Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 16.12.2005, Az.: 7 A 4338/05

Anspruch auf Abschluss einer Leistungsvereinbarung; Leistungsvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag; Abgrenzung zwischen Leistungsvereinbarung und Vergütungsvereinbarung; Eingruppierung nach Personengruppen entsprechend der Eingliederungshilfeverordnung; Notwendigkeit der Leistungsdifferenzierung; Angemessenes Leistungsangebot; Differenzierung nach Personenschlüssel und Qualifikationsgrad

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
16.12.2005
Aktenzeichen
7 A 4338/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 34014
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2005:1216.7A4338.05.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 22.07.2008 - AZ: 4 LA 22/06

Fundstelle

  • SozialRecht aktuell 2006, 176-178

Amtlicher Leitsatz

Die Leistungsvereinbarung muss geeignet sein, einer Vergütungsvereinbarung als Grundlage zu dienen. Es ist eine Differenzierung vorzunehmen, die sowohl die Vergleichbarkeit (externer Vergleich) gewährleistet als auch eine leistungsgerechte Vergütung zulässt.

Fehlt eine Aufschlüsselung völlig, ist die Bandbreite des Notwendigen und Ausreichenden nicht bestimmbar, sodass der Abschluss einer Leistungsvereinbarung scheitert.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt den Abschluss einer Leistungsvereinbarung nach § 93 BSHG / § 75 SGB XII. Die Klägerin betreibt in den Ortsteilen Uten und Köthenwald der Stadt Sehnde eine stationäre Langzeitbetreuung und -versorgung geistig und seelisch Behinderter mit ca. 800 Plätzen und ein in den niedersächsischen Krankenhausplan aufgenommenes Akutkrankenhaus mit 277 nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz geförderten Planbetten. Seit 1994 sind die Entgelte für die angebotenen und erbrachten Leistungen streitig. Es wird ein Abschlagspflegesatz gezahlt. Unter dem 16.12.1998 forderte die Klägerin den Beklagten zu Verhandlungen über eine Pflegesatzvereinbarung auf. Hinsichtlich des Leistungsangebotes bezog sich die Klägerin auf einen dem Beklagten vorliegenden Entwurf einer Vereinbarung für das Jahr 1996, in der Inhalt, Umfang und Qualität umschrieben worden sind. Auf den Entwurf (Anlage 4 zur Klageschrift) wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 21.12.1998 teilte der Beklagte mit, dass mindestens eine Einigung über die betriebsnotwendigen Anlagen der Einrichtung, den von der Beklagten zu betreuenden Personenkreis, sowie die erforderliche sachliche und personelle Ausstattung erzielt werden müsse, das Angebot jedoch nicht diesen Mindestvoraussetzungen entspreche.

2

Die Klägerin bat, ihr mit dem Beklagten abgestimmte Leistungsangebote anderer Einrichtungen zuzuleiten, damit sie ihr Leistungsangebot entsprechend modifiziere. Solange Abgrenzungsverordnungen (§ 93 d BSHG) nicht erlassen seien, könne es der Klägerin nicht verwehrt werden, Leistungsvereinbarungen nach altem Recht abzuschließen, wie dies mit anderen Einrichtungen, die der Landesrahmenvereinbarung beigetreten seien, geschehen sei. Im Übrigen könne der Beklagte nicht verlangen, dass die Klägerin ein Leistungsangebot vorlege, das nur den Vorstellungen des Beklagten entspreche. So habe auch das OVG Lüneburg darauf hingewiesen, dass dem Beklagten die Einrichtung seit Jahrzehnten bestens bekannt sei. Mit Schreiben vom 15.1.1999 lehnte der Beklagte das Leistungsangebot ab. Das Leistungsangebot entspreche nicht den Mindestanforderungen, sei in sich widersprüchlich und nicht hinreichend bestimmt. Im Einzelnen wird u.a. aufgeführt, dass

  1. a)

    keine Festlegungen über die betriebsnotwendigen Anlagen der Einrichtung enthalten seien (Die Anzeige gegenüber der Heimaufsicht genüge für einen Vertragsschluss nicht.),

