Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.12.2012, Az.: 4 W 212/12

Zulässigkeit neuen Vorbringens im Verfahren über die Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
20.12.2012
Aktenzeichen
4 W 212/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 31386
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2012:1220.4W212.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 16.11.2012

Fundstelle

  • MDR 2013, 364-365

Amtlicher Leitsatz

Die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Erstgericht nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO schließt es grundsätzlich nicht aus, dass der Antragsteller das versäumte Vorbringen mit der Beschwerde gegen den Ablehnungsbeschluss nachholen kann.

Tenor:

Der Beschluss der Einzelrichterin der 16. Zivilkammer des Landgerichts H. vom 16. November 2012 wird aufgehoben.

Dem Antragsteller wird mit Wirkung ab 28. November 2012 Prozesskostenhilfe für die erste Instanz bewilligt.

Auf den anliegenden Hinweis betreffend 120 Abs. 4 ZPO wird Bezug genommen.

Dem Antragsteller wird Rechtsanwalt M. S. in H. zur Vertretung in diesem Verfahren beigeordnet.

Gründe

1

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Sie hat mit der Maßgabe, dass Prozesskostenhilfe zwar nicht rückwirkend bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung vom 16. Oktober 2012, wohl aber seit Eingang der Beschwerde mit Anlagen am 28. November 2012 zu bewilligen ist, auch in der Sache Erfolg.

2

1. In dem angefochtenen Beschluss vom 16. November 2012 hat die Kammer zwar noch zutreffend Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil der Antragsteller bis zu diesem Zeitpunkt trotz Fristsetzung gem. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO die Angaben zu seiner Prozesskostenhilfebedürftigkeit nicht ergänzt hatte. Dagegen war die Ablehnung einer Abhilfe nach Eingang der Beschwerde bei dem Landgericht im Beschluss vom 30. November 2012 wiederum unter Bezugnahme auf die Vorschrift des § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO rechtsfehlerhaft.

3

Denn der Beklagte hat mit der Beschwerde seine Angaben zur Prozesskostenhilfebedürftigkeit ergänzt und hierzu auch entsprechende Urkunden vorgelegt. Der Vortrag im Beschwerdeverfahren war zwar neu. Neuer Sachvortrag in der Beschwerde ist aber nach § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO grundsätzlich zulässig. Die Vorschrift des § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO ändert hieran nichts. Sie spricht zwar eine Sanktion für ungenügende Mitwirkung der antragstellenden Partei bei Feststellung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aus. Der Antragsteller ist mit dem versäumten Vorbringen damit aber nicht endgültig ausgeschlossen. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO selbst beinhaltet keine Ausschlussfrist. Der Antragsteller kann, weil auch der Ablehnungsbeschluss - hier der Beschluss der Kammer vom 16. November 2012 - keine Rechtskraftwirkung entfaltet, entweder durch ein neues Prozesskostenhilfegesuch oder wie hier im Wege der Beschwerde das versäumte Vorbringen nachholen (vgl. OLG Koblenz, FamRZ 1990, 537; Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl., § 118 Rn. 10). Eine Ausnahme gilt allenfalls für den hier nicht vorliegenden Fall, dass zum Zeitpunkt des ergänzenden Beschwerdevorbringens oder auch des Eingangs des neuen Bewilligungsgesuchs bereits in der Hauptsache entschieden worden ist (Thomas/Putzo, aaO.; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 127 Rn. 48; BAG, MDR 2004, 415).

4

2. Aus der grundsätzlichen und auch hier gegebenen Notwendigkeit, neues Beschwerdevorbringen im Rahmen der Hilfsbedürftigkeit auch dann zu berücksichtigen, wenn das Erstgericht die Prozesskostenhilfe auf der Grundlage des § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO rechtsfehlerfrei versagt hat, folgt gleichzeitig, dass auch im vorliegenden Fall das Beschwerdevorbringen auch im Rahmen der Abhilfeentscheidung der Kammer umfassend hätte berücksichtigt werden müssen (vgl. Zöller/Geimer, aaO., § 127 Rn. 33 m. w. N.).

5

Nachdem die Nichtabhilfeentscheidung der Kammer diese Überprüfung des neuen Beschwerdevorbringens verfahrensfehlerhaft unterlassen hat, hätte auch die Möglichkeit bestanden, die Sache zur Nachholung dieser Prüfung an das Landgericht zurückzuverweisen. Der Senat hat hiervon keinen Gebrauch gemacht, weil aufgrund des neuen Vorbringens die Prozesskostenhilfebedürftigkeit des Antragstellers und Beklagten zu 2 ohne weitere Ermittlungen zu bejahen und dem Antragsteller ohne Ratenzahlung Prozesskostenhilfe zu bewilligen war (Zöller/Geimer, aaO., Rn. 38). Hinreichende Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung i. S. v. § 114 S. 1 ZPO sind ebenfalls gegeben.

6

Die Prozesskostenhilfe konnte allerdings, wie eingangs ausgeführt, mit Wirkung erst seit Eingang der ergänzenden Unterlagen mit der Beschwerdebegründung zum 28. November 2012 bewilligt werden, weil erst seit diesem Zeitpunkt Entscheidungsreife für eine Bewilligung zu Gunsten des Abtragstellers vorlag.