Landgericht Osnabrück
Urt. v. 20.09.2013, Az.: 10 KLs 16/13

Fahrlässige Tötung im Zusammenhang mit einem tödlichen Arbeitsunfall wegen Fehlens einer funktionstüchtigen Lichtschrankenanlage; Tödlicher Arbeitsunfalll bei Bedienung einer computergestützten Glaskantenschleifmaschine

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
20.09.2013
Aktenzeichen
10 KLs 16/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 54690
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2013:0920.10KLS16.13.0A

In der Strafsache
gegen 1. Heinrich R.,
2. Hermann R.
3. Jan Ro.,
4. Andreas H.
5. Friedhelm A.
6. Jürgen B.
wegen fahrlässiger Tötung u.a.
hat die 10. Große Strafkammer des Landgerichts Osnabrück in den Sitzungen vom 17.09.2013, 18.09.2013, 19.09.2013 und 20.09.2013, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Landgericht Dr. T.
-als Vorsitzender-
Richterin am Landgericht Dr. W.
Richter am Landgericht B.
-als beisitzende Richter-
Frau Heike B.
Herr Johannes B.
-als Schöffen-
Staatsanwalt M.
-als Beamter der Staatsanwaltschaft-
Rechtsanwältin N.
-als Verteidigerin des Angeklagten zu 1.-
Rechtsanwalt Q.
-als Verteidiger des Angeklagten zu 2.-
Rechtsanwältin F.
-als Verteidigerin des Angeklagten zu 3.-
Rechtsanwalt B.
-als Verteidiger des Angeklagten zu 4.-
Rechtsanwalt S.
-als Verteidiger des Angeklagten zu 5.-
Rechtsanwältin H.
-als Verteidigerin des Angeklagten zu 6.-
Rechtsanwalt S.
-als Nebenklägervertreter-
Justizamtsinspektorin M.
-als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle-

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Angeklagten Heinrich R., Hermann R., H. und A. sind der fahrlässigen Tötung schuldig.

Die Angeklagten Heinrich R. und Hermann R. werden jeweils zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

Der Angeklagte A. wird zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40,- EUR verurteilt.

Der Angeklagte H. wird verwarnt. Die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,- € bleibt vorbehalten.

Der Angeklagte Ro. wird wegen fahrlässigen Unterlassens einer Aufsichtsmaßnahme, die erforderlich ist, um in einem Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, zu einer Geldbuße von 10.000,- EUR verurteilt.

Der Angeklagte B. wird wegen versuchter Strafvereitelung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 100,- EUR verurteilt.

Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Angeklagten Heinrich R., Hermann R., Ro., H. und A. tragen zudem die notwendigen Auslagen der Nebenkläger.

Angewendete Vorschriften:

Angeklagte Heinrich R., Hermann R., H. und A. jeweils: § 222 StGB,

Angeklagter Ro.: §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 17 Abs. 2, 130 OWiG,

Angeklagter B.: §§ 258 Abs. 1, 3 und 4, 22, 23 StGB.

Gründe

Vorbemerkung

Gegenstand dieses Strafverfahrens ist ein schwerer Arbeitsunfall, der sich am 22.07.2010 in den Betriebsräumen der H.-GLas-Unternehmensgruppe in D. ereignet hat. Dabei wurde der 19jährige Auszubildende zum Flachglasmechaniker Björn S. in der Fabrikationshalle der Y.-Glas GmbH & Co. KG bei der Bedienung einer computergestützten Glaskantenschleifmaschine von dem beweglichen Maschinenkopf an der Metallwand der Schleifmaschine mit dem gesamten Körper erfasst und eingeklemmt; er verstarb am folgenden Tage an den hierdurch erlittenen schwersten Kopfverletzungen. Ursache für diesen Betriebsunfall war das Fehlen einer funktionstüchtigen Lichtschrankenanlage, die zwar teilweise an der Maschine noch vorhanden, aber durch elektronische Manipulationen überbrückt worden war.

Dafür, dass die Maschine -jahrelang- ohne diese Sicherheitseinrichtung betrieben und dies dem Auszubildenden Björn S. am Unfalltage zum Verhängnis wurde, sind die Angeklagten zu 1.-5. verantwortlich, und zwar die Angeklagten Heinrich und Hermann R. als Geschäftsführer bzw. Inhaber aufgrund der von ihnen gemeinsam getroffenen Entscheidung, die Maschine ohne die Sicherheitseinrichtung zu betreiben, der Angeklagte A., der die Maschine entsprechend dieser Entscheidung aufgebaut hat, und die Angeklagten Ro. und H., die als Mitgeschäftsführer bzw. Produktionsleiter der Y.-Glas GmbH & Co. KG den Betrieb der ungesicherten Maschine mitzuverantworten haben.

Der Angeklagte B. hat schließlich als technischer Aufsichtsbeamter beim Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Emden auf Betreiben des Angeklagten Heinrich R. versucht, diese wahre Ursache des Betriebsunfalls zu vertuschen und weitergehende Untersuchungen zu verhindern, indem er gegenüber der Berufsgenossenschaft und anderen Einrichtungen wahrheitswidrig angab, dass sich die Maschine in einem ordnungsgemäßen Zustand befunden hätte.

I. Zu den Personen der Angeklagten

1. Der jetzt 57jährige Angeklagte Heinrich R. .... hat den Beruf des Groß- und Einzelhandelskaufmanns erlernt. Gemeinsam mit seinem Bruder Hermann R. beherrscht er die Hero-Glas-Unternehmensgruppe. Er ist unter anderem Geschäftsführer der zur H.-Glas Unternehmensgruppe gehörenden und im emsländischen D. beheimateten Y.-Glas GmbH & Co. KG sowie Prokurist der ebenfalls zur Hero-Glas Unternehmensgruppe gehörenden und in D. ansässigen H.- Glas Veredelungs GmbH. Sein Einkommen hat er als geregelt bezeichnet.

2. Der derzeit 66jährige Angeklagte Hermann R. ....... ist gelernter Maler und Lackierer. Er ist der Begründer der von ihm und seinem Bruder Heinrich R. beherrschten H.-Glas-Unternehmensgruppe und unter anderem Geschäftsführer der Hero-Glas Veredelungs GmbH. Auch er hat sein Einkommen als geregelt bezeichnet.

3. Der derzeit 56jährige Angeklagte Ro. ..... hat den Beruf des Grafikdesigners erlernt und ist neben dem Angeklagten Heinrich R. Mitgeschäftsführer der Y.-Glas GmbH & Co. KG. Er verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen von rund 6.000,- EUR.

4. Der derzeit 34jährige Angeklagte H. ist ......... gelernter Glasermeister und Betriebswirt des Handwerks. Im November 2006 wurde er bei der Y.-Glas GmbH & Co. KG eingestellt, bei der er eineinhalb Jahre nach seiner Einstellung Produktionsleiter wurde. Der Angeklagte H. ist weiterhin bei der H.-Glas Unternehmensgruppe beschäftigt und verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 2.000,- EUR.

5. Der derzeit 39jährige Angeklagte A. ist .......... gelernter Elektroinstallateur und angestellter Leiter des Instandsetzungsteams der H.-Glas- Unternehmensgruppe, das für den Maschinenpark der Unternehmensgruppe zuständig ist. Der Angeklagte A. verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 2.400,- EUR.

6. Der derzeit 53jährige Angeklagte B. ist ....... technischer Aufsichtsbeamter beim Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Emden. Er führt dort den Dienstrang eines Gewerbeamtsrates (Besoldungsgruppe A12) und verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von ca. 3.400,- EUR. ...... Das ihn betreffende beamtenrechtliche Disziplinarverfahren wegen der hier verfahrensgegenständlichen Vorwürfe ruht bis zum rechtskräftigen Abschluss des hiesigen Strafverfahrens.

Keiner der Angeklagten ist bisher strafrechtlich in Erscheinung getreten.

II. Tatfeststellungen

Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung steht zur Überzeugung der Kammer folgender Sachverhalt fest:

1. Aufbau und Betrieb der Glaskantenschleifmaschine

Das Unternehmen H.-GLas, aus dem sich später die H.-GLas Unternehmensgruppe entwickelte, wurde von dem Angeklagten Hermann R. Anfang der 1970er Jahre in D. gegründet. Zunächst bot das Unternehmen ausschließlich industriell gefertigtes Isolierglas an. Im weiteren Verlauf der Firmenentwicklung ging der Begründer Hermann R. dazu über, in seiner Firma vorgefertigtes Glas zu veredeln und zuzuschneiden, wofür entsprechende Maschinen angeschafft und eingesetzt wurden.

Hierzu gehörte auch die im September 1998 hergestellte computergesteuerte Glaskantenschleifmaschine Z.Bavelloni ALPA 103 2 T, mit der die Kanten des geschnittenen Flachglases geschliffen und geglättet werden. Diese 11.500 kg schwere Maschine besteht aus einem Arbeitstisch in einer Größe von 5,89 m x 1,80 m, wobei dieser Arbeitsbereich insgesamt durch einen 2,59 m hohen Maschinenrahmenaufbau und auf der linken Seite durch eine ebenfalls 2,59 m hohe Metallwand eingefasst ist. Über dem Arbeitsbereich verläuft in einer Höhe von ein bis zwei Metern ein an dem Maschinenrahmen angebrachter Maschinenwagen mit Maschinenkopf mit einem Durchmesser von etwa einem Meter, der sich in alle Richtungen über dem Arbeitstisch bewegt. Dabei wird der Maschinenkopf mit entsprechendem Schleifwerkzeug computergesteuert an dem auf der Arbeitsfläche befindlichen Glaswerkstück entlanggeführt, um dessen Kanten abzuschleifen und zu glätten. Die Glaskantenschleifmaschine arbeitet vollautomatisch; hierzu wird vom Maschinenbediener ein individuelles Bearbeitungsprogramm in den Computer der Maschine eingegeben. Nach dem Start des Bearbeitungsvorgangs beginnt sodann der Maschinenkopf die Bearbeitung des Glasstücks, wobei im Verlauf des Bearbeitungsvorgangs unterschiedliche Werkzeuge zum Einsatz kommen, die die Maschine selbst aus einer entsprechenden Halterung im linken Maschinentischbereich entnimmt, einsetzt und auch wieder wechselt; soweit verschiedene Werkzeuge zum Einsatz kamen, nahm sich der Maschinenkopf diese selbstständig aus dem im linken Maschinentischbereich befindlichen maschineneigenen Werkzeuglager heraus. Während der Schleifvorgang selbst mit einer extrem geringen Geschwindigkeit des Maschinenkopfs ausgeführt wird, fährt der Maschinenkopf bei einem computergenerierten Werkzeugwechsel mit einer verhältnismäßig hohen Geschwindigkeit von 3 km/h (0,83 Meter pro Sekunde) automatisch vom mittigen Arbeitstischbereich zu dem linksseitig angebrachten Werkzeuglager bis kurz vor die Metallwand.

Herstellerseitig war die Maschine mit einer Lichtschranke als Sicherheitseinrichtung ausgestattet, deren Durchbrechung zum sofortigen Stillstand der Maschine führte. Hierfür waren an der Längsseite des Arbeitstisches -rechtwinklig fixiert- zwei längliche Lichtschrankenträger mit Fotozellen befestigt, die in den Bedienungsbereich vor der Längsseite des Arbeitstisches hineinragten und auf diese Weise verhindern sollten, dass sich ein Mitarbeiter in den Gefahrenbereich des Arbeitstisches hineinbewegte. Mit Hilfe der Fotozellen wurde eine Lichtschranke erzeugt, die den gesamten Maschinenarbeitsbereich an seiner offenen Längsseite abschirmte. Eine Unterbrechung des Lichtstrahls durch versehentliches oder bewusstes Eintreten in den lichtschrankenabgeschirmten Maschinenarbeitsbereich führte zu einer sofortigen Übertragung des Lichtschrankensignals an das zentrale Maschinensteuerungsgerät und zu einem abrupten Stopp des Maschinenoberwagens. Dabei war die Elektronik der Maschine herstellerseitig so konzipiert, dass die Maschine -ohne Manipulation der Elektronik- nur unter Einsatz der Lichtschrankensicherheitseinrichtung betrieben werden konnte.

Die Glaskantenschleifmaschine Z.Bavelloni wurde von 1998 bis 2006 in den Hallen der H.-GLas Veredelungs GmbH und zwar mit der vorhandenen Lichtschranke eingesetzt. Zuvor war Anfang 2000 die H.-GLas Unternehmensgruppe um die ebenfalls in D. ansässige Y.-Glas GmbH & Co. KG erweitert worden, deren Geschäftsbereich sich auf den Vertrieb von -im Vergleich zu der bei der H.-GLas Veredelungs GmbH angesiedelten konventionellen Glasbearbeitung- hochwertigen Glassystemen für den Yacht- und Schiffsbau konzentrierte. Im Jahr 2006 nahm die Y.-Glas GmbH & Co. KG, die zunächst nur als Vertriebs- und Vermarktungsunternehmen genutzt worden war, auch die Eigenproduktion der besonders wertvollen Yacht- und Schiffsverglasungen auf, wobei das Rohmaterial unternehmensgruppenintern von der H.-GLas Veredelungs GmbH geliefert wurde. Die Geschäftsführung der Y.-Glas GmbH & Co. KG teilten die beiden geschäftsführenden Angeklagten Heinrich R. und Ro. untereinander auf. Nach interner Geschäftsführungsabsprache übernahm der Angeklagte Heinrich R. die Verantwortung für den Bereich Produktion inklusive des Maschinenparks und der Angeklagte Ro. als kreativer Kopf die Bereiche Akquise und Vertrieb.

Zum Zweck der Eigenproduktion der wertvollen Gläser entschied der Angeklagte Heinrich R. gemeinsam mit seinem Bruder Hermann R., der Geschäftsführer der H.-GLas Veredelungs GmbH war, im Jahr 2006, dass die bislang bei der H.-GLas Veredelungs GmbH in der konventionellen Glasproduktion genutzte tatrelevante Glaskantenschleifmaschine Z.Bavelloni ALPA 103 2 T in die Y.-Glas-Fabrikationshalle zur Unterstützung der Y.-Glas-Produktion verbracht und dort bei der Bearbeitung der hochwertigen Yacht- und Schiffsgläser eingesetzt werden sollte. Während die Maschine bei der Bearbeitung der konventionellen Gläser in der Fabrikation der H.-GLas Veredelungs GmbH noch ordnungsgemäß mit der vom Hersteller vorgesehenen Lichtschrankensicherheitseinrichtung betrieben worden war, entschieden die Angeklagten Heinrich R. und Hermann R., die Maschine in der Y.-Glas-Produktion nunmehr ohne die als Sicherheitseinrichtung vorgesehene Lichtschranke weiter zu betreiben, weil bei einem durch die Lichtschranke ausgelösten abrupten Maschinenstopp das gerade in Bearbeitung befindliche hochwertige Glasstück für die weitere Produktion nicht mehr zu gebrauchen war. Ein durch die Lichtschranke ausgelöster Notstopp hätte nämlich nur den Oberwagen mit dem daran befindlichen Maschinenkopf der Maschine zum Stehen gebracht; die Spindel des Schleifgerätes hätte sich gleichwohl noch eine Zeitlang bei stehendem Maschinenkopf weitergedreht, wodurch das Glasstück für diesen Zeitraum weiter an einer Stelle geschliffen und so eine Einkerbung entstanden wäre, die das Werkstück unbrauchbar gemacht hätte.

Fielen derartige Verluste bei der Bearbeitung der konventionellen Gläser in der H.-GLas Veredelungs GmbH wirtschaftlich kaum ins Gewicht, erschienen den Angeklagten Heinrich und Hermann R. derart sicherheitsbedingt entstehende Glasstückverluste bei der Bearbeitung der sehr hochwertigen und damit überaus wertvollen Yacht- und Schiffsgläser in der Y.-Glas-Produktion finanziell nicht hinnehmbar. Hinzu kommt, dass einige Werkzeughalter des Maschinenkopfes durch den jahrelangen Maschineneinsatz bei der H.-GLas Veredelungs GmbH derart ausgeleiert waren, dass der Greifarm des Maschinenkopfes die Werkzeuge aus der Halterung nicht mehr greifen konnte oder nach Aufnahme wieder verlor. Hierfür hätte es einer Abschaltung der Maschine bedurft, um den Werkzeugwechsel manuell durchzuführen, was mit einem erheblichen Zeitverlust verbunden gewesen wäre. Ferner funktionierte die Ausrichtung der am Maschinenkopf befindlichen Düsen für das beim Glasschleifvorgang benötigte Wasser nicht zuverlässig. Gerade im Hinblick auf die während des laufenden Betriebes der Maschine vorzunehmenden Handgriffe war die Lichtschranke ein Hindernis, was die Angeklagten Heinrich und Hermann R. bewog, beim Aufbau der Maschine in der Y.-Glas-Fabrikationshalle die Lichtschrankeneinrichtung überbrücken und damit funktionslos werden zu lassen. Auf diese Weise konnte der Maschinenbediener während des laufenden Betriebes verlorene Werkzeuge wieder in das Werkzeuglager drücken oder aber zumindest entfernen und lockere Werkzeuge im Maschinenkopf fixieren; auch ermöglichte diese Manipulation der Sicherheitseinrichtung dem Maschinenbediener, an das Maschinenwerkzeuglager im linken Maschinenbereich heranzutreten, um während des laufenden Maschinenbetriebes die aktuell nicht vom Maschinenkopf ergriffenen Diamantwerkzeuge aus dem Maschinenwerkzeuglager mit einem Stein zu schleifen, was mehrfach täglich erforderlich war. Schließlich konnte so der Maschinenbediener die am Maschinenkopf befindlichen Wasserdüsen während des laufenden Betriebes manuell ausrichten.

