Sozialgericht Hildesheim
Beschl. v. 15.09.2016, Az.: S 44 SO 4014/16 ER

Eingliederungshilfe; Hilfe zur angemessenen Schulbildung; Vorrang des Verwaltungsverfahrens

Bibliographie

Gericht
SG Hildesheim
Datum
15.09.2016
Aktenzeichen
S 44 SO 4014/16 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 43111
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Erstmalig im gerichtlichen Verfahren gestellte Anträge begründen kein Rechtschutzbedürfnis. Medizinische Untersuchungen sind grundsätzlich im Verwaltungsverfahren durchzuführen. Vor Inanspruchnahme des Sozialhilfeträgers ist der Rahmen der Beschulung an einer Regelschule durch hierfür zuständige Einrichtungen festzustellen.

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Streitig ist die Übernahme von Kosten der Beschulung der Antragstellerin.

Die am 11. Oktober 2000 geborene Antragstellerin leidet an Hyperakusis. Hierbei handelt es sich um eine ausgeprägte Form der Lärmempfindlichkeit. Die Antragstellerin schloss im Jahre 2011 die O. -Grundschule in D-Stadt ab und besuchte danach das Gymnasium P. in D-Stadt. Im Jahre 2013 wurde die Antragstellerin im Gymnasium des C. W. Deutschlands in Q. aufgenommen. Die Antragstellerin nahm seit dem 17. September 2013 nicht mehr am Unterricht der Schule in Q. Teil.

Am 16. Januar 2014 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner die Übernahme der Kosten für die web-individualschule in R..

Mit Datum vom 09. Mai 2014 erhielt die Antragstellerin ein Abgangszeugnis für die 7. Klasse von der Schule in Q.. Außer im Wahlpflichtunterricht Profil Technik (befriedigend) wurden alle weiteren Fächer mit „keine Bewertung“ bewertet.

Am 04. September 2014 beantragte die Antragstellerin bei der Beigeladenen die Befreiung von der Schulpflicht und Zuweisung an die web-individualschule R..

Mit Bescheid vom 19. September 2014 lehnte der Antragsgegner den Antrag der Antragstellerin auf Übernahme der Kosten der web-individualschule R. ab. Es handele sich um eine private Ersatzschule. Da die Antragstellerin an einer Regelschule beschult werden könne, seien diese Kosten aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zu übernehmen. Der Bescheid enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Mit Bescheid vom 25. November 2014 befreite die Beigeladene die Antragstellerin von der Schulpflicht zwecks Beschulung an der web-individualschule R.. Die Befreiung wurde bis zum 31. Juli 2017 befristet, da Lernrückstände aufzuarbeiten seien und dann eine Beschulung in einer Regelschule erfolgen solle.

Am 12. Juni 2015 beantragte die Antragstellerin bei der Beigeladenen eine gymnasiale Beschulung am geeigneten Schulort abweichend von herkömmlichen Lehrplänen unter Berücksichtigung einer Befreiung von der örtlichen und persönlichen Teilnahme an einzelnen Fächern unter Beachtung fachärztlicher Empfehlung.

Am 18. Juni 2015 erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19. September 2014.

Die Beigeladene lehnte den Antrag der Antragstellerin vom 12. Juni 2015 mit Bescheid vom 18. September 2015 zurück. Schulplatzzuweisungen könnten nicht erfolgen, es fehle an einer entsprechenden Rechtsgrundlage. Der weitere Antrag werde als Antrag auf Notenschutz ausgelegt. Über diesen habe zunächst die Schule, an der der Schüler / die Schülerin beschult würde, zu entscheiden. Erst dann könne die Beigeladene im Rahmen der Fachaufsicht einschreiten. Hiergegen war zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung beim Verwaltungsgericht E-Stadt ein Verfahren zu dem Aktenzeichen 6 A 5325/15 anhängig.

Mit weiterem Bescheid vom 18. September 2015 widerrief die Beigeladene die der Antragstellerin erteilte Schulpflichtbefreiung. Hiergegen war zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung beim Verwaltungsgericht E-Stadt ein Verfahren zum Aktenzeichen 6 A 5540/15 anhängig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2015 wies der Antragsgegner den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 19. September 2014 zurück. Der Antragsgegner wiederholte und vertiefte sein Vorbringen aus dem Ausgangsbescheid. Hiergegen war zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung beim erkennenden Gericht ein Verfahren zum Aktenzeichen S 44 SO 194/15 anhängig.

