Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 07.09.2016, Az.: 5 A 202/15
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 07.09.2016
- Aktenzeichen
- 5 A 202/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 36764
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Fundstelle
- NdsVBl 2016, 7
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Eine Meldeauflage ist auf die ordnungsrechtliche Generalklausel zu stützen und neben Maßnahmen nach dem PaßG und dem PAuswG grundsätzlich zulässig.
- 2.
Einzelfall, in dem sich die Gefahrenprognose zu einer Absicht des Klägers, zum Zwecke des bewaffneten "Jihad" ausreisen zu wollen, für einen abgrenzbaren Zeitraum so sehr verdichtet hat, dass der Erlass einer Meldeauflage rechtmäßig war.
In der Verwaltungsrechtssache
des Herrn A.,
Klägers,
Proz.-Bev.:
Rechtsanwalt Ögüt, Schillergalerie,
Goethestraße 61, 38440 Wolfsburg, - B. -
gegen
die Stadt Wolfsburg, vertreten durch den Oberbürgermeister,
Porschestraße 49, 38440 Wolfsburg,
Beklagte,
Streitgegenstand: Ordnungsrecht
- Meldeauflage -
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 5. Kammer - ohne mündliche Verhandlung am 7. September 2016 durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Schlingmann-Wendenburg, die Richterin Hoke, den Richter am Verwaltungsgericht Brölsch, die ehrenamtliche Richterin C. und den ehrenamtlichen Richter D. für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Meldeauflage.
Der im Jahr 1986 in Deutschland geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger; im Bundeszentralregister ist auch eine (frühere) algerische Staatsangehörigkeit für ihn eingetragen. Er lebt mit seiner Ehefrau und seinen Eltern im Stadtgebiet der Beklagten und ist in einer Festanstellung bei der E. beschäftigt.
Der Kläger war vom Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA Niedersachen) sowie vom Bundesamt für Verfassungsschutz zur Kontrolle und Grenzfahndung ausgeschrieben, weil die Sicherheitsbehörden davon ausgingen, dass er Teil der gewaltbereiten islamistischen Szene sei und "Jihadkämpfer" rekrutieren und unterstützen bzw. sich selbst an Aktionen des militanten "Jihad" beteiligen wolle.
Am 28. Dezember 2014 beabsichtigte der Kläger, vom Flughafen F. nach Istanbul zu fliegen. Wegen der Ausschreibung zur Grenzfahndung kontrollierten ihn Beamte der Bundespolizei beim Check-in. Ausweislich des polizeilichen Berichts vom 28. Dezember 2014 (Bl. 8 ff. der Beiakte A) sowie des Bescheids der Bundespolizeidirektion G. vom selben Tag (Bl. 11 ff. der Beiakte A) gab der Kläger auf Befragen gegenüber den ihn kontrollierenden Beamten an, für vier Tage nach Istanbul reisen zu wollen, um sich dort einer Zahnbehandlung zu unterziehen; weitere Pläne habe er nicht, nach der Behandlung wolle er sofort nach Deutschland zurückreisen. Den genauen Termin für die Behandlung habe er nicht nennen, Belege für eine beabsichtigte zahnärztliche Behandlung habe er nicht vorweisen können. Anschließend wurde das Gepäck des Klägers durchsucht. Dort befanden sich unter anderem in einem speziellen Transportkoffer ein neuwertiger sogenannter Quadrocopter (Flugdrohne) mit einer Kamera im Wert von circa 1.200 € sowie Bargeld im Wert von 9.350 €. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der Bundespolizei G. über die Asservierung der Drohne und des Geldes sowie die dazu erstellten Lichtbilder (Bl. 19 ff. der Beiakte A) verwiesen. Auf Vorhalt gab der Kläger gegenüber den Beamten der Bundespolizei ausweislich des Protokolls insoweit an, die Flugdrohne neu erworben zu haben und in Istanbul erstmals ausprobieren zu wollen; mit dem Bargeld habe er die Zahnbehandlung bezahlen und Geschenke für seine Ehefrau kaufen wollen.
