige Bewilligungspraxis innerhalb des Landes Niedersachsen festlegt. Insoweit ist es einem Gericht verwehrt, diese Bewilligungspraxis durch eine eigenständige Auslegung der Richtlinie selbst zu bestimmen. Es hat die Richtlinie vielmehr als Willenserklärung der obersten Fachbehörde des Landes unter Berücksichtigung des wirklichen Willen des Erklärenden und der von der obersten Fachbehörde gebilligten tatsächlichen Handhabung durch die Landwirtschaftsbehörde des Landes auszulegen und anzuwenden (OVG Lüneburg, Urteil vom 21.02.2006, a.a.O.). Wie die förderungsrechtliche Handhabung von Flächen nach NAU (C) in den Jahren 2005 und 2006 für den Fall aussah, dass der Landwirt Flächen im Interesse des Artenschutzes pachtfrei nutzte, konnte und brauchte nicht abschließend geklärt (zu) werden. Denn der Rücknahme und Rückforderung stehen Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes entgegen.
Vertrauensschutz folgt nicht aus § 48 Abs. 2 VwVfG, sondern aus insoweit vorhandenen Spezialregelungen des EU-Rechts. Diese Vorschriften gehen bei der Rückforderung von Beihilfen, die ihre Rechtfertigung im EU-Recht haben, dem nationalen Recht vor ( BVerwG, Beschluss vom 29.03.2005 - 3 B 117/04 -, AUR 2005, 301; Beschluss vom 17.11.2006 - 3 B 61/06 -; OVG Lüneburg, Urteil vom 21.02.2006, a.a.O.). Über diesen Anwendungsvorrang streiten die Beteiligten nicht.
Einschlägig sind die Artikel 73 und 73a73a der Kommission vom 21.04.2004 (ABl. L 141 vom 30.04.2004, S. 18). Dabei regelt Artikel 73a der Verordnung die Wiedereinziehung zu Unrecht zugewiesener Ansprüche, hier also die Rücknahme des Bescheides vom 28. April 2006, und Artikel 73 die Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beträge, hier also die Rücknahme des Bescheides vom 11. Dezember 2006. Für die nachfolgenden Ausführungen wird zugunsten der Beklagten unterstellt, dass die Förderungsleistungen an den Kläger nach NAU (C) rechtswidrig waren.
Nach Artikel 73a der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 steht dem Kläger im Hinblick auf den Bewilligungsbescheid Vertrauensschutz grundsätzlich nicht zu. Gemäß Absatz 1 der Vorschrift muss der Betriebsinhaber zu Unrecht zugewiesene Zahlungsansprüche an die nationale Reserve zurückgeben, wenn festgestellt worden ist, dass bestimmte Zahlungsansprüche zu Unrecht zugewiesen wurden. Die zu Unrecht zugewiesenen Zahlungsansprüche gelten als von Anfang an nicht zugewiesen. Vertrauensschutz ist nach dieser Bestimmung ausgeschlossen. Dies ist jedoch anders, wenn zugewiesene Zahlungsansprüche in der Vergangenheit Rechtsgrund für die Auszahlung von Agrarförderleistungen gewesen sind. Denn hierfür ist Art. 73 der Verordnung einschlägig. Soweit der Bewilligungsbescheid vom 28. April 2006 Rechtsgrund für die Auszahlung der Förderung ist und soweit die Zahlung wegen Vertrauensschutzes nach Art. 73 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 nicht zurückgefordert werden kann, stehen auch der Rücknahme des Bewilligungsbescheides Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen.
Der Kläger kann sich gegen die Rücknahme der Zuweisung von Zahlungsansprüchen für den streitgegenständlichen Schlag 11 und die Rückforderung einer Zuwendung in Höhe von 844,45 Euro auf Vertrauensschutz berufen.
Gemäß Artikel 73 Abs. 1 Verordnung (EG) 796/2004 ist der Betriebsinhaber bei zu Unrecht gezahlten Beträgen zwar grundsätzlich zur Rückzahlung dieser Beträge verpflichtet. Gemäß Absatz 4 der Bestimmung gilt die Verpflichtung zur Rückzahlung jedoch nicht, wenn die Zahlung auf einen Irrtum der zuständigen Behörde oder einer anderen Behörde zurückzuführen ist, der vom Betriebsinhaber billigerweise nicht erkannt werden konnte. Auf Verschulden oder vorwerfbares Verhalten des Landwirts kommt es dabei nicht an ( OVG Koblenz, Urteil vom 27.02.2008 - 8 A 11153/07 -, AUR 2008, 278 [OVG Rheinland-Pfalz 27.02.2008 - 8 A 11153/07]).