Obwohl den Angeklagten Heinrich und Hermann R. aufgrund der weit überdurchschnittlich hohen Anzahl schwerwiegender Arbeitsunfälle in ihrem Betrieb bewusst war, dass die Manipulation der Lichtschrankenanlage der Bavelloni- Schleifmaschine eine große Gefahr auch schwerster Verletzungen des Maschinenbedieners in sich barg, ordnete entweder Heinrich R. oder Hermann R., dies jedenfalls mit Wissen und Zustimmung des Bruders, gegenüber dem Angeklagten A. an, die Glaskantenschleifmaschine in den Räumen der Y.-Glas GmbH & Co. KG aufzubauen und die Lichtschrankensicherheitseinrichtung zu überbrücken, was der Angeklagte A. daraufhin ausführte, wobei er als einzig versierter Elektroinstallateur die Überbrückung durch entsprechende Verbindung der Elektrik und Herstellung eines neuen Stromkreislaufs ohne Einbindung der Lichtschrankenträger selbst vornahm. Auch dem Angeklagten A. war dabei klar, dass das von ihm technisch gewährleistete Betreiben der Maschine ohne die vom Hersteller vorgesehene Lichtschrankensicherheitseinrichtung die Gefahr auch schwerster Verletzungen bei den Maschinenbedienern begründete.

Nicht nur den Angeklagten Hermann und Heinrich R. sowie dem Angeklagten A. war die Überbrückung der Lichtschranke bekannt. Auch die Angeklagten Ro. und H. erfuhren davon im Verlauf des Betriebs der Maschine seit 2006:

Nicht zuletzt aufgrund der hohen Anzahl von Arbeitsunfällen musste nämlich die H.-GLas Unternehmensgruppe auf Aufforderung der Berufsgenossenschaft einen externen Sicherheitsberater zur Überwachung des Arbeitsschutzes beschäftigen; diese Funktion nahm seit dem Jahr 1999 der Zeuge Adolf S. wahr. Dieser bemerkte am 21.08.2006 bei einer Begehung der Y.-Glas-Fabrikationshalle, dass die dort neu aufgebaute Glaskantenschleifmaschine ohne die erforderliche Lichtschrankensicherheitseinrichtung betrieben wurde. Daraufhin wies er nicht nur die Angeklagten Heinrich und Hermann R. in jeweils persönlichen Gesprächen ausdrücklich darauf hin, dass die Sicherheitslichtschranken an der Glaskantenschleifmaschine ohne Funktion seien und dieser Mangel umgehend abzustellen wäre. Adolf S. sprach auch den Angeklagten Ro. mündlich an und teilte diesem mit, dass dem Arbeitsschutz beim Maschinenpark der Y.-Glas GmbH & Co KG in der Y.-Glas-Fabrikationshalle nicht Genüge getan werde, insbesondere die Glaskantenschleifmaschine Bavelloni nicht über die erforderlichen Sicherheitseinrichtungen verfügte. Eine konkrete Schilderung der Lichtschrankenmanipulation an der Glaskantenschleifmaschine gelang ihm gegenüber dem Angeklagten Ro. nicht, weil sich der Angeklagte Ro. unter Hinweis auf seine intern beschränkten Geschäftsführergebiete der Akquise und des Vertriebs auf ein Gespräch über Maschinensicherheit nicht einlassen wollte und den Zeugen S. stehen ließ. Obwohl sich dem Angeklagten Ro. durch die von Adolf S. an seine Person herangetragene Information aufdrängte, dass die Erfüllung der Aufgabe der Gewährleistung des Arbeitsschutzes durch den Angeklagten Heinrich R. als seinem Y.-Glas-Mitgeschäftsführer offensichtlich unzulänglich war, befasste sich der Angeklagte Ro. weiterhin nicht mit der Frage der Maschinensicherheit und holte dazu auch keinerlei Erkundigungen bei dem Angeklagten Heinrich R. ein.

Auch der Angeklagte H. wusste -als Flachglasmechanikermeister mit den Produktionsabläufen im Einzelnen vertraut- vom Fehlen der Sicherheitseinrichtung an der Glaskantenschleifmaschine Z. Bavelloni ALPA 103 2 T. Er war im November 2006 bei der Y.-Glas GmbH & Co. KG eingestellt worden; ihm wurde nach ca. eineinhalb Jahren die Position des Y.-Glas-Produktionsleiters übertragen, wodurch er gegenüber den Y.-Glas-Schichtleitern sowie den weiteren Y.-Glas-Mitarbeitern einschließlich der bei der Y.-Glas GmbH & Co. KG eingesetzten Flachglasmechaniker- Auszubildenden der H.-Glas Unternehmensgruppe weisungsbefugt und mit der Planung und Umsetzung der Produktionsabläufe betraut war. Er erstellte nicht nur die Schichtpläne für den Betrieb, sondern auch die Ausbildungspläne für die bei der Y.-Glas GmbH & Co. KG eingesetzten Flachglasmechaniker-Auszubildenden. So teilte er die Auszubildenden bei der Arbeit den einzelnen Maschinen zu, wozu auch die Glaskantenschleifmaschine mit der manipulierten Sicherheitseinrichtung gehörte. Auch für den Unfalltag teilte der Angeklagte H. den Auszubildenden S. an der Glaskantenschleifmaschine ein, wobei ihm bewusst war, dass dieser bei der Arbeit an der ohne die vom Hersteller vorgesehene Lichtschrankensicherheitseinrichtung versehenen Maschine einem deutlich erhöhten Verletzungsrisiko ausgesetzt wurde.

2. Der Einsatz des Auszubildenden Björn S. an der Schleifmaschine

Zum 01.08.2008 stellte die H.-GLas Veredelungs GmbH den seinerzeit noch 17jährigen Björn S. als Auszubildenden zum Flachglasmechaniker ein. Den Berufsausbildungsvertrag unterschrieb für die H.-GLas Veredelungs GmbH der Angeklagte Hermann R. als Geschäftsführer und setzte sich in diesem persönlich als Ausbilder des damals noch minderjährigen Björn S. ein, dessen Eltern Birgit und Jürgen S. die Vertragsunterschriften für ihren Sohn leisteten.

Entsprechend der betrieblichen Übung bei der H.-GLas Unternehmensgruppe wurde Björn S. seit 2009 auch bei der Y.-Glas GmbH & Co. KG eingesetzt, und zwar zuletzt an der manipulativ überbrückten Glaskantenschleifmaschine ohne die entsprechende Lichtschrankensicherheitseinrichtung. An dieser Maschine wurde er angelernt und eingearbeitet, indem er zunächst die Arbeitsabläufe eines an der Glaskantenschleifmaschine tätigen Y.-Glas-Mitarbeiter beobachtete, anschließend zusammen mit einem erfahrenen Y.-Glas- Mitarbeiter die Glaskantenschleifmaschine bediente und danach an der Glaskantenschleifmaschine selbständig ohne Aufsicht arbeitete. Wie es ihm in der Anlernphase beigebracht worden und von den beiden Angeklagten Heinrich R. und Hermann R. aus den vorgenannten Produktivitätsgründen für alle Bediener der Maschine vorgegeben war, griff auch Björn S. während des laufenden Maschinenbetriebes regelmäßig in den Maschinenarbeitsbereich, um die Wasserdüsen auszurichten, verlorene Werkzeugteile zu entfernen, lockere Werkzeugteile zu fixieren und Diamantwerkzeuge mit einem Stein zu schleifen. Diese Vorgänge sind auch noch am 21.07.2010, also am Vortage des Unfalls, beobachtet worden, als Björn S. bei der alleinigen Bedienung der Maschine für ein Maschinendemonstrationsvideo gefilmt worden war; die Y.-Glas GmbH & Co. KG plante nämlich, die Glaskantenschleifmaschine zu verkaufen und eine modernere Maschine für die Y.-Glas-Produktion zu erwerben.

3. Das Unfallgeschehen

In den Morgenstunden des 22.07.2010 bediente der mittlerweile 19jährige Björn S. in der Produktionshalle der Y.-Glas GmbH & Co. KG -wenige Tage vor Beendigung seines zweiten Ausbildungsjahres Ende Juli 2010- nach Arbeitsbeginn die computergesteuerte Glaskantenschleifmaschine Z.Bavelloni ALPA 103 2 T. Zu einer nicht mehr exakt bestimmbaren Uhrzeit zwischen 06:00 Uhr und 08:50 Uhr begab sich Björn S. bei laufender Maschine direkt an den im linken Maschinenarbeitsbereich befindlichen Maschinenarbeitstisch mit dem dortigen Maschinenwerkzeuglager, während sich der bewegliche Maschinenoberwagen mit dem daran befestigten Maschinenkopf im Glaskantenschleifbereich im Betrieb befand. Hier beugte sich Björn S. am äußersten linken Maschinenarbeitsbereich über die Maschinenarbeitsfläche, den Körper vom Maschinenkopf abgewandt, um mit der rechten Hand in das Werkzeuglager zu greifen und ein lockeres Werkzeugteil im Werkzeuglager auszurichten. In diesem Moment fuhr der Maschinenkopf aufgrund eines nicht vorhersehbaren computergenerierten Programmbefehls mit einer Geschwindigkeit von 0,83 Metern pro Sekunde zur linken Seite des Arbeitsbereichs, um dort einen Werkzeugwechsel durchzuführen. Nach wenigen Sekunden erfasste der Maschinenkopf den völlig überraschten Auszubildenden Björn S. an seinem Kopf und seinem Oberkörper, drückte ihn gegen die linksseitige Metallwand und quetschte ihn mit Kopf und Oberkörper ab Brusthöhe zwischen dem Maschinenoberwagen und dem feststehenden Maschinenrahmenaufbau ein. Durch die massive Krafteinwirkung auf seinen Körper erlitt Björn S. eine Schädelbasisfraktur, ein Gehirnödem und eine Brustquetschung. An seinen Schädel-Hirn-Verletzungen starb Björn S. am 23.07.2010 um 10:15 Uhr auf der Intensivstation des Meppener Krankenhauses Ludmillenstift.

Wäre die vom Maschinenhersteller vorgesehene Lichtschrankensicherheitseinrichtung ordnungsgemäß angebracht und in Funktion gewesen, wäre der Maschinenarbeitsbereich von der Lichtschranke abgeschirmt worden. Hätte sich Björn S. genauso wie am 22.07.2010 bei laufender Maschine direkt an den Maschinenarbeitstisch im linken Maschinenarbeitsbereich bewegt und wäre die Lichtschrankensicherheitseinrichtung ordnungsgemäß angebracht sowie in Funktion gewesen, hätte Björn S. mit seinem Körper den Lichtstrahl der Lichtschranke unterbrochen, so dass es zu einem abrupten Stopp des Maschinenoberwagens gekommen wäre. Björn S. wäre dann nicht eingequetscht worden und hätte nicht seine tödlichen Verletzungen erlitten.

4. Vertuschungsversuche

Noch am Unfalltag des 22.07.2013 trafen am Unfallort der Angeklagte Jürgen B. als zuständiger technischer Aufsichtsbeamter des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts Emden und der für die ersten Ermittlungen zuständige Polizeibeamte POK K. vom Polizeikommissariat Papenburg ein. Der maschinentechnisch versierte Angeklagte B. erkannte im Gegensatz zum Polizeibeamten K. sofort, dass die Glaskantenschleifmaschine manipulativ überbrückt ohne die erforderliche Lichtschrankensicherheitseinrichtung betrieben worden war, zumal ein Teil der Lichtschrankenvorrichtung auf dem Boden unmittelbar unterhalb des Maschinentisches lag.

Der Polizeibeamte K. sprach in Anwesenheit sowohl des Angeklagten B. als auch des Angeklagten Heinrich R. ausdrücklich die polizeiliche Beschlagnahme der unfallbetroffenen Glaskantenschleifmaschine aus und erklärte dazu, dass an der Maschine und ihrem Standort nichts verändert werden dürfe. Um die durch ihn und seinen Bruder Hermann R. gemeinsam absichtlich vereinbarte manipulative Überbrückung der unfallbetroffenen Maschine zu vertuschen, entschied sich der Angeklagte Heinrich R. jedoch, die polizeiliche Beschlagnahmeanordnung zu ignorieren und den Versuch zu unternehmen, die unfallbetroffene Glaskantenschleifmaschine schnellstmöglich verschwinden zu lassen.

Als der Angeklagte B. dem Angeklagten Heinrich R. in einem Zwei-Augen-Gespräch am Unfalltag seine Absicht mitteilte, einen gewerbeaufsichtsamtlichen Bericht über die von ihm erkannte Manipulation der Unfallmaschine zu erstellen, ersuchte der Angeklagte Heinrich R. den Angeklagten B. nachdrücklich, zur Vermeidung gewerbeaufsichtsamtlicher, berufsgenossenschaftlicher und strafrechtlicher Konsequenzen vom Verfassen eines solchen Berichtes abzusehen. Dabei unterlegte der Angeklagte Heinrich R. gegenüber dem Angeklagten B. sein Anliegen mit der wahrheitswidrigen Behauptung, dass die in die Jahre gekommene Maschine künftig niemandem mehr Schaden zufügen werde, da beabsichtigt sei, diese zu verschrotten. Dass die Y.-Glas GmbH & Co. KG dagegen plante, die Maschine -wie später auch geschehen- ins Ausland zu verkaufen, erwähnte er gegenüber dem Angeklagten B. dagegen nicht. Daraufhin entschied sich der Angeklagte B., der für die Gewerbeaufsicht über die H.-GLas-Unternehmensgruppe bereits seit vielen Jahren zuständig war und insbesondere die beiden Angeklagten Hermann R. und Heinrich R. gut persönlich kannte, die H.-Glas-Unternehmensgruppe und insbesondere auch die Angeklagten Heinrich und Hermann R. als Mitgeschäftsführer der Y.-Glss GmbH & Co. KG beziehungsweise Inhaber der H.-GLas-Unternehmensgruppe vor gewerbeaufsichtsamtlichen, berufsgenossenschaftlichen und strafrechtlichen Folgen zu bewahren:

Als der Angeklagte Heinrich R. trotz der diesem bekannten polizeilichen Beschlagnahme der Maschine noch am Unfalltag des 22.07.2010 gegen 17:00 Uhr persönlich bei der VBG Berufsgenossenschaft in Bielefeld anrief, um die berufsgenossenschaftliche Freigabe der Unfallmaschine zur Vermeidung einer von dort zu veranlassenden Begutachtung der Maschine zu erreichen, übergab er dem Angeklagten B. das Telefongespräch. Der Angeklagte B. teilte, wie es mit dem Angeklagten Heinrich R. verabredet war, dem Mitarbeiter der VBG Berufsgenossenschaft Ga. fernmündlich mit, dass seitens der Gewerbeaufsicht keine Bedenken gegen eine berufsgenossenschaftliche Freigabe der Maschine beständen und eine Begutachtung der Maschine durch die Berufsgenossenschaft nicht notwendig sei. Dazu gab er bewusst wahrheitswidrig an, der Sicherheitszustand der Maschine sei in Ordnung.

Als der Angeklagte B. einige Tage später erfuhr, dass die Unfallmaschine bereits am Samstag, den 24.07.2010 -nur zwei Tage nach dem Unfall- von dem staatsanwaltschaftlich beauftragten Sachverständigen Dr. G. besichtigt worden war und offensichtlich nicht mehr rechtzeitig von dem Angeklagten Heinrich R. hatte entfernt werden können, war ihm endgültig klar, dass er nunmehr nicht mehr die sicherheitstechnische Intaktheit der Unfallmaschine glaubhaft würde bescheinigen können. Um die H.-Glas Unternehmensgruppe und insbesondere den Angeklagten Heinrich R. als Mitgeschäftsführer der Y.-Glas GmbH & Co. KG sowie den Angeklagten Hermann R. als Inhaber der H.-GLas-Unternehmensgruppe dennoch möglichst wirksam vor gewerbeaufsichtsamtlichen, berufsgenossenschaftlichen und strafrechtlichen Konsequenzen zu bewahren, kreuzte er am 26.07.2010 im gewerbeaufsichtsamtlichen Untersuchungsbogen für tödliche Arbeitsunfälle bewusst wahrheitswidrig als Unfallursache "Versagen einer sicherheitstechnischen Einrichtung" anstatt "Umgehung einer sicherheitstechnischen Einrichtung" an. Damit wollte er zu Gunsten der Angeklagten Heinrich und Hermann R. sowie der H.-GLas Unternehmensgruppe bewusst wahrheitswidrig den Eindruck erwecken, dass ein bedauerlicher technischer Defekt einer vorhandenen sicherheitstechnischen Einrichtung und nicht eine bewusste Manipulation unter absichtlicher Ausschaltung der Sicherheitseinrichtung zum Unfallgeschehen vom 22.07.2010 geführt hatte.

Letztendlich sind sowohl der Angeklagte Heinrich R. als auch der Angeklagte Hermann R. aber dennoch von der Kammer wegen fahrlässiger Tötung des Björn S. durch die von ihnen gemeinsam absichtlich veranlasste Umgehung der Lichtschrankensicherheitseinrichtung der Glaskantenschleifmaschine verurteilt worden.

III. Beweiswürdigung

1) Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den jeweiligen eigenen glaubhaften Angaben der Angeklagten.

Nicht nur die beiden angeklagten Gebrüder R. sondern auch der Angeklagte Ro. hat sein Einkommen als geregelt bezeichnet. Die Kammer hat das Einkommen des Angeklagten Ro. auf den in den Feststellungen erwähnten Betrag von 6.000,- EUR netto im Monat geschätzt, da sie davon ausgegangen ist, dass dies jedenfalls im Hinblick auf die hervorgehobene Position des Angeklagten Ro. als für die Bereiche Akquise und Vertrieb zuständiger Mitgeschäftsführer der Y.-Glas GmbH & Co. KG das denkbar niedrigste monatliche Nettoeinkommen ist.

