Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 19.06.2014, Az.: 2 A 2748/12
Anspruch auf eine anonymisierte Offenlegung des Vertriebsweges von Gärresten gegenüber dem Betreiber einer Biogasanlage
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 19.06.2014
- Aktenzeichen
- 2 A 2748/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 24235
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2014:0619.2A2748.12.0A
Rechtsgrundlage
- § 201 BauGB
Amtlicher Leitsatz
Vom Betreiber einer Biogasanlage befürchtet Schwierigkeiten für seine zukünftigen Geschäftsbeziehungen stehen dem Anspruch auf anonymisierte Offenlegung des Vertriebsweges von Gärresten nicht entgegen.
[Tatbestand]
Der Kläger begehrt Auskunft nach dem Umweltinformationsgesetz.
Die Beigeladene betreibt in K. eine Biogasanlage, in der Gülle und Mais zur Stromerzeugung vergoren werden und bei deren Betrieb Gärreste anfallen, die anschließend auf landwirtschaftliche Nutzflächen ausgebracht werden. Die Beklagte war bereits im Zuge eines Genehmigungsverfahrens zur Änderung der Verbrennungsmotoranlage und zur Erzeugung von Strom der Beigeladenen am Genehmigungsverfahren durch das Gewerbeaufsichtsamt beteiligt worden. Hierzu hatte die Beklagte am 20. Oktober 2010 eine Stellungnahme zur Frage des Verbleibs von Gärresten bei der beantragten Einbringung von Putenmist in die Biogasanlage der Beigeladenen abgegeben. Die Beklagte hat festgestellt, dass angesichts der beantragten Mengen rechnerisch mit 900 ha Flächen für die Ausbringung der Gärreste zu rechnen sei.
In einer weiteren Stellungnahme vom 18. Juli 2011 ging es wiederum um die Frage des Flächennachweises für die Verbringung der aus der geänderten Anlage erwarteten Gärrestmengen.
Offenbar parallel zu dem vorgenannten Verfahren betrieb die Beigeladene bei dem Landkreis L. als zuständiger Genehmigungsbehörde ein Verfahren zur Genehmigung des Neubaus eines Fermenters für ihre Biogasanlage. Auch hierzu nahm die Beklagte mit Schreiben vom 8. September 2011 Stellung und erklärte, dass sich im Hinblick auf die mit der Errichtung des Fermenterbehälters zur erwartende längere Verweildauer der Gärreste in der Anlage und einer besseren Wirtschaftlichkeit aus Sicht der von der Beklagten zu prüfenden Fragen der Einhaltung der Düngeverordnung keine wesentlichen Veränderungen ergäben.
Schließlich nahm die Beklagte am 27. September 2011 auf Anfrage des Landkreises L. Stellung im Genehmigungsverfahren des M. für die Errichtung eines Güllebehälters in K.. Die Stellungnahme befasst sich mit der Frage, ob N. Landwirtschaft i.S.v. § 201 BauGB betreibt, was bejaht wird. Unter Ziffer 4 des Schriftsatzes heißt es, dass die Unterbringung der veranschlagten Gärrestmenge von ca. 6.000 m3 im Jahr sichergestellt sei. Hierzu befindet sich in den vorgelegten Verwaltungsvorgängen ein sogenannter Qualifizierter Flächennachweis vom 22. September 2011.
Am 28. März 2012 gab die Beklagte schließlich eine Stellungnahme im Genehmigungsverfahren des O. für den Neubau eines Güllebehälters, ebenfalls in K., ab. Auch dort wird die Frage erörtert, ob P. Landwirtschaft i.S.v. § 201 BauGB betreibt, was bejaht wird. Es wird bescheinigt, dass die Zwischenlagerung der Gärreste in dem geplanten Behälter wirtschaftlich sinnvoll sei.
Schließlich hat die Beklagte am 29. März 2012 eine weitere Stellungnahme im Genehmigungsverfahren der Beigeladenen zur Genehmigung des Aufstellens einer Gärrestetrocknungsanlage abgegeben. Dort wird die Frage erörtert, inwieweit die Trocknung und Zwischenlagerung des getrockneten Gärrests zur Immissionsbelastung führt. Solche Immissionsbelastungen werden verneint.