Mit Bescheid vom 28. Dezember 2014 untersagte die Bundespolizeidirektion G. dem Kläger auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Passgesetz (PaßG) befristet bis zum 25. Januar 2015 die Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland. Die Bundespolizeidirektion G. beschlagnahmte zudem die Flugdrohne, das vom Kläger mitgeführte Bargeld in einer Höhe von 9.000 € sowie dessen Mobiltelefon. Unter dem 29. Dezember 2014 beantragte die Bundespolizeidirektion G. beim Amtsgericht Hannover die richterliche Bestätigung der Beschlagnahme. Mit Beschluss vom 2. Januar 2015 bestätigte das Amtsgericht Hannover die Sicherstellung des Mobiltelefons und wies den Antrag, die Sicherstellung der Flugdrohne und des Bargeldes zu bestätigen, zurück.
Mit Bescheid vom 19. Januar 2015 entzog die Beklagte dem Kläger nach § 8 i.v.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG den Reisepass und untersagte nach § 6 Abs. 7 des Gesetzes über Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis (PAuswG) die Ausreise aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Sie begründete dies im Wesentlichen wie folgt: Ihr seien zur Person des Klägers Tatsachen bekannt, die den Verdacht begründeten, er wolle aus der Bundesrepublik Deutschland ausreisen, um sich einer Organisation des militanten Islamismus, namentlich dem sogenannten Islamischen Staat - IS -, anzuschließen. Hierfür spreche, dass er Angehöriger der salafistischen Szene in Wolfsburg sei und zahlreiche Kontakte zu Personen habe bzw. gehabt habe, die sich dem IS angeschlossen hätten. Sein in seinem Reisepass dokumentiertes Reiseverhaltensowie die Umstände seines Ausreiseversuchs am 28. Dezember 2014 seien auffällig. Die Beklagte ordnete die sofortige Vollziehung des Bescheids an. Diesen Bescheid vom 19. Januar 2015 hat der Kläger mit einer Klage zum erkennenden Gericht angefochten (gerichtliches Aktenzeichen: 5 A 99/15). Diese Klage hat das erkennende Gericht mit Urteil vom heutigen Tag abgewiesen.
Mit Bescheid vom 13. Mai 2015 stellte die Beklagte die Flugdrohne und das Bargeld, das der Kläger am 28. Dezember 2014 mit sich geführt hatte, in Höhe von 9.000 € sicher und ordnete deren Vernichtung an. Dieser Bescheid ist Gegenstand des beim erkennenden Gericht anhängigen Verfahrens 5 A 192/15. Soweit die Beklagte die Vernichtung der sichergestellten Sachen angeordnet hat, hat das erkennende Gericht der Klage mit Urteil vom heutigen Tag stattgegeben, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 4. Juni 2015 ordnete die Beklagte auf Anregung des Landeskriminalamtes Niedersachsen vom 3. Juni 2015 an, dass sich der Kläger im Zeitraum vom 8. Juni 2015 bis zum 20. Juli 2015 täglich unter Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises persönlich entweder bei der Polizeiinspektion in H., in I. oder bei jeder anderen Polizeidienststelle im Bundesgebiet zu melden habe. Sie ordnete die sofortige Vollziehung an und drohte für den Verstoß gegen die Meldeauflage an, ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 € festzusetzen. Die Beklagte begründete dies im Wesentlichen wie folgt: Es sei - wie im Bescheid vom 19. Januar 2015 ausgeführt und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren 5 A 99/15 vertieft - davon auszugehen, dass der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausreisen wolle, um sich dem militanten Islamismus, namentlich dem IS, anzuschließen. Am 3. April 2015 sei er nach Erkenntnissen des LKA Niedersachsen auf der Bundesautobahn A 60 in der Nähe der belgisch/luxemburgischen Grenze in Begleitung eines szenebekannten Salafisten/"Jihad"-Sympathisanten kontrolliert worden. Als konspirativ werde hierbei gewertet, dass sie in einem Mietwagen unterwegs gewesen seien, obwohl beide ein privates Kfz besäßen. Außerdem habe der Kläger mit 4.000 € erneut eine erhebliche Menge Bargeld mit sich geführt. Zum Zweck der Reise habe der Kläger keine Angaben gemacht. Es sei davon auszugehen, dass er sich ins Ausland habe absetzen wollen. Ab dem 8. Juni 2015 habe er bei seinem Arbeitgeber sechs Wochen Urlaub außerhalb der regulären Werksferien beantragt und bewilligt bekommen. Die Erfahrung habe gezeigt, dass Personen, die sich dem bewaffneten "Jihad" anschließen wollen, sich in der Regel während ihres Jahresurlaubs aus Deutschland abgesetzt hätten. Es bestehe die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger dies aktuell auch beabsichtige. Aufgrund eines wahrscheinlich vorhandenen algerischen Reisepasses dürfte ihm dies möglich sein. Die Aktivitäten, die hinsichtlich des Klägers zu erwarten seien, begründeten eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Um sie zu unterbinden, sei die verfügte Meldeauflage erforderlich und angemessen. Sie habe die sofortige Vollziehung der Maßnahme angeordnet, weil das hiermit verfolgte Ziel, den Anschluss des Klägers an den bewaffneten "Jihad" im Ausland zu verhindern, gegenüber dem Interesse des Klägers, von der Maßnahme verschont zu bleiben, überwiege. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Verfügung vom 4. Juni 2015 (Bl. 20 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 25. Juni 2015 (gerichtliches Aktenzeichen: 5 B 203/15) hat das erkennende Gericht den Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Anordnung im Bescheid vom 4. Juni 2015 abgelehnt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss (Bl. 36 ff. der Gerichtsakte) verwiesen.
Am 5. Juni 2015 hat der Kläger die vorliegende Klage gegen die Meldeauflage im Bescheid vom 4. Juni 2015 erhoben. Nachdem die Befristung der Meldeauflage zum 20. Juli 2015 verstrichen ist, begehrt er die gerichtliche Feststellung deren Rechtswidrigkeit. Ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, so der Kläger, ergebe sich bereits daraus, dass er mit einem inhaltlich gleichlautenden Bescheid rechnen müsse, sobald er erneut längeren zusammenhängenden Urlaub nehme. Im Übrigen begründet er die Klage - mit inhaltlich gleicher Argumentation wie im Verfahren 5 A 99/15 - dahingehend, dass die Beklagte ihrer Entscheidung unzutreffende Annahmen zugrunde lege. Er habe nicht die Absicht, sich an Kriegs- oder Terrorhandlungen zu beteiligen. Er plane nicht - wie die Beklagte ihm unterstelle -, Kämpfer für den "Jihad" zu rekrutieren oder selbst hieran teilzunehmen oder sonstige Unternehmungen, die die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder sonstige erhebliche Belange verletzten oder gefährdeten. Solche Handlungen habe er auch in der Vergangenheit nicht durchgeführt. Die Beklagte habe ihre gegenteiligen Behauptungen nicht nachgewiesen; sie sei aber darlegungs- und materiell beweisbelastet. Sie müsse ihre Gefahrenprognose nachvollziehbar und so konkret darlegen, dass sie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren überprüft werden könne.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die Anordnung zu 1. aus dem Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2015 rechtswidrig gewesen ist und ihn in seinen Rechten verletzt hat
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf die Begründung des Bescheids und führt ergänzend - mit gleicher Argumentation wie im Verfahren 5 A 99/15 - aus, das Verhalten des Klägers begründe die Annahme, er wolle aus der Bundesrepublik Deutschland ausreisen, um sich dem IS anzuschließen. Für den Zeitraum, für den dem Kläger der Urlaub außerhalb der regulären Ferienzeiten gewährt worden war, sei die Meldeauflage deswegen rechtmäßig gewesen.
In der mündlichen Verhandlung vom 16. April 2016 hat die erkennende Kammer den Kläger informatorisch sowie die Polizeibeamten Kriminalhauptkommissar J. und Kriminalhauptkommissar K. vom Landeskriminalamt sowie den Kriminaloberkommissar L. von der Polizeiinspektion I. als Zeugen angehört. Wegen der Einzelheiten der jeweiligen Angaben wird auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 92 ff. der Gerichtsakte) verwiesen. Mit einem Auflagen- und Beweisbeschluss vom 11. Mai 2016 hat die erkennende Kammer den Beteiligten aufgegeben, ihren bisherigen Sachvortrag zu im Einzelnen aufgeführten Gesichtspunkten zu substanziieren bzw. zu belegen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss (Bl. 105 f. der Gerichtsakte) verwiesen. Der Kläger hat hierauf nicht reagiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten in diesem sowie den Verfahren 5 A 99/15 und 5 A 192/15 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die das Gericht mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig, nachdem sich die zunächst zulässig erhobene Anfechtungsklage während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens durch Ablauf der Befristung für die Meldeauflage erledigt hat. Ein berechtigtes Interesse des Klägers im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ergibt sich aus einer Wiederholungsgefahr, weil der Kläger mit dem Erlass einer vergleichbaren Anordnung zu rechnen hat, sobald die Beklagte erneut konkrete Anhaltspunkte dafür erkennt, dass sich der Ausreisewunsch des Klägers in einem bestimmbaren Zeitraum mit erhöhter Wahrscheinlichkeit realisieren wird.
Die Klage ist nicht begründet. Die Beklagte hatte zu Recht unter Nr. 1 des Bescheids vom 4. Juni 2015 angeordnet, dass sich der Kläger im Zeitraum vom 8. Juni 2015 bis zum 20. Juli 2015 täglich unter Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises bei einer Polizeidienststelle im Bundesgebiet zu melden hatte. Die Anordnung ist rechtmäßig gewesen und hat den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.
Rechtsgrundlage der mit dem Bescheid vom 4. Juni 2015 verfügten Meldeauflage ist § 11 Nds. SOG. Hiernach kann die Verwaltungsbehörde die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren, soweit nicht die Vorschriften des 3. Teils die Befugnisse der Verwaltungsbehörde besonders regeln. Ein Anwendungsfall des 3. Teils des Nds. SOG ist hier nicht gegeben. Eine spezielle Vorschrift außerhalb des Nds. SOG, die Grundlage für die hier getroffene Anordnung sein könnte, ist auch nicht ersichtlich. Eine Meldeauflage ist deshalb auf die polizeiliche Generalklausel zu stützen und neben Maßnahmen nach dem PaßG und dem PAuswG grundsätzlich zulässig (vgl. Nds. Oberverwaltungsgericht, B. v. 14.06.2006 - 11 ME 172/06 -, Rn. 7 m.w.N.; BVerwG, U. v. 25.07.2007 - 6 C 39/06 -, Rn. 25 ff.; BayVGH, B. v. 05.03.2015 - 10 Cs 14.2444 -, Rn. 59).
Die Beklagte war für den Zeitraum vom 8. Juni 2015 bis zum 20. Juli 2015 zu Recht von einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgegangen, die den Erlass der streitgegenständlichen Meldeauflage gerechtfertigt hat. Eine Gefahr in diesem Sinne ist gemäß § 2 Nr. 1 a) Nds. SOG eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird. Die Absicht einer Person, aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen, um am militanten "Jihad" teilzunehmen oder diesen zu unterstützen, begründet eine solche Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Dies resultiert - wie die Kammer im Beschluss vom 25. Juni 2015 (5 B 203/15) zum Eilantrag des Klägers ausgeführt hat - schon daraus, dass die Beteiligung am militanten "Jihad" geeignet ist, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu schädigen, weil dieser die Sicherheitsinteressen der betroffenen Länder und der internationalen Staatengemeinschaft massiv tangiert und geeignet ist, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 04.05.2015 - 19 A 2097/14 -, Rn. 30 ff., m.w.N.). Unabhängig hiervon gefährdet der militante "Jihad" Leib und Leben von Menschen; dies sind Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit von höchstem Rang.
Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass für den Zeitraum der Meldeauflage vom 8. Juni 2015 bis zum 20. Juli 2015 so gewichtige Anhaltspunkte für eine Absicht des Klägers, für die Zwecke des "Jihad" auszureisen, vorgelegen haben, dass der Erlass der Meldeauflage gerechtfertigt war.
Mit den Gründen des den Beteiligten bekannten Urteils im Verfahren 5 A 99/15 haben es die zum Kläger bekannten Tatsachen nahegelegt, dass er sich in den zurückliegenden Jahren in den vom ihm besuchten Moscheen im Sinne eines "jihadistischen Salafismus" radikalisiert hat, einen Bekanntenkreis bzw. ein Netzwerk von Personen mit einem "Jihad"-Bezug gesucht und aufgebaut hat und in diesem Netzwerk im Sinne des "jihadistischen Salafismus" agiert hat; zugleich hat hieraus der hinreichend schwerwiegende Verdacht resultiert, dass der Kläger im Dezember 2014 die Absicht gehabt hat und diese Absicht auch weiterhin hat, ins Ausland zu reisen, um sich einer "jihadistischen" / islamistischen Organisation anzuschließen. Wegen der Einzelheiten der Begründung verweist die erkennende Kammer auf die Begründung des Urteils im Verfahren 5 A 99/15. Diese Tatsachen haben zugleich die hinreichend schwerwiegende Gefahrenprognose begründet, die die streitgegenständliche Meldeauflage gerechtfertigt hat. Dass § 11 Nds. SOG insoweit eine konkrete Gefahr, § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG hingegen nur einen hinreichend schwerwiegenden Gefahrenverdacht voraussetzt, steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil die Anknüpfungstatsachen - wie sie in den Gründen des Urteils 5 A 99/15 ausgeführt sind - in der Gesamtbetrachtung und -würdigung so schwer wiegen, dass sie über einen Gefahrenverdacht hinaus im Sinne einer konkreten Gefahr die Absicht des Klägers, ausreisen und den "Jihad" unterstützen zu wollen, belegen. Unabhängig hiervon hatte sich die Gefahrenprognose zu einer Absicht des Klägers, zum Zwecke des "Jihad" ausreisen zu wollen, für den streitgegenständlichen Zeitraum zusätzlich verdichtet, weil er, nachdem sein Ausreiseversuch am 28. Dezember 2014 gescheitert und er im Frühjahr 2015 zunächst mit einem Mietwagen im Bereich der belgisch-luxemburgischen Grenze aufgefallen war, bei seiner Arbeitgeberin den gesamten Jahresurlaub außerhalb der Werksferien genommen hatte. Die Beklagte hat insoweit nachvollziehbar darauf verwiesen, dass die Ausreise während eines möglichst langen Jahresurlaubs einem typischen Verhaltensmuster zum "Jihad" ausgereister Personen entspreche, weil es die Zeitspanne, bis ihr Untertauchen bemerkt werde, und somit die Chancen für eine erfolgreiche Ausreise erhöhen könne.
Die hiernach erkennbare Gefahr für Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit hat hinreichend schwer gewogen, zumal insoweit gilt, dass sich die erforderliche Wahrscheinlichkeit eines zu befürchtenden Schadenseintritts danach bemisst, wie schwer der zu befürchtende Schaden wiegt: Je höherrangig das betroffene Rechtsgut und je größer der ihm drohende Schaden wiegen, desto geringere Anforderungen können an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gestellt werden (vgl. VG Braunschweig, B. v. 19.04.2016 - 5 B 48/16 -, m.w.N.). Vorliegend wog der zu befürchtende Schaden sehr schwer, weil die Beteiligung am oder die Unterstützung des Jihad - wie bereits ausgeführt - Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit von höchstem Rang beeinträchtigt.
Ermessensfehler der Beklagten sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Meldeauflage den Kläger nicht unverhältnismäßig schwer belastet. Die erkennende Kammer verkennt insoweit nicht, dass die Auflage zwar mit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Klägers einherging, indem er sich während des Urlaubs täglich zu einer Polizeidienststelle begeben musste. Angesichts der schwerwiegenden Gefahrenprognose hat dies den Kläger aber nicht über Gebühr belastet, zumal es ihn weder an der Erfüllung seiner beruflichen oder sonstigen Pflichten gehindert und auch nicht Reiseaktivitäten während des Urlaubs verhindert hat, weil der Kläger selbst bestimmen konnte, zu welcher Tageszeit und bei welcher Polizeidienststelle er die Meldeauflage erfüllen wollte. Eine Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland war dem Kläger mit der sofort vollziehbaren Verfügung der Beklagten vom 19. Mai 2015 ohnehin untersagt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.