Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 13.04.2021, Az.: 3 UF 29/21
Anrechnung eines Wohnvorteils bei der Unterhaltsberechnung; Gegenrechnung von Zinsleistungen und Tilgungsleistungen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 13.04.2021
- Aktenzeichen
- 3 UF 29/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 54440
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Leer - 03.02.2021 - AZ: 5a F 289/20 UK
Rechtsgrundlagen
- § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB
- § 113 Abs. 1 FamFG
Amtlicher Leitsatz
Auch beim Mindestunterhalt sind die Zins- und Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnwertes in voller Höhe bei der Bereinigung des Nettoeinkommens zu berücksichtigen. Erst ein darüber hinausgehender Wohnwert ist als Wohnvorteil zu berücksichtigen.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Leer vom 3. Februar 2021 wird zurückzuweisen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.368,00 € festgesetzt.
Gründe
Zur Begründung verweist der Senat vollumfänglich auf die nach wie vor für zutreffend erachteten Ausführungen in dessen Hinweisbeschluss vom 16. März 2021. Dort heißt es zur Begründung:
"Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das Amtsgericht hat mit in jeder Hinsicht zutreffenden Erwägungen auch die Zins- und Tilgungsleistungen bis zur Höhe des angerechneten Wohnvorteils beim Schuldendienst berücksichtigt. Der Wohnvorteil wurde mit 350,00 € angenommen. Die Zins- und Tilgungsleistungen ergeben kumuliert einen Betrag in Höhe von insgesamt 322,50 €, so dass sogar noch ein verbleibender (positiver) Wohnvorteil in Höhe von 27,50 € verbleibt.
Die Anrechnung der Zins- und Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnvorteils entspricht den Leitlinien des OLG Oldenburg (siehe Ziffer 5.1). Sie entspricht nach Auffassung des Senats auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Die vom BGH im Beschluss vom 18.01.2017 aufgestellten Grundsätze sind auf alle Unterhaltstatbestände übertragbar (vgl. Schürmann, FamRZ 2018, 1041). Dies gilt nach Auffassung des Senats auch für den Fall, dass der Mindestunterhalt nicht gedeckt ist, denn auch für diese Fallkonstellation gilt der Grundsatz, dass es ohne die Zins- und Tilgungsleistungen keinen Wohnvorteil gäbe.
Die vorgenannten Grundsätze gelten jedenfalls, soweit der Wohnvorteil und damit korrespondierend die Zins- und Tilgungsleistungen sich in einem angemessenen Rahmen bewegen. Davon ist vorliegend angesichts eines lediglich mit 350 € angesetzten Wohnvorteils auszugehen, da der Wohnvorteil sich sogar noch unterhalb der sonst üblicherweise im Rahmen des Selbstbehalts angenommen Wohnkosten (400-450 €) bewegt.
Soweit der Antragsteller auf die Entscheidung des OLG Frankfurt vom 14.06.2019 verweist, ist darauf hinzuweisen, dass es bei der Entscheidung des OLG Frankfurt um die Frage der Berücksichtigung der den Wohnvorteil übersteigenden Tilgungsleistungen als zusätzliche Altersvorsorge ging. Dieses wurde vom OLG Frankfurt bejaht, solange der Mindestunterhalt gewahrt sei. Der Fall ist damit nicht mit der vorliegenden Konstellation vergleichbar, da hier die Zins- und Tilgungsleistungen den Wohnwert unterschreiten, so dass sogar ein positiver Wohnvorteil zugunsten der Unterhaltsberechtigten verbleibt.
Dem Antragsteller ist zwar zuzugestehen, dass grundsätzlich im Mangelfall ein Vermögensaufbau zugunsten des Unterhaltsschuldners nicht hinnehmbar ist. Bei der Vermögensbildung im Rahmen des selbst bewohnten Eigenheims ist aber zu berücksichtigen, dass es ohne die Zins- und Tilgungsleistungen auch keinen Wohnvorteil gäbe, mithin es erst gar nicht zur Berücksichtigung der 350 € kommen würde. Im vorliegenden Fall wäre ohne den Wohnvorteil der Anspruch der Antragsteller damit sogar um 27,50 € geschmälert."
Die Ausführungen der Antragsteller mit Schriftsatz vom 22.03.2021 führen zu keiner abweichenden Beurteilung.
Soweit die Antragsteller auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30.01.2013 verweisen, ist anzumerken, dass es bei der dortigen Entscheidung, wie auch die Antragsteller ausführen, um die Berücksichtigungsfähigkeit der zusätzlichen Altersvorsorge bzw. einer Zusatzkrankenversicherung für den Fall, wenn der Mindestunterhalt nicht aufgebracht werden kann, ging. Vorliegend geht es jedoch um die Tilgungsleistungen des Antragsgegners für die von ihm selbst bewohnte Immobilie lediglich bis zur Höhe des Wohnwertes (es verbleibt sogar noch ein Wohnvorteil von 27,50 €) und nicht um die Tilgungsleistungen, die neben den Zinsen über den Wohnwert hinausgehen. Letztere sind nach allgemeinen Grundsätzen bis zur Höhe von 4 % des Bruttoeinkommens als zusätzliche Altersvorsorge berücksichtigungsfähig. Ist der Mindestunterhalt nicht gewahrt, ist der Sicherung des Mindestunterhalts des minderjährigen Kindes der Vorrang vor dem Interesse des Unterhaltsschuldners einzuräumen, zusätzliche Altersvorsorge zu betreiben (BGH, Urteil vom 30.01.2013, XII ZR 158/10). Eine Aussage zur Berücksichtigung der Tilgungsleistung zur Generierung des Wohnwertes ist damit nicht getroffen.
Es bleibt dabei, dass ein Wohnvorteil, auch wenn man der Definition der Antragsteller folgt, nicht bestehen würde, wenn der Antragsgegner vorliegend nicht in seinem Eigenheim wohnen würde, sondern lediglich zur Miete. In diesem Fall käme den Unterhaltsberechtigten nicht einmal der überschießende Wohnvorteil von 27,50 € zugute. Insoweit sind allgemeine Tilgungsleistungen, die der sonstigen Vermögensbildung dienen und im Mangelfall nicht berücksichtigungsfähig sind, von den vorliegenden Tilgungsleistungen, die den Erwerb des selbstbewohnten Eigenheims dienen und damit erst die grundsätzliche Option schaffen, dem Unterhaltspflichtigen einen Wohnvorteil anzurechnen, zu unterscheiden. Soweit die Antragsteller darauf verweisen, dass ein Widerspruch darin bestehe, dass durch die Anerkennung von Tilgungsleistungen Vermögen aufgebaut werde und anderseits im Mangelfall auch der Vermögensstamm herangezogen werde, gilt dies jedenfalls nicht, sofern es um die angemessen, selbstbewohnte Immobilie geht. Bezüglich dieses Vermögensstammes besteht in der Regel keine Verwertungspflicht (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2019, 531; BGH, 30. August 2006, XII ZR 98/04).
Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 Absatz 1 FamFG, 97 Absatz 1 ZPO.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes für die Beschwerdeinstanz hat seine rechtliche Grundlage in den §§ 40 Absatz 1, 51 Absatz 1 FamGKG.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzlich Bedeutung. Sie dient zudem der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.