Unter dem 25. Juni 2012 wandte sich der Kläger an die Beklagte - Bezirksstelle Q. - und erklärte, es bestünden Bedenken, dass die Beigeladene Gärreste aus ihrer Biogasanlage wiederholt auf Flächen ausbringe und nicht einarbeite. Es bestünde der Verdacht, dass einzelne Flächen lediglich zur Entsorgung der Gärreste genutzt würden, ohne dabei auf Risiken für das Grundwasser und die gute fachliche Praxis zu achten. Es wurde beantragt, in die Genehmigungsunterlagen und speziell in den Qualifizierten Flächennachweis (QFN) Einsicht zu gewähren.
Der Kläger hat am 19. Dezember 2012 die vorliegende Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Der Kläger sei ein anerkannter Umweltverband. Im Jahre 2012 sei ihm bekannt geworden, dass die Beigeladene wiederholt Gärreste auf Flächen ausgebracht habe, ohne damit die Regeln der guten fachlichen Praxis zu beachten. Mit Schreiben vom 25. Juni 2012 habe er sich deswegen an die Beklagte gewandt und auf der Grundlage des Nds. Umweltinformationsgesetzes um Übersendung einer Kopie des für die Anlage erstellten Qualifizierten Flächennachweises zu bitten. Auf diese Anfrage habe die Beklagte nicht reagiert. Die Klage sei daher als Untätigkeitsklage zulässig. Die Klage sei auch begründet, denn der Kläger habe gemäß § 3 Nds. Umweltinformationsgesetz (NUIG) Anspruch auf diese Unterlagen bzw. Einsicht in diese. Es handele sich um Umweltinformationen über Immissionen und gesetzliche Ablehnungsgründe lägen nicht vor. Die Ausbringung von Dünger auf landwirtschaftlichen Flächen stelle sich als Freisetzung von Stoffen in die Umwelt i.S.v. § 3 Abs. 3 Nr. 2 UIG des Bundes (BUIG) und gleichzeitig als Tätigkeit i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 3a UIG dar, die sich auf die Umweltbestandteile Luft, Boden und Wasser auswirken. Über diese Informationen verfüge die Beklagte. Auch könne die Herausgabe der Informationen nicht verweigert werden, weil es sich wegen der mit den auszubringenden Gärresten verbundenen Ammoniakimmissionen um Informationen über Emissionen i.S.v. § 9 Abs. 1 S. 2 UIG handele. Stickstoffausträge aus den Gärrückständen gelangten sowohl in den Boden als auch auf dem Luftweg in die Atmosphäre und durch Auswaschung in das Grundwasser. Sie stellten daher Immissionen im gesetzlichen Sinne dar, über die sich Informationen aus dem im QFN erhaltenen Angaben über die für die Ausbringung des Wirtschaftsdüngers vorgesehenen Flächen ergeben. Ablehnungsgründe lägen nicht vor. Insbesondere seien nicht schützenwerte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betroffen. Es sei hier bereits nicht ersichtlich, welches exklusive technische oder kaufmännische Wissen dem QFN entnommen werden könnte. Auf welchen Flächen die Biogasanlage ihre Gärrückstände entsorge, sei für Marktkonkurrenten uninteressant und irrelevant. Auch handele es sich bei der Lage der für die Ausbringung der Gärrückstände verwendeten Flächen nicht um exklusives oder technisches Wissen, sondern um Tatsachen, die darüber hinaus für jedermann, der den Biogasanlagenbetreiber bei der Ausbringung von Gärrückständen beobachten würde, offensichtlich. Offenkundige Umstände unterfielen aber nicht dem Geheimnisschutz. Aufgrund der Marktregulierung der Biostromerzeugung durch das Erneuerbare Energiengesetz sei eine Marktstruktur mit Konkurrenzverhältnissen überhaupt nicht vorhanden. Im Übrigen verfolge auch der Kläger keine wirtschaftlichen Interessen. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass im qualifizierten Flächennachweis enthaltene Informationen ohnehin im Rahmen des Genehmigungsverfahrens gegenüber betroffenen Dritten offengelegt werden müssten. Der Nachweis hinreichender Entsorgungsflächen sei in zahlreichen Fällen Voraussetzung für Privilegierung i.S.d. § 35 Abs. 1 BauGB. Diese Voraussetzungen könnten von den anerkannten Umweltverbänden in bestimmten Genehmigungsverfahren einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden. Darum gehe es hier aber nicht. Der Kläger wolle auch keine Informationen Konkurrenten zugänglich machen. Sein Interesse bestände lediglich darin, die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu überprüfen und eventuelle Vollzugsdefizite im Rahmen seiner politischen Arbeit zu thematisieren. Er verweist dazu auf seine im Internet veröffentlichten satzungsmäßigen Vereinsziele. Ein entsprechender Schutz der Interessen der Beigeladenen könne durch Schwärzungen oder Aussonderungen bestimmter Informationen erreicht werden. Dem Transparenzgebot komme bei der Überwachung der Nachvollziehbarkeit von Genehmigungsverfahren große Bedeutung zu und dieses sei umfassend zu gewährleisten. Zur Überwachung des ordnungsgemäßen Gesetzesvollzuges im Rahmen des Transparenzgebotes seien insbesondere die staatlich anerkannten Umweltverbände nach den Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes und des Art. 9 Abs. 2 des Übereinkommens von Arhus bzw. Art. 1 Abs. 2, 10a RL 85/337/EWG (jetzt Art. 11 Abs. 3 RL 2011/92/EU) mit besonderer Weise berufen. Dies sei durch die Rechtsprechung des EUGH klargestellt.
Im Zuge des gerichtlichen Verfahrens ist deutlich geworden, dass die Abnehmer der Gärreste der Beigeladenen, die rechtlich nicht mit der juristischen Person identisch sind, an dem vorliegenden Verfahren bisher nicht beteiligt waren. Das Gericht machte deshalb Bedenken geltend, ob es zulässig sei, in dieser Sache "durchzuentscheiden" und ob nicht zuvor die Abnehmer der Gärreste an dem Verfahren zu beteiligen seien. Daraufhin hat der Kläger seinen Klagantrag umgestellt.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, den Antrag des Klägers auf Übersendung der Umweltinformationen zur Prüfung der Entsorgung von Gärresten im Rahmen der Genehmigung und einer eventuellen Änderungsgenehmigung für die Biogasanlage der Beigeladenen einschließlich der zugehörigen Qualifizierten Flächennachweise mit den zugrundeliegenden Daten und Berechnungen in anonymisierter Form unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht insbesondere geltend, dass weder für eine R. noch für eine S. ein QFN erstellt worden sei. Ein solcher könne deswegen auch nicht herausgegeben werden.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Auch sie verweist darauf, dass es einen QFN für die Anlage der Beigeladenen nicht gebe. Der Auskunftsanspruch des Klägers könne sich nur auf solche Informationen erstrecken, die der auskunftspflichtigen Behörde auch vorlägen. Das UIG habe gerade nicht zum Inhalt zu erforschen, warum eine Behörde möglicherweise Dinge getan oder nicht getan habe. Es sei nicht erkennbar, dass die Beigeladene, die hier nach dem UIG und der Verwaltungsgerichtsordnung unterliege, ihre Pflichten verletzte. Die Beigeladene selbst sei keine informationspflichtige Stelle i.S.v. § 2 UIG. Im Übrigen sei die Frage in welcher Form die Entsorgung der Gärrückstände von der Beklagten dokumentiert worden sei, keine Information nach dem UIG.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage war als Untätigkeitsklage gemäß § 75 Verwaltungsgerichtsordnung zulässig, weil die Beklagte den Antrag des Klägers ohne ersichtlichen Grund nicht innerhalb von drei Monaten beschieden hat.
