Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 19.06.2014, Az.: 2 A 2735/12

Anspruch auf eine anonymisierte Offenlegung des Verbleibs der anfallenden Gülle gegenüber dem Betreiber einer Hähnchenmastanlage

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
19.06.2014
Aktenzeichen
2 A 2735/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 24236
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2014:0619.2A2735.12.0A

Amtlicher Leitsatz

Vom Betreiber einer Hähnchenmastanlage befürchtete Schwierigkeiten für seine zukünftigen Geschäftsbeziehungen stehen dem Anspruch auf anonymisierte Offenlegung des Verbleibs der anfallenden Gülle nicht entgegen.

[Tatbestand]

Der Kläger begehrt eine Auskunft nach den Vorschriften des Umweltinformationsgesetzes über die Hähnchenmastanlage der Beigeladenen. Mit Schreiben vom 12. August 2011 bat der Landkreis I. als zuständige Genehmigungsbehörde die Beklagte zu dem Vorhaben des Beigeladenen, in der Gemarkung J. eine Hähnchenmastanlage zu errichten, um eine Stellungnahme. Die Beklagte - Bezirksstelle K. - antwortete darauf mit Schreiben vom 27. September 2011 und gab ihre Stellungnahme insbesondere zum Verbleib der bei dem Vorhaben zu erwartenden Gülle anhand eines von dem Beigeladenen vorgelegten Flächennachweises ab. Die Genehmigung für die Hähnchenmastanlage mit 39.800 Plätzen wurde auf Grundlage des § 4 i.V.m. § 19 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) schließlich erteilt.

Bereits mit Schreiben vom 15. Juni 2012 hatte der Kläger folgende Frage an die Beklagte gerichtet:

  1. 1.

    Nach welcher Rechtsgrundlage werden in Niedersachsen Grünlandflächen bei der Ermittlung der eigenen Futtergrundlage gem. § 201 BauGB berücksichtigt?

  2. 2.

    Sollte die Berücksichtigung von Grünland in Niedersachsen zulässig sein, müsste nach der Dauergrünlandumbruchsverordnung eine gleich große Grünlandfläche neu eingesät werden. Welche Ersatzfläche ist in diesem Fall vorgesehen (bitte Flurstück oder Feldblock benennen).

  3. 3.

    Wer prüft, ob der Pachtvertrag nach dem 30. April 2021 verlängert wird bzw. andere Flächen zur Verfügung stehen?

  4. 4.

    Wer prüft, ob die gem. Abnahmevertrag abgegebenen Wirtschaftsdünger auf zulässigen Flächen und entsprechend der guten fachlichen Praxis untergebracht werden?"

Unter 5. bittet der Beklagte gem. § 8 Umweltinformationsgesetz (UIG) um Übersendung einer Kopie des qualifizierten Flächennachweises (QFN).

Mit Email vom 27. Juni 2012 (Herr L.) lehnte der Beklagte den Einsichtsantrag unter Hinweis auf § 9 UIG ab, da es sich bei der Berechnung der qualifizierten Flächennachweise um zu schützende Betriebs- bzw. personenbezogene Daten handele. Man habe die Anfrage daher direkt an den Landkreis I. weitergeleitet.

In einer internen Email der Beklagten (Herr M. an Herrn N.) vom 7. Juni 2012 wird Herr N. gebeten die Frage zu Ziffer 1. der Klägerin umfassend zu beantworten. Andererseits werden hinsichtlich des angeforderten qualifizierten Flächennachweises Bedenken geäußert.