Die Beklagte unterlag bei Erlass der Bescheide vom 28. April und 11. Dezember 2006 einem Rechtsirrtum; sie bewilligte dem Kläger in vollständiger Tatsachenkenntnis zu Unrecht Förderleistungen nach NAU (C) und zahlte den streitbefangenen Betrag an den Kläger aus.
Dieser Irrtum der Beklagten konnte vom Kläger billigerweise nicht erkannt werden.
Es geht nicht darum, dass er aus seinen Tatsachenangaben zur Antragstellung hätte erkennen können, dass sich die Beklagte geirrt hat. Die Beklagte, die ihm Vertrauensschutz versagt, verlangt vom Kläger vielmehr eine bessere Rechtserkenntnis. Der Kläger als juristischer Laie hätte, so die Argumentation der Beklagten auf die Spitze getrieben, die einschlägigen Förderbestimmungen besser - nämlich rechtmäßig - anwenden können als sie, die Fachbehörde. Soweit die Beklagte argumentiert, der Kläger hätte die nichtförderfähige Fläche gar nicht erst beantragen dürfen, verkennt sie einerseits, dass auch dies eine rechtliche Würdigung vom Kläger verlangt hätte, die die Beklagte ursprünglich selbst nicht zu leisten imstande war und andererseits, dass es ihre Aufgabe ist, die Förderfähigkeit von Flächen zu beurteilen. In diesen Prüfprozess ist der Landwirt nicht eingebunden; er kann beantragen, was er für richtig hält, nicht, was richtig ist. Schließlich geht es bei Art. 73 Abs. 1 Verordnung (EG) 796/2004 nicht darum, ob der Förderungsempfänger irgendeine Ursache für die rechtswidrige Leistung gesetzt hat, sondern darum, ob er einen Irrtum der Behörde billigerweise hätte erkennen können. Dies ist, wie dargelegt, bei dem hier gegebenen Rechtsirrtum nicht der Fall.
In Anbetracht dessen kann die Kammer offen lassen, ob der Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2008 auch deshalb rechtswidrig ist, weil die Beklagte nicht erkannt hat, dass ihr bei dieser Entscheidung Ermessen zusteht. Auf den Einzelfall des Klägers abstellende Ermessenserwägungen hat sie nicht angestellt, obwohl eine Ermessensreduzierung auf Null nicht vorliegt. Zwar streiten Gesichtspunkte der sparsamen Haushaltsführung und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ebenso wie die Pflicht zur europafreundlichen Auslegung nationaler Rechtsbestimmungen für eine Ermessensreduzierung auf Null. Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten haben aber sowohl der Europäische Gerichtshof, wie auch das Bundesverwaltungsgericht und das Nds. Oberverwaltungsgericht anerkannt, dass der Empfänger einer rechtswidrigen Beihilfe sich ausnahmsweise auf Umstände berufen kann, aufgrund derer sein Vertrauen in die Ordnungsgemäßheit der Beihilfe geschützt ist, so dass er sie nicht zurückzuerstatten braucht. So hat das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf Pflichtverletzungen des Zuwendungsempfängers von nur geringem Gewicht oder die Gefahr der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Landwirts hingewiesen, die eine Beschränkung der Rücknahme rechtfertigen könnten ( BVerwG, Urteil vom 10.12.2003 - 3 C 22/02 -, RdL. 2004, S. 132; OVG Lüneburg, Urteil vom 21.02.2006, a.a.O.; Beschluss vom 16.09.2008 - 10 LA 116/07 -). Es spricht viel für eine derart geringe Pflichtverletzung.
Schließlich kann die Beklagte nicht mit der jüngst in das Verfahren eingeführten Argumentation gehört werden, der Kläger habe von Anfang an eine zu große Fläche für den Schlag 11 beantragt, weil in den 2,69 ha im Umfang von 0,43 ha eine nicht förderfähige Dauerbrache enthalten sei. Abgesehen davon, dass nicht abschließend geklärt ist, ob dies tatsächlich der Fall ist und wann der Beklagten dieser Umstand bekannt geworden ist, spielte dieser Gesichtspunkt bei der angefochtenen Entscheidung der Beklagten vom 4. Juni 2008 keine Rolle. Jedenfalls bei einer Ermessensentscheidung, wie sie hier von der Beklagten zu treffen gewesen ist, ist es der Behörde verwehrt, nachträglich im Klageverfahren Gründe anzuführen, die den angefochtenen Bescheid - auch - rechtfertigen könnten, bei dessen Erlass jedoch Bedeutung nicht erlangten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. § 113 Rn. 69 ff.).
Ebenfalls nicht Gegenstand dieses Verfahrens sind etwaige Widerrufsgründe, wie der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.