Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 22.11.2016, Az.: 7 A 4713/15
Beförderungspflicht; E-Scooter; öffentlich rechtliche Streitigkeit; Rechtsweg
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 22.11.2016
- Aktenzeichen
- 7 A 4713/15
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 43516
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 13 GVG
- § 22 PBefG
- § 40 Abs 1 S 1 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine Streitigkeit zwischen einem Fahrgast und einem privatrechtlich organisierten und tätig werdenden Linienbusunternehmen um die Pflicht, ihn auch mit seinem Elektromobil (E-Scooter) zu beförden, ist zivilrechtlich zu beurteilen.
Tenor:
Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
Der Rechtsstreit wird an das Amtsgericht Oldenburg verwiesen.
Gründe
Der Kläger erstrebt unter Hinweis auf § 22 PBefG die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn mit seinem dreirädrigen Elektromobil der Fa. Lecson, Typ HS 666 (sog. E-Scooter) in den im öffentlichen Personennahverkehr eingesetzten Bussen zu transportieren.
Für dieses Begehren ist der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet, so dass der Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten an das zuständige Amtsgericht Oldenburg zu verweisen war (§ 17a Abs. 2 Satz 1 GVG).
Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben. Nach der Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Mai 2006 - 3 B 78.05 - juris, Rn. 4 ff. unter Bezugnahme auf BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999 - XI ZB 7/99 - juris, Rn. 6; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. Mai 1990 - 7 B 30.90 - juris, Rn. 5) ist maßgeblich die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob die Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- oder Unterordnung stehen und ob sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient. Entscheidend ist dabei, ob der Sachverhalt Rechtssätzen unterworfen ist, die für jedermann gelten oder einem Sonderrecht des Staates oder sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben, das sich zumindest auf einer Seite nur an einen Hoheitsträger wendet. Dabei scheidet die Zuordnung eines Rechtsstreites zum öffentlichen Recht grundsätzlich aus, wenn an einem streitigen Rechtsverhältnis ausschließlich private Rechtssubjekte beteiligt sind, es sei denn, eine Partei ist durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes mit öffentlich-rechtlichen Handlungs- oder Entscheidungsbefugnissen ausgestattet und gegenüber der anderen Partei als sog. Beliehener tätig geworden. Dies gilt auch dann, wenn die Tätigkeit der juristischen Person des Privatrechts in den Dienst der Daseinsfürsorge des Staates für seine Bürger gestellt ist.
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist hier eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit (§ 13 GVG) gegeben, weil nicht nur der Kläger, sondern auch die Beklagte eine Person ist, die in den Formen des privaten Rechts als Gesellschaft mit beschränkter Haftung am Rechtsverkehr teilnimmt. Die Beklagte ist auch keine Beliehene, sondern wird lediglich zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe in den Dienst genommen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 2010 - 3 C 26.09 - juris, Rn. 13). Daher ist es unerheblich, dass § 22 PBefG eine einseitige Verpflichtung des Beförderungsunternehmers zur Beförderung des Fahrgastes vorsieht.
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom 17. Februar 1971 (- V C 68.69 – juris, Rn. 16) entschieden, dass allein maßgeblich sei, dass die streitentscheidende Norm hoheitlichen Charakter habe, während es unerheblich sei, ob der Verpflichtete ein mit Hoheitsbefugnissen ausgestatteter Rechtsträger sei. Dementsprechend wird eine Streitigkeit mit dem Beförderungsunternehmer zur Frage, ob ein Anspruch auf unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter (heute § 145 SGB IX) besteht, unabhängig davon, ob das Unternehmen privatrechtlich organisiert ist, als öffentlich-rechtlich bewertet.
Dem kann jedenfalls für eine Streitigkeit um die Beförderungspflicht nach § 22 PBefG nicht gefolgt werden. Die zuletzt angesprochene Rechtsprechung erscheint der Kammer angesichts der oben angeführten Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs nicht einschlägig (ebenso LG Kiel, Urteil vom 12. August 2016 - 17 O 108/15 - juris, Rn. 41 ff.; ohne Begründung OLG Schleswig, Urteil vom 11. Dezember 2015 - 1 U 64/15 - juris; a. A. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, Anm. 5 zu § 22 PBefG; ohne Begründung OVG Münster, Beschluss vom 15. Juni 2015 - 13 B 159/15 - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 23. Januar 2015 - 7 L 31/15 - juris). Dabei waren die vorstehend angeführten Verwaltungsgerichte nach Mitteilung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung zudem auf Grund eines bindenden Verweisungsbeschlusses eines Amtsgerichts hinsichtlich des Rechtsweges gebunden.
Die Kammer sieht sich zudem in ihrer Rechtsauffassung dadurch bestätigt, dass Streitigkeiten um die sich ebenfalls aus § 22 PBefG ergebenden Beförderungspflichten anderer Beförderungsunternehmer, etwa eines Taxibetriebes, zweifelsfrei zivilrechtlich zu beurteilen sind. Etwas anderes würde nach den obigen Grundsätzen nur dann gelten, wenn die zuständige Aufsichtsbehörde auf einen entsprechenden Antrag des Klägers eine Anordnung gegen die Beklagte erlassen oder ablehnen würde.
Sachlich zuständig sind nach § 23 Nr. 1 GVG die Amtsgerichte. Örtlich zuständig ist gemäß §§ 12, 17 ZPO das Amtsgericht Oldenburg.