In einer weiteren internen Email vom 11.07.2012 (Herr L. an Herrn M.) wird die Frage aufgeworfen, ob die Unterlagen in dieser oder in der modifizierten Form an den BUND herausgegeben werden könnten und ob der Bauherr der Herausgabe vorher zustimmen müsse. Es wird darauf hingewiesen, dass die Baugenehmigungsbehörden im Bereich der Beklagten nicht über die beschriebenen Unterlagen verfügten. Diese würden bei der Landwirtschaftskammer verwaltet, die deswegen auch Adressatin eines Informationsanspruches sei. In einer weiteren internen Email vom 12. Juli 2012 (M. an L.) heißt es, nach erneuter Prüfung der Angelegenheit und Abstimmung mit dem Kammerdirektor werde vorgeschlagen, zurzeit den Qualifizierten Flächennachweis nicht herauszugeben. Mit Schreiben vom 20. Juli 2012 an den Kläger lehnte der Beklagte die Herausgabe des Flächennachweises unter Hinweis auf § 9 Umweltinformationsgesetz und entgegenstehende Interesse des Beigeladenen ab. Dem Schreiben war eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht beigefügt worden.

Der Kläger erhob mit Schreiben vom 25. September 2012, eingegangen am 26. September 2012, förmlich Widerspruch. Er machte deutlich, dass er mit den Ausführungen des Beklagten zum Datenschutz nicht einverstanden sei. Bei den begehrten Informationen - Qualifizierter Flächennachweis - handele es sich um Umweltinformationen im Sinne der §§ 2 Abs. 5 Nds. UIG i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 UIG. Die Beklagte sei eine informationspflichtige Stelle, denn sie sei nach dem Gesetz über die Landwirtschaftskammer Niedersachsen vom 17.11.2005 eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und erfülle damit die Begriffsdefinition des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 NUIG. Sie verfüge auch über die beantragten Informationen. Dass der Landkreis Genehmigungsbehörde im Verfahren sei, spiele dabei keine Rolle. Ob es einzelne personenbezogene Daten gebe, die unter § 9 Abs. 1 S. 1 UIG fielen, könne der Kläger nicht abschließend klären. Er gehe aber davon aus, dass zumindest der überwiegende Teil der Informationen im QFN nicht der Geheimhaltung unterliege.

Mit Bescheid vom 20. November 2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Bei den angeforderten Informationen handele es sich um Umweltinformationen gem. § 2 Abs. 5 NUIG i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 und 6 des BUIG, da durch den QFN die konkrete Nutzung der durch einen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschafteten Flächen dokumentiert werde. Ebenso werde im Rahmen dieser Darstellung z.B. der Wirtschaftsdüngeranteil des Betriebes wiedergegeben und berechnet. Eine Auskunftspflicht bestehe allerdings nur, soweit die Landwirtschaftskammer als auskunftspflichtige Stelle über angeforderte Umweltinformation verfüge. Der QFN werde durch die Landwirtschaftskammer im Auftrag der jeweiligen Baugenehmigungsbehörde für ein landwirtschaftliches Bauvorhaben erstellt, damit seitens der Baugenehmigungsbehörde beurteilt werden könne, ob z.B. für den geplanten Stall eine ausreichende Futtergrundlage für die entsprechenden Tiere vor dem Hintergrund der entsprechenden Rechtsprechung vorhanden sei. Dies sei hier durchgeführt worden. Der vorliegende Flächennachweis enthalte eine detaillierte Darstellung der von dem betroffenen Landwirt bewirtschafteten Flächen, aufgeschlüsselt nach Acker- und Grünland, verbunden mit dem jeweiligen Ertrag. Ebenso sei die vorhandene Güllelagerkapazität aufgeführt und eine Berechnung zum betrieblichen Wirtschaftsdüngeranteil. Weiterhin werde die gesamtbetriebliche Nährstoffverwertbarkeit berechnet und erläutert, hierzu gehöre z.B. auch die Darstellung eines Vertrages mit Dritten über die Abnahme von Wirtschaftsdünger. Gem. § 3 Abs. 2 NUIG i.V.m. § 9 Abs. 1 Ziffer 1 und Satz 1 UIG stelle diese Zusammenstellung zum Betrieb personenbezogene Daten dar, die nur dann offenbart werden dürften, wenn entweder der Betroffene zugestimmt habe oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiege. Nach § 9 Abs. 1 Ziffer 3 UIG sei ein entsprechender Antrag ebenfalls abzulehnen, wenn durch das Bekanntgeben Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zugänglich gemacht würden. Der Beigeladenen habe nicht zugestimmt und eine Veröffentlichung der Daten würde auch eine erhebliche Beeinträchtigung seiner Interessen bedeuten, da anhand der dann zur Verfügung stehenden Daten die gesamte Betriebsstruktur sowie der detaillierte Umfang seines Betriebes allgemein zugänglich wären. Zusätzlich wäre damit auch ein Bekanntgeben von Betriebsgeheimnissen verbunden. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung dieser Daten sei auch nicht erkennbar. Das öffentliche Interesse überwiege nur, wenn mit einem Antrag ein Interesse verfolgt werde, das über das allgemeine Interesse hinausgehe, das bereits jeden Antrag rechtfertige. Es genüge nicht das allgemeine Interesse der Öffentlichkeit. Ein solches überwiegendes Interesse liege nicht vor.