Mit Schriftsatz vom 08. Juli 2016 begehrt die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sie sei als körperlich behinderte grundsätzlich dem Personenkreis der §§ 53 ff SGB XII zuzuordnen. Sie habe ein Recht auf Beschulung unter Berücksichtigung ihrer Behinderung. Der Antragsgegner sei verpflichtet die damit einhergehenden Kosten zu decken und sie entsprechend zu beraten. Die behandelnden Ärzte würden eine Beschulung an der web-individualschule R. empfehlen. Die Antragstellerin würde dadurch nicht sozial isoliert werden, da sie über ausreichende soziale Kontakte im näheren Umfeld verfüge. Es sei eine Kooperationsschule aufzuzeigen, die die begehrten Abschlüsse, die die web-individualschule mangels staatlicher Anerkennung nicht vergeben könne, vermitteln könne.

Die Antragstellerin beantragt wörtlich,

den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin eine Kostenübernahmeerklärung für eine gymnasiale Beschulung an einem geeigneten Schulort, hilfsweise eine Beschulung in der web-individualschule R. in gesetzlicher Höhe und Laufzeit zu ermöglichen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antragsgegner verweist darauf, dass der Bedarf der Antragstellerin in Ermangelung aktueller ärztlicher Gutachten nicht beurteilt werden könne. Daher könne auch eine Leistung nicht bewilligt werden.

Die Beigeladene stellt keinen ausdrücklichen Antrag. Sie verweist darauf, dass ein sonderpädagogischer Bedarf geprüft werden könne, hierzu sei jedoch eine Anmeldung an einer Regelschule erforderlich.

Die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners und der Beigeladenen lagen dem Gericht bei der Entscheidung vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf diese sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII, dem SGB VIII oder dem NSchG gegen den Antragsgegner.

Gem. § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn diese Regelung notwendig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Erforderlich ist danach zum einen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Notwendigkeit einer Eilentscheidung, und zum anderen ein Anordnungsanspruch, also ein rechtlicher Anspruch auf die begehrte Maßnahme. Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sind Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Das bedeutet, dass die Beweisführung, die einem Antragsteller hinsichtlich der von ihm behaupteten entscheidungserheblichen Umstände grundsätzlich obliegt, vorerst nur einen geringeren Grad an Sicherheit vermitteln muss, als dies in einem Klageverfahren erforderlich wäre. In einem Anordnungsverfahren einstweilen zugesprochene Mittel werden in aller Regel verbraucht und können, abgesehen von Ausnahmefällen, nach einer etwaigen Aufhebung der Anordnung oder gegenteiligen Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr zurückgezahlt werden. Rein faktisch – wenn auch nicht rechtlich – werden somit im Eilverfahren regelmäßig vollendete Tatsachen geschaffen; daher muss die Wahrscheinlichkeit eines Anspruchs auf die begehrte Leistung sehr groß sein, wobei gegebenenfalls allerdings auch zu berücksichtigen ist, in wessen Sphäre die verbliebenen Ungewissheiten fallen, die den Unterschied zwischen geringer und hoher Wahrscheinlichkeit ausmachen.

Zwar sind im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu prüfen. Ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage jedoch nicht möglich, so ist eine Entscheidung auf der Grundlage einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Antragsteller einerseits und der öffentlichen Belange des Antragsgegners andererseits vorzunehmen. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen(vgl Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05, Rdn. 26, zitiert nach juris).

Die Antragstellerin hat nach den dargelegten Maßstäben keinen Anspruch auf die begehrten Leistungen gegen den Antragsgegner nach dem SGB XII (hierzu unter 1.), dem SGB VIII (hierzu unter 2.) oder dem NSchG (hierzu unter 3.).

1. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme der Beschulung am geeigneten Ort (hierzu unter a)) oder auf Kostenübernahme der Beschulung an der web-individualschule R. (Hierzu unter b)) nach den Vorschriften des SGB XII.

a) Der Antrag der Antragstellerin auf Kostenübernahme der Beschulung am geeigneten Ort ist abzulehnen. Die Antragstellerin hat diese Leistungen schon nicht beim Antragsgegner beantragt. Diese Leistungen machte sie erst mit ihrer Klage vor dem erkennenden Gericht zum Verfahren S 44 SO 194/15 geltend. Insofern ist schon das Rechtschutzbedürfnis des Antrages nicht gegeben, da noch überhaupt kein Antrag auf diese Leistung beim Antragsgegner gestellt wurde (vgl. Wehrhahn in Breitkreuz/Fichte, SGG Kommentar, 2. Auflage, § 86b, Rdn. 19). Ausweislich des Verwaltungsvorganges des Antragsgegners beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner ausschließlich die Übernahme der Kosten für die web-individualschule R.. Zwar ist die Sache aufgrund der langen fehlenden Beschulung der Antragstellerin eilbedürftig, jedoch ist nicht mit Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsgegner den Antrag nicht rechtzeitig positiv bescheiden würde (vgl. Wehrhahn, a.a.O., § 86b, Rdn. 20).