Die anschließend im gerichtlichen Verfahren zulässigerweise in eine sogenannte Bescheidungsklage geänderte Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Der Kläger hat Anspruch auf Neubescheidung seines Antrages auf Zugänglichmachung der der Beklagten vorliegenden Daten über den Verbleib der in der Biogasanlage der Beigeladenen anfallenden Gärreste. Die Kammer hat sich in dem ebenfalls am 19. Juni 2014 entschiedenen Verfahren 2 A 2735/12, in dem es um die Herausgabe von Daten über den Verbleib von Gülle im Zuge einer vom dortigen Beigeladenen betriebenen Hähnchenmastanlage ging, einen Informationsanspruch des Klägers bejaht und ausgeführt:
"Gemäß § 3 Satz 1 des Niedersächsischen Umweltinformationsgesetzes (NUIG) i.V. mit §§ 3 Abs. 1, Abs. 2 und 3 sowie §§ 4, 5, 8 und 9 Umweltinformationsgesetz des Bundes (UIG) hat jede Person, ohne ein Interesse darlegen zu müssen, nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle verfügt. Hiernach hat der Kläger Anspruch darauf, ihm den für die Hähnchenmastanlage bzw. den landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers erstellten sogenannten Qualifizierten Flächennachweis (QFN) sowie die Berechnungsgrundlagen zugänglich zu machen. Die Beklagte ist in Bezug auf die verlangten Daten informationspflichtige Stelle i.S. des Gesetzes, da sie im Rahmen von Genehmigungsverfahren nach Baurecht oder Immissionsschutzrecht u.a. zu ermitteln hat, ob z.B. die Voraussetzungen des § 201 BauGB vorliegen. Außerdem hat sie zu prüfen, ob ausreichend Flächen zur Verfügung stehen, um eine den umweltrechtlichen, insbesondere den dem Grundwasser- und Gewässerschutz dienenden Vorschriften entsprechende gefahrlose Beseitigung der anfallenden Gülle und Gärreste möglich ist.
Der Kläger hatte mit Schreiben vom 15. Juni 2012 zunächst den oben genannten Fragenkatalog überreicht, um Einzelheiten darüber in Erfahrung zu bringen, wie das System der Überwachung der Gülleausbringung in Niedersachsen gehandhabt wird. Hintergrund war, dass der Verdacht bestand, die gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich der zulässigen Mengen und der Zeiträume der Gülleausbringung würden im Zusammenhang mit dem Betrieb des Beigeladenen nicht eingehalten. Erst im Zuge des Verfahrens war dabei der Begriff des "Qualifizierten Flächennachweises" (QFN) aufgetaucht und der Kläger hatte deswegen von der Beklagten die Herausgabe des QFN verlangt. Was unter diesem Begriff konkret zu verstehen ist und welche Daten in dem QFN enthalten sind, war dem Kläger - und auch dem Gericht - zunächst nicht bekannt. Offenbar ging der Kläger davon aus, unter dem QFN sei eine qualifizierte Aufstellung der Flächen (mit Flurstücksbezeichnung) zu verstehen, aus der zu ersehen sein würde, welche Mengen Gülle auf welchen Flächen ausgebracht werden dürfen. Aus den nur dem Gericht vorgelegten Unterlagen der Beklagten, die als QFN bezeichnet wurden, ergab sich dieser Detaillierungsgrad der Daten jedoch nicht. Erst in der mündlichen Verhandlung erläuterten die Vertreter der Beklagten den QFN und erklärten, der sog. Qualifizierte Flächennachweis sei zwischen den Baugenehmigungsbehörden in Niedersachsen und der Landwirtschaftskammer als Instrument im Rahmen von § 41 Nds. Bauordnung (NBauO) entwickelt worden, um für die Frage der Wirtschaftsdüngerverbringung einen gesamtbetrieblichen Bedarf der Nährstoffverwertbarkeit errechnen zu können. Einzelne flächenbezogene Daten könnten mit diesem Instrument nicht erhoben werden und lägen bei der Beklagten auch gar nicht vor. Ein immer wieder besprochenes Flächenkataster in diesem Sinne gebe es gar nicht. Im Rahmen von Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz werde die Beklagte möglicherweise als Träger öffentlicher Belange beteiligt. In diesem Rahmen bestehe keine Klarheit ob § 41 NBauO hier Anwendung finden könne. Es werde aber diese Vorschrift jedenfalls analog in diesen Verfahren ähnlich angewandt.