Der Kläger hat am 19. Dezember 2012 die vorliegende Klage erhoben. Er macht geltend, er sein ein anerkannter Umweltverband und habe im Zusammenhang mit dem Genehmigungsverfahren für das Vorhaben des Beigeladenen um Beantwortung mehrerer Fragen im Zusammenhang mit den Genehmigungsvoraussetzungen gebeten. Es gehe dabei um die Ausbringung des Wirtschaftsdüngers und die dabei zu berücksichtigenden Flächen. Deswegen habe man um Übersendung des sog. Qualifizierten Flächennachweises gebeten. Hierbei handele es sich um eine Umweltinformation i.S.d. §§ 2 Abs. 5 NUIG, 2 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 NUIG, da durch diesen die konkrete Nutzung der durch einen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschafteten Flächen ebenso wie z.B. der Wirtschaftsdüngeranfall des Betriebes dokumentiert werde. Die Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen betreffe den Zustand des Bodens und der Landschaft, die Ausbringung von Dünger auf diesen Flächen stelle als Freisetzung von Stoffen in die Umwelt gleichzeitig eine Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 3 Nr. 3a UIG dar, die sich auf die Umweltbestandteile Luft, Boden und Wasser auswirke. Über diese Information verfüge die Beklagte, da diese im Sinne des Gesetzes bei ihr vorhanden seien. Unabhängig von der Frage des Vorliegens von Ablehnungsgründen bzw. eines überwiegenden öffentlichen Interesses könne die Übersendung des Qualifizierten Flächennachweises bereits deshalb nicht abgelehnt werden, weil es sich bei den darin enthaltenen Informationen über den in der Anlage anfallenden und auf den Flächen auszubringenden Wirtschaftsdünger jedenfalls im Hinblick auf die damit verbundenen Ammoniakemissionen um Informationen über Emissionen i.S.v. § 9 Abs.1 S. 2 UIG handele. Die Ammoniakausträge aus dem Wirtschaftsdünger gelangten sowohl in den Boden als auch auf dem Luftweg in die Atmosphäre und durch Auswaschung in das Grundwasser. Sie stellten daher Immissionen in diesem Sinne dar, über die sich Informationen aus dem im Qualifizierten Flächennachweis enthaltenen Angaben über die für die Aufbringung des Wirtschaftsdüngers vorgesehenen Flächen ergäben. Ablehnungsgründe lägen nicht vor. Zwar handele es sich bei Daten, die einem im Eigentum oder im Besitz einer natürlichen Person stehenden Grundstück zugeordnet werden könnten, um schützenswerte Daten. Dazu gehörten auch die im QFN enthaltenen Angaben zur Nutzung der jeweiligen Flächen. Weitere Voraussetzung der Ablehnung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 UIG sei aber, dass durch die Offenbarung der personenbezogenen Daten Interessen des Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden. Welche Interessen des Beigeladenen hier durch die Überlassung des QFN an den Kläger im Einzelnen beeinträchtigt werden könnten, sei aber nicht ersichtlich. Die angebliche Offenlegung der Betriebsstruktur könne eine erhebliche Interessenbeeinträchtigung noch nicht begründen, zumal es dem Kläger auf diese Daten gar nicht im Einzelnen ankomme. Entscheidend sei für ihn zum Einen, auf welchen Flächen der in dem Betrieb anfallende Hühnerkot ausgebracht werden solle, zum Anderen, ob im Rahmen der Prüfung der Privilegierungsvoraussetzungen nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB den Anforderungen an die Ermittlung der eigenen Futtergrundlage i.S.d. § 201 BauGB genüge getan worden sei. Für die Beantwortung dieser Fragen seien detaillierte Kenntnisse der Betriebsstruktur gar nicht erforderlich. Es gehe auch nicht darum, Informationen über den Betrieb des jeweils betroffenen Landwirts allgemein zugänglich zu machen. Der Kläger habe lediglich das Interesse, die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften im Einzelfall sowie im Allgemeinen zu prüfen und eventuelle Vollzugsdefizite im Rahmen seiner politischen Arbeit zu thematisieren. Soweit erkennbare berechtigte Interessen des betroffenen Landwirts bestünden, welche im Einzelfall detailliert darzulegen seien, könne diesen durch eine Aussonderung bzw. Schwärzung der entsprechenden Informationen gem. §§ 3 Abs. 2 NUIG, 5 Abs. 3 UIG Rechnung getragen werden. Dieselben Gründe sprächen auch dagegen, die von dem Beklagten begehrten Informationen als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse anzusehen. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse seien alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich seien und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse habe. Die Gründe für eine Verweigerung der Informationen seien vor dem Hintergrund der in den entsprechenden europäischen Rechtsvorschriften dem im Umweltinformationsrecht zugebilligten Gewicht eng auszulegen. Die anerkannten Umweltverbände seien zur Überwachung der Einhaltung der naturschutzrechtlichen Regelungen auf Bundes- und auf Europarechtlicher Ebene besonders ermächtigt. Dies komme auch besonders darin zum Ausdruck, dass ihm das Recht der Verbandsbeteiligung/Verbandsklage zustehe. Dieses könne nur dann sinnvoll wahrgenommen werden, wenn in ihnen die für die Vorbereitung entsprechender Klage erforderlichen Informationen von staatlicher Seite auch zur Verfügung gestellt würden.