Die Feststellungen zur bisherigen Unbestraftheit aller Angeklagten beruhen auf den in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauszügen.

2) Einlassungen der Angeklagten

Die Angeklagten haben sich wie folgt zur Sache eingelassen:

a) Einlassung des Angeklagten Heinrich R.:

Der Angeklagte Heinrich R. hat vehement bestritten, vor dem Unfall von der fehlenden Lichtschrankensicherheitseinrichtung an der Glaskantenschleifmaschine gewusst zu haben, geschweige denn den Betrieb der Glaskantenschleifmaschine mittels manipulativer Überbrückung ohne Lichtschrankensicherheitseinrichtung entschieden zu haben.

Er sei am 01.04.1980 von seinem Bruder und Unternehmensgruppengründer, dem Angeklagten Hermann R., eingestellt worden. In den 80er-Jahren sei er für die kaufmännische Leitung der Unternehmensgruppe, den Vertriebsaufbau, die EDV und die Personalbuchhaltung zuständig gewesen. In den 90er-Jahren sei das Unternehmen stark ausgebaut worden. Auf Grund der zunehmenden Automatisierung habe der allgemein verletzungsrisikobehaftete manuelle Umgang der Mitarbeiter mit Glastafeln immer stärker abgenommen. Die zunehmende Automatisierung habe die Verletzungsrisiken der Mitarbeiter stark minimiert. Nach und nach seien immer mehr Unternehmen und Standorte dazugekommen, wodurch sich die H.-GLas Unternehmensgruppe zunehmend vergrößert habe. Das Herz der gesamten Unternehmensgruppe sei die H.-GLas Veredelungs GmbH, aus der sich die gesamte Unternehmensgruppe entwickelt habe. Mittlerweile habe sich sein Bruder Hermann R. aus Alters- und Gesundheitsgründen etwas aus dem operativen Geschäft der Unternehmensgruppe zurückgezogen. Er selbst sei heute Ansprechpartner bezüglich des operativen Geschäfts und insbesondere auch für den Bereich Arbeits- und Maschinensicherheit zuständig. Im Jahr 2000 sei die Y.-Glas GmbH & Co. KG gegründet worden, die sich zunächst auf den Vertrieb von Gläsern für die Yacht- und Schiffsindustrie und die dazugehörigen Arbeiten wie Vermessung, technisches Engineering, Zertifizierung und Montagen beschränkt habe. Ab dem Jahr 2006 habe die Y.-Glas GmbH & Co. KG dann auch mit der Eigenproduktion der hochwertigen Gläser begonnen, wobei die reinen Glaszuschnitte über die H.-GLas Veredelungs GmbH bezogen worden seien. Zur Eigenproduktion habe man sich entschlossen, weil in dem Marktsegment "Yacht- und Schiffsgläser" die Kundenansprüche an die Qualität deutlich höher gewesen seien als bei herkömmlichen Glasprodukten. Ab dem Zeitpunkt der Y.-Glas-Eigenproduktion im Jahr 2006 habe er sich die Geschäftsführertätigkeit bei der Y.-Glas GmbH & Co. KG mit dem Angeklagten Ro. geteilt, wobei der Angeklagte Ro. insbesondere für den Vertrieb und er selbst für das Personal, die Produktion und den Maschinenpark zuständig gewesen seien.

Bereits in den 90er-Jahren sei der Herr Adolf S. als externe Sicherheitsfachkraft zur H.-Glas Unternehmensgruppe gestoßen. Er selbst sei heilfroh über die beratende Unterstützung durch Adolf S. gewesen und habe sich gut beraten gefühlt. Anfangs sei Adolf S. bei seinen Betriebsbegehungen von dem Mitarbeiter R. begleitet worden, später sei dann der interne Sicherheitsbeauftragte, Herr G., dafür zuständig gewesen, dem auf Grund der Anregung von Adolf S. auch Unternehmerpflichten übertragen worden seien. Er selbst habe Herrn Gerdes als idealen Mann für die Position des Sicherheitsbeauftragten angesehen. Schließlich habe Herr G. technischen Verstand gehabt, habe selbst früher an den Produktionsmaschinen gearbeitet, sei technischer Zeichner und im Übrigen bei der Freiwilligen Feuerwehr tätig. In zahlreichen Arbeitsausschusssitzungen habe er -Heinrich R.- gefragt, ob es bezüglich der Arbeitssicherheit kritische Bereiche gebe, von denen er wissen müsse. Man habe ihm jedoch immer versichert, dass alles auf einem guten Wege sei. Insbesondere auch für den Sicherheitsbeauftragten G. hätten die Türen zu ihm immer offen gestanden. Irgendwann habe Herr G. ihn darüber informiert, dass Adolf S. seine Position als externe Sicherheitsfachkraft gekündigt habe. Als Nachfolger für die Position der externen Sicherheitsfachkraft habe dann Herr H. gewonnen werden können, der ihm mitgeteilt habe, dass Adolf S. einen grundsätzlich guten Grundstock für die Gewährleistung der Arbeitssicherheit in der H.-GLas Unternehmensgruppe hinterlassen habe.

Im Zusammenhang mit der Verlegung der Glaskantenschleifmaschine aus den Räumlichkeiten der H.-GLas Veredelungs GmbH in die Y.-Glas-Fabrikationshalle sei für die H.-GLas Veredelungs GmbH auf Anordnung seines Bruders Hermann R. als Geschäftsführer der H.-GLas Veredelungs GmbH für den dortigen Betrieb eine neue Maschine angeschafft worden. Er selbst habe von der fehlenden Lichtschrankensicherheitseinrichtung an der Glaskantenschleifmaschine in der Y.-Glas-Fabrikationshalle erst im Anschluss an den tragischen Unfalltod des Björn S. erfahren. Er könne sich das Fehlen der Lichtschrankensicherheitseinrichtung nicht erklären. Er habe davon nichts gewusst, geschweige denn den Betrieb der Maschine ohne Sicherheitseinrichtung in Auftrag gegeben oder etwas vertuscht. Er selbst habe zwischen der Eigenproduktionsaufnahme bei Y.-Glas und dem tragischen Unfall keine eigenen Erkundigungen dahingehend eingeholt, was es mit den Produktionsmaschinen in der Y.-Glas-Fabrikationshalle auf sich gehabt habe. Die Maschinen hätten schließlich alle die CE-Kennzeichnung. Daher sei er davon ausgegangen, dass bei den Maschinen in arbeitsschutztechnischer Hinsicht alles ordnungsgemäß geregelt gewesen sei. Die Unfallmaschine sei schließlich früher mehrere Jahre ohne jegliche Probleme bei der H.-GLas Veredelungs GmbH betrieben worden und sei erst ca. Ende 2005 zur Vorbereitung der Eigenproduktion bei der Y.-Glas GmbH & Co. KG in die dortige Y.-Glas-Fabrikationshalle umgestellt worden. Vor dem Unfall sei er von der fehlenden Lichtschrankensicherheitseinrichtung an der Glaskantenschleifmaschine weder von Adolf S. als externer Sicherheitsfachkraft noch von Herrn G. als internem Sicherheitsbeauftragten informiert worden. Das schriftliche Begehungsprotokoll von Adolf S. aus dem Jahr 2006, in dem die fehlende Lichtschrankensicherheitseinrichtung an der Unfallmaschine bereits moniert werde, habe er vor dem Unfall nie gesehen. Postsendungen der externen Sicherheitsfachkraft an die Unternehmensgruppe seien schließlich immer direkt an den internen Sicherheitsbeauftragten, Herrn G., weitergeleitet worden. Das Thema Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz sei bei Herrn G. kanalisiert gewesen. Er habe diesem langjährigen Mitarbeiter vollumfänglich vertraut und sei fassungslos über die fehlende Lichtschrankensicherheitseinrichtung an der Glaskantenschleifmaschine. Er selbst wisse natürlich ganz genau, wie die Glaskantenschleifmaschine funktioniere und dass für die Maschine vom Hersteller eine Lichtschrankensicherheitseinrichtung vorgesehen sei. Daher mache ihn das Fehlen jener Sicherheitseinrichtung betroffen und fassungslos. Er selbst sei nie in den Produktionshallen gewesen, um die Maschinen auf Sicherheitsvorkehrungen zu prüfen. Er sei lediglich mit Kunden bei Betriebsbesichtigungen durch die Produktionshallen gelaufen.

Im Anschluss an den tragischen Unfall des Björn S. vom 22.07.2010 habe er noch am Unfalltag gegen 11.00 Uhr ein Gespräch mit dem Polizeibeamten K. geführt. Der Polizeibeamte habe ihn darüber informiert, dass die Unfallmaschine polizeilich beschlagnahmt sei. Am Nachmittag des Unfalltages habe er selbst mit der Berufsgenossenschaft telefoniert. Bereits zuvor habe er gehört, dass seitens der Ermittlungsbehörden geplant gewesen sei, wohl einen Maschinengutachter zur Überprüfung der Unfallmaschine einzuschalten. Er habe gegenüber der Berufsgenossenschaft telefonisch die Frage gestellt, ob es möglich sei, die Unfallmaschine aus der Y.-Glas-Fabrikationshalle zu entfernen. Dabei habe nichts demontiert oder verändert werden sollen. Er habe lediglich veranlassen wollen, die Unfallmaschine von der Y.-Glas-Fabrikationshalle in eine andere Halle zu bringen. Auf Grund des Unfallgeschehens sei es den Y.-Glas-Mitarbeitern nämlich nicht zumutbar gewesen, mit Blick auf die Unfallmaschine weiterzuarbeiten.

Die Zusammenarbeit mit dem Angeklagten B. als technischem Aufsichtsbeamten des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts Emden sei über die vielen Jahre sehr gut gewesen. Herr B. habe immer direkten Zugriff und Zugang auf die Betriebsteile der H.-GLas Unternehmensgruppe gehabt. Als er -Heinrich R.- am Nachmittag des Unfalltages mit Herrn Ga. von der Berufsgenossenschaft telefonisch gesprochen habe, habe er nach seiner Erinnerung das Gespräch auf Lautsprecher gestellt. Er habe dann den Hörer an Herrn B. weitergereicht. Herr B. habe gegenüber Herrn G. dann einige technische Details mitgeteilt. Um was für Details es sich dabei gehandelt habe, könne er nicht mehr sagen. Den weiteren Inhalt des Gesprächs habe er nicht weiter verfolgt. Von der geplanten Sachverständigenbegutachtung der Unfallmaschine sei er zu diesem Zeitpunkt durch den Polizeibeamten K. bereits informiert gewesen. Er selbst habe von der fehlenden Lichtschrankensicherheitseinrichtung erst am 24.07.2010 - dem Samstag zwei Tage nach dem Unfall - erfahren. Am Samstag, den 24.07.2010, oder Sonntag, den 25.07.2010, sei dann die Unfallmaschine vom Unfallort in der Y.-Glas-Fabrikationshalle in einen anderen Bereich der Unternehmensgruppe transportiert worden.

b) Einlassung des Angeklagten Hermann R.:

Der Angeklagte Hermann R. hat ebenfalls vehement bestritten, vor dem Unfall von der fehlenden Lichtschrankensicherheitseinrichtung gewusst oder die Umgehung der Lichtschrankensicherheitseinrichtung gar veranlasst zu haben. Er bedauere den tödlichen Arbeitsunfall des Björn S. zutiefst. Er habe sich nie vorstellen können, dass bei einer solchen Maschine ein so schrecklicher Unfall passieren könne. Er selbst habe als Geschäftsführer der H.-GLas Veredelungs GmbH den Ausbildungsvertrag des Björn S. zum Flachglasmechaniker unterschrieben und sei in dem Vertrag auch als Ausbilder ausgewiesen.

Anfang der 70er-Jahre habe er die H.-GLas Produktion gegründet. Während sich sein Unternehmen in den 70er und 80er-Jahren auf die Isolierglasfertigung konzentriert habe, habe man seit Beginn der 90er-Jahre sowohl im Hinblick auf die Produktquantität als auch in Bezug auf die Glasartenangebotsvielfalt stark expandiert. Es habe eine Entwicklung vom kleinen Handwerksbetrieb zu einer großen mittelständischen Unternehmensgruppe stattgefunden. Die Arbeitssicherheit und der Arbeitsschutz in der Glasproduktion hätten für ihn immer an erster Stelle gestanden. Der Vorwurf des bewussten Abbauens von Maschinensicherheitseinrichtungen aus Produktivitätsgründen sei für ihn eine verachtenswerte Unterstellung. Er habe von der fehlenden Lichtschrankensicherheitseinrichtung an der Unfallmaschine nichts gewusst. Wenn ihm dieser Mangel bekannt gewesen wäre, hätte er als Unternehmensgruppengründer und Unternehmensgruppeninhaber den unverzüglichen Anbau der Lichtschrankensicherheitseinrichtung angeordnet. Er habe die fehlende Lichtschrankensicherheitseinrichtung beim besten Willen nicht gesehen und sei auch von niemandem darauf aufmerksam gemacht worden. Heute habe er sich aus dem operativen Bereich aus gesundheitlichen Gründen etwas zurückgezogen und seinem Bruder Heinrich R. mehr Verantwortung übertragen. Er sei regelmäßig in allen Produktionshallen der Unternehmensgruppe inklusive der Y.-Glas-Fabrikationshalle gewesen, habe mit den Mitarbeitern gesprochen und auch die Maschinen betrachtet. Für die Maschinenbetriebssicherheit sei bei der Y.-Glas GmbH & Co. KG sei sein Bruder, der Angeklagte Heinrich R., zuständig gewesen.

c) Einlassung des Angeklagten Ro.:

Der Angeklagte Ro. hat ebenfalls nachdrücklich bestritten, von der fehlenden Lichtschrankensicherheitseinrichtung an der Unfallmaschine gewusst zu haben.

Der Angeklagte Hermann R. habe ihm als Finanzier im Jahre 2000 die Möglichkeit gegeben, die Firma Y.-Glas mitaufzubauen. Er selbst sei damals Künstler ohne Geld und Hermann R. sein Geldgeber gewesen. Am 09.10.2000 sei die Y.-Glas GmbH & Co. KG gegründet worden, wobei er selbst zum Geschäftsführer bestellt worden sei. Mit einem Kommanditanteil von 1.000,- EUR an der Kommanditgesellschaft sowie einem Anteil von 500,- EUR an der Y.-Glas-Beteiligungs GmbH als Komplementärin der Kommanditgesellschaft betrage sein eigener Gesellschaftsanteil 2 %. Im Endeffekt werde die Y.-Glas GmbH & Co. KG genauso wie die H.-GLas Unternehmensgruppe, wozu die Firma Y.-Glas gehöre, von den Gebrüdern Hermann und Heinrich R. beherrscht. Während sich die Tätigkeit der Y.-Glas GmbH & Co. KG in den ersten Jahren allein auf den Vertrieb von Gläsern für die Yacht- und Schiffsgläserindustrie beschränkt habe, sei die Y.-Glas GmbH & Co. KG ab 2006 in die Produktion hochwertiger Gläser eingestiegen, wobei die reinen Glaszuschnitte über die H.-GLas Veredelungs GmbH bezogen worden seien. Die Einführung der Eigenproduktion im Jahr 2006 resultiere daraus, dass in dem Marktsegment "Yacht- und Schiffsgläser" die Kundenansprüche an die Qualität weit höher seien als bei den üblichen Glasprodukten. Mit Beginn der Eigenproduktion bei Y.-Glas habe er sich die Geschäftsführertätigkeit mit dem Angeklagten Heinrich R. aufgeteilt, wobei er selbst für Akquise und Vertrieb und der Angeklagte Heinrich R. für die Produktion inklusive des Maschinenparks zuständig gewesen seien. Ihn selbst interessiere am Produktionsvorgang nur das hochwertige Produktergebnis. Er habe sich sicherlich auch gelegentlich in die Y.-Glas-Fabrikationshalle begeben, um zum Beispiel Besuchergruppen durch die Hallen zu führen. Um die einzelnen Maschinen habe er sich nie gekümmert, weil dies in die Geschäftsführerzuständigkeit des Angeklagten Heinrich R. gefallen sei. Die unmittelbaren Wartungen und Reparaturen der Maschinen bei Y.-Glas im Zuständigkeitsbereich des Angeklagten Heinrich R. habe seines Wissens das vom Angeklagten A. geführte Instandhaltungsteam der H.-GLas Unternehmensgruppe ausgeführt. Dementsprechend habe er von der fehlenden Lichtschrankensicherheitseinrichtung an der Unfallmaschine nichts gewusst.

d) Einlassung des Angeklagten H.

Der Angeklagte H. hat ebenfalls bestritten, das Fehlen der eigentlich vorgesehenen Lichtschrankensicherheitseinrichtung an der Unfallmaschine gekannt zu haben.

Er habe im November 2006 bei der Y.-Glas GmbH & Co. KG angefangen. Zu diesem Zeitpunkt habe die Unfallmaschine bereits in der Y.-Glas-Fabrikationshalle so gestanden, wie sie auch am Unfalltag des 22.07.2010 vorgefunden worden sei. Er habe die Unfallmaschine nur so gekannt und nicht gewusst, dass normalerweise eine Lichtschrankensicherheitseinrichtung hätte vorhanden sein müssen. Er sei davon ausgegangen, dass die Glaskantenschleifmaschine vorschriftsmäßig betrieben werde. Schließlich sei die Maschine regelmäßig gewartet worden. Außerdem habe sich bei der Maschine ein Ordner befunden, der eine Gefährdungsbeurteilung für die Glaskantenschleifmaschine enthalten habe.