Dass der Begriff der Umweltinformation weit zu fassen ist, ergibt sich aus der Erwägung Nr. 10 der Umweltinformationsrichtlinie (RL 2003/4/EG dres Euopäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003), die mit dem UIG des Bundes und dem NUIG in nationales Recht umgesetzt worden ist. Dort heißt es:
"Die Bestimmung des Begriffs "Umweltinformationen" sollte dahin gehend präzisiert werden, dass Informationen jeder Form zu folgenden Bereichen erfasst werden: Zustand der Umwelt; Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkeiten, die Auswirkungen auf die Umwelt haben oder haben können oder die dem Schutz der Umwelt dienen; Kosten/Nutzen-Analysen und wirtschaftliche Analysen im Rahmen solcher Maßnahmen oder Tätigkeiten; außerdem Informationen über den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit einschließlich der Kontamination der Lebensmittelkette, Lebensbedingungen der Menschen, Kulturstätten und Bauwerke, soweit sie von einem der genannten Aspekte betroffen sind oder betroffen sein können."
Einbezogen in die gesetzliche Definition sind danach ausdrücklich auch Kosten/Nutzen-Analysen und wirtschaftliche Analysen im Rahmen umweltrelevanter Tätigkeiten. Der Europäische Gerichthof hat diese weite Auslegung des Begriffs der Umweltinformation bestätigt (Urteil (Fünfte Kammer) vom 12. Juni 2003 - C-316/01 -[...]). Hiernach sind der QFN, den die Beklagte für das Vorhaben des Beigeladenen erstellt hat, sowie die diesem zugrunde liegenden Berechnungen Umweltinformationen i.S. der zitierten Vorschriften, da sich anhand dieser Quellen, wenn auch nur sehr grob, ermitteln lässt, ob für die Beseitigung anfallender Gärreste oder Gülle überhaupt ausreichend eigene Flächen oder Flächen Dritter zur Verfügung stehen. Denn daraus lassen sich Rückschlüsse auf die Menge der pro Flächeneinheit auszubringenden Gülle und damit auf mögliche Umweltgefahren, z.B. für das Grundwasser ziehen.
Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 UIG, der über § 3 S. 2 NUIG hier Anwendung findet und auf den die Beklagte ihre Ablehnung der Herausgabe des QFN und weitergehender Information gestützt hat, ist ein Antrag abzulehnen, soweit durch das Bekanntgeben der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden, es sei denn, die Betroffenen haben zugestimmt oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Der Beigeladene hat der Herausgabe der verlangten Daten unter Hinweis auf sein Recht, Betriebsgeheimnisse nicht offenlegen zu müssen, verweigert. Die danach erforderlichen Voraussetzungen für eine Auskunftsverweigerung liegen hier jedoch nicht vor, weil für eine erhebliche Beeinträchtigung von Interessen des Beigeladenen keine hinreichenden Anhaltspunkte vorliegen.
Der Hinweis der Beklagten und des Beigeladenen der Verbleib der anfallenden Gülle sei ein zu schützendes Betriebsgeheimnis, weil die Offenlegung dieser Daten zukünftige Schwierigkeiten bei Betriebserweiterungen und auch bei der Gewinnung von Drittabnehmern der Gülle erwarten lasse, weil dann mit öffentlichen Protesten zu rechnen sei, führt zu einer zu weitgehenden Auslegung der zu schützenden Belange und schließlich im Ergebnis zum Leerlaufen des Informationsanspruchs. Aufgrund europarechtlicher Ermächtigung haben Bundes- und Landesgesetzgeber die Information der Öffentlichkeit über umweltrelevante Belange ausdrücklich zu einem Instrument der Kontrolle und Abwehr von Umweltgefahren gemacht. Es liegt auf der Hand, dass dieses gesetzgeberische Ziel nicht erreicht werden kann, wenn jedes Datum, das Rückschlüsse auf betriebsinterne Abläufe desjenigen zulässt, der durch seine Tätigkeit jedenfalls potentiell Gefahren für die Umwelt schafft, bereits dem Geheimnisschutz unterworfen wird. Der Gesetzgeber hat deshalb ausdrücklich formuliert, dass nur erhebliche Beeinträchtigungen, die Auskunftsverweigerung rechtfertigen können. Welche erheblichen Beeinträchtigungen in diesem Sinne dem Beigeladenen drohen könnten, sind auch nicht ansatzweise erkennbar.
Der Beigeladene ist nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet, z.B. die in seinem Betrieb anfallende Gülle ordnungsgemäß und ohne Gefährdung von Umweltgütern zu beseitigen. Er ist deshalb verpflichtet, entsprechende Flächen für die Ausbringung nachzuweisen. Nur dann darf ihm die entsprechende Baugenehmigung oder immissionsschutzrechtliche Genehmigung überhaupt erteilt werden. Dieser Nachweis wird zurzeit über den sogenannten QFN geführt. Ob dieser für diesen Zweck geeignet ist, muss hier nicht beantwortet werden. Nach der mündlichen Verhandlung bestehen jedenfalls erhebliche Zweifel, dass der QFN z.B. keine Angaben zu Bodenbeschaffenheiten enthält und auch ein Querabgleich zum Zwecke der Feststellung, ob Flächen möglicherweise bei mehreren Vorhaben angegeben wurden, mangels eines sogenannten "Güllekatasters" gar nicht möglich ist.
Die Offenlegung eines nach den gegenwärtigen Vorgaben ordnungsgemäß erstellten QFN, der geeignet ist, den Nachweis für die gesetzmäßige Verbringung der Gülle zu führen, kann daher erhebliche Beeinträchtigungen für den Beigeladenen nicht haben. Die ordnungsgemäße Ausbringung von Gülle als Wirtschaftsdünger ist ein anerkanntes Verfahren in der Landwirtschaft und dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Das hat auch der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich betont. Gleiches gilt auch für eventuelle Drittabnehmer der Gülle des Beigeladenen. Nachteile können zwar dann drohen, wenn die Offenlegung des QFN ergibt, dass dieser auf falschen Angaben, Annahmen oder Berechnungen beruht. Solche Unzulänglichkeiten aufzudecken ist aber gerade das Ziel des gesetzlichen Umweltinformationsanspruches. Die Öffentlichkeit soll durch entsprechende Informationen in die Lage versetzt werden, die Einhaltung der Umweltschutzvorschriften und deren Überwachung durch die Behörden zu kontrollieren. Damit einher geht selbstredend die "Gefahr", dass Gesetzesverstöße aufgedeckt oder unzulängliche Verfahrensweisen entdeckt und Maßnahmen gegen diejenigen ergriffen werden, die für die Missachtung der gesetzlichen Vorschriften die Verantwortung tragen. Der Gefahr ausgesetzt zu werden, im Falle der Aufdeckung von Gesetzesverstößen die gesetzlich vorgeschriebenen Folgen tragen zu müssen, kann jedoch nicht das Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung i.S. des Gesetzes begründen. Das wäre ein Zirkelschluss.
Andere erhebliche Beeinträchtigungen, die ein Auskunftsverweigerungsrecht begründen könnten, sind von Beklagter und Beigeladenem weder schlüssig vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat sich mit der Frage befasst, ob ein Anspruch darauf besteht zu erfahren, auf welchen Flurstücken gentechnisch veränderter Mais ausgebracht worden war (Urt. v. 14.01.2009 - 2 A 181/08 -, [...]). Das Gericht hat diesen Anspruch bejaht und selbst die dort behauptete Furcht der Landwirte vor Übergriffen nicht als entgegenstehende erhebliche Beeinträchtigung angesehen. Nach dem dort angewendeten Maßstab, dem die Kammer folgt, stellt die allgemeine Furcht vor zukünftigen, nicht näher beschriebenen Schwierigkeiten bei der Aquise notwendiger Flächen für die Gülleausbringung oder weiteren Betriebserweiterungen wegen einer zunehmend kritischen Haltung der Öffentlichkeit zur Massentierhaltung jedenfalls keine erhebliche Beeinträchtigung in diesem Sinne dar. In einem freiheitlich-demokratisch verfassten System gehört es zur Kehrseite der unternehmerischen Freiheit, dass derjenige, der wirtschaftlichen Profit aus einem Verhalten ziehen will, sich dafür gesellschaftlicher Akzeptanz versichern muss. Öffentliche Kritik an sich ist hinzunehmen und bleibt rechtlich auch folgenlos. Das gleiche gilt, wenn potentielle Geschäftspartner aus der öffentlichen Kritik gegenteilige Schlüsse ziehen und deshalb gewünschte Geschäftsbeziehungen nicht zustande kommen. Wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden, hat der Unternehmer trotzdem einen Anspruch auf Genehmigung (vgl. § 70 Nds. Bauordnung oder § 6 Bundes-Immissionsschutzgesetz - wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, ist die Genehmigung zu erteilen.). Der bloße Hinweis, es sei bekannt, dass der Ortsverband Rotenburg des Klägers mit derartigen Informationen "unsachgemäß umgehe", reicht ebenfalls nicht aus, eine erhebliche Beeinträchtigung zu begründen."
Gemessen an den dort niedergelegten Maßstäben hat der Kläger auch in diesem Verfahren dem Grunde nach Anspruch auf die begehrten Informationen.
Dass Daten über den Verbleib der in einer Biogasanlage anfallenden Gärreste zu den Umweltinformationen gehören, die nach der EU-Umweltinformationsrichtlinie und dem zitierten Urteil des EuGH zu den umweltrelevanten Daten gehören, liegt angesichts der Auswirkungen, die unsachgemäß ausgebrachte Gärreste auf Umweltgüter wie Grundwasser und Gesundheit haben (können), auf der Hand. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 UIG, der über § 3 S. 2 NUIG hier Anwendung findet, ist ein Antrag auf Herausgabe von Umweltinformationen abzulehnen, soweit durch das Bekanntgeben der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden, es sei denn, die Betroffenen haben zugestimmt oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Auch im vorliegenden Fall liegt eine Zustimmung der Beigeladenen und auch der Abnehmer der Gärreste nicht vor. Bei den geforderten Angaben zum Verbleib der Gärreste handelt es sich angesichts der offenzulegenden Abnahmeverpflichtungen bzw. -vereinbarungen, auch wenn die Höhe von Entgelten und die Namen der Abnehmer nicht offengelegt werden, um personenbezogene Daten, die grundsätzlich Schutz genießen, weil Einblicke in die Geschäftsstruktur der Beigeladenen möglich werden. Insoweit geht das Informationsbegehren des Klägers in diesem Verfahren weiter als in dem Parallelverfahren 2 A 2735/12, weil hier auch Dritte im Rechtssinne unmittelbar betroffen sind, auch wenn es sich um die maßgeblichen Gesellschafter der Beigeladenen handelt. Der Gesetzgeber hat angesichts der Wichtigkeit, der er der Information der Öffentlichkeit über umweltrelevante Fragen zubilligt, einen Schutz dieser Daten nur für den Fall gewährt, dass ihre Freigabe zu erheblichen Beeinträchtigungen führt. Selbst dann kann eine Offenlegung jedoch verlangt werden, wenn das öffentliche Interesse überwiegt. Hier sind erhebliche Beeinträchtigungen für die Beigeladene schon nicht erkennbar.
Ebenso wie in dem Parallelverfahren, in dem es um den sogenannten Qualifizierten Flächennachweis (QFN) für eine Hähnchenmastanlage ging, gilt auch hier, dass erhebliche Beeinträchtigungen nicht schon dann angenommen werden können, wenn der Betroffene geltend macht, seine wirtschaftliche Betätigung würde erschwert. Weitere konkrete Angaben hat die Beigeladene jedenfalls nicht gemacht. Die Offenlegung ordnungsgemäßer und anonymisierter Daten über den Verbleib der Gärreste auf eigenen oder auf Flächen anonymisierter Dritter kann nachteilige Folgen nicht haben, weil einerseits die ordnungsgemäße Ausbringung dieser Gärreste gute landwirtschaftliche Praxis ist, was auch der Kläger bestätigt, und andererseits diese Offenbarungspflicht alle Betreiber von Biogasanlagen treffen würde, so dass Wettbewerbsnachteile nicht entstehen dürften. Sofern durch die Offenlegung der verlangten Daten die Entdeckung nicht ordnungsgemäßer Vorgehensweisen entweder der Betreiber oder der Abnehmer, z.B. durch die Mehrfachbelegung von Flächen, befürchtet wird, ist darin erst recht keine erhebliche Beeinträchtigung zu sehen, weil unrechtmäßige Vorgehensweisen ohnehin einen gesetzlichen Schutz nicht beanspruchen können. Den Geschäftsinteressen der Beigeladenen kann im Übrigen durch Anonymisierung der Daten hinsichtlich der Abnehmer und der Einzelheiten von Abnahmevereinbarungen Rechnung getragen werden.
Soweit die Beigeladene geltend macht, eine Herausgabe der Daten sei auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil Hinweise über Fehlverhalten von Betroffenen oder Behörden nicht vorlägen, vermag dies den Informationsanspruch des Klägers nicht zu Fall zu bringen. Die Kammer lässt es dabei ausdrücklich offen, ob angesichts der von den Vertretern der Beklagten geschilderten Vorgehensweise bei der Führung des Nachweises der ordnungsgemäßen Verbringung von Gülle oder Gärresten (kein "Güllekataster", mangels verwertbarer Daten keine Prüfung, ob Flächen schon in anderen Verfahren als Nachweis angegeben wurden, keine Überprüfung der Flächenangaben vor Ort, keine Klassifizierung der Flächen nach Nutzungsart (Acker oder Weide) oder der Bodenbeschaffenheit) nicht doch Anhaltspunkte für Mängel im Gesetzesvollzug vorliegen. Die Aufzählung der Versagungsgründe in § 9 Abs. 1 Nr. 1 UIG ist jedoch abschließend. Das Vorliegen eines Verdachts auf Fehlverhalten gehört nicht dazu.
Selbst wenn man annähme, dass die von der Beigeladenen befürchteten Auswirkungen der Herausgabe der begehrten Informationen auf ihr zukünftiges Geschäftsgebaren als erhebliche Beeinträchtigung angesehen werden könnten, hält die Kammer jedenfalls hier das öffentliche Interesse an der Offenlegung des Verbleibs der Gärreste für schwerwiegender als den Schutzanspruch der Beigeladenen. Angesichts der im Verfahren zutage getretenen Überwachungsdefizite und der erheblichen Gefahren, die von einer "Überdüngung" für so wichtige Umweltgüter wie das Grundwasser ausgehen können, besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse zu kontrollieren, ob die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen auch tatsächlich, nicht nur auf dem Papier z. Zeitpunkt der Genehmigungserteilung eingehalten werden.
Bei der hiernach erforderlichen erneuten Prüfung des Auskunftsanspruches des Klägers ist die Beklagte gehalten, nach Maßgabe der vorgehenden Ausführungen zu verfahren und auch die mögliche Verweigerung von Auskünften durch die Abnehmer der Gärreste der Beigeladenen an den vorliegenden Maßstäben zu messen. Das gilt auch hinsichtlich der Frage, inwieweit Daten zu anonymisieren sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3, 159 VwGO i.V.m. § 100 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.