  2. b)

    eine Aussage über Mindest- und Höchstalter fehle,

    der Anteil der seelisch wesentlich Behinderten einerseits und der geistig behinderten Menschen andererseits nicht angegeben werde (Es sei eine konkrete Beschreibung anhand der gesetzlichen Definitionen (insb. der Eingliederungsverordnung) zum Leistungsmerkmal des zu betreuenden Personenkreises zu fordern.),

  3. c)

    Art, Ziel und Qualität der Leistung nicht differenziert genug in Bezug auf die Leitsymptomatik der Behinderung beschrieben seien (Die genannten "allgemeinen Zielsetzungen und Maßnahmen der Versorgung" seien den Inhalten und Zielen der Hilfe zur Pflege iSd § 68 BSHG zuzuordnen; hinsichtlich konkreter Vorschläge des Beklagten wird auf den Schriftsatz verwiesen),

  4. d)

    Aussagen zur Qualifikation des Personals fehlen würden,

  5. e)

    der Personalschlüssel unschlüssig sei (Es würden überwiegend seelisch behinderte Personen betreut. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen der "geltende Personalschlüssel für stationäre Langzeiteinrichtungen für geistig und mehrfach Behinderte" beantragt werde.),

  6. f)

    die Verpflichtungserklärung der Klägerin fehlen würde, die Hilfeempfänger im Rahmen des vereinbarten Leistungsangebotes aufzunehmen und zu betreuen.

3

Mit Schriftsatz vom 18.4.1999 machte die Klägerin ein erneutes Leistungsangebot und begehrte den Abschluss einer Leistungsvereinbarung für die Zeit vom 1.1.1999 bis 31.12.1999.

4

Neben dem Hinweis auf bei der Heimaufsicht vorhandene Unterlagen über Gebäude und Art der Einrichtung, der Angabe der Platzzahl von 684, der Beschreibung der Zielsetzung der Einrichtung und Maßnahmen der Versorgung (nicht nach Zielgruppen aufgeschlüsselt) wurde ein pauschaler Personalschlüssel von 1 Pflegekraft auf 2,3 Bewohner angeboten. Des Weiteren wurden Schlüsselzahlen für begleitende Dienste, den ärztlichen Dienst und den Verwaltungs-, Hauswirtschafts- und technischen Dienst genannt.

5

Unter dem 21.12.1999 erstellte die Klägerin erneut ein Leistungsangebot. Dabei wurden dem bisherigen Angebot die aktuellen Bau-Bestandsverzeichnisse mit Bauskizzen beigefügt. Die Inhalte und der Umfang der Leistung wurden weiter aufgeschlüsselt. Auch wurde der Unterbringungs- und Versorgungsvertrag zwischen Heimbewohner und Klägerin in Bezug genommen.

6

Es wurde weiter von einem pauschalen Personalschlüssel hinsichtlich des Betreuungs- und Pflegedienstes ausgegangen.

7

Eine Vereinbarung kam nicht zu Stande.

8

Am 28.2.2000 hat die Klägerin Klage erhoben.

9

Sie ist der Auffassung, dass der Beklagte ein Leistungsangebot annehmen müsse, wenn es den inhaltlichen Vorgaben des § 93 a Abs. 1 BSHG entspreche. Dies ergebe sich auch aus der Monopolstellung des Beklagten.

10

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, mit der Klägerin eine Vereinbarung über die von ihr in ihrer Behinderteneinrichtung zu erbringenden Leistungen gem. §§ 93 Abs. 2, 93 a Abs. 1 BSHG (§§ 75 Abs. 3, 76 Abs. 1 SGB XII) entsprechend dem der Klageschrift als Anlage 1 bzw. Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 28.9.2005 beigefügten Leistungsangebot (ohne die Einrichtung in Celle) ab 1.1.1999 (Stand 1.12.1999 bzw. 1.10.2005) abzuschließen,

11

hilfsweise

ab Urteilsverkündung abzuschließen und festzustellen, dass die Ablehnung der Leistungsvereinbarung für die rückwirkende Zeit ab 1.1.1999 rechtswidrig war.

12

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

13

Er sieht eine Verknüpfung der Leistungsvereinbarung mit den Vergütungsvereinbarungen für die Folgejahre.

14

Hinsichtlich der Leistungsvereinbarung beschränke sich die gerichtliche Prüfung auf die Einhaltung der Ermessensgrenzen hinsichtlich der Ablehnung des Leistungsangebotes.

15

Das Leistungsangebot differenziere nicht zwischen den Personenkreisen, wie in der Eingliederungshilfeverordnung vorgesehen. Entsprechend fehle ein jeweils bedarfsbezogenes differenziertes Leistungs- und Versorgungsangebot. Leistungen der Pflege stünden undifferenziert neben Leistungen der Rehabilitation. Beispielsweise dürften Bewohner im Alter von 60 und mehr Jahren kaum Hilfen zur Ausbildung für einen angemessenen Beruf in Anspruch nehmen. Gleichwohl solle gleiche Vergütung gewährt werden.

16

Eine derartige Entgeltgestaltung wäre unzulässig. Dies müsse schon bei der Leistungsvereinbarung berücksichtigt werden.

17

Letztlich sei die Leistungsbeschreibung zwar umfassend, verbleibe aber im Abstrakten.

18

Dabei stelle die Klägerin selbst den individuellen Bedarf fest und bestimme den Umfang der Leistungen zu einem Einheitspreis. Es fehle an der Unterteilung der einzelnen Leistungskomplexe. Der Einheitspreis werde fällig, gleichgültig ob der Hilfeempfänger eine Maßnahme der Rehabilitation oder der Pflege tatsächlich erhalte, und er in einem Ein-, Zwei- oder Dreibettzimmer untergebracht sei. Die fehlende Differenzierung verhindere auch einen externen Vergleich mit anderen Einrichtungen.

19

Entsprechend könne das Maß des Notwendigen nicht beurteilt werden, wenn pauschal von einem Personalschlüssel von einer Vollkraft für 2,3 Bewohner ausgegangen werde. Die notwendige Fachkraftquote werde deutlich überschritten. Eine Quote von 50 % sei ausreichend.

20

In das Gesamtangebot seien auch Leistungen eingearbeitet, die den Leistungen eines Altenheimes vergleichbar seien.

21

Bei der medizinischen Behandlungspflege und Versorgung mit Arzneimitteln würden Leistungen des Sozialhilfeträgers nur erfolgen, wenn die Bewohner der Einrichtung keinen eigenen Anspruch nach § 27 SGB V hätten. Die Aufnahme des Leistungskomplexes in die Leistungsbeschreibung würde zu einer Leistungsverschiebung zu Lasten des Beklagten führen. Entsprechendes gelte hinsichtlich der Pflegeversicherung.

22

Eine Aufnahme des ärztlichen Personals in die Leistungsvereinbarung entspreche nicht dem Maß des Notwendigen, weil es sich insoweit um eine nachrangige Leistung handele, die bei Herausnahme keinen entsprechenden Personalbedarf auslöse.

23

Hinsichtlich der 78 Plätze in Uten im Rudolf-Wahrendorff-Haus und der 16 Plätze der Professorenvilla komme eine Vereinbarung schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Einrichtungen von der Wohnpark Uten GmbH betrieben würden, die über diese Plätze mit den Pflegekassen einen Versorgungsvertrag abgeschlossen habe. Für weitere 80 Plätze in den Psychiatrischen Pflegeheimen lägen Unterlagen nicht vor. Die Platzzahlen würden zum Teil nicht mit den bei der Begehung ermittelten Platzzahlen übereinstimmen.

24

Aus dem Landesrahmenvertrag folge, dass für die Vergleichbarkeit ausgewiesenen Leistungstypen in einzelne Leistungsangebote aufzugliedern seien. Mit Geltung der §§ 79 Abs. 1, 81 SGB XII habe der Landesrahmenvertrag unmittelbare Verbindlichkeit erlangt.

25

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

26

Die zulässige Klage ist unbegründet.