Nach seiner Einstellung 2006 sei er nach 18 Monaten in den Rang eines Produktionsleiters gehoben worden. Er sei gegenüber den unter dem Produktionsleiter angesiedelten zwei Schichtleitern und den übrigen Mitarbeitern weisungsbefugt gewesen und habe als Koordinator fungiert. So habe er u.a. Mitarbeitereinteilungen vorgenommen. Insbesondere habe er auch die Ausbildungspläne erstellt, aus denen sich die Zuteilung der Auszubildenden zum Flachglasmechaniker -also auch des Björn S.- an den einzelnen Maschinen ergeben hätten. Dort habe er festgelegt, an welchen Maschinen die Auszubildenden zu beschäftigen waren. Die Glaskantenschleifmaschine, an der Björn S. am 22.07.2010 verunglückt sei, habe ebenfalls dazugehört.

Das Anlernen der Auszubildenden an der später unfallbetroffenen Glaskantenschleifmaschine sei in dem Sinne erfolgt, dass die Auszubildenden erfahrenen Mitarbeitern zugeteilt worden seien, durch diese fachkundigen Mitarbeiter an der Maschine angelernt worden seien, indem sie zunächst beobachtet, anschließend gemeinsam mit den erfahrenen Mitarbeitern an der Maschine gearbeitet und später selbständig die Maschine bedient hätten. Dies sei auch bei Björn S. der Fall gewesen, der vor dem Unfall bereits ca. ein Jahr an der tatrelevanten Glaskantenschleifmaschine gearbeitet habe. Björn S. sei an der Glaskantenschleifmaschine u.a. von dem ehemaligen Mitarbeiter Kayser (jetzt Nietzsche) und dem noch bei der H.-Glas Unternehmensgruppe beschäftigten Mitarbeiter Rosema ausgebildet worden. Die Werkzeughalterungen an der unfallbetroffenen Glaskantenschleifmaschine seien teilweise "ausgelutscht" gewesen, so dass der Maschinenkopf des Öfteren Werkzeuge während des Betriebes verloren habe. Zwar habe er im Nachhinein bemerkt, dass die demontierte Lichtschrankeneinrichtung in der Nähe der Maschine im Bodenbereich gelegen habe, dies sei ihm aber vor dem Unfall niemals aufgefallen.

e) Einlassung des Angeklagten A.:

Der Angeklagte A. hat bestritten, von der fehlenden Lichtschrankensicherheitseinrichtung gewusst geschweige denn selbst die Umgehung der Lichtschrankensicherheitseinrichtung mittels Überbrückung vorgenommen zu haben.

Er sei seit mehreren Jahren angestellter Leiter des Instandsetzungsteams der H.-GLas Unternehmensgruppe. Er und sein Team nähmen die Maschinenwartung und -reparatur sämtlicher Maschinen der Unternehmensgruppe eigenhändig vor. Externe Handwerker würden lediglich dann beauftragt, wenn keiner der Mitarbeiter seines Teams und auch er selbst nicht dazu in der Lage seien. Er und sein Team hätten die unfallbetroffene Glaskantenschleifmaschine im Jahr 2006 von ihrem alten Standort bei der H.-GLas Veredelungs GmbH in die Fabrikationshalle der Y.-Glas GmbH & Co. KG verbracht. Nach seiner Erinnerung sei die Maschine in der Y.-Glas-Fabrikationshalle jedoch von Mitarbeitern einer externen holländischen Firma aufgebaut worden, die direkt von der Herstellerfirma Bavelloni beauftragt worden sei. Unterlagen über die Abnahme des Aufbaus der umgesetzten Maschine, aus der sich die Verantwortlichkeit der vom Hersteller Bavelloni beauftragten holländischen Firma ergebe, seien bei der H.-Glas Unternehmensgruppe leider nicht vorhanden. Daher könne er nicht mehr rekonstruieren, wie die für den Aufbau in der Y.-Glas-Fabrikationshalle verantwortliche holländische Firma heiße. Jedenfalls müsse es beim Aufbau durch die holländische Firma zur manipulativen Überbrückung der Maschine und Umgehung der Lichtschrankensicherheitseinrichtung gekommen sein. Er und sein Team hätten die Glaskantenschleifmaschine am Y.-Glas-Standort auch mehrfach gewartet und repariert. Im Zuge der Wartungsarbeiten und Reparaturarbeiten sei ihnen zwar öfter aufgefallen, dass die Werkzeughalterungen des Maschinenkopfes an der Glaskantenschleifmaschine ausgeleiert gewesen seien und es zu Werkzeugverlusten gekommen sei. Dass die Lichtschrankensicherheitseinrichtung außer Betrieb gesetzt gewesen sei, sei ihm dabei jedoch nicht aufgefallen. Er selbst habe erst am 23.07.2010 -einem Tag nach dem Unfall- bemerkt, dass die Lichtschrankensicherheitseinrichtung offensichtlich gefehlt habe. Den schriftlichen Betriebsbegehungsbericht der ehemaligen externen Fachkraft für Arbeitssicherheit Adolf S. aus dem Jahr 2006, in dem die fehlende Lichtschrankensicherheitseinrichtung an der Glaskantenschleifmaschine aufgeführt sei, habe er nämlich bedauerlicherweise erst am Tag nach dem schrecklichen Unfall des Björn S. in einem Ordner vorgefunden.

Das Wiedereinsetzen der Lichtschrankensicherheitsfunktion wäre allerdings -wenn er denn von dem Mangel gewusst hätte- für ihn völlig unkompliziert gewesen. Schließlich habe er eigenhändig die defekte Lichtschrankensicherheitseinrichtung einer anderen Schleifmaschine in der konventionellen Glasproduktion bei der H.-Glas Veredelungs GmbH auf Anmahnung der Berufsgenossenschaft im Jahr 2007 umgehend reparieren können.

f) Einlassung des Angeklagten B.

Der Angeklagte B. hat sich wie folgt eingelassen:

Als er am Unfalltag des 22.07.2010 in der Y.-Glas-Fabrikationshalle am Unfallort eingetroffen sei, habe er beim Betrachten der Unfallmaschine schnell bemerkt, dass diese manipulativ überbrückt ohne die erforderliche Lichtschrankensicherheitseinrichtung betrieben worden sei. Dies sei schon deswegen offensichtlich gewesen, weil ein Teil der Lichtschrankensicherheitseinrichtung funktionslos am Boden im Bereich der Unfallmaschine gelegen habe. In einem Zweiaugengespräch habe er dem Angeklagten Heinrich R. mitgeteilt, dass er über seine Beobachtungen einen gewerbeaufsichtsamtlichen Bericht werde schreiben müssen. Daraufhin habe der Angeklagte Heinrich R., den er wie auch den Angeklagten Hermann R. auf Grund seiner langjährigen gewerbeaufsichtsamtlichen Zuständigkeit für die H.-Glas Unternehmensgruppe gut kenne, ihn eindringlich gebeten, von einem solchen Bericht abzusehen. Schließlich handele es sich bei der Unfallmaschine um eine alte Maschine, die nach dem tragischen Unfall nunmehr verschrottet werde und daher künftig niemandem mehr Schaden zufügen könne.

Im Laufe des Nachmittags des Unfalltages habe der Angeklagte Heinrich R. dann bei der Berufsgenossenschaft angerufen. Irgendwann habe der Angeklagte Heinrich R. ihm dann plötzlich den Telefonhörer überreicht. Den vorherigen Inhalt des Telefongesprächs zwischen dem Berufsgenossenschaftsmitarbeiter und dem Angeklagten Heinrich R. habe er nicht mitbekommen. Er habe dem Berufsgenossenschaftsmitarbeiter am anderen Ende der Telefonleitung dann mitgeteilt, dass ein Mitarbeiter der H.-Glas Unternehmensgruppe sich bei der Bedienung einer Maschine schwer verletzt habe; zu diesem Zeitpunkt sei er noch nicht von tödlichen Verletzungen ausgegangen. Gegenüber dem Berufsgenossenschaftsmitarbeiter habe er weiter lediglich gesagt, dass er sich als Gewerbeaufsichtsamtsmitarbeiter vor Ort befinde und dabei sei, technische Unterlagen wie Betriebsanweisungen und Maschinenzeichnungen einzusehen. Er erinnere sich nicht mehr daran, gesagt zu haben, dass mit der Maschine alles in Ordnung sei und sich eine weitere berufsgenossenschaftliche Untersuchung erübrige.

Richtig sei allerdings, dass er dem Polizeibeamten K. am 23.07.2010 - dem Tag nach dem Unfall- in einem Telefongespräch wahrheitswidrig mitgeteilt habe, die Lichtschrankensicherheitseinrichtung an der Maschine sei vorhanden, von ihm aber noch nicht auf ihre Funktion überprüft worden. Diese Auskunft gegenüber dem Polizeibeamten sei natürlich falsch gewesen, da er ja bereits unmittelbar nach seinem Eintreffen am Vortag die am Boden liegende Lichtschrankensicherheitseinrichtung der Maschine entdeckt habe. Er könne sich sein diesbezügliches Verhalten nur damit erklären, dass er durcheinander gewesen sei und unter starkem Stress gestanden habe.

Soweit ihm vorgeworfen werde, dass er in seinem Unfallbericht vom 26.07.2010 anstatt "Umgehung einer sicherheitstechnischen Einrichtung" als Unfallursache "Versagen einer technischen Sicherheitseinrichtung" angekreuzt habe, stimme dies. Er könne jedoch nicht nachvollziehen, was in vorliegender Sache daran falsch sei. Zu jenem Zeitpunkt sei er von dem tragischen tödlichen Ausgang des Arbeitsunfalls informiert gewesen. Er habe es daraufhin auf Grund der dramatischen Unfallfolgen nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren können, noch einmal zu Gunsten der Angeklagten Heinrich und Hermann R. und der H.-Glas Unternehmensgruppe -wie anlässlich des Telefongesprächs mit dem Polizeibeamten K.- die Unwahrheit zu sagen. Aus diesem Grunde habe er die nicht funktionierende Sicherheitseinrichtung in seinem Unfallbericht dann auch problematisiert. Aus seiner Sicht handele es sich um eine reine Auslegungssache, ob man in einem Unfallbericht bei einer ohne die erforderliche Lichtschrankensicherheitseinrichtung manipulativ überbrückten Maschine von einer "Funktionslosigkeit der Sicherheitseinrichtung" oder einer "Umgehung einer Sicherheitseinrichtung" zu sprechen habe. Er halte seine eigene Entscheidung, in seinem Unfallbericht vom "Versagen einer technischen Sicherheitseinrichtung" anstatt einer "Umgehung einer technischen Sicherheitseinrichtung" zu sprechen, jedenfalls für vertretbar.

Soweit er in seiner polizeilichen zeugenschaftlichen Vernehmung vom 22.09.2010 gegenüber dem Polizeibeamten K. wahrheitswidrig bekundet habe, dass er keine Auffälligkeiten an der unfallbetroffenen Glaskantenschleifmaschine festgestellt und er auch nicht auf eine eventuelle Lichtschrankensicherheitseinrichtung geachtet habe, habe er dies ausschließlich aus Angst vor negativen rechtlichen Konsequenzen für seine eigene Person getan, weil er ja bereits am 23.07.2010 im Telefonat mit dem Polizeibeamten K. bereits bewusst die Unwahrheit gesagt gehabt habe.

3) Die Einlassungen der Angeklagten werden, soweit sie den Feststellungen widersprechen, durch die Beweisaufnahme widerlegt. Soweit sich die Angeklagten sich nicht erinnern, werden die Angeklagten ebenfalls durch die Beweisaufnahme überführt. Die Überzeugung der Kammer vom festgestellten Tatsachverhalt beruht auf folgenden Umständen:

a) Reguläre Ausstattung und Betrieb der Unfallmaschine mit vorgesehener Lichtschrankensicherheitseinrichtung

aa) Die Feststellungen zu der vom Hersteller vorgesehenen regulären Ausstattung der unfallbetroffenen Glaskantenschleifmaschine Z.Bavelloni ALPA 103 2 T inklusive der Lichtschrankensicherheitseinrichtung und zum Maschinenarbeitsablauf beruhen insbesondere auf den fachkundigen und für die Kammer nachvollziehbaren gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. Jürgen G. -von der Industrie- und Handelskammer O.-E. öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Maschinen und Verfahrenstechnik- in der Hauptverhandlung. Der Sachverständige Dr. G. ist bereits kurz nach dem Unfallgeschehen von der Staatsanwaltschaft Osnabrück mit der Begutachtung der Unfallmaschine beauftragt worden und hat die Maschine am Samstag, den 24.07.2010, -zwei Tage nach dem Unfall- am Unfallstandort in der Y.-Glas-Fabrikationshalle besichtigt. Zur Erstellung seines Gutachtens seien ihm der polizeiliche Bildbericht vom Unfalltag sowie die zu der Glaskantenschleifmaschine gehörige Betriebsanleitung zur Verfügung gestellt worden. Sowohl die zur Maschine gehörenden Bestandteile inklusive der Lichtschrankensicherheitseinrichtung als auch die vom Hersteller vorgesehenen Betriebsabläufe hat der Sachverständige Dr. G. anschaulich und plausibel -wie festgestellt- beschrieben. Die vom Sachverständigen Dr. G. beschriebene Maschinenausstattung und der von ihm geschilderte reguläre Betriebsablauf sind im Übrigen auch von dem sachverständigen Zeugen Dr. H. vom Ingenieurbüro für Unfallrekonstruktion S. & B. aus Münster, der im Auftrag der H.-Glas Veredelungs GmbH am 20.08.2013 ein Unfallrekonstruktionsgutachten unter Verarbeitung der Verfahrensakten und der Besichtigung einer typähnlichen Maschine (ALPA 102) erstellt hat, bestätigt worden.

Dass die Maschinenherstellerfirma zur Abschirmung des Maschinenarbeitsbereichs der Glaskantenschleifmaschine eine Lichtschrankensicherheitseinrichtung vorgesehen hat, ergibt sich ergänzend auch aus der Maschinenwartungsanleitung und der Maschinenbetriebsanleitung, die jeweils überwiegend in englischer Sprache verfasst sind. Sowohl in der Maschinenwartungsanleitung als auch in der Maschinenbetriebsanleitung wird an mehreren Stellen explizit auf die zwingende Notwendigkeit der Sicherheitseinrichtungen im Allgemeinen und der Lichtschrankensicherheitseinrichtung im Besonderen hingewiesen. Die diesbezüglichen Passagen der Wartungsanleitung und Betriebsanleitung sind in der Hauptverhandlung verlesen worden und von dem Sprachsachverständigen v. d. V., der der Kammer aus mehreren vorhergehenden Verfahren als zuverlässiger Dolmetscher, Übersetzer und Sprachsachverständiger für die englische Sprache bekannt ist, überzeugend von der englischen in die deutsche Sprache übersetzt worden:

So heißt es auszugsweise in der Wartungsanleitung:

The electric system of the machine is practically maintenance-free, except for:

-cleaning the photoelectric cells.

(Übersetzung in die deutsche Sprache durch den Sprachsachverständigen: Das elektrische System der Maschine ist praktisch wartungsfrei, mit Ausnahme der Reinigung der fotoelektrischen Lichtschrankenzellen).

In der Rubrik SAFETY DEVICES (Übersetzung durch den Sprachsachverständigen: Sicherheitseinrichtungen) sind unter Ordnungspunkt 6 ausdrücklich Photocells (Übersetzung durch den Sprachsachverständigen: Lichtschrankenfotozellen) erwähnt und in einer Maschinenskizze eingezeichnet.

In deutscher Sprache ist folgender Sicherheitshinweis in Großbuchstaben erwähnt: ES IST VERBOTEN, SICHERHEITSEINRICHTUNGEN ZU ENTFERNEN ODER ABZUSCHALTEN.

In der Betriebsanleitung heißt es auszugsweise wie folgt:

In einer Maschinenskizze sind unter Ordnungspunkt 12 ausdrücklich in Großbuchstaben PHOTOELECTRIC CELL ARMS (Übersetzung durch den Sprachsachverständigen: Lichtschrankenzellenträger) erwähnt.

Unter der Rubrik LIST OF DISASSEMBLED PARTS (Übersetzung durch den Sprachsachverständigen: Einzelteilliste) sind unter Ordnungspunkt 3.2.3.8 Photoelectric cell arms (Übersetzung durch den Sprachsachverständigen: Lichtschrankenzellenträger) aufgeführt.

Unter SAFETY INSTRUCTIONS (Übersetzung durch den Sprachsachverständigen: Sicherheitshinweise) heißt es Strictly adhere to the SAFETY INSTRUCTIONS (Übersetzung durch den Sprachsachverständigen: Befolgen Sie strikt die Sicherheitshinweise.). Unter Ordnungspunkt 10 heißt es dort weiter: DO NOT REMOVE SAFETY GUARDS. They protect against possible personal injury from moving parts. (Übersetzung durch den Sprachsachverständigen: Entfernen Sie keine Sicherheitseinrichtungen. Diese schützen gegen mögliche Verletzungen durch sich bewegende Maschinenteile.).

Unter der Rubrik PROTECTION AND SAFETY (Übersetzung durch den Sprachsachverständigen: Schutz und Sicherheit) heißt es unter Ordnungspunkt 7.2.1.2. On both sides of the dangerous area (zone C - Fig.4.1) there are some photoelectric cells preventing entrance of persons during work (TAV 524) IMPORTANT: In the last mentioned case, the safety system stops the machine immediately (Übersetzung durch den Sprachsachverständigen: An beiden Seiten der Gefahrenzone (Zone C Ziffer 4.1) sind Lichtschrankenfotozellen zur Vermeidung des Eintritts von Personen in die Gefahrenzone während laufender Maschine vorhanden (TAV 524). Wichtig: Im vorgenannten Fall stoppt das Sicherheitssystem die Maschine sofort.).

Die Kammer hat die übereinstimmenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. G. und des sachverständigen Zeugen Dr. H. anhand der polizeilich gefertigten Maschinenfotos vom Unfalltag sowie anhand des am 21.07.2010 -nur einen Tag vor dem Unfall- erstellten Dokumentationsvideos über den Ablauf des Betriebs der Glaskantenschleifmaschine nachvollzogen. Der Zeuge Stefan S. hat dazu glaubhaft bekundet, dass er als Außendiensttechniker der Firma K. im Auftrag der Y.-Glas GmbH & Co. KG am 21.07.2010 - also einen Tag vor dem tödlichen Unfall - die von Björn S. bediente Maschine im Auftrag der Y.-Glas GmbH & Co. KG im Rahmen der Vorbereitung eines Verkaufs der Maschine zum Zwecke der Information potentieller Käufer gefilmt habe.

bb) Entgegen dem Einwand der Verteidigung ist die Kammer auch davon überzeugt, dass die Maschine im regulär betriebenen Sicherheitszustand, d.h. mit einer funktionierenden Lichtschrankensicherheitseinrichtung, bei Durchbrechen des Lichtschrankenstrahls abrupt gestoppt hätte und es insbesondere zu keinem Nachlauf des beweglichen Oberwagens mit dem daran befindlichen Maschinenkopf gekommen wäre. Der von der Verteidigung beauftragte sachverständige Zeuge Dr. H. hat im Hauptverhandlungstermin erklärt, es sei zumindest denktechnisch nicht auszuschließen, dass nach einem Unterbrechen der Lichtschranke der Glaskantenschleifmaschine ALPA 103 S bei vorheriger zügiger Bewegung des Antriebskopfes es zu einem Nachlauf in der Größenordnung von 10 cm kommen könnte. Jedoch habe er die unfallbetroffene Maschine selbst nie gesehen; es hänge vom installierten Programm im Steuergerät ab, ob bei einem Unterbrechen der Lichtschranke ein wesentlicher Nachlauf erfolge oder nicht. Wenn das Steuergerät der Maschine über die Signalleitung die Geschwindigkeit "Null" vorgebe, würden die Motoren ohne Nachlauf aktiv gestoppt. Wenn das Steuergerät der Maschine die Motoren lediglich stromlos schalte, sei ein Nachlauf in der Größenordnung von 10 cm möglich. Dass ersteres bei der hier tatgegenständlichen Maschine der Fall war -das Steuergerät also die Geschwindigkeit "Null" vorgegeben hätte-, stützt die Kammer auf die überzeugenden Schilderungen des Zeugen Ko. Der ebenfalls von der Verteidigung benannte Zeuge Ko. hat glaubhaft bekundet, dass die unfallbetroffene Glaskantenmaschine an ihrem damaligen Standort vor 2006 in der Fabrikationshalle der H.-Glas Veredelungs GmbH abrupt ohne Nachlauf zum Stillstand gekommen sei, als der Mitarbeiter G. damals die seinerzeit noch vorhandene Lichtschranke bei einem Griff in den Maschinenarbeitsbereich durchbrochen habe. Der Zeuge Ko., der nach eigenen Angaben seit 1981 bei der H.-Glas Veredelungs GmbH arbeitet, dort den Posten des Produktionsleiters innehat und dort auch Prokura besitzt, hat glaubhaft bekundet, sich trotz des langen Zeitablaufs an diesen Vorfall mit Herrn G. gut erinnern zu können. Er habe seinerzeit direkt neben Herrn G. gestanden, als dieser in die noch mit der Lichtschrankensicherheitseinrichtung versehene spätere Unfallmaschine gegriffen habe. Diese Angaben zum abrupten Maschinenstopp lassen sich zwanglos in Einklang bringen mit der vom sachverständigen Zeugen Dr. H. bejahten technischen Möglichkeit des aktiven Abstoppens der Maschinenmotoren ohne Nachlauf.

b) Einsatz des Björn S. an der Unfallmaschine

Die Überzeugung der Kammer, dass Björn S. regelmäßig während des laufenden Maschinenbetriebes, wie festgestellt, diverse Arbeiten im Maschinenarbeitsbereich verrichtet hat, ergibt sich zum einen aus dem Maschinendokumentationsvideo vom 21.07.2010, in dem zu beobachten ist, wie Björn S. mehrfach in den Maschinenarbeitsbereich - teilweise auch unmittelbar in den sich in Betrieb befindlichen Maschinenkopf - hineingreift und mehrfach mit seinem Körper unmittelbar den Rand des Maschinenarbeitstisches berührt, dessen Randabdeckung durch die Körperanstöße mehrfach in ein leichtes Wackeln gerät. Für das regelmäßige und ihm antrainierte Eingreifen des Björn S. in den laufenden Maschinenbetrieb sprechen auch die glaubhaften Bekundungen des Udo S., der seine Ausbildung zum Flachglasmechaniker u.a. in der Y.-Glas-Fabrikationshalle absolviert hat und nach eigenen Angaben genauso wie Björn S. an der Unfallmaschine eingesetzt worden ist. Der Zeuge S. hat detailliert und anschaulich beschrieben, dass ihm beigebracht worden sei, während des laufenden Maschinenbetriebes verlorene Werkzeugteile zu entfernen, lockere Werkzeugteile zu fixieren, Diamantwerkzeuge im linken Maschinenarbeitsbereich mit einem Stein zu schleifen und die am Maschinenkopf befindlichen Wasserdüsen zu justieren. Er sei seinerzeit von dem Schichtleiter K. (der Zeuge N., ehemals K.) in die unfallbetroffene Glaskantenschleifmaschine eingewiesen worden und von diesem ausdrücklich auf die eigentlich erforderliche, aber fehlende Lichtschranke mit dem Hinweis auf besondere Vorsicht aufmerksam gemacht worden. Die eigenen manuellen Tätigkeiten im Maschinenarbeitsbereich während des laufenden Maschinenbetriebes seien ihm jedoch -trotz des erheblichen Sicherheitsrisikos- als unverzichtbar für einen akzeptablen Produktionsablauf nahegebracht worden. Er selbst habe die Glaskantenschleifmaschine ausschließlich ohne Lichtschrankensicherheitseinrichtung kennengelernt. Er habe Björn S. zwar gekannt, wisse aber nicht, welche Person genau den Björn S. an der Unfallmaschine angelernt habe. Ein Abschalten der Maschine während der von ihm erwähnten manuellen Arbeiten sei nicht in Frage gekommen, weil dies den Produktionsablauf unterbrochen hätte. Ihm sei explizit beigebracht worden, im freien linken Maschinenarbeitsbereich zu arbeiten, während der Maschinenkopf im daneben liegenden Maschinenarbeitsbereich seine Schleifvorgänge betrieben habe.

c) Unfallhergang

Die Überzeugung der Kammer vom festgestellten Hergang des Unfalls vom 22.07.2010, den dazu führenden Umständen und den Unfallfolgen beruht auf folgenden Gesichtspunkten:

aa) Manipulative Überbrückung der Maschine zur Umgehung der Lichtschrankensicherheitseinrichtung

Dass die Glaskantenschleifmaschine bewusst manipulativ überbrückt ohne die erforderliche Lichtschrankensicherheitseinrichtung betrieben worden ist, ergibt sich insbesondere aus den überzeugenden und schlüssigen gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. G.. Der Sachverständige Dr. G. hat die fehlende Lichtschrankensicherheitseinrichtung bei der Besichtigung der Glaskantenschleifmaschine am 24.07.2010 -zwei Tage nach dem Unfall- sofort bemerkt. Er hat plausibel und für die Kammer nachvollziehbar erklärt, dass es sich nicht um ein versehentliches Fehlen der Lichtschrankensicherheitseinrichtung handeln kann, weil die Maschine technisch so geschaltet sei, dass sie grundsätzlich nur bei vorhandener und funktionierender Lichtschrankensicherheitseinrichtung betrieben werden könne. Die Inbetriebnahme der Glaskantenschleifmaschine ohne die Lichtschrankensicherheitseinrichtung könne nur durch eine bewusste manipulative Überbrückung der Elektronik erfolgt sein. Dazu müsse in das Modul KA 15 H 6 der elektronischen Maschinenschaltung eingegriffen worden sein, um so die Lichtschranke aus dem Stromkreis auszuschließen und eine neue elektronische Verbindung herzustellen. Hierzu sei zumindest elektronisches Grundwissen erforderlich. Besonders auffällig sei bei der Besichtigung insbesondere gewesen, dass im Gegensatz zum rechten Lichtschrankenträger der linksseitige Träger gar nicht mehr vorhanden gewesen sei. Für den linken Lichtschrankenträger sei auch gar kein Platz vorhanden gewesen, da stattdessen in dem für den Träger vorgesehen Bereich der Maschinenschaltschrank im Weg gestanden habe.

Die fehlende Lichtschrankensicherheitseinrichtung am Unfalltag ergibt sich im Übrigen auch aus einem am Unfalltag von der Polizei gefertigten und von der Kammer in Augenschein genommenen Lichtbild, auf dem anstatt des eigentlich vorgesehenen Lichtschrankensicherheitseinrichtungsträgers am linken Maschinenrand lediglich die Bohrlöchervorrichtungen für den Träger zu sehen sind.

Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. G. zur Erforderlichkeit einer manipulativen elektronischen Überbrückung für einen Betrieb der Maschine ohne die Lichtschrankensicherheitseinrichtung sind durch den sachverständigen Zeugen Dr. H. bestätigt worden. Des Weiteren hat sich der Angeklagte B. dahingehend eingelassen, ihm sei schon am Unfalltag des 22.07.2010 bei Betrachtung der Unfallmaschine bewusst geworden, dass die Unfallmaschine manipulativ überbrückt ohne die erforderliche Lichtschrankensicherheitseinrichtung betrieben worden war.

bb) Manipulierter Betrieb der Maschine seit 2006

Die Überzeugung der Kammer, dass die Glaskantenschleifmaschine bereits seit ihrem Umtransport in die Y.-Glas-Fabrikationshalle von Anfang an dort über mehrere Jahre bis zum Unfall vom 22.07.2010 ununterbrochen manipulativ überbrückt ohne die erforderliche Lichtschrankensicherheitseinrichtung betrieben worden ist, ergibt sich aus folgenden Umständen:

Die einvernommenen Zeugen Bü. als noch aktueller Mitarbeiter der Y.-Glas-Produktion, N. (ehemals K.) als ehemaliger Mitarbeiter der Y.-Glas-Produktion sowie S. als ehemaliger dort eingesetzter Auszubildender zum Flachglasmechaniker haben übereinstimmend glaubhaft ausgesagt, dass sie die Glaskantenschleifmaschine an ihrem Standort in der Y.-Glas-Fabrikationshalle ausschließlich ohne Lichtschrankensicherheitseinrichtung kennengelernt hätten und der Maschinenaufbau inklusive des linksseitig stehenden Schaltschrankes -dessen Standort nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. G. bereits den Anbau des linksseitigen Lichtschrankenträgers an die Maschine räumlich überhaupt nicht zuließe- durchgehend unverändert gewesen sei. Der Zeuge R. hat als ebenfalls aktueller Mitarbeiter der Y.-Glas-Produktion bekundet, er arbeite bereits seit 25 Jahren bei der H.-Glas Unternehmensgruppe und könne bestätigen, dass die unfallbetroffene Glaskantenschleifmaschine seit ihrer Ankunft in der Y.-Glas-Fabrikationshalle bis zu dem tragischen Unfall von Björn S. unverändert ohne die Lichtschrankensicherheitseinrichtung betrieben worden sei. Die vorgenannten Bekundungen der aktuellen und ehemaligen Y.-Glas-Fabrikationsmitarbeiter werden im Übrigen auch bestätigt durch die Einlassung des Angeklagten H., wonach auch er seit seiner Einstellung im November 2006 die Glaskantenschleifmaschine ausschließlich in dem Zustand wie am Unfalltag des 22.07.2010 gekannt habe.

cc) Geschehen am Unfalltag

Der konkrete Hergang des Unfalls vom 22.07.2010 ist weder von einer Fabrikhallenkamera gefilmt noch von irgendeiner Person unmittelbar beobachtet worden. Die Fest-stellungen zum konkreten Unfallgeschehen ergeben sich vielmehr insbesondere aus den Ausführungen der Sachverständigen Dr. G. und des sachverständigen Zeugen Dr. H. zum allgemeinen Maschinenbetriebsablauf in Verbindung mit den polizeilichen Lichtbildern vom Unfallort, den zeugenschaftlichen Bekundungen der beiden Y.-Glas-Mitarbeiter R. und Bü. zur Einklemmsituation des von ihnen befreiten Björn S. und der Videoaufnahme des Betriebes der Glaskantenschleifmaschine mit dem Bediener Björn S. vom 21.07.2010.

Dass Björn S. unmittelbar vor dem Unfall direkt an den Maschinenarbeitstisch im linken Maschinenarbeitsbereich getreten ist und sich aus dieser Position mit ausgestrecktem rechten Arm und seinem Oberkörper in den linken Maschinenarbeitsbereich hineingebeugt hat, um ein lockeres Werkzeugteil im Werkzeuglager auszurichten, ergibt sich aus folgenden Umständen: Die in Augenschein genommenen und am Unfalltag von den Polizeibeamten gefertigten Lichtbilder zeigen, dass auf der Konsole deutlich innerhalb des linken Maschinenarbeitsbereichs in einer großflächigen Blutlache mehrere lose Werkzeugteile liegen, was dafür spricht, dass Björn S. mit den dort liegenden Werkzeugen hantiert hat und weiter hat hantieren wollen. Nicht nur die Lage der losen Werkzeugteile innerhalb des linken Arbeitstischbereichs, sondern auch die zeugenschaftlichen Bekundungen des Polizeibeamten V., wonach er im Rahmen der Leichenschau bei dem Leichnam Björn S.s über die tödlichen Kopfverletzungen hinaus eine deutlich sichtbare Brustquetschung festgestellt habe, deuten auf ein über das bloße Herantreten an den linken Maschinenarbeitstischbereich hinausgehende Hineinbeugen mit dem Oberkörper durch Björn S. in den linken Maschinenarbeitsbereich hin. Hätte sich Björn S. auf ein Herantreten an den Maschinenarbeitstisch beschränkt und sich nicht mit dem Oberkörper in den Maschinenarbeitsbereich hineingebeugt, hätte eine Quetschverletzung im Brustbereich nicht erfolgen können.

Die Feststellungen zum Überraschtwerden des Björn S. durch den sich nähernden Oberwagen und zur konkreten Einquetschsituation beruhen insbesondere auf den übereinstimmenden Bekundungen der Y.-Glas-Mitarbeiter R. und Bü. Die beiden Zeugen haben ausgesagt, der Angeklagte H. als Erstentdecker des eingeklemmten Auszubildenden Björn S. habe sie durch Hilfeschreie auf den Vorfall aufmerksam gemacht. Sie hätten den stark blutenden und bewusstlosen Björn S., der zwischen dem linksseitigen feststehenden Maschinenrahmenaufbau und dem beweglichen Maschinenoberwagen mit dem Rücken zum Maschinenkopf eingeklemmt gewesen sei, durch Abschaltung der Maschine und manuelles Wegfahren des Maschinenkopfes gemeinsam befreit. Diese Schilderungen der Zeugen R. und Bü. lassen sich zwangslos in Einklang bringen mit der Position der auch auf den polizeilich gefertigten Lichtbildern erkennbaren großen Blutlache, in deren Bereich die losen Maschinenteile liegen. Die Blutlache befindet sich auf der Konsole im linken Maschinenarbeitsbereich unmittelbar rechts neben dem linksseitigen Maschinenrahmenaufbau. Aus den vorgenannten Umständen ergibt sich, dass Björn S. beim Stehen unmittelbar am Maschinenarbeitstisch unter gleichzeitigem Hineinbeugen in den linken Maschinenarbeitsbereich von dem sich aus dem rechten Maschinenarbeitsbereich nähernden Maschinenoberwagen mit dem daran befindlichen Maschinenkopf überrascht und zerquetscht worden ist. Die Zeugen R. und Bü. haben ergänzend ausgesagt, sie hätten zusammen mit Björn S. ihre Arbeitsschicht um 06.00 Uhr begonnen und seien gegen 08.50 Uhr von dem Angeklagten Andreas H. um Hilfe gebeten worden.

dd) Unfallfolgen

Die Feststellungen zu den von Björn S. bei dem Unfall erlittenen tödlichen Schädel- und Hirnverletzungen und der Brustquetschung sowie dem Todeszeitpunkt beruhen auf den zeugenschaftlichen Angaben des Polizeibeamten KOK V., der am 23.07.2010 ab 12.45 Uhr auf der Intensivstation des ..... Krankenhauses ...... die Leichenschau durchgeführt hat und sich ergänzend die von Björn S. erlittenen Verletzungen von dem auf der Intensivstation diensthabenden Klinikarzt Dr. S. hat erklären lassen. Die Bekundungen des Polizeibeamten V. werden bestätigt durch die in der Hauptverhandlung verlesene Todesbescheinigung vom 23.07.2010, die den Stempel des Oberarztes Dr. S. der Abteilung für operative Intensivmedizin beim Krankenhaus ........ in M. und eine auf den Namen S. lautende handschriftliche Unterschrift trägt. Die bei der Leichenschau festgestellten und sich aus der Todesbescheinigung ergebenden Verletzungen korrespondieren zudem mit der von den Zeugen R. und Bü. geschilderten Einklemmsituation und dem hohen Blutverlust bereits am Unfallort, der sich aus der auf den polizeilichen Lichtbildern sichtbaren großen Blutlache auf der Konsole im linken Maschinenarbeitsbereich ergibt.

d) Gemeinsame Verantwortlichkeit der Angeklagten Hermann R. und Heinrich R. für die Manipulationsentscheidung

Die Überzeugung, dass die Angeklagten Hermann R. und Heinrich R. den Betrieb der Glaskantenschleifmaschine ohne die Lichtschrankensicherheitseinrichtung mittels manipulativen Überbrückens zur Sicherstellung und Steigerung der Produktivität der Yacht- und Schiffsgläserfabrikation gemeinsam entschieden haben und einer der beiden angeklagten Brüder mit Wissen und Zustimmung des anderen Bruders dem Angeklagten A. die Anordnung zur Umsetzung dieser Entscheidung erteilt hat, hat die Kammer aus der Gesamtschau der folgenden Indizien gewonnen:

aa) Wirtschaftliche und produktionstechnische Beweggründe der Entscheidung

Für die Manipulation der tatrelevanten Glaskantenschleifmaschine gab es zur Überzeugung der Kammer folgende konkrete betriebswirtschaftliche und produktionstechnische Gründe:

Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass das Hauptmotiv für die absichtliche Überbrückung der Sicherheitslichtschranke der im Vergleich zur konventionellen Glasbearbeitung besonders hohe Wert der in der Y.-Glas-Fabrikationshalle bearbeiteten Yacht- und Schiffsgläser gewesen ist. Im Gegensatz zur Bearbeitung konventioneller Gläser bei der H.-Glas Veredelungs GmbH, wo die Glaskantenschleifmaschine nach den glaubhaften übereinstimmenden zeugenschaftlichen Aussagen der beiden Mitarbeiter Ko. und R. noch mit der erforderlichen Lichtschrankensicherheitseinrichtung betrieben worden war, wäre eine Unbrauchbarkeit der hochwertigen Hochqualitätsgläser für den Yacht- und Schiffsbau auf Grund eines abrupten lichtschrankenbedingten Maschinenstopps betriebswirtschaftlich deutlich schwerer zu verkraften gewesen. Sowohl der Angeklagte Heinrich R. als auch der Angeklagte Ro. haben sich dahingehend eingelassen, dass die bei Y.-Glas produzierten Yacht- und Schiffsgläser sehr viel werthaltiger als die bei der H.-Glas Veredelungs GmbH hergestellten konventionellen Gläser seien und insbesondere aus diesem Grund die Eigenproduktion bei Y.-Glas gegründet worden sei. Glaubhaft hat auch der bei der Y.-Glas GmbH & Co. KG als Vertriebler beschäftigte Zeuge Markus S. beschrieben, dass es sich bei der dortigen Produktion um sehr hochpreisige Qualitätsgläser handelt.

Der Zeuge N., ehemals K., der bei der Firma Y.-Glas ca. vier Jahre lang unter anderem als Teamleiter beschäftigt gewesen ist, hat eindrucksvoll und für die Kammer sehr anschaulich erklärt, dass ein Nothalt der Glaskantenschleifmaschine -etwa per Notausknopf bei laufendem Schleifvorgang- eine Unbrauchbarkeit des in Bearbeitung befindlichen Glasstücks zur Folge habe. Der bewegliche Oberwagen mit dem daran befestigten beweglichen Maschinenkopf stoppe nämlich dann sofort, die Spindel des am Maschinenkopf befindlichen Schleifgerätes drehe sich jedoch noch eine Zeit lang weiter, so dass das in Bearbeitung befindliche Glasstück einen Moment abweichend vom eigentlich vorgesehenen Programm unkoordiniert weiterbearbeitet und dadurch verdorben werde.

Darüber hat die Umgehung der Lichtschrankensicherheitseinrichtung weitere Produktionsvorteile gehabt: Der Angeklagte H. hat in Übereinstimmung mit den zeugenschaftlichen Angaben des ehemaligen Auszubildenden zum Flachglasmechaniker S. geschildert, dass der Maschinenkopf auf Grund der Ausleierung verschiedener Werkzeughalter immer wieder Werkzeuge verloren habe. Darüber hinaus haben der ehemalige Mitarbeiter N., ehemals K., und der ehemalige Auszubildende S. übereinstimmend zeugenschaftlich bekundet, die Wasserdüsen seien nicht mehr in einem akkuraten Zustand gewesen, so dass während des laufenden Schleifbetriebes die Wasserdüsen mehrfach hätten manuell ausgerichtet werden müssen. Jene Schilderung der beiden Zeugen N. und S. wird im Übrigen bestätigt durch das Maschinendokumentationsvideo vom 21.07.2010, in dem zu sehen ist, wie der nur einen Tag später verstorbene Björn S. während des laufenden Schleifvorgangs in den Maschinenkopf zur Ausrichtung der Wasserdüsen hineingreift. Darüber hinaus hat der ehemalige Auszubildende S. anschaulich beschrieben, dass ihm seinerzeit beigebracht worden sei, während des laufenden Maschinenbetriebes die aktuell nicht vom Maschinenkopf ergriffenen Diamantwerkzeuge aus dem Maschinenwerkzeuglager mit einem Stein mehrfach täglich zu schleifen. Hätte eine Lichtschranke den Maschinenarbeitsbereich abgeschirmt, wären die vorgenannten Tätigkeiten bei laufendem Maschinenbetrieb nicht möglich gewesen und hätten eine deutliche Verzögerung des Produktionsbetriebes zur Folge gehabt. Falsch ausgerichtete Wasserdüsen während des Schleifvorgangs hätten sogar eine konkrete Gefährdung des Schleiferfolges zur Folge gehabt.

Die vorgenannten Umstände, insbesondere den durch eine produktionsbedingte Unbrauchbarkeit auch nur einer Glasscheibe bedingten erheblichen finanziellen Verlust, wertet die Kammer als starkes Indiz dafür, dass die Angeklagten Hermann R. und Heinrich R. zur Vermeidung betriebswirtschaftlicher Schäden die Außerkraftsetzung der Lichtschrankensicherheitseinrichtung bereits zum Start der Y.-Glas-Eigenproduktion bewusst gemeinsam entschieden haben. Bezeichnend ist hierfür letztlich auch der Umstand, dass nach den Angaben der Angeklagten A. die berufsgenossenschaftliche Anmahnung eines Lichtschrankenmangels an einer anderen Maschine in der konventionellen Glasproduktion der H.-Glas Veredelungs GmbH im Jahr 2007 unverzüglich zu einer Behebung des Mangels geführt haben, hieraus jedoch keinerlei Konsequenzen für die im hochwertigen Produktionsbereich eingesetzt unfallrelevante Maschine gezogen worden sind.

bb) Machtposition der Angeklagten Heinrich und Hermann R. in der Unternehmensgruppe

Dafür, dass die Entscheidung über die Maschinenmanipulation von den Angeklagten Hermann R. und Heinrich R. gemeinsam getroffen worden ist und es sich nicht etwa um die Entscheidung des Angeklagten Hermann R. beziehungsweise Heinrich R. allein oder gar einer dritten Person gehandelt hat, sprechen folgende Umstände:

Der Zeuge Adolf S., ehemalige externe Fachkraft für Arbeitssicherheit in der Unternehmensgruppe, hat in der Hauptverhandlung glaubhaft die Machtposition der Gebrüder R. im Unternehmen beschrieben. Es seien allein die beiden Angeklagten Heinrich und Hermann R. gewesen, die in der Unternehmensgruppe das "Sagen" gehabt hätten. Sämtliche, insbesondere wirtschaftliche Entscheidungen seien ausschließlich von den Gebrüdern R. getroffen worden. Eine tatsächliche Übertragung von Verantwortungsbereichen habe es in dem Unternehmen quasi nicht gegeben. Dabei hätten die Gebrüder R. stets Hand in Hand gearbeitet. Er, der Zeuge Adolf S., habe sowohl den Angeklagten Heinrich R. als auch den Angeklagten Hermann R. konkret über die fehlende Lichtschrankensicherheitseinrichtung informiert; dennoch habe sich am jahrelangen Maschinenbetrieb im manipulierten Zustand nichts geändert.

Die vorgenannten Schilderungen des Zeugen Adolf S. zur Entscheidungsstruktur finden weitere indizielle Bestätigung in den Angaben des Sicherheitsbeauftragten G. in dessen polizeilicher verantwortlicher Vernehmung. Der ehemals mitbeschuldigte Zeuge G., gegen den das Ermittlungsverfahren seitens der Staatsanwaltschaft Osnabrück gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, hat zwar in der Hauptverhandlung unter Berufung auf sein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO eine Zeugenaussage verweigert, die bei der Polizei gemachten ausführlichen Angaben des Sicherheitsbeauftragten Udo G. sind aber über den Vernehmungsbeamten POK K. in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Danach hatte auch der Sicherheitsbeauftragte G. angegeben, dass die beiden Gebrüder R. alle wesentlichen Unternehmensentscheidungen gemeinsam aber ohne die Einbeziehung Dritter getroffen hätten und es nahezu ausgeschlossen sei, dass einer der Brüder über den Kopf des anderen Bruders hinweg entschieden habe.

Der Umstand, dass der Angeklagte Hermann R. im Gegensatz zu dem Angeklagten Heinrich R. speziell bei der Y.-Glas GmbH & Co. KG keine förmliche Geschäftsführerstellung innegehabt hat, erschüttert die Überzeugung der Kammer von der Einbeziehung des Angeklagten Hermann R. in die Manipulationsentscheidung nicht. Das unmittelbare Interesse und der unmittelbare Einfluss des Angeklagten Hermann R. am und auf das operative Geschäft der Y.-Glas GmbH & Co. KG ergibt sich bereits daraus, dass er schon nach seiner eigenen Einlassung als Unternehmensgruppengründer und Unternehmensgruppeninhaber regelmäßig auch in der Y.-Glas-Fabrikationshalle gewesen sei, dort mit den Mitarbeitern gesprochen und auch die dortigen Maschinen in Augenschein genommen habe. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch die Einlassung des Angeklagten Ro., wonach es der Angeklagte Hermann R. gewesen sei, der den Aufbau der Y.-Glas-Geschäftssparte finanziert habe. Dem entnimmt die Kammer, dass der Angeklagte Hermann R. nicht nur ein wirtschaftliches Interesse an der Yachtglas-Produktion hatte, sondern auch aktiv in die Entscheidungsprozesse eingebunden war.

Die Kammer schließt auch aus, dass der Angeklagte Ro. über die Maschinenmanipulation mit- oder gar allein entschieden hat. Die Kammer nimmt dem Angeklagten Ro. ab, dass er sich auf kreative Aufgaben sowie den Vertrieb und die Akquise beschränkt und sich um den Maschinenpark nicht gekümmert hat. Dies steht auch in Einklang mit der Einlassung des Angeklagten Heinrich R., wonach er selbst -Heinrich R.- den Geschäftsführungsbereich der Produktion und des Maschinenparks bei der Y.-Glas GmbH & Co. KG innegehabt habe. Des Weiteren korrespondiert dies auch mit den Angaben des Zeugen Adolf S., wonach sich der Angeklagte Ro. praktisch nie um den Y.-Glas-Maschinenpark gekümmert habe und dieser selbst Gesprächen über die Arbeitssicherheit im Maschinenpark ausgewichen sei.

Es sind auch keine anderen Personen ersichtlich, die für die Entscheidung der bewussten Manipulation der Maschine in Betracht kämen:

Zwar hat der Angeklagte A. das technische Verständnis zur Überbrückung der Maschine gehabt und die Überbrückung der Maschine zur Überzeugung der Kammer auch vorgenommen, worauf noch nachstehend eingegangen werden wird. Der Angeklagte A. ist jedoch ausschließlich angestellter Leiter der Instandhaltungsgruppe der H.-Glas Unternehmensgruppe, die den zur Gruppe gehörenden Unternehmen lediglich helfend zur Seite steht, aber keine eigene operative Entscheidungskompetenz hat. Der Angeklagte A. hat auch weder das betriebswirtschaftliche Ergebnis der H.-Glas Unternehmensgruppe im Allgemeinen noch das der Y.-Glas GmbH & Co. KG im Speziellen zu verantworten. Er hat demnach kein Motiv, die Überbrückung der Maschine zur Gewährleistung des Betriebes ohne Lichtschrankensicherheitseinrichtung ohne vorherige Beauftragung durchzuführen. Der Angeklagte A. hat insoweit lediglich die Stellung eines etwas herausgehobenen Angestellten und Anweisungsempfängers; ein wirtschaftliches Eigeninteresse am Umsatz der Unternehmensgruppe hat er - trotz des Verwandtschaftsverhältnisses zum Angeklagten Hermann R. - insofern nicht.

Dies gilt ebenso für den Angeklagten H., der zum einen erst nach der Umsetzung und Betriebsaufnahme der Maschine bei der Y.-Glas GmbH & Co. KG eingestellt worden ist und schon dadurch als Veranlasser der Manipulation der bereits von Anfang an in der Y.-Glas-Fabrikationshalle ohne Lichtschrankensicherheitseinrichtung betriebenen Maschine ausscheidet. Zum anderen ist er ebenfalls faktisch ein nur leicht höher gestellter Angestellter und Anweisungsempfänger gewesen.

Letztlich kommt auch der ehemalige Mitbeschuldigte Udo G. nicht als Veranlasser der Manipulationsentscheidung in Betracht. Zwar waren dem ehemals Mitbeschuldigten G. als internem Sicherheitsbeauftragtem zumindest formell Unternehmerpflichten in Bezug auf den Arbeitsschutz und die Arbeitssicherheit übertragen worden. Dabei kann die Kammer dahinstehen lassen, ob eine solche Übertragung überhaupt rechtlich zulässig war. Jedenfalls vermochte der Zeuge G. diesen Pflichten faktisch nicht nachzukommen. Er war nach den überzeugenden Angaben des Zeugen Adolf S., externe Fachkraft für Arbeitssicherheit, als technischer Zeichner und Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr allenfalls dazu befähigt, Belange des Brandschutzes eigenständig wahrzunehmen, den Bereich der Maschinensicherheit habe er aufgrund seiner fehlenden Fachkenntnisse jedoch nicht abdecken können. Hierfür habe nicht zuletzt das Budget gefehlt. Die Gebrüder R. hätten dem internen Sicherheitsbeauftragtem G. lediglich ein minimales Jahresbudget von 300,- EUR zur Verfügung gestellt. Entscheidungen über darüberhinausgehende Investitionen zugunsten des Arbeitsschutzes bzw. der Arbeitssicherheit habe der Zeuge G. stets den Angeklagten Heinrich und Hermann R. überlassen müssen. Auch Anliegen und Beanstandungen des Zeugen S. habe der ehemalige Mitbeschuldigte G. stets mit den Angeklagten Heinrich und Hermann R. besprechen müsse; eigene Entscheidungsbefugnis habe er nicht gehabt. Diese Angaben des Zeugen Adolf S. finden wiederum indizielle Bestätigung in den durch den Vernehmungsbeamten POK K. eingeführten Schilderungen des Sicherheitsbeauftragten G. in seiner polizeilichen verantwortlichen Vernehmung.

Daher kommen zur Überzeugung der Kammer nur -und zwar gemeinschaftlich- die beiden Angeklagten Hermann R. und Heinrich R. als Urheber der Maschinenmanipulationsentscheidung in Betracht. Sie haben sowohl die Entscheidungsbefugnis für das operative Geschäft als auch ein durchgreifendes gemeinsames Motiv für die produktivitätssteigernde und glasstückschadensvermeidende Maschinenmanipulation gehabt.

cc) Missachtung der arbeitsschutzrechtlichen Hinweise

Die Kammer wertet ferner den Umstand, dass der Zustand der Maschine ohne Lichtschrankensicherheitseinrichtung trotz der eindringlichen mündlichen Warnungen der externen Fachkraft für Arbeitssicherheit Adolf S. gegenüber den Angeklagten Hermann R. und Heinrich R. und dessen ergänzender Eingabe des schriftlichen Begehungsprotokolls vom 21.08.2006 nicht behoben worden ist, als weiteres Indiz dafür, dass die Überbrückung der Lichtschranke von den Angeklagten Heinrich und Hermann R. beschlossen und angeordnet worden war und sie sich auch nach den Hinweisen des Zeugen S. weigerten, diese Entscheidung zu revidieren.

Bereits der Zeuge Sch. als zuständiger Sachbearbeiter der VBG Berufsgenossenschaft hat glaubhaft bekundet, dass die externe Fachkraft für Arbeitssicherheit Adolf S. deshalb in der H.-Glas Unternehmensgruppe eingesetzt worden sei, weil dort ein weit überdurchschnittliches Aufkommen an schwerwiegenden Arbeitsunfällen festgestellt worden sei.

Der Zeuge Adolf S. hat glaubhaft bekundet, sowohl dem Angeklagten Heinrich R. als auch dem Angeklagten Hermann R. in jeweils persönlichen mündlichen Gesprächen das Fehlen der Sicherheitslichtschranke an der Glaskantenschleifmaschine in der Y.-Glas-Halle mitgeteilt zu haben. Der Zeuge hat dabei detailliert beschrieben, wie er bei einer Betriebsbegehung der Y.-Glas-Fabrikationshalle am 21.08.2006 erstmals auf die fehlende Lichtschranke an der Glaskantenschleifmaschine aufmerksam geworden sei. Dies steht im Einklang mit dem von ihm an die H.-Glas Veredelungs GmbH in D. adressierten Betriebsbegehungsprotokoll vom 21.08.2006, in dem unter der fettgedruckten Überschrift Halle 5 "Y.-Glass" Schleifautomat Bavelloni Folgendes aufgeführt ist:

Die Sicherheitslichtschranken sind ohne Funktion! Dieser Mangel ist umgehend abzustellen. Lichtschranken sind mindestens einmal jährlich durch eine befähigte Person zu prüfen. Das Ergebnis ist schriftlich festzuhalten.

Der Zeuge Adolf S., der auf Grund seiner langjährigen Beratertätigkeit für die H.-Glas Unternehmensgruppe einen genauen Einblick in die dortigen Betriebsabläufe gehabt hat, hat eindrucksvoll beschrieben, dass es in der familiendominierten Unternehmensgruppe lediglich zwei Personen gebe, die nachhaltige Entscheidungen treffen dürften. Dabei handele es sich um den Unternehmensgruppengründer Hermann R. und seinen jüngeren Bruder Heinrich R.. In der Unternehmensgruppe gebe es praktisch keinen Bereich, in dem die Gebrüder R. nicht auf ihr alleiniges Entscheidungsrecht pochen würden. Wenn er sich auch nicht mehr an das genaue Datum und an den genauen Ort auf dem Firmengelände erinnern könne, könne er dennoch versichern, dass er sowohl den Angeklagten Heinrich R. als auch den Angeklagten Hermann R. kurz nach seiner Entdeckung vom 21.08.2006 in Ergänzung zu seinem schriftlichen Begehungsprotokoll in jeweils mündlichen Gesprächen über die fehlende Lichtschrankensicherheitseinrichtung an der Glaskantenschleifmaschine in der Y.-Glas-Fabrikationshalle informiert habe.

Die Angaben des Zeugen Adolf S. über die jeweilige schriftliche und mündliche Information an die Angeklagten Heinrich R. und Hermann R. sind glaubhaft. Zwar hat sich der Zeuge Adolf S. nicht mehr an die genauen Daten und genauen Orte der mündlichen Gespräche mit den Gebrüdern R. erinnern können; dies lässt sich indes zwanglos mit dem Zeitablauf von sieben Jahren seit 2006 erklären. Der Zeuge Adolf S. hat der Kammer in der Hauptverhandlung einen ausführlichen Abriss über seine langjährige Beratertätigkeit bei der H.-Glas Unternehmensgruppe gegeben. Die Kammer hat dabei den Eindruck gewonnen, dass dem Zeugen Adolf S. seine Berateraufgabe im Hinblick auf Arbeitsschutz und Maschinensicherheit sehr am Herzen gelegen und er teilweise auch überobligatorischen Einsatz gezeigt hat. Die Kammer hat auf Grund der detaillierten Beschreibungen durch den Zeugen Adolf S. keinen Zweifel, dass dieser sowohl den Angeklagten Heinrich R. als auch den Angeklagten Hermann R. in mündlichen Gesprächen auf den konkreten Lichtschrankenmangel an der Glaskantenschleifmaschine aufmerksam gemacht hat. Dafür spricht auch, dass der Zeuge Adolf S. bei seiner Schilderung der Gespräche klar zwischen dem Angeklagten Ro. auf der einen Seite und den beiden Angeklagten Heinrich R. und Hermann R. auf der anderen Seite differenziert hat. Während er beim Angeklagten Ro. von sich aus sofort eingeräumt hat, dass er diesem den konkreten Lichtschrankenmangel leider nicht habe beschreiben können, hat er jene konkrete Informationsweitergabe sowohl an den Angeklagten Hermann R. als auch an den Angeklagten Heinrich R. ausdrücklich und mehrfach erwähnt. Diesen Angaben sind sämtliche Angeklagte substantiell nicht entgegengetreten; auch ist nach dem persönlichen Eindruck der Kammer ein Motiv des Zeugen S. zur Übertreibung oder Aufbauschung seiner Schilderungen in der Hauptverhandlung nicht zutage getreten.

Die Aussage der Zeugin G. ist dagegen nicht geeignet gewesen, die Angeklagten Heinrich und Hermann R. zu entlasten. Nach den Bekundungen dieser Zeugin, die nach ihren Angaben seit 35 Jahren zuerst für Hermann und später auch für Heinrich R. als Chefsekretärin tätig war und ist, soll sie die vom Zeugen Adolf S. an die Firmenleitung gerichteten Briefe selbst geöffnet und sodann unmittelbar an den Sicherheitsbeauftragten G. weitergeleitet haben, ohne diese Briefe Hermann oder Heinrich R. zur Kenntnis gegeben zu haben. Die Zeugin G. hat allerdings auch eingeräumt, den sachlichen Inhalt der Schreiben nicht beurteilen zu können, was wiederum grundsätzlich ausschließt, dass die Zeugin so gehandelt haben könnte, da sie sich als gewissenhafte Kraft darzustellen bemüht hat. Entscheidend ist aber, dass nach den Bekundungen der anderen Zeugen die Angeklagten Hermann und Heinrich R. in allen Belangen der Unternehmensgruppe die Entscheidungen fällten, was zur Überzeugung der Kammer auch die Kenntnis von den entsprechenden technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten voraussetzt. Insoweit erscheint es völlig lebensfern, dass die Angeklagten Hermann und Heinrich R. es der Zeugin G. überlassen haben könnten zu entscheiden, was sie wissen müssten und was nicht.

dd) Vertuschungsverhalten

Ein weiteres Indiz dafür, dass die Angeklagten Hermann R. und Heinrich R. gemeinsam entschieden haben, die Lichtschrankensicherheitseinrichtung bei der Glaskantenschleifmaschine für die Y.-Glas-Produktion aus Produktivitätsgründen außer Kraft zu setzen, stellt das von Vertuschung und Täuschung geprägte Verhalten des Angeklagten Heinrich R. im Anschluss an den Unfall des Björn S. dar.

Obwohl der Unfall von Björn S. erst wenige Stunden vergangen war und der Polizeibeamte K. -wie vom Angeklagten Heinrich R. und dem Polizeibeamten K. übereinstimmend geschildert- gegenüber dem Angeklagten Heinrich R. ausdrücklich die polizeiliche Beschlagnahme der unfallbetroffenen Glaskantenschleifmaschine ausgesprochen hat, hat der Angeklagte Heinrich R. noch am Nachmittag des Unfalltages telefonisch versucht, eine berufsgenossenschaftliche Freigabe der Unfallmaschine zu erreichen. Soweit sich der Angeklagte Heinrich R. dahingehend eingelassen hat, er habe die Y.-Glas-Belegschaft mit der beabsichtigten Entfernung der Maschine aus der Y.-Glas-Fabrikationshalle, zu dessen Vorbereitung er die Berufsgenossenschaft telefonisch kontaktiert habe, vor psychischen Belastungen schützen und die Y.-Glas-Produktion sicherstellen wollen, hält die Kammer dies für eine reine Schutzbehauptung. Der Polizeibeamte K. hat nämlich in seiner zeugenschaftlichen Vernehmung glaubhaft bekundet, dass er sich dem Angeklagten Heinrich R. gegenüber nicht nur auf den Ausdruck "polizeiliche Beschlagnahme" beschränkt habe, sondern diesem dazu ausdrücklich erklärt habe, dass weder eine Veränderung an der Maschine selbst noch ein Standortwechsel der Maschine vorgenommen werden dürfe. Der Angeklagte R. hat demnach durchaus gewusst, dass die Maschine nicht hat bewegt werden dürfen.

Der Angeklagte Heinrich R. ist zur Überzeugung der Kammer nicht nur gewillt gewesen, sich über die polizeiliche Beschlagnahmeanordnung hinwegzusetzen, sondern hat sich von seinem Vorhaben, die Maschine zu entsorgen, auch nicht dadurch abhalten lassen, dass der Angeklagte B. als Gewerbeaufsichtsbeamter die manipulative Überbrückung der Maschine bereits bemerkt und eine dementsprechende Berichtserstellung angekündigt hatte. Vielmehr hat der Angeklagte Heinrich R. zur Überzeugung der Kammer erkannt, dass der Polizei am Unfalltag die Maschinenmanipulation noch nicht aufgefallen war und darin die konkrete Möglichkeit gesehen, die von ihm und seinem Bruder Hermann R. veranlasste Umgehung der Lichtschrankensicherheitseinrichtung noch rechtzeitig vor einer Maschinenbegutachtung durch die Ermittlungsbehörden zu vertuschen. Er nahm die Anwesenheit des ihm gut bekannten Gewerbeaufsichtsbeamten B. zum Anlass, diesen durch Überreden zu einem Verzicht auf einen wahrheitsgemäßen Unfallbericht und zu einer Falschdarstellung gegenüber der Berufsgenossenschaft zu bewegen. Denn durch die Erwirkung einer berufsgenossenschaftlichen Freigabe mit Hilfe des Angeklagten B. und das anschließende Entfernen der Maschine, wären nicht nur eine berufsgenossenschaftliche Begutachtung der Maschine, sondern auch weitere Maßnahmen der Ermittlungsbehörden verhindert worden.

Sowohl der Polizeibeamte H. als erstanwesender Polizeibeamter am Unfallort als auch der Polizeibeamte K. haben hierzu zeugenschaftlich ausgesagt, auf Grund ihres maschinentechnischen Laienverständnisses das Fehlen der Lichtschrankensicherheitseinrichtung am Unfalltag noch nicht bemerkt zu haben. Vielmehr hat der Polizeibeamte K. anschaulich erklärt, er habe erst am Folgetag im Rahmen einer zufälligen Erkundigung in einem anderen Ermittlungsverfahren erfahren, dass Produktionsmaschinen wie die Glaskantenschleifmaschine normalerweise mit einer Lichtschrankensicherheitseinrichtung ausgestattet seien.

Hingegen hat der Angeklagte B. angegeben, er habe dem Angeklagten Heinrich R. in einem Vieraugengespräch seine Entdeckung der manipulativen Maschinenüberbrückung mitgeteilt und einen gewerbeaufsichtsamtlichen Bericht angekündigt. Dies nimmt die Kammer dem Angeklagten B. ab. Der Angeklagte B. hat als technischer Aufsichtsbeamter des Gewerbeaufsichtsamts nämlich das technische Verständnis gehabt, um das Fehlen eigentlich erforderlicher Lichtschrankensicherungen umgehend zu erkennen. Abgesehen davon ist auf einem polizeilichen Lichtbild vom Unfalltag anhand der nicht gebrauchten Bohrlöcher am Maschinenpfeiler ohne weiteres erkennbar, dass dort der eigentlich vorgesehene linke Lichtschrankenträger gefehlt hat. Die Kammer glaubt dem Angeklagten B. auch, dass der Angeklagte Heinrich R. vehement versucht habe, ihn davon abzubringen, einen wahrheitsgemäßen Unfallbericht unter Erwähnung der manipulativen Maschinenüberbrückung zu verfassen und ihm einen solchen Berichtsverzicht damit schmackhaft gemacht habe, dass die in die Jahre gekommene Maschine eh verschrottet werde und damit keine Personen mehr gefährden könne.

Dass der Angeklagte Heinrich R. höchstpersönlich ohne Einschaltung seines Sekretariats nur wenige Stunden nach dem Unfall in dem Bewusstsein der polizeilichen Beschlagnahme der Maschine und dem Wissen um die Kenntnis des anwesenden Gewerbeaufsichtsbeamten vom manipulierten Betrieb der Maschine trotz alledem nicht von dem Versuch abgesehen hat, die Freigabe der Unfallmaschine durch die Berufsgenossenschaft zu erwirken, spricht klar dafür, dass der Angeklagte Heinrich R. alles ihm Mögliche hat tun wollen, um die von seiner Person und der Person seines Bruders Hermann R. ausgegangene Veranlassung des Betriebs der Glaskantenschleifmaschine ohne Lichtschrankensicherheitseinrichtung zu verbergen.

Die Einlassung des Angeklagten Heinrich R., er habe zur Klärung der Formalitäten bei der Berufsgenossenschaft angerufen, das Gespräch auf Lautsprecher gestellt und den Hörer nach Schilderung des Sachverhalts sogleich dem Mitangeklagten B. übergeben, das Gespräch dann aber nicht weiter verfolgt, sondern nur mitbekommen, wie Herr B. dem Mitarbeiter der Berufsgenossenschaft einige technische Details übermittelt habe, widerspricht jeglicher Lebenserfahrung und ist eine widerlegte Schutzbehauptung. Immerhin ist es der Angeklagte Heinrich R. selbst gewesen, der bei der Berufsgenossenschaft angerufen und sodann den Hörer an den Angeklagten B. weitergegeben hatte. Es lag also gerade im Interesse des Angeklagten Heinrich R. zu erfahren, was der Angeklagte B. dem Mitarbeiter der Berufsgenossenschaft mitteilte. Dass er dann dem weiteren Gesprächsverlauf keine Aufmerksamkeit geschenkt habe, ohne dass es zu irgendeiner Ablenkung gekommen war, hält die Kammer schon für ausgeschlossen. Hinzu kommt, dass nach den Bekundungen des Zeugen Ga. dieser am Unfalltage im allgemeinen Bereitschaftsdienst den Anruf des Angeklagten Heinrich R. entgegengenommen habe, jener wiederum nach einem kurzen Gespräch den Hörer an eine andere Person weitergegeben habe, die sich als Mitarbeiter der Gewerbeaufsicht ausgegeben habe. Der Mitarbeiter der Gewerbeaufsicht habe ihm einige technische Dinge der Maschine mitgeteilt und auf seine ausdrückliche Frage, ob er eine Begutachtung der Maschine durch die Berufsgenossenschaft für erforderlich halte, geantwortet, die Maschine sei in Ordnung und könne von Seiten der Berufsgenossenschaft freigegeben haben. In einer Gesamtwürdigung dieser Umstände geht die Kammer davon aus, dass es dem Angeklagten Heinrich R. in dem von ihm initiierten Telefongespräch zwischen dem Zeugen Ga. und dem Angeklagten B. darum ging, die -noch polizeilich beschlagnahmte- Maschine mit Zustimmung der Berufsgenossenschaft zu entfernen und der Angeklagte Heinrich R. dies sehr wohl mitverfolgt hat.

Gegen die Urheberschaft der beiden Angeklagten Hermann R. und Heinrich R. für die Entscheidung über die Maschinenmanipulation spricht auch nicht der Umstand, dass der Maschinensachverständige Dr. G. die unfallbetroffene Maschine doch noch am Unfallort in der Y.-Glas-Halle hat begutachten können. Nach dem Unfallereignis am Donnerstag, den 22.07.2010, hat der Sachverständige Dr. G. unter Anwesenheit des Polizeibeamten K. die Maschine -ungewöhnlicher Weise- bereits während des Wochenendes am Samstag, den 24.07.2010 besichtigt. Dass die Angeklagten Hermann R. und Heinrich R. zu diesem Zeitpunkt noch nicht für die Entfernung der Maschine gesorgt hatten, lässt sich damit erklären, dass sie mit einer solch frühen behördlichen Begutachtung der Maschine noch am Wochenende nicht gerechnet haben. Die Angeklagten Hermann R. und Heinrich R. sind von dem Ermittlungseifer des Polizeibeamten K., der sich kurzfristig zum Wochenende mit dem von der Staatsanwaltschaft beauftragten Sachverständigen Dr. G. verabredet hatte, zur Überzeugung der Kammer schlichtweg überrascht worden.

Unter Abwägung sämtlicher vorgenannter Indizien ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass es die Angeklagten Heinrich R. und Hermann R. gewesen sind, die die Entscheidung zur Manipulation der tatrelevanten Maschine gemeinsam getroffen haben, als diese Anfang des Jahres 2006 in der hochwertigen Y.-Glas-Glasproduktion eingesetzt wurde.

e) Verantwortlichkeit des Angeklagten A.

Die Überzeugung der Kammer, dass es der Angeklagte A. gewesen ist, der im Auftrag der Angeklagten Heinrich R. und Hermann R. die elektronische Überbrückung der Glaskantenschleifmaschine zur Gewährleistung des Maschinenbetriebes ohne Lichtschrankensicherheitseinrichtung durchgeführt hat, beruht auf folgenden Umständen:

Der Angeklagte A. kam als einziger Mitarbeiter der H.-Glas Unternehmensgruppe für die technische Ausführung der Überbrückung in Betracht. Er selbst ist als gelernter Elektroinstallateur auf Grund des damit zusammenhängenden elektronischen Grundverständnisses in der Lage gewesen, eine solche Überbrückung vorzunehmen. Bereits nach seiner eigenen Einlassung haben er und sein Instandsetzungsteam praktisch alle Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten in den Maschinenparks der H.-Glas Unternehmensgruppe eigenständig ausgeführt; auch habe er im Jahr 2007 die Lichtschranke einer anderen Maschine bei der H.-Glas Veredelungs GmbH auf Aufforderung der Berufsgenossenschaft problemlos eigenständig instand gesetzt. Darüber hinaus hat der einvernommene Zeuge U. als Mitarbeiter des von dem Angeklagten A. geleiteten Instandsetzungsteams bekundet, der Angeklagte A. verfüge als einziges Mitglied des Instandsetzungsteams über elektronische Fachkenntnisse, während er selbst zum Beispiel lediglich Schlosserarbeiten ausführen könne. Vor dem Hintergrund dieses Wissens und Könnens erscheint es ausgeschlossen, dass der Angeklagte A. die ausgebaute Lichtschranke auch während der von ihm und seinem Team durchgeführten regelmäßigen Wartungs- und Reparaturarbeiten zu keinem Zeitpunkt bemerkt haben könnte, wie er in seiner Einlassung glauben machen wollte.

Soweit der Angeklagte A. in Übereinstimmung mit den aktuell noch bei der H.-Glas Unternehmensgruppe tätigen Zeugen P. und U. die Vermutung geäußert hat, dass Mitarbeiter einer holländischen Unterfirma des Maschinenherstellers Bavelloni die Manipulation der Maschine vorgenommen haben könnten, schließt die Kammer dies aus. Auffällig ist, dass weder der Angeklagte A. noch die beiden Zeugen P. und U. den oder die Techniker jener holländischen Unterfirma direkt bei den Überbrückungsarbeiten gesehen haben wollen und diese externen Techniker die Manipulation wohl heimlich gemacht haben sollen. Die Kammer hatte den Eindruck, dass die diesbezügliche Einlassung des Angeklagten A. und die entsprechenden Bekundungen der noch bei der H.-Glas Unternehmensgruppe arbeitenden Zeugen P. und U. zur Entlastung der Angeklagten Gebrüder R., Ro., A. und H. vorher abgesprochen worden sind. Beispielsweise hat der Zeuge U. während seiner ausführlichen freien Sachverhaltsschilderung noch kein Wort zu der holländischen Unterfirma verloren und hat diese Information erst auf gezielte Nachfrage des Vertreters der Staatsanwaltschaft von sich gegeben. Maßgebend für die Überzeugungsbildung der Kammer ist, dass der plausibel und detailreich aussagende Zeuge N., ehemals K., der im Übrigen nicht mehr für die H.-Glas Unternehmensgruppe arbeitet, sich noch gut an den Aufbau der Glaskantenschleifmaschine in der Y.-Glas-Fabrikationshalle hat erinnern können und auf Nachfrage des Gerichts bekundet hat, dass keine externen Techniker, sondern lediglich das Instandsetzungsteam um den Angeklagten A. die Glaskantenschleifmaschine seinerzeit aufgebaut habe.

f) Verantwortlichkeit des Angeklagten H.

Die Überzeugung der Kammer von der Kenntnis des Angeklagten H. vom Fehlen der eigentlich dazugehörigen Lichtschrankensicherheitseinrichtung an der Glaskantenschleifmaschine bei der Ausarbeitung der auch Björn S. betreffenden Ausbildungspläne für die Flachglasmechaniker-Auszubildenden beruht auf folgenden Umständen: Dieser Angeklagte hatte aufgrund seiner beruflichen Laufbahn als Glasermeister Kenntnis von der Funktion und Arbeitsweise von Flachglasbearbeitungsmaschinen. Als Produktionsleiter der Y.-Glas GmbH & Co. KG ist er zur Überzeugung der Kammer auch über den Zustand der in seinem Betrieb eingesetzten Maschinen informiert gewesen, anderenfalls wäre er für diese Tätigkeit völlig ungeeignet gewesen. Ungeachtet dessen, dass der Angeklagte H. aufgrund Funktion und Vorkenntnissen schon erkannt haben muss, dass zu der Glaskantenschleifmaschine in der Y.-Glas-Fabrikationshalle eigentlich eine Lichtschrankensicherheitseinrichtung gehört hätte, zumal auf der rechten Seite des Glaskantenschleifbereichs noch der Lichtschrankenträger angebracht gewesen ist, auf der linken Seite jedoch gefehlt und an dessen Stelle der Maschinenschrank gestanden hat, ist für die Überzeugungsbildung der Kammer maßgebend, dass der ehemals bei der Y.-Glas GmbH & Co. KG beschäftigte Zeuge N., ehemals K., glaubhaft bekundet hat, dass er seinerzeit selbst mit dem Angeklagten H. über die Problematik der fehlenden Lichtschranke an der Glaskantenschleifmaschine gesprochen habe. Bezeichnenderweise hat der Zeuge N., ehemals K., auf die Frage des Gerichts, ob der Angeklagte H. von der fehlenden Lichtschrankensicherheitseinrichtung gewusst habe, vor der Schilderung des eigenen Gesprächs mit dem Angeklagten H. über die fehlende Lichtschranke spontan glaubhaft ausgestoßen: "Natürlich hat Herr H. davon gewusst. Der ist doch genauso Meister wie ich.". Daher handelt es sich bei der Einlassung des Angeklagten H., ihm sei das Erfordernis der Lichtschrankensicherheitseinrichtung an der Glaskantenschleifmaschine nicht bewusst gewesen, zur Überzeugung der Kammer um eine widerlegte Schutzbehauptung. Die ursächliche Mitwirkung des Angeklagten H. an dem Arbeitsunfall ist bewiesen durch das Eingeständnis dieses Angeklagten, dass er selbst in den Ausbildungsplänen niedergelegt habe, mit welchen Produktionsmaschinen die Flachglasmechaniker-Auszubildenden vertraut gemacht werden sollten, wozu auch der Einsatz des Björn S. an der Unfallmaschine gehört habe.

g) Verantwortlichkeit des Angeklagten Ro.

Dass der Angeklagte Ro. als Mitgeschäftsführer fahrlässig die zur Unfallvermeidung gebotenen Aufsichtsmaßnahmen verletzt hat, ergibt sich aus der Aussage des Zeugen Adolf S.. Dieser hat bekundet, dass er nach der mündlichen Information der Angeklagten Hermann und Heinrich R. auch den Angeklagten Ro. als zweiten Geschäftsführer der Y.-Glas GmbH & Co. KG auf die fehlenden oder funktionsuntüchtigen Sicherheitseinrichtungen an den Maschinen in der Y.-Glas-Fabrikationshalle -und zwar auch bezüglich der tatrelevanten Maschine- mündlich angesprochen habe. Es sei ihm aber nicht gelungen, in dem Gespräch mit dem Angeklagten Ro. die Mängel konkret zu beschreiben, weil der Angeklagte Ro. weitergehende Erläuterungen des Zeugen S. unter Hinweis auf seine Unzuständigkeit für die Y.-Glas-Maschinen dadurch unterbunden habe, indem er ihn im Gespräch in den Betriebsräumen schlicht stehen gelassen habe. Aus dieser glaubhaften Bekundung zieht die Kammer den Schluss, dass der Angeklagte Ro., obwohl er durch den Zeugen S. auf bestehende Mängel hingewiesen war, diesen Bedenken nicht nachgegangen ist.

h) Tatbeitrag des Angeklagten B.

Soweit sich der Angeklagte B. dahingehend eingelassen hat, er könne sich nicht mehr daran erinnern, gegenüber der Berufsgenossenschaft eine Ordnungsgemäßheit der Maschine bescheinigt zu haben, beruht die Überzeugung der Kammer vom festgestellten Sachverhalt auf folgenden Erwägungen:

Der Zeuge Ga., Mitarbeiter bei der Berufsgenossenschaft VBG Bielefeld, hat in Übereinstimmung mit seinem für die Berufsgenossenschaft gefertigten Gedächtnisprotokoll vom 01.12.2010 und seiner polizeilichen Zeugenvernehmung vom 16.12.2010 in der Hauptverhandlung glaubhaft bekundet, am 22.07.2010 habe ein Mitarbeiter der Gewerbeaufsicht ihm in einem nachmittäglichen Telefonat gegen 17:00 Uhr versichert, dass die Unfallmaschine in Ordnung sei und seitens der Gewerbeaufsicht keinerlei Einwände gegen eine berufsgenossenschaftliche Freigabe beständen. Der Zeuge Ga. hat detailliert und widerspruchsfrei geschildert, wie er nach Behördenschluss auf dem allgemeinen Servicetelefon einen Anruf von einem Geschäftsführer einer Firma erhalten habe, der einen Unfall habe melden wollen. Der Zeuge Ga. hat weiter ausgesagt -in Übereinstimmung mit den Einlassungen der Angeklagten Heinrich R. und B.-, dass der Geschäftsführer auf einmal den Hörer weitergegeben habe und er mit einer Person gesprochen habe, die sich als Mitarbeiter der Gewerbeaufsicht ausgegeben habe. Der Mitarbeiter der Gewerbeaufsicht habe ihm einige technische Dinge der Maschine mitgeteilt. Auf seine explizite Frage an den Mitarbeiter der Gewerbeaufsicht, ob dieser eine Begutachtung der Maschine durch die Berufsgenossenschaft für erforderlich halte, habe der Gewerbeaufsichtsmitarbeiter geantwortet, die Maschine sei in Ordnung und es spreche nichts gegen eine berufsgenossenschaftliche Freigabe der Maschine. Als er dann wiederum nach Rückgabe des Telefonhörers mit dem Geschäftsführer der Firma gesprochen habe und Details zu dem Unfall habe aufnehmen wollen, sei das Gespräch von dem Geschäftsführer unter dem Hinweis, dass dies ja auch schriftlich möglich sei, abrupt beendet worden. Der Zeuge Ga. hat ein ausgesprochen konstantes Aussageverhalten an den Tag gelegt. Dass der Zeuge Ga. den Angeklagten B. falsch verstanden hat, schließt die Kammer aus. Schließlich hat der Zeuge Ga. bekundet, die Ordnungsgemäßheit der Maschine sei von dem Gewerbeaufsichtsmitarbeiter am Telefon nicht von allein, sondern erst auf seine explizite Frage nach der Erforderlichkeit einer berufsgenossenschaftlichen Begutachtung erfolgt. Bewusste Falschbelastungstendenzen sind bei dem Zeugen Ga. nicht erkennbar.

Die Feststellungen zur Art der Ausfüllung des gewerbeaufsichtsamtlichen Unfalluntersuchungsbogens vom 26.07.2010 beruhen auf dem in der Hauptverhandlung sowohl in Augenschein genommenen als auch verlesenen Unfalluntersuchungsbogen. Der Angeklagte B. hat selbst bestätigt, dass er diesen Unfalluntersuchungsbogen am 26.07.2010 erstellt habe und ihm zu diesem Zeitpunkt der tödliche Ausgang des Arbeitsunfalls vom 22.07.2010 bewusst gewesen sei. Soweit der Angeklagte B. sich dahingehend eingelassen hat, er könne nicht verstehen, was falsch daran sei, wenn bei einer manipulativen Maschinenüberbrückung zur Ausschaltung einer Lichtschrankenfunktion von "Versagen einer sicherheitstechnischen Einrichtung" anstatt von "Umgehung einer sicherheitstechnischen Einrichtung" gesprochen werde, hält die Kammer dies für eine reine Schutzbehauptung. Der Angeklagte B. ist ein langjähriger und erfahrener Gewerbeaufsichtsbeamter, der ohne weiteres erkennt, dass im gewerbeaufsichtsamtlichen Unfallbogen mit der Ankreuzalternative "Versagen" ein versehentlicher ungewollter Sicherheitseinrichtungsausfall und mit der Ankreuzalternative "Umgehung" ein absichtlich herbeigeführter Sicherheitseinrichtungsausfall gemeint ist, und dass damit die gewerbeaussichtsamtlichen Aktenvorgänge bei strafrechtlichen Ermittlungen beigezogen werden.

V. Rechtliche Würdigung

1) Angeklagter Heinrich R.:

Der Angeklagte Heinrich R. hat sich der fahrlässigen Tötung gemäß § 222 StGB in Form der bewussten Fahrlässigkeit schuldig gemacht.

Eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung liegt bei dem Angeklagten Heinrich R. vor: Ein Arbeitgeber hat die Pflicht, die in seinen Betriebsräumlichkeiten beschäftigten Mitarbeiter soweit wie möglich vor gesundheitlichen Risiken zu schützen. Diesen Anforderungen hat der Angeklagte Heinrich R. als intern für den Maschinenpark zuständiger Geschäftsführer konträr entgegengehandelt, indem er absichtlich aus Produktivitätsgründen die vom Hersteller aus Arbeitsschutzgründen ausdrücklich vorgesehene Lichtschrankensicherheitseinrichtung an der Glaskantenschleifmaschine hat entfernen und die Glaskantenschleifmaschine hat manipulativ überbrücken lassen. Nach der Vorschrift des § 3a Abs. 1 der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass Arbeitsstätten so eingerichtet und betrieben werden, dass von ihnen keine Gefährdung für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten ausgehen. Dabei hat er unter anderem den Stand der Technik zu berücksichtigen. Gemäß § 4 Abs. 1 der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) hat der Arbeitgeber die Arbeitsstätte instand zu halten und dafür zu sorgen, dass festgestellte Mängel unverzüglich beseitigt werden. Können Mängel, mit denen eine unmittelbare erhebliche Gefahr verbunden ist, nicht sofort beseitigt werden, ist die Arbeit insoweit einzustellen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Gemäß § 3 Abs. 1 Sätze 2 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) hat der Arbeitgeber die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat der Arbeitgeber gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben. Gemäß § 4 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) hat der Arbeitgeber bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von den allgemeinen Grundsätzen auszugehen, dass die Arbeit so zu gestalten ist, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird, dass Gefahren an ihrer Quelle zu bekämpfen sind und dass bei den Maßnahmen der Stand der Technik zu berücksichtigen ist.

Verantwortlich für die Erfüllung der Arbeitsschutzpflichten nach dem ArbSchG ist neben dem Arbeitgeber insbesondere gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) das vertretungsberechtigte Organ einer juristischen Person und damit auch der Geschäftsführer einer Kommanditgesellschaft wie der Y.-Glas GmbH & Co. KG. Der Angeklagte Heinrich R. ist Geschäftsführer der Y.-Glas GmbH & Co. KG mit der internen Verantwortlichkeit für den Maschinenpark. Den vorgenannten Vorschriften, die Ausfluss des Arbeitsschutzgedankens sind, hat der Angeklagte Heinrich R. aktiv entgegengehandelt.

Dass die Entscheidung eines Geschäftsführers wie des Angeklagten Heinrich R. zur Umgehung der Lichtschrankensicherheitseinrichtung bei einer Glaskantenschleifmaschine mit einem beweglichen Oberwagen zu schweren und insbesondere auch tödlichen Verletzungen durch Einklemmungen und Quetschungen bei der Bedienung der Glaskantenschleifmaschine führen kann, ist auch objektiv vorhersehbar gewesen. Die Voraussehbarkeit des Verlaufs im Allgemeinen genügt. Alle konkreten Einzelheiten brauchen nicht voraussehbar zu sein. Indizielle Bedeutung für die Voraussehbarkeit hat in der Regel -wie hier geschehen- die Verletzung von Sicherheitsvorschriften (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 59. Aufl. 2012, § 222, Rdnr. 26). Dass Björn S. sind in den gesundheits- und sogar lebensgefährdenden Bereich begeben würde, war ebenfalls voraussehbar, da es betrieblich Übung in der Y.-Glas GmbH & Co. KG gewesen ist, manuelle Verrichtungen bei laufendem Maschinenbetrieb im Maschinenarbeitsbereich zu verrichten. Dieses Verhalten ist den Auszubildenden zum Flachglasmechaniker von Anfang an beigebracht worden. Nicht zuletzt zur Ermöglichung jener manuellen Verrichtungen während des laufenden Maschinenbetriebes hat der Angeklagte Heinrich R. - gemeinsam mit seinem Bruder Hermann R. - schließlich die Umgehung der Lichtschrankensicherheitseinrichtung beschlossen.

Die gemeinsam mit seinem Bruder Hermann getroffene Entscheidung des Angeklagten Heinrich R. zum Betrieb der Maschine ohne Lichtschrankensicherheitseinrichtung ist auch ursächlich für das tödlich verlaufende Einquetschen des Björn S. gewesen. Ohne die Anordnung des Angeklagten Heinrich R. zum Betreiben der Glaskantenschleifmaschine ohne Lichtschrankensicherheitseinrichtung hätte die Lichtschrankensicherheitseinrichtung dafür gesorgt, dass der bewegliche Oberwagen der Maschine beim Herantreten des Björn S. an den Maschinenarbeitstisch und seinem Hineinbeugen in den linken Maschinenarbeitsbereich abrupt gestoppt hätte und es nicht zu dem tödlich verlaufenden Einquetschen des Björn S. zwischen dem Maschinenoberwagen und dem feststehenden Maschinenrahmenaufbau gekommen wäre. Die durch die Manipulationsanordnung geschaffene Gesundheits- und Lebensgefahr hat sich im tödlichen Einquetschen des Björn S. verwirklicht.

Kausalität besteht, wenn die Handlung des Täters nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Abzustellen ist bei der Kausalitätsfrage stets darauf, ob zwischen dem konkreten Erfolg und dem wirklichen Geschehen eine ursächliche Verbindung besteht. Daher ist es für die Beurteilung des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs in vorliegender Sache irrelevant, ob der Auszubildende Björn S., wenn die erforderliche Lichtschrankensicherheitseinrichtung vorhanden gewesen wäre, auch bei einem absichtlichen Hinüberbeugen über eine vorhandene Lichtschranke dennoch einer Quetschungsgefahr ausgesetzt gewesen wäre. Beim konkreten Verhalten des Björn S., das zu der hier tatrelevanten tödlichen Quetschung geführt hat, nämlich dem tiefen Hineinbeugen in den Maschinenarbeitsbereich unter Abwendung des Körpers vom Maschinenkopf und dem Hineingreifen in das Werkzeuglager mit der rechten Hand direkten Herantreten an den Maschinenarbeitsbereichstisch, wäre es auf Grund des Durchbrechens der Lichtschranke auf jeden Fall zu einem abrupten Maschinenstopp gekommen. Daher entfällt in vorliegender Sache der Pflichtwidrigkeitszusammenhang auch nicht wegen rechtmäßigen Alternativverhaltens.

Der Angeklagte Heinrich R. war als erfahrener Geschäftsmann im Glasproduktionsbereich und erfahrener Geschäftsführer auch ohne weiteres in der Lage, die gebotenen Sorgfaltspflichten zu erkennen und einzuhalten und die lebensgefährlichen Auswirkungen seiner Entscheidung, die Überbrückung der Maschine zur Gewährleistung des Betriebes ohne die Lichtschrankensicherheitseinrichtung anzuordnen, zu erkennen.

2) Angeklagter Hermann R.:

Der Angeklagte Hermann R. hat sich ebenfalls wegen fahrlässiger Tötung gemäß § 222 StGB in Form der bewussten Fahrlässigkeit schuldig gemacht; für ihn gilt aufgrund des gemeinsam gefassten Entschlusses zum Ausbau der Lichtschranke und der zumindest gebilligten Ausführung dieser Manipulation das zur Verantwortlichkeit des angeklagten Heinrich R. Ausgeführte.

Hinzu kommt, dass der Angeklagte Hermann R. den Ausbildungsvertrag mit den Eltern des Auszubildenden Björn S. unterