Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 17.11.2016, Az.: 1 A 142/15
Italien; Spruchreife; systemische Mängel; überlange Verfahrensdauer
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 17.11.2016
- Aktenzeichen
- 1 A 142/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 43521
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 31 Abs 3 S 1 AsylVfG
- § 60 Abs 7 AufenthG
- § 60 Abs 5 AufenthG
- Art 3 Abs 2 EUV 604/2013
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Systemische Mängel in den Aufnahmebedingungen Italiens liegen nicht vor.
Eine fehlende Feststellung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG führt zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung.
Tatbestand:
Der Kläger ist nach eigenen Angaben eritreischer Staatsangehöriger, tigrinischer Volks- und christlicher Religionszugehörigkeit und sei am 15. Dezember 2013 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Er stellte am 20. Dezember 2013 einen Asylantrag. Nach einem entsprechenden Treffer in der EURODAC-Datenbank (IT2RG013IW) wandte sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden Bundesamt genannt) am 17. Januar 2014 an die italienischen Behörden und bat um Aufnahme des Klägers, weil der Kläger zuvor illegal die Grenze Italiens überschritten und sich dort aufgehalten hatte.
Mit Bescheid vom 3. Februar 2014 erklärte das Bundesamt den Asylantrag für unzulässig und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Italien sei aufgrund der dort erfolgten illegalen Einreise für die Behandlung des Asylantrags zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich. Insbesondere lägen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des EGMR und des EuGH im Hinblick auf Italien vor.
Der Kläger hat am 7. Februar 2014 Klage erhoben und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung führt er aus, dass sehr wohl systemische Mängel im italienischen Asylverfahren gegeben seien. So bestehe für Rückkehrer die Gefahr der Obdachlosigkeit und der mangelnden Versorgung. Angesichts der gestiegenen Flüchtlingszahlen in Italien stelle sich die Lage für Flüchtlinge dort als äußerst prekär dar. Hinzu kommt, dass zwischenzeitlich die 6-monatige Überstellungsfrist abgelaufen sei, so dass über seinen Asylantrag im nationalen Verfahren zu entscheiden sei. Jedenfalls aber sei aufgrund der mittlerweile überlangen Verfahrensdauer und des Grundsatzes des fairen Verfahrens aus Art. 6 EMRK die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland gegeben. Nicht zuletzt lasse der angefochtene Bescheid die gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG notwendigen Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vermissen.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 11. März 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet (3 B 462/14), da zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Zweimonatsfrist zur Begründung der Zuständigkeit Italiens nach Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO noch nicht abgelaufen war. Auf Nachfrage des Gerichts teilte das Bundesamt mit Schreiben vom 4. Dezember 2015 mit, dass auch nach Erlass des Beschlusses vom 11. März 2014 eine Reaktion der italienischen Behörden auf das Aufnahmegesuch des Bundesamtes nicht erfolgt sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die angefochtene Entscheidung.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Einer Rückübertragung des Rechtsstreits auf die Kammer (wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung angeregt) gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 AsylG bedurfte es nicht. Auch wenn gegenüber der Einzelrichterübertragung vom 2. Oktober 2015 mit dem mittlerweile in Kraft getretenen Integrationsgesetz eine Änderung der Prozesslage eingetreten ist und der Rechtssache im Hinblick auf die unterbliebene Feststellung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG eine grundsätzliche Bedeutung beizumessen sein sollte, übt der Einzelrichter das ihm nach § 76 Abs. 3 Satz 1 AsylG zustehende Ermessen dahingehend aus, zugunsten einer Verfahrensbeschleunigung von einer Rückübertragung abzusehen.
Die zulässige Klage hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 3. Februar 2014 ist hinsichtlich des Ausspruches zu Ziffer 1, d.h. der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig, rechtlich nicht zu beanstanden.
Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) zuständig ist. Dies ist hier der Fall.
Da der Kläger illegal die Grenze Italiens überschritt, ist Italien nach Art. 10 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung (EG) 343/2003 (Dublin II-VO) grundsätzlich für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig. Am 20. Dezember 2013 hat der Kläger in der Bundesreplik Deutschland einen Asylantrag gestellt (nachdem er zuvor am 15. Dezember 2013 eingereist war). Das Bundesamt richtete sodann, unter Einhaltung der Zweimonatsfrist des Art. 21 Abs. 1 UAbs. 2 i.V.m. Art. 49 Abs. 2 Dublin III-VO, am 17. Januar 2014, das Aufnahmeersuchen an Italien. Innerhalb weiterer 2 Monate (bis zum 17. März 2014) erfolgte vonseiten Italiens keine Reaktion auf das Aufnahmegesuch, womit Italien gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO zuständig geworden ist.
Durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 11. März 2014 (3 B 462/14) wurde die 6-monatige Überstellungsfrist (vgl. Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO) unterbrochen. Diese beginnt aufgrund von § 80b VwGO erst wieder neu zu laufen nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. August 2016, – 1 C 6/16 –, juris). Damit ergibt sich auch keine Zuständigkeit der Bundespolitik Deutschland durch etwaigen Ablauf einer Überstellungsfrist.
a) Die Bundesrepublik Deutschland ist auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO für die Prüfung des Asylverfahrens des Klägers zuständig geworden. Denn das Gericht kann systemische Mängel im italienischen Asylverfahren nicht feststellen.
Zur Widerlegung der auf dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, ist die Überzeugungsgewissheit erforderlich, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit, einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung ausgesetzt sein wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6/14 –, Rn. 9 juris). Diese Überzeugungsgewissheit kann das Gericht hier nicht erlangen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat schon in seiner Entscheidung vom 4. November 2014 (Tarakhel v. Switzerland, 29217/12) festgestellt, dass die Struktur und die Gesamtsituation der Ausgestaltung der Aufnahmebedingungen in Italien für sich genommen kein Hindernis für sämtliche Abschiebungen von Asylsuchenden in dieses Land darstelle (Rn. 115). In diesem Urteil wird auch der Grundsatz wiederholt, dass für die Verletzung von Art. 3 EMRK eine Erheblichkeitsschwelle überschritten sein muss, die relativ ist. D.h., die von den Einzelheiten des Einzelfalls abhängt, wie zum Beispiel, die Dauer der Verletzungshandlung, ihre physischen und psychischen Auswirkungen, Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers (Rn. 118).
Der EGMR äußerte zudem Zweifel hinsichtlich der Aufnahmekapazität des italienischen Asylsystems. Die Möglichkeit, dass eine erhebliche Zahl von Asylbewerbern ohne Obdach bleibe oder in völlig überfüllten Einrichtungen ohne Privatsphäre untergebracht werde, sei nicht unbegründet (vgl. EGMR, Urteil vom 4. November 2014, Tarakhel v. Switzerland, 29217/12, Rn. 115). Dies ergebe sich schon aus der deutlichen Diskrepanz zwischen der Zahl der Asylantragstellungen im Jahr 2013 mit insgesamt 14.184 (bis 15. Juni 2013) und den zur Verfügung stehenden Unterbringungsplätzen in Höhe von 9.630.
Die italienische Regierung hat auf diese Diskrepanz reagiert und hat die staatliche Aufnahmekapazität erheblich erhöht. So betrug diese im Februar 2016 105.248 Plätze (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 15, erhältlich unter: https:www.fluechtlingshilfe.ch/herkunftslaender/dublin-staaten/italien-1.html). Nach aktuellsten Zahlen des UNHCR sind Ende September 2016 159.419 Personen in Aufnahmeeinrichtungen in Italien untergebracht (vgl. UNHCR, …, September 2016, S 3, erhältlich unter: …). Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Plätze ist mithin in den letzten 3 Jahren um ca. das 15 fache gestiegen. Gerade die innerhalb des Jahres 2016 erzielte Erhöhung der Aufnahmekapazität belegt, dass die italienische Regierung flexibel auf die aktuellen Flüchtlingszahlen reagiert und bemüht ist, die Aufnahmekapazität den sich ändernden Anforderungen anzupassen. Setzt man die Zahl der Asylantragsteller mit der Zahl der zur Verfügung stehenden Aufnahmeplätze ins Verhältnis und vergleicht die heutige Situation mit der Situation, die der EGMR im Jahr 2014 in der Tarakhel-Entscheidung zu beurteilen hatte, so zeigt sich eine deutliche Verbesserung in der Aufnahmekapazität Italiens: Laut Eurostat gab es in Italien im Jahr 2012 17.335 Personen und im Jahr 2013 26.620 Personen, die in Italien einen Asylantrag gestellt haben (vgl. Eurostat, Asylum and managed Migration, erhältlich unter: …). Diesen Asylantragstellern standen 2013 jedoch nur 10.381 Aufnahmeplätze gegenüber (vgl. MSF - Medecins Sans Frontieres: Out of Sight. Asylum seekers and refugees in Italy, 12. April 2016, S. 3, erhältlich unter: …). Im Jahr 2015 gab es dagegen rund 104.000 Aufnahmeplätze bei 83.970 Asylbewerbern aus 2015 und 64.625 Asylbewerbern aus 2014 (vgl. Eurostat und MSF a.a.O.). Die Aussicht auf einen Aufnahmeplatz ist in Italien somit in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Wenn der EGMR in der Tarakhel-Entscheidung bei geringeren Kapazitäten Italiens schon keinen Anlass zur Annahme systemischer Mängel in Bezug auf die Aufnahmebedingungen in Italien hatte, so ist dies umso weniger bei den gegenwärtig gestiegenen Kapazitäten anzunehmen. In neueren Entscheidungen des Gerichtshofs (wie zum Beispiel, Beschluss vom 4. Oktober 2016, M.A. - M. and Others v. Finland, 32275/15 oder Urteil vom 30. Juni 2015, A.S. v. Switzerland, 39350/13) spielt diese Frage dann auch keine Rolle mehr.
Selbst wenn in einzelnen Fällen die in Italien aktuell vorhandenen Aufnahmeplätze für Asylbewerber nicht ausreichen, ergibt sich daraus noch kein systemisches die Grenze zur drohenden Grundrechtsverletzung nach Art. 3 EMRK überschreitendes Versagen des Staates. Denn die Rechte aus Art. 3 EMRK verpflichten die Staaten weder, eine absolut bestimmbare Mindestanzahl von Unterkünften zur Verfügung zu stellen, noch dazu, rein vorsorglich Unterkunftskapazitäten im Umfang einer Spitzenbelastung vorzuhalten (vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. September 2016 - 13 A 2448/15.A -, Rn. 127 juris m.w.N.). Angesichts oben aufgezeigter Zahlen bleibt das in der Aufnahmerichtlinie (Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Artikel 2 g) der RL 2013/33/EU) verankerte Recht auf Unterkunft nicht systematisch unbeachtet, sodass etwa mit monatelanger Obdachlosigkeit zu rechnen wäre (vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. September 2016 - 13 A 2448/15.A -, Rn. 99 juris). Hierzu trägt u.a. auch die Rechtsänderung durch das Gesetzesdekret 142/2015 bei. In der Zeit zwischen Asylgesuch und formeller Registrierung als Asylbewerber (verbalizzazione), die in der Vergangenheit mitunter längere Zeit in Anspruch nehmen konnte, war eine Unterbringung nicht immer gewährleistet (vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. September 2016 - 13 A 2448/15.A -, Rn. 80 juris). Nunmehr ist in dem Gesetzesdekret vorgesehen, dass die Aufnahmemaßnahmen bereits ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Stellung des Asylgesuchs erfolgen sollen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 21, erhältlich unter: …). Zudem beträgt die Frist zwischen Asylgesuch und formeller Registrierung nur noch 3 bis maximal 10 Tage. Selbst wenn das Verfahren in der Praxis mitunter länger dauert, ist eine Unterbringung in der Regel gesichert (vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. September 2016 - 13 A 2448/15.A - Rn. 80 juris).
In den Aufnahmeeinrichtungen, auch wenn sie zum Teil erheblich überfüllt sind, erhalten die Asylbewerber nicht nur ein Obdach, sondern auch Nahrung, Bekleidung, Basisinformationen einschließlich rechtlicher Beratung, Erste Hilfe und eine Notfallbehandlung (vgl. aida: Country Report Italy, Dezember 2015, S. 64, erhältlich unter: … …). Ausweislich des Art. 10 des Gesetzesdekrets 142/2015 sind in den Aufnahmeeinrichtungen die Privatsphäre, das Geschlecht und die altersspezifischen Bedürfnisse, die physische und psychische Verfassung der Asylbewerber, Familieneinheiten und die Situation verletzlicher Personengruppen besonders zu berücksichtigen (vgl. aida: Country Report Italy, Dezember 2015, S. 70, erhältlich unter: …). Asylbewerbern steht es frei, nach entsprechender Erlaubnis, für bestimmte Zeiten die Aufnahmeeinrichtung zu verlassen. Insbesondere erlaubt Art. 22 Abs. 1 des Gesetzesdekrets 142/2015 nach 60 Tagen eine Arbeit aufzunehmen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. September 2016 - 13 A 2448/15.A -, Rn. 137 juris). Auch wenn sich die Umsetzung dieser rechtlichen Vorgaben sehr stark von Aufnahmeeinrichtung zu Aufnahmeeinrichtung unterscheiden mag (so aida: Country Report Italy, Dezember 2015, S. 70, erhältlich unter: …), können Defizite in einer einzelnen Einrichtung nicht dazu führen, das gesamte System als systemisch defizitär zu betrachten.
Schließlich erhalten Asylbewerber nach entsprechender Registrierung und unter Vorlage einer Gesundheitskarte auch effektiven Zugang zu allen wesentlichen Formen der Gesundheitsversorgung (vgl. aida: Country Report Italy, Dezember 2015, S. 82/83, erhältlich unter: …
Vor diesem Hintergrund ist demnach nicht mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit, zu befürchten, dass der Kläger in Italien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein wird.
b) Die Bundesrepublik Deutschland ist auch nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO für die Prüfung des Asylverfahrens des Klägers zuständig geworden aufgrund einer überlangen Verfahrensdauer.
Mit Blick auf die Grundrechte aus Art. 18, 41 Abs. 1, 47 Abs. 2 und 51 Abs. 1 EuGrCH und die das Asylverfahren bestimmende Beschleunigungsmaxime ergibt sich eine Pflicht zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO (ehemals Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO), wenn die Situation eines Asylbewerbers, in der dessen Grundrechte verletzt werden, durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird (vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013, - C-4/11 -, Rn. 35). Das nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO eröffnete Ermessen des Mitgliedstaats, ein Asylantrag abweichend von den Zuständigkeitsvorschriften der Verordnung selbst inhaltlich zu prüfen, ist in derartigen Situationen ausnahmsweise dahingehend reduziert, dass Selbsteintrittsrecht auszuüben (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 19. Januar 2016, – 11 B 15.50130 –, Rn. 28 m.w.N. juris). Eine solche Situation, in der Grundrechte des Asylantragstellers durch ein überlanges Verfahren verschlimmert würden, liegt hier nicht vor:
Denn zum einen hat die Beklagte innerhalb von nicht einmal 2 Monaten nach Stellung des Asylantrags und innerhalb von nicht einmal 3 Monaten nach Einreise des Klägers, den angefochtenen Bescheid erlassen. Zum anderen ist die Überstellungsfrist durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss vom 11. März 2014 unterbrochen und damit noch nicht abgelaufen (s.o.). Solange aber eine Überstellung nach wie vor möglich ist, kann eine Situation einer überlangen Verfahrensdauer grundsätzlich nicht eintreten (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 19. Januar 2016, - 11 B 15.50130 -, Rn. 29).
2.) Die Klage hat demgegenüber Erfolg, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Bundesamtes unter Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides, also gegen die Abschiebungsanordnung nach Italien, richtet. Insoweit ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG (in der Fassung vom 31. Juli 2016) ist in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Hiervon kann nur dann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zuerkannt wird. Eine solche Ausnahme liegt hier nicht vor.
Über das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote gemäß §§ 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG hinsichtlich Italiens hat das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid vom 3. Februar 2014 nicht entschieden. Die Tatsache, dass das Bundesamt ohne eine (zumindest gedankliche) Prüfung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und des § 60 Abs. 7 AufenthG die Abschiebungsanordnung nach Italien nicht hätte erlassen dürfen, lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass es tatsächlich hierzu eine Entscheidung treffen wollte und getroffen hat (vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 20. Oktober 2016, - 2 A 96/16 -, Rn. 33 juris). Die Begründung der Abschiebungsanordnung erschöpft sich lediglich in einem Verweis auf die gesetzliche Vorschrift des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.
Ohne eine entsprechende (negative) Feststellung des Bundesamtes erweist sich die Abschiebungsanordnung unter der Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides als rechtswidrig. Dieser fehlende Ausspruch seitens des Bundesamtes kann auch nicht durch eine inzidente Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG hinsichtlich des Zielstaates Italien durch das Gericht ersetzt werden (vgl. OVG Saarland, Urteil vom 25. Oktober 2016, - 2 A 96/16 -, Rn. 34 juris; VG Darmstadt, Urteil vom 11. August 2016, - 4 K 1324/14.DA.A -, juris; a.A. VG Schwerin, Urteil vom 26. September 2016, - 16 A 1757/15 AS SN -, Rn 123 juris sowie wohl auch: OVG NRW, Urteil vom 22. September 2016 - 13 A 2448/15.A -, Rn 187 juris).
§ 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG verlangt (ausdrücklich), dass in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen ist, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Das Gericht ist nicht verpflichtet, alle tatsächlichen Voraussetzungen des nationalen Abschiebungsschutzes selbst (erstmalig) festzustellen (hier insbesondere im Hinblick auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) und die Sache insoweit spruchreif zu machen und sodann abschließend zu entscheiden (vgl. OVG Saarland, Urteil vom 25. Oktober 2016, - 2 A 96/16 -, Rn. 34 juris; a.A. VG Schwerin, Urteil vom 26. September 2016, – 16 A 1757/15 AS SN -, Rn 123 ff juris). Dies beruht zum einen darauf, dass die Beklagte insoweit noch nicht mit der Sache befasst gewesen war und daher gemäß Art. 20 Abs. 2 GG Gelegenheit erhalten muss, eine eigene Entscheidung zu treffen, die dann der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. So sieht denn auch § 25 Abs. 2 AsylG vor, dass dem Ausländer im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt Gelegenheit gegeben werden soll, Tatsachen und Umstände anzugeben, die der Abschiebung in einen bestimmten Staat entgegenstehen. Eine Anhörung nach § 25 AsylG ist bislang jedoch noch nicht erfolgt, lediglich eine Befragung zur Vorbereitung einer solchen Anhörung (vgl. Bl. 17 ff). Zum anderen handelt es sich vorliegend nicht um die Konstellation einer Verpflichtungsklage, in der es aus verfahrensökonomischen Gründen sinnvoll sein kann, die Sache spruchreif zu machen, sondern um die einer Anfechtungsklage. Es ist in einer solchen Konstellation nicht Aufgabe des Gerichts durch eigene Feststellungen nicht getroffene Feststellungen zu ersetzen und somit einen angefochtenen Bescheid rechtmäßig zu machen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG. Dabei hat das Gericht das Interesse des Klägers an einer Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland (Ziffer 1 des Bescheids) doppelt so stark gewichtet, wie das Interesse an einer Beseitigung der Abschiebungsanordnung. Diese Gewichtung ist angelehnt an das Verhältnis der Streitwerte der Ziffern 8.1 und 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (im Ergebnis ebenso, aber ohne weitere Begründung: VG München, Urteil vom 26. März 2014 - M 7 K 13.30492 -, juris).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.