27

Der Beklagte ist nicht verpflichtet das Leistungsangebot der Klägerin anzunehmen.

28

Die begehrte Leistungsvereinbarung stellt sich als öffentlich-rechtlicher Vertrag dar.(Hauck/Noftz, Neumann SGB XII, § 75 Rdnr. 19 nwN). Das BVerwG begründet diese Zuordnung mit der Vorprägung des Abschlusses der Vereinbarungen durch öffentlich-rechtliche Vorschriften (BVerwG 94, 202,204).

29

Diese gesetzliche Vorprägung setzt zugleich den Rahmen des Vertragsspielraumes, der nicht verlassen werden darf. Die nähere Beschreibung findet sich in § 76 Abs. 1 SGB XII/§ 93a Abs. 1 BSHG. Danach müssen die wesentlichen Leistungsmerkmale festgelegt werden, die da sind betriebsnotwendige Anlagen der Einrichtung, der zu betreuende Personenkreis, Art, Ziel und Qualität der Leistung, Qualifikation des Personals sowie die erforderliche, sächliche und personelle Ausstattung. Dabei müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.

30

Ein Ermessensspielraum ist (als Abschlussermessen; s. BVerwG Urt. v. 30.9.1993 - 5 C 41/94 BVerwGE 94, 202-211) vorhanden. So hat der Sozialhilfeträger Vereinbarungen vorrangig mit Trägern abzuschließen, deren Vergütung bei vergleichbarem Inhalt, Umfang und Qualität der Leistung nicht höher ist als die anderer Träger (§ 75 Abs. 2 Satz 3 SGB XII; § 93 Abs. 1 Satz 3 BSHG). Diese Formulierung zeigt, dass trotz des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB XII (§ 93a Abs. 1 Satz 3 BSHG), wonach die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschritten werden darf, die Leistungsbandbreite nicht derart verengt ist, dass unterschiedliche Leistungen, die sowohl ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind als auch das Maß der Notwendigkeit nicht überschreiten, praktisch nicht mehr denkbar sind. Sind aber Unterschiede in Inhalt, Umfang und Leistung im Rahmen des Notwendigen und des Ausreichenden möglich, so liegt gerade hier auch der mögliche Ermessensspielraum für den Abschluss einer Vereinbarung gerade auch im Hinblick auf die Auswirkung bei der Vergütung. Gäbe es einen derartigen Spielraum nicht, würde sich die Frage stellen, weshalb vom Gesetzgeber überhaupt die Form einer Vereinbarung gewählt wird. Es hätte dann näher gelegen, an das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, die von den Einrichtungsträgern zu erfüllen sind, eine Rechtsfolge zu knüpfen.

31

Dies muss aber für das vorliegende Verfahren nicht abschließend geklärt werden, da das Leistungsangebot der Klägerin schon nicht die Mindestanforderungen erfüllt, die an den Inhalt einer Leistungsvereinbarung zu stellen sind.

32

Es liegt auf der Hand, dass bei einer sehr großen Einrichtung, die unterschiedliche Personenkreise betreut und damit zwangsläufig auch Art, Ziel und Qualität der Leistung, der Qualifikation des Personals, sowie die erforderliche sächliche und personelle Ausstattung unterschiedlich sind, höhere Anforderungen an die Leistungsbeschreibung zu stellen sind als bei einer kleineren homogenen Einrichtung. Soweit nicht mehrere Leistungsvereinbarungen für die unterschiedlichen Personenkreise geschlossen werden sollen, muss eine umfassende Leistungsvereinbarung jedenfalls diesen Unterschieden gerecht werden und entsprechende Untergliederungen vornehmen, wie dies ansatzweise hinsichtlich der unterschiedlichen Personenkreise im Leistungsangebot 1996 der Fall war (Eingruppierung nach Betreuungsaufwand a,b und c), wenn auch die Beschreibung der Personenkreise völlig unzureichend war.

33

Durch die Leistungsvereinbarung werden die Kalkulationsgrundlagen geschaffen, die wiederum in einem externen Vergleich bewertet werden müssen (BVerwG, Urt.v.1.12.1998 -5 C 17.97-). Dieser ist aber nur möglich, wenn eine differenzierte Betrachtung der Leistungen Platz greift. § 76 SGB XII / § 93a BSHG treffen differenzierte Regelungen für die Bildung leistungsgerechter Vergütungen, die dazu dienen sollen, eine stärkere Vergleichbarkeit von Leistungen herzustellen, dadurch ein erhöhtes Maß an Transparenz zu schaffen und damit die Einrichtungen untereinander besser vergleichbar zu machen. Die Einrichtung der Klägerin weist eine durchmischte Bewohnerstruktur von psychisch und geistig Behinderten mit unterschiedlicher Pflege-, Betreuungs- und Therapiebedürftigkeit auf, in der die unterschiedlichsten Leistungen erbracht werden und die sich wegen ihrer Unterschiedlichkeit einer anderen Einrichtung nicht "als Einheit" zuordnen lässt. Bei dieser Sachlage lässt sich der vom Bundesverwaltungsgericht geforderte Leistungsvergleich nur durchführen, wenn die in der Einrichtung der Klägerin erbrachten Leistungen differenziert betrachtet werden und ihnen unter diesem Blickwinkel einzelne Leistungen anderer Einrichtungen jeweils gegenübergestellt werden (Nds OVG Urt. v. 24.8.2005, 4 L 811/99, S.24f des Abdrucks). Die Grundlage für den Leistungsvergleich ist die Leistungsvereinbarung. Ist sie nicht hinreichend differenziert, ist der externe Vergleich kaum mehr möglich. An diesen Erfordernissen hat sich dementsprechend auch die Leistungsvereinbarung auszurichten. Die Klägerin ist schon in der Entscheidung des Nds. OVG, Urt.v.248.2005, 4 L 811/99 darauf hingewiesen worden, dass die Auffassung, dass aus dem Begriff der Einrichtung folge, dass die von der Einrichtung erbrachte Leistung als Einheit zu sehen und zu bewerten sei und damit auch nur diese einheitliche Leistung Gegenstand des äußeren Vergleichs sein könne, nicht überzeuge. Dem tritt die Kammer bei. Entgelte sollen eben nicht nur pauschal, sondern gerade im Blick auf vergleichbare Leistungen einander gegenüber gestellt werden. Wenn nach § 76 Abs. 2 Satz 3 SGB XII / § 93 a Abs. 2 Satz 3 BSHG die Maßnahmepauschale nach Gruppen für Leistungsberechtigte mit verschiedenem Bedarf kalkuliert wird, so muss das seine Entsprechung in der Leistungsvereinbarung haben, weil sonst Leistungsverpflichtung und Vergütung nicht verknüpft sind.

34

Nun sind Leistungsvereinbarung und Vergütungsvereinbarung allerdings nicht so miteinander verknüpft, dass nur in einem verbundenen Verfahren über beides gleichzeitig entschieden werden könnte. Der Gesetzgeber hat dies auch dadurch deutlich werden lassen, dass er bei der Vergütungsvereinbarung eine Schiedsstellenentscheidung zwischengeschaltet hat. Die Unterschiede zu einem Privatvertrag, auf den der Beklagte verwiesen hat, ergeben sich daraus, dass hier zwingend die Leistungen innerhalb einer bestimmten Bandbreite (Notwendigkeit und Erforderlichkeit) zu erbringen sind und die Höhe der Vergütung nicht dazu führen kann, auf notwendige Leistungen zu verzichten. Die Höhe der Vergütung bestimmt sich vielmehr nach dem notwendigen externen Vergleich der Leistungsgruppen.

35

Ist aber für den externen Vergleich die Bestimmung der Leistungsmerkmale erforderlich, so müssen Leistungsgruppen nach Personengruppen und jeweiligem Personalbedarf und dessen jeweiliger Qualifikation aufgegliedert werden. Dabei ist nicht jeder Einzelfall separat zu erfassen, vielmehr sind Fallgruppen zu bilden, die für sich ähnlichen Kriterien in der Betreuung unterliegen. Dass insoweit Vorgaben durch eine Verordnung, die nach § 81 SGB XII / § 93 d BSHG möglich /möglich gewesen wäre, fehlen, berechtigt nicht, von einer derartigen Untergliederung abzusehen. Anhaltspunkte können neben der Eingliederungshilfeverordnung, die die unterschiedlichen Personenkreise beschreibt, die Rahmenverträge nach § 79 Abs. 1 SGB XII / § 93 d Abs. 2 BSHG auch dann bieten, wenn der Einrichtungsträger diesen Vereinbarungen nicht beigetreten ist. Das gilt jedenfalls insoweit, als eine Spezifizierung zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben, hier insbesondere der Vergleichbarkeit der Leistungen, erforderlich ist. Entsprechend ist der Personalbedarf aufzuschlüsseln. Es geht nicht an, dass für völlig unterschiedlichen Betreuungsbedarf derselbe Personenschlüssel und Qualifikationsgrad zu Grunde gelegt werden. Der Einrichtungsträger wird sich entscheiden müssen, welche Platzzahl er welchen Personengruppen vorhalten will, wie er sich den Personalbedarf für die einzelnen Personengruppen vorstellt, welchen Qualifikationsgrad das jeweilige Personal haben soll, welcher Raumbedarf z.B. für bestimmte Therapien innerhalb der Personengruppen besteht, in welchem Umfang ärztliche Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe (ohne Krankenkassenleistungen) angeboten werden sollen usw..

36

Das zum Gegenstand der Klage gemachte Leistungsangebot genügt den gesetzlichen Vorgaben mangels Differenzierung nicht.

37

Soweit die Klägerin auf Einrichtungen verweist, die dem Rahmenvertrag beigetreten sind, an die derartige Anforderungen nicht gestellt worden seien, ist darauf hinzuweisen, dass abgesehen davon, dass die Klägerin dem Rahmenvertrag gerade nicht beigetreten ist, sie nicht schlechter gestellt ist. Auch für sie gilt die gesetzliche Regelung, nach der Vereinbarungen und Festsetzungen auch nach Ablauf der Laufzeit weitergelten, sie mithin an alte Vergütungsvereinbarungen bzw. Festsetzungen der Schiedsstelle anknüpfen kann, wobei die Festsetzungen der Schiedsstelle für Zeiträume vor 1999 neben der Vergütung auch die Leistungsvereinbarung mit umfassen (§ 93 Abs. 3 BSHG bis 31.12.1998 gültige Fassung vom 23.7.1996). Dabei haben die Klagen, die hinsichtlich der Festsetzungen für die Jahre bis 1998 erhoben worden sind, keine aufschiebende Wirkung. Sie kommt ihnen auch nicht durch die Gesetzesänderung durch das SGB XII/von 1.1.1999- 31.12.2004 gültige Neufassung des BSHG vom 23.7.1996) zu (siehe hierzu im Einzelnen VGH München, Urt.v.23.3.2005 12 B 01.1916, veröffentlicht in juris).

38

Die Differenzierung darf andererseits nicht so weit gehen, dass praktisch eine Einzelplatzbetrachtung erfolgt, weil auch dies die Vergleichbarkeit von Einrichtungen erschweren würde und eine vorgreifliche Vereinbarung vor dem Individualvertrag eines Hilfeempfängers sinnlos wäre.

39

Es ist dementsprechend eine Gruppenbildung vorzunehmen, die sowohl die Vergleichbarkeit gewährleistet als auch eine leistungsgerechte Vergütung zulässt. Eine Gruppenbildung bedingt immer auch ein gewisses Maß an Pauschalierung, da eine völlig gleiche Personen- und Leistungsgruppe kaum je einmal gegeben sein werden. Die Grenzziehung für die Gruppenbildung muss spätestens da verlaufen, wo die Leistungsunterschiede (insbesondere im Hinblick auf die Vergütung) so signifikant werden, dass ein einheitlicher Vergütungssatz unbillig erscheint. Fälle mit deutlich geringerem Betreuungsaufwand, dürfen nicht in dieselbe Gruppe genommen werden, wie Fälle mit deutlich erhöhtem Betreuungsaufwand. Entsprechendes gilt für die Qualitätsnotwendigkeit der Betreuung und den sachlichen Aufwand.

40

Soweit der Beklagte die Angabe von Mindest- und Höchstalter von aufzunehmenden Personen begehrt, ist dies allerdings nur bedingt geeignet, die notwendige Leistung, insbesondere den Betreuungsaufwand zu beschreiben. Richtig ist zwar, dass der Betreuungsaufwand auch altersabhängig sein kann, weil sich z.B. Eingliederungsmaßnahmen auch nach dem Alter richten. Entscheidender dürfte aber die Bildung von Leistungsblöcken mit ähnlichen Leistungen sein.

41

Mithin kann die Eingruppierung nach Personengruppen entsprechend der Eingliederungshilfe-VO nur ein erster Schritt zur Bildung entsprechender Leistungsgruppen (Maßnahmegruppen) sein. In einem zweiten Schritt muss die notwendige personelle und sachliche Leistung bei der Gruppenbildung in der Weise Berücksichtigung finden, dass ähnliche Leistungen gleichartiger Wertigkeit zusammengefasst werden. Dies hat ein Leistungsangebot zu berücksichtigen. Dass dabei eine unterschiedliche Gruppenbildung im Rahmen der Bandbreite des Notwendigen und Ausreichenden denkbar ist, ändert nichts an der grundsätzlichen Notwendigkeit der Leistungsdifferenzierung.

42

Fehlt diese, wie hier, gänzlich, ist die Bandbreite des Notwendigen und Ausreichenden (der gesetzliche Rahmen des § 76 SGB XII/§ 93a BSHG) bereits verlassen, sodass kein Raum für die Bestimmung der Leistung innerhalb der Bandbreite des Notwendigen und Ausreichenden schon gar nicht durch das Gericht nach billigem Ermessen (entsprechend §§ 315, 316, 319 Abs. 1 BGB) vorhanden ist, soweit eine entsprechende Anwendung überhaupt zulässig ist, was hier ausdrücklich offen gelassen wird. Liegt kein annahmefähiges Angebot vor, so kommt es nicht auf die Frage an, ob eine rückwirkende Leistungsvereinbarung geschlossen werden kann.

43

Angemerkt sei aber, dass nach § 93 b Abs. 1 Satz 1 BSHG/§ 77 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Vereinbarungen nach § 93 Abs. 2 BSHG/§ 77 Abs. 3 SGB XII vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode abzuschließen sind. Eine nachträgliche Vereinbarung hinsichtlich der Leistungsmerkmale wäre auch wenig sinnhaft, weil nach der Art der Leistung diese nachträglich nicht mehr verändert erbracht werden kann.

44

Die fehlende Möglichkeit der Rückwirkung hinsichtlich der Leistungsvereinbarung dokumentiert sich auch darin, dass das Gesetz anders als bei der Vergütungsvereinbarung (Rückwirkung auf den Antrag bei der Schiedsstelle) eine Rückwirkungsmöglichkeit nicht vorgesehen hat und damit keine Ausnahme zu § 93 b Abs.1 Satz 1 BSHG/§ 77 Abs. 1 SGB XII zugelassen hat.

45

Dies stellt die Klägerin aber nicht rechtlos. So dürften geschlossene oder vor 1999 durch die Schiedsstelle bestimmte Leistungsvereinbarungen weiterwirken, soweit sie nicht rechtswirksam gekündigt worden sind. Zumindest dürfte sich aber aus den faktischen Beziehungen zwischen Sozialhilfeträger und Einrichtungsträger Ansprüche auf Leistungen und Vergütung bestehen (dabei kommen in Betracht ungerechtfertigte Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag, Treu und Glauben). So bedient sich der Sozialhilfeträger der Leistungen des Einrichtungsträgers, um seine Verpflichtung gegenüber dem Hilfeempfänger zu erfüllen und der Einrichtungsträger nimmt vom Sozialhilfeträger die Vergütung entgegen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGo-in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.