Die Kammer weist darauf hin, dass hier dem Antragsgegner insoweit gefolgt werden müsste, als aktuelle Untersuchungen der Antragstellerin zur Beeinträchtigung beim Besuch einer Regelschule und Feststellung einer Jahrgangseinstufung fehlen. Die Kammer geht nicht davon aus, dass der Antragstellerin sämtliche Untersuchungen unzumutbar sind. So verkennt die Kammer nicht, dass auditive Untersuchungen aufgrund der Erkrankung der Antragstellerin bei dieser Unwohlsein auslösen dürften. Hier ist der Gutachter gehalten darauf Rücksicht zu nehmen. Die Kammer geht allerdings auch nicht davon aus, dass Befunde aus 2014 oder älter ohne Weiteres zu übernehmen sind. So befindet sich die Antragstellerin weiterhin in ihrer körperlichen und seelischen Entwicklung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Lärmempfindlichkeit verändert hat - ob positiv oder negativ sei dahingestellt, wobei die Kammer nicht davon ausgeht, dass eine spontane Selbstheilung erfolgte - oder die Antragstellerin aufgrund ihrer seelischen Entwicklung und weitergeführter Therapien Kompensationsstrategien entwickelt hat, sodass eine Neubewertung der Einschränkungen zu erfolgen hätte. Diesbezüglich hat der Antragsgegner auch schon seine Bereitschaft erklärt nach umfassender Prüfung des Bedarfes gegebenenfalls Leistungen zu gewähren. So wäre die Übernahme von Nachhilfeunterricht denkbar, wenn sich die Beschulung in einer Regelschule - auch nur zum Teil - als durchführbar erweist.

Die Kammer weist weiter darauf hin, dass soweit die Antragstellerin auf kleine Klassengrößen, schallisolierte Räume und geschultes Personal besteht, dies keine Leistungen der Eingliederungshilfe sein dürften, sondern von der konkreten Schule bzw. dem Schulträger zu fordern wären. Insofern gibt § 4 Abs. 1 NSchG der Antragstellerin einen Anspruch auf barrierefreie inklusive Beschulung, die durch den Schulträger zu gewährleisten ist.

b) Die Antragstellerin hat darüber hinaus keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die web-individualschule R..

Nach § 53 Abs. 1 SGB XII i. V. m. § 54 Abs. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit an der Gesellschaft teilzuhaben eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB XI auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu.

Vorliegend ist schon fraglich, ob die Beschulung an der web-individualschule R. geeignet i.S.d. Vorschrift ist. Die Antragstellerin hat eine Gymnasialempfehlung erhalten und möchte auch gymnasial beschult werden. Die Kammer geht daher davon aus, dass eine gymnasiale Beschulung nach Eignung und Befähigung der Antragstellerin möglich ist. Die web-individualschule bietet jedoch keinen gymnasialen Unterricht an (vgl. Internetauftritt www.webindividualschule.de). Nach eigenen Angaben der web-individualschule kann eine gymnasiale Beschulung bis Klassenstufe 10 im Rahmen von Überbrückungsbeschulungen, die eine Reintegration in das normale Schulsystem anstreben, erfolgen (Schreiben der web-individualschule vom 21. Oktober 2014, Blatt 130 der Verwaltungsakte der Beigeladenen). Da die Antragstellerin eine Gymnasialempfehlung erhalten hat und auch eine gymnasiale Beschulung anstrebt, dürfte die Maßnahme an der web-individualschule schon ungeeignet sein, da die gewünschten Ziele - ein Gymnasialabschluss - nicht erreicht werden können.

Darüber hinaus sind nach dem Wortlaut der genannten Vorschrift lediglich Hilfen erfasst. Dies sind folglich Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung, geeignet und erforderlich sind die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern. Dies bestätigt auch § 12 Eingliederungshilfeverordnung, der seinerseits nur von Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung spricht. Die von dieser Hilfe nach § 12 Eingliederungshilfeverordnung auch erfassten Regelbeispiele betreffen dementsprechend nur die Schulbildung begleitende Maßnahmen. Die Schulbildung selbst, also der Kernbereich der pädagogischen Arbeit, der sich nach der Gesetzessystematik nicht unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmung, sondern der sozialhilferechtlichen Regelungen bestimmt, obliegt hingegen allein den Schulträgern. (BSG, Urteil vom 15. November 2012, B 8 SO 10/11 R, Randnummer 15, zitiert nach juris).

Zum Kernbereich der Schule gehören alle schulischen Maßnahmen, die dazu dienen, die staatlichen Lehrziele zu erreichen, in erster Linie also der (unentgeltliche) Unterricht, der die für den erfolgreichen Abschluss notwendigen Kenntnisse vermitteln soll. Damit unterliegt auch ein gegebenenfalls zu zahlendes Schulgeld unmittelbar diesem Kernbereich, weil die Übernahme des Schulgeldes die von der Schule selbst zu erbringende Leistung, also den Unterricht, finanziert, mithin den schulischen Bildungsauftrag erfüllt und keine bloß unterstützende Leistung im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung darstellt (BSG, Urteil vom 15. November 2012, B 8 SO 10/11 R, Randnummer 17, zitiert nach juris).

Schulgeld ist folglich grundsätzlich nicht zu übernehmen, soweit dem Grunde nach eine Beschulung an einer Regelschule möglich ist. Lediglich wenn sich herausstellen sollte, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer Behinderung nicht in einer Regelschule beschult werden kann, könnte ein Anspruch auf Übernahme des Schulgeldes durch den Antragsgegner. Dies hat der Antragsgegner auch so schriftsätzlich anerkannt. Dies ist damit begründet, dass die Leistungen der §§ 53 ff SGB XII durch eine Behinderung eingeschränkten oder bedrohten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft insoweit ermöglichen sollen, wie sie ein nicht von Behinderung eingeschränkter oder bedrohter Mensch hat. Eine Besserstellung soll damit nicht erreicht werden.

Die Antragstellerin hat jedoch das Vorliegen dieser Situation nicht glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin beantragte die Befreiung von der Schulpflicht, da den Eltern ein Ordnungswidrigkeitenverfahren drohte, weil sie die Antragstellerin trotz bestehender Schulpflicht nicht in die Schule schickten, und um der Antragstellerin die Beschulung an der web-individualschule zu ermöglichen. Ob die Voraussetzungen für die Befreiung von der Schulpflicht tatsächlich vorliegen, also die Antragstellerin nicht an einer Regelschule beschult werden kann, ist weiterhin nicht geklärt. Soweit die Antragstellerin vorträgt, die Beigeladene habe selbst angegeben die Antragstellerin nicht in einer Regelschule beschulen zu können, so ist dies den vorliegenden Akten nicht zu entnehmen. Die Beigeladene hat ausgeführt, dass keine Schule im Landkreis D-Stadt über kleine Klassengrößen und schallisolierte Räume verfügt und dass die von der Antragstellerin begehrte Anpassung der Lehrpläne und der geforderte Nachteilsausgleich erst durch eine Schule geprüft werden müssen und erst dann die Beigeladene im Rahmen der Fachaufsicht eine Entscheidung treffen könnte.

Für die Entscheidung, ob die Antragstellerin tatsächlich an keiner Regelschule beschult werden kann, sind jedoch weitere Untersuchungen durchzuführen. Erst nach einer aktuellen Bestimmung der Einschränkungen der Antragstellerin kann eine Aussage dazu getroffen werden, ob die Antragstellerin an einer Regelschule beschult werden kann oder nicht. Hierfür ist zunächst nicht der Antragsgegner zuständig. Aufgrund des Nachranges der Sozialhilfe und des Auftrages der Beigeladenen die Beschulung zu ermöglichen hat sich die Antragstellerin zunächst an die Beigeladene zu wenden. Die so gewonnenen Erkenntnisse können dann für die Bestimmung eines eventuell bestehenden sozialhilferechtlichen Bedarfes verwendet und gegebenenfalls ergänzt werden. Die Kammer ist nicht der Überzeugung, dass die Entscheidung auf die vorhandenen medizinischen Erkenntnisse gefußt werden kann. Diese könnten, wie oben dargelegt, nicht mehr den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen und müssten überprüft werden.

Die Kammer ist nicht der Auffassung, dass es sich hierbei um unzumutbare Untersuchungen für die Antragstellerin handelt. Die Kammer verkennt nicht, dass die Antragstellerin Lärm als unangenehm und, bei Verstärkung, als schmerzhaft empfindet. Die Kammer weist jedoch darauf hin, dass die Antragstellerin das Maß ihrer Einschränkung nachweisen muss und auch den entsprechenden Stellen die Möglichkeit zur Prüfung geben muss. Auch die Kammer würde nicht anders vorgehen und eine Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten anordnen. Dabei geht die Kammer davon aus, dass bei einer Untersuchung entsprechend auf die Einschränkungen der Antragstellerin eingegangen würde und die Ermittlung der „Lärmschwelle“ - also der Lautstärke, bei der Schall unangenehm wird - ohne Schmerzen für die Antragstellerin erfolgen kann. Aufgrund der Weigerung der Antragstellerin im Verwaltungsverfahren entsprechende Untersuchungen durchführen zu lassen, sieht die Kammer keine Veranlassung dies im gerichtlichen Verfahren nachzuholen. Insofern ist das gerichtliche Verfahren gegenüber dem Verwaltungsverfahren subsidiär.

2. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme der Beschulung am geeigneten Ort (hierzu unter a)) oder auf Kostenübernahme der Beschulung an der web-individualschule R. (Hierzu unter b)) nach den Vorschriften des SGB VIII.

a) Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme der Beschulung am geeigneten Ort. Die Antragstellerin hat diese Leistungen schon nicht beim Antragsgegner beantragt. Insofern wird auf die Ausführungen zu 1.a) verwiesen.

b) Die Antragstellerin hat keinen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Übernahme der Kosten für die web-individualschule R. nach den Vorschriften des SGB VIII.

Grundsätzlich käme eine Verpflichtung des Antragsgegners nach den Vorschriften des SGB VIII aufgrund § 14 SGB IX in Betracht. Gem. § 14 Abs. 2 SGB IX stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest, solange er den Antrag nicht weitergeleitet hat. Der Antragsgegner ist gem. § 6 SGB IX Rehabilitationsträger. In Betracht kämen vorliegend Leistungen gem. § 35a SGB VIII, die gem. § 5 Nr. 4 SGB IX Leistungen der Teilhabe und damit Rehabilitationsleistungen i.S.d. § 14 SGB IX sind.

Gem. § 35a SGB VIII erhalten Leistungen Kinder oder Jugendliche, wenn ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht. Die Antragstellerin hat das Vorliegen dieser Voraussetzung nicht glaubhaft gemacht. Zunächst bestreitet sie selbst an einer seelischen Behinderung zu leiden oder von einer solchen bedroht zu sein. Dies wird auch vom Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie in einem Schreiben vom 08. Juli 2014 bestätigt. Die Kammer ist zwar der Auffassung, dass die Antragstellerin diesbezüglich aktuell untersucht werden sollte. Die Antragstellerin hat jedoch mitgeteilt sich einer solchen Untersuchung nicht unterziehen zu wollen. Die Kammer sieht daher keine Veranlassung das Verwaltungsverfahren im gerichtlichen Verfahren durchzuführen, zumal nach dem Vortrag der Antragstellerin selbst Leistungen nach dem SGB VIII nicht in Betracht kommen.

3. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme der Beschulung am geeigneten Ort (hierzu unter a)) oder auf Kostenübernahme der Beschulung an der web-individualschule R. (Hierzu unter b)) nach den Vorschriften des NSchG.

a) Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme der Beschulung am geeigneten Ort. Die Antragstellerin hat diese Leistungen schon nicht beim Antragsgegner beantragt. Insofern wird auf die Ausführungen zu 1.a) verwiesen.

b) Die Antragstellerin hat ebenfalls keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beschulung an der web-individualschule R. nach den Vorschriften des NSchG.

Unabhängig von der Frage ob das NSchG eine anspruchsbegründende Norm bietet, ist der Antragsgegner schon für dieses Gesetz nicht zuständig, auch nicht nach § 14 SGB IX. Das NSchG enthält keine Rehabilitationsleistungen, sodass gem. §§ 1, 4 und 5 SGB IX die Anwendung ausscheidet. Schulen und die Beigeladene sind auch keine Rehabilitationsträger gem. § 6 SGB IX. Eine Verpflichtung nach dem NSchG scheidet daher aus.

Eine Verpflichtung der Beigeladenen scheidet aufgrund von § 75 Abs. 5 SGG aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.