Der Kläger beantragt,

den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 20. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Kopie des Qualifizierten Flächennachweises für die Hähnchenmastanlage O. bzw. des der Hähnchenmastanlage zugeordneten landwirtschaftlichen Betriebes auf der Grundlage des Nds. Umweltinformationsgesetzes zu übersenden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt die angefochtenen Bescheide. Der Kläger lege selbst dar, dass hier eindeutig personenbezogene Daten verlangt würden, die nach Ansicht des Beklagten jedoch besonders schützenswert seien. Durch die Offenbarung dieser Daten würden die Interessen des Beigeladenen erheblich beeinträchtigt. Hier würde die gesamte Betriebsstruktur des klägerischen Betriebes hinsichtlich Flächenausstattung, Tierzahlen etc. offengelegt. Der Flächennachweis enthalte eine detaillierte Darstellung des Umfanges der landwirtschaftlichen Nutzflächen, ihrer Aufteilung auf Acker- und Grünland, ebenso wie die auf den Ackerflächen angebauten Feldfrüchte. Weiterhin sei die genaue Zahl der vom Beigeladenen gehaltenen Tiere aufgeführt, verbunden mit einer Darstellung des Wirtschaftsdüngeranfalls. Aus Sicht der Beklagten würden hier auch Schwärzungen nicht weiterführen, da immer deutlich wäre, um welchen Betrieb es sich handelt bzw. eine beispielsweise nur teilweise Schwärzung auch dem Kläger nichts nützen würde. Denn dann wäre eben nicht ersichtlich, welche Daten zueinander in Relation gesetzt werden müssten, um durch entsprechende Aussagen beispielsweise zur Düngeversorgung einzelner Flächen, treffen zu können. Verwertbare (und damit auch überprüfbare) Auskünfte könnten nur anhand eines vollständigen Flächennachweises gewonnen werden. Eine Schwärzung der Berechnungen wäre auch überflüssig, da der Kläger im Falle seines Obsiegens ja immer genau wisse, zu welchem Betrieb die Daten gehörten. Nach Auffassung der Beklagten können die Interessen des Beigeladenen nur dadurch wirksam geschützt werden, dass der qualifizierte Flächennachweis nicht herausgegeben werde. Für den Schutz der Daten sei es ausreichend, wenn nicht die Information selbst ein Geschäftsgeheimnis darstelle, sondern wenn die offengelegte Information ihrerseits Rückschlüsse auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zulasse. Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen eines überwiegenden öffentlichen Interesses müsse berücksichtigt werden, dass dem öffentlichen Informationsinteresse private Belange gegenüberstünden, die grundrechtlich geschützt seien. Das betreffende Stallbauvorhaben sei nach den entsprechenden Rechtsvorschriften genehmigt worden, die Einhaltung aller mit der Genehmigung ggf. verbundenen Auflagen erfolge ebenfalls durch die zuständigen Behörden. Entsprechende Verstöße zögen entsprechende Maßnahmen der Behörden nach sich. Der Beigeladene müsse es nach Auffassung der Beklagten nicht hinnehmen, dass sich vor dem Hintergrund eines vermeintlich überwiegenden öffentlichen Interesses letztendlich private Organisationen wie der Kläger als eine Art weitere Kontrollinstanz zusätzlich zu dem bereits zu dem nach öffentlichen Recht zuständigen Behörden gerierten, dies aber völlig losgelöst von der Überwachung nach den entsprechenden Fachgesetzen.

Der Beigeladene hat keinen förmlichen Antrag gestellt, ist aber der Auffassung, dass es sich bei den geforderten Unterlagen um Geschäftsgeheimnisse handele, die er sehr ungern aus den Händen geben würde. Es sei den Landwirten in der Region bekannt, dass die Ortsgruppe I. des Klägers unsachgemäß und falsch mit diesen Daten umgehe.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

Gemäß § 3 Satz 1 des Niedersächsischen Umweltinformationsgesetzes (NUIG) i.V. mit §§ 3 Abs. 1, Abs. 2 und 3 sowie §§ 4, 5, 8 und 9 Umweltinformationsgesetz des Bundes (UIG) hat jede Person, ohne ein Interesse darlegen zu müssen, nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle verfügt. Hiernach hat der Kläger Anspruch darauf, ihm den für die Hähnchenmastanlage bzw. den landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers erstellten sogenannten Qualifizierten Flächennachweis (QFN) sowie die Berechnungsgrundlagen zugänglich zu machen. Die Beklagte ist in Bezug auf die verlangten Daten informationspflichtige Stelle i.S. des Gesetzes, da sie im Rahmen von Genehmigungsverfahren nach Baurecht oder Immissionsschutzrecht u.a. zu ermitteln hat, ob z.B. die Voraussetzungen des § 201 BauGB vorliegen. Außerdem hat sie zu prüfen, ob ausreichend Flächen zur Verfügung stehen, um eine den umweltrechtlichen, insbesondere den dem Grundwasser- und Gewässerschutz dienenden Vorschriften entsprechende gefahrlose Beseitigung der anfallenden Gülle und Gärreste möglich ist.

Der Kläger hatte mit Schreiben vom 15. Juni 2012 zunächst den oben genannten Fragenkatalog überreicht, um Einzelheiten darüber in Erfahrung zu bringen, wie das System der Überwachung der Gülleausbringung in Niedersachsen gehandhabt wird. Hintergrund war, dass der Verdacht bestand, die gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich der zulässigen Mengen und der Zeiträume der Gülleausbringung würden im Zusammenhang mit dem Betrieb des Beigeladenen nicht eingehalten. Erst im Zuge des Verfahrens war dabei der Begriff des "Qualifizierten Flächennachweises" (QFN) aufgetaucht und der Kläger hatte deswegen von der Beklagten die Herausgabe des QFN verlangt. Was unter diesem Begriff konkret zu verstehen ist und welche Daten in dem QFN enthalten sind, war dem Kläger - und auch dem Gericht - zunächst nicht bekannt. Offenbar ging der Kläger davon aus, unter dem QFN sei eine qualifizierte Aufstellung der Flächen (mit Flurstücksbezeichnung) zu verstehen, aus der zu ersehen sein würde, welche Mengen Gülle auf welchen Flächen ausgebracht werden dürfen. Aus den nur dem Gericht vorgelegten Unterlagen der Beklagten, die als QFN bezeichnet wurden, ergab sich dieser Detaillierungsgrad der Daten jedoch nicht. Erst in der mündlichen Verhandlung erläuterten die Vertreter der Beklagten den QFN und erklärten, der sog. Qualifizierte Flächennachweis sei zwischen den Baugenehmigungsbehörden in Niedersachsen und der Landwirtschaftskammer als Instrument im Rahmen von § 41 Nds. Bauordnung (NBauO) entwickelt worden, um für die Frage der Wirtschaftsdüngerverbringung einen gesamtbetrieblichen Bedarf der Nährstoffverwertbarkeit errechnen zu können. Einzelne flächenbezogene Daten könnten mit diesem Instrument nicht erhoben werden und lägen bei der Beklagten auch gar nicht vor. Ein immer wieder besprochenes Flächenkataster in diesem Sinne gebe es gar nicht. Im Rahmen von Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz werde die Beklagte möglicherweise als Träger öffentlicher Belange beteiligt. In diesem Rahmen bestehe keine Klarheit ob § 41 NBauO hier Anwendung finden könne. Es werde aber diese Vorschrift jedenfalls analog in diesen Verfahren ähnlich angewandt.

Dass der Begriff der Umweltinformation weit zu fassen ist, ergibt sich aus der Erwägung Nr. 10 der Umweltinformationsrichtlinie (RL 2003/4/EG dres Euopäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003), die mit dem UIG des Bundes und dem NUIG in nationales Recht umgesetzt worden ist. Dort heißt es:

"Die Bestimmung des Begriffs "Umweltinformationen" sollte dahin gehend präzisiert werden, dass Informationen jeder Form zu folgenden Bereichen erfasst werden: Zustand der Umwelt; Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkeiten, die Auswirkungen auf die Umwelt haben oder haben können oder die dem Schutz der Umwelt dienen; Kosten/Nutzen-Analysen und wirtschaftliche Analysen im Rahmen solcher Maßnahmen oder Tätigkeiten; außerdem Informationen über den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit einschließlich der Kontamination der Lebensmittelkette, Lebensbedingungen der Menschen, Kulturstätten und Bauwerke, soweit sie von einem der genannten Aspekte betroffen sind oder betroffen sein können."

Einbezogen in die gesetzliche Definition sind danach ausdrücklich auch Kosten/Nutzen-Analysen und wirtschaftliche Analysen im Rahmen umweltrelevanter Tätigkeiten. Der Europäische Gerichthof hat diese weite Auslegung des Begriffs der Umweltinformation bestätigt (Urteil (Fünfte Kammer) vom 12. Juni 2003 - C-316/01 - [...]). Hiernach sind der QFN, den die Beklagte für das Vorhaben des Beigeladenen erstellt hat, sowie die diesem zugrunde liegenden Berechnungen Umweltinformationen i.S. der zitierten Vorschriften, da sich anhand dieser Quellen, wenn auch nur sehr grob, ermitteln lässt, ob für die Beseitigung anfallender Gärreste oder Gülle überhaupt ausreichend eigene Flächen oder Flächen Dritter zur Verfügung stehen. Denn daraus lassen sich Rückschlüsse auf die Menge der pro Flächeneinheit auszubringenden Gülle und damit auf mögliche Umweltgefahren, z.B. für das Grundwasser, ziehen.

Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 UIG, der über § 3 S. 2 NUIG hier Anwendung findet und auf den die Beklagte ihre Ablehnung der Herausgabe des QFN und weitergehender Information gestützt hat, ist ein Antrag abzulehnen, soweit durch das Bekanntgeben der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden, es sei denn, die Betroffenen haben zugestimmt oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Der Beigeladene hat der Herausgabe der verlangten Daten unter Hinweis auf sein Recht, Betriebsgeheimnisse nicht offenlegen zu müssen, verweigert. Die danach erforderlichen Voraussetzungen für eine Auskunftsverweigerung liegen hier jedoch nicht vor, weil für eine erhebliche Beeinträchtigung von Interessen des Beigeladenen keine hinreichenden Anhaltspunkte vorliegen.

Der Hinweis der Beklagten und des Beigeladenen, der Verbleib der anfallenden Gülle sei ein zu schützendes Betriebsgeheimnis, weil die Offenlegung dieser Daten zukünftige Schwierigkeiten bei Betriebserweiterungen und auch bei der Gewinnung von Drittabnehmern der Gülle erwarten lasse, weil dann mit öffentlichen Protesten zu rechnen sei, führt zu einer zu weitgehenden Auslegung der zu schützenden Belange und schließlich im Ergebnis zum Leerlaufen des Informationsanspruchs. Aufgrund europarechtlicher Ermächtigung haben Bundes- und Landesgesetzgeber die Information der Öffentlichkeit über umweltrelevante Belange ausdrücklich zu einem Instrument der Kontrolle und Abwehr von Umweltgefahren gemacht. Es liegt auf der Hand, dass dieses gesetzgeberische Ziel nicht erreicht werden kann, wenn jedes Datum, das Rückschlüsse auf betriebsinterne Abläufe desjenigen zulässt, der durch seine Tätigkeit jedenfalls potentiell Gefahren für die Umwelt schafft, bereits dem Geheimnisschutz unterworfen wird. Der Gesetzgeber hat deshalb ausdrücklich formuliert, dass nur erhebliche Beeinträchtigungen die Auskunftsverweigerung rechtfertigen können. Welche erheblichen Beeinträchtigungen in diesem Sinne dem Beigeladenen drohen könnten, sind auch nicht ansatzweise erkennbar.

Der Beigeladene ist nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet, z.B. die in seinem Betrieb anfallende Gülle ordnungsgemäß und ohne Gefährdung von Umweltgütern zu beseitigen. Er ist deshalb verpflichtet, entsprechende Flächen für die Ausbringung nachzuweisen. Nur dann darf ihm die entsprechende Baugenehmigung oder immissionsschutzrechtliche Genehmigung überhaupt erteilt werden. Dieser Nachweis wird zurzeit über den sogenannten QFN geführt. Ob dieser für diesen Zweck geeignet ist, muss hier nicht beantwortet werden. Nach der mündlichen Verhandlung bestehen jedenfalls erhebliche Zweifel, dass der QFN z.B. keine Angaben zu Bodenbeschaffenheiten enthält und auch ein Querabgleich zum Zwecke der Feststellung, ob Flächen möglicherweise bei mehreren Vorhaben angegeben wurden, mangels eines sogenannten "Güllekatasters" gar nicht möglich ist.

Die Offenlegung eines nach den gegenwärtigen Vorgaben ordnungsgemäß erstellten QFN, der geeignet ist, den Nachweis für die gesetzmäßige Verbringung der Gülle zu führen, kann daher erhebliche Beeinträchtigungen für den Beigeladenen nicht haben. Die ordnungsgemäße Ausbringung von Gülle als Wirtschaftsdünger ist ein anerkanntes Verfahren in der Landwirtschaft und dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Das hat auch der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich betont. Gleiches gilt auch für eventuelle Drittabnehmer der Gülle des Beigeladenen. Nachteile können zwar dann drohen, wenn die Offenlegung des QFN ergibt, dass dieser auf falschen Angaben, Annahmen oder Berechnungen beruht. Solche Unzulänglichkeiten aufzudecken ist aber gerade das Ziel des gesetzlichen Umweltinformationsanspruches. Die Öffentlichkeit soll durch entsprechende Informationen in die Lage versetzt werden, die Einhaltung der Umweltschutzvorschriften und deren Überwachung durch die Behörden zu kontrollieren. Damit einher geht selbstredend die "Gefahr", dass Gesetzesverstöße aufgedeckt oder unzulängliche Verfahrensweisen entdeckt und Maßnahmen gegen diejenigen ergriffen werden, die für die Missachtung der gesetzlichen Vorschriften die Verantwortung tragen. Der Gefahr ausgesetzt zu werden, im Falle der Aufdeckung von Gesetzesverstößen die gesetzlich vorgeschriebenen Folgen tragen zu müssen, kann jedoch nicht das Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung i.S. des Gesetzes begründen. Das wäre ein Zirkelschluss.

Andere erhebliche Beeinträchtigungen, die ein Auskunftsverweigerungsrecht begründen könnten, sind von Beklagter und Beigeladenem weder schlüssig vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat sich mit der Frage befasst, ob ein Anspruch darauf besteht zu erfahren, auf welchen Flurstücken gentechnisch veränderter Mais ausgebracht worden war (Urt. v. 14.01.2009 - 2 A 181/08 -, [...]). Das Gericht hat diesen Anspruch bejaht und selbst die dort behauptete Furcht der Landwirte vor Übergriffen nicht als entgegenstehende erhebliche Beeinträchtigung angesehen. Nach dem dort angewendeten Maßstab, dem die Kammer folgt, stellt die allgemeine Furcht vor zukünftigen, nicht näher beschriebenen Schwierigkeiten bei der Aquise notwendiger Flächen für die Gülleausbringung oder weiteren Betriebserweiterungen wegen einer zunehmend kritischen Haltung der Öffentlichkeit zur Massentierhaltung jedenfalls keine erhebliche Beeinträchtigung in diesem Sinne dar. In einem freiheitlich-demokratisch verfassten System gehört es zur Kehrseite der unternehmerischen Freiheit, dass derjenige, der wirtschaftlichen Profit aus einem Verhalten ziehen will, sich dafür gesellschaftlicher Akzeptanz versichern muss. Öffentliche Kritik an sich ist hinzunehmen und bleibt rechtlich auch folgenlos. Das gleiche gilt, wenn potentielle Geschäftspartner aus der öffentlichen Kritik gegenteilige Schlüsse ziehen und deshalb gewünschte Geschäftsbeziehungen nicht zustande kommen. Wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden, hat der Unternehmer trotzdem einen Anspruch auf Genehmigung (vgl. § 70 Nds. Bauordnung oder § 6 Bundes-Immissionsschutzgesetz - wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, ist die Genehmigung zu erteilen.). Der bloße Hinweis, es sei bekannt, dass der Ortsverband P. des Klägers mit derartigen Informationen "unsachgemäß umgehe", reicht ebenfalls nicht aus, eine erhebliche Beeinträchtigung zu begründen.

Selbst wenn man annähme, dass die von der Beigeladenen befürchteten Auswirkungen der Herausgabe der begehrten Informationen auf ihr zukünftiges Geschäftsgebaren als erhebliche Beeinträchtigung angesehen werden könnten, hält die Kammer jedenfalls hier das öffentliche Interesse an der Offenlegung des Verbleibs der Gülle aus dem Betrieb des Beigeladenen für schwerwiegender als seinen Schutzanspruch. Angesichts der im Verfahren zutage getretenen Überwachungsdefizite und der erheblichen Gefahren, die von einer "Überdüngung" für so wichtige Umweltgüter wie das Grundwasser ausgehen können, besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse zu kontrollieren, ob die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen auch tatsächlich und nicht nur auf dem Papier z. Zeitpunkt der Genehmigungserteilung eingehalten werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil er der Sache nach mit seinem Vorbringen unterlegen ist und auch keinen Antrag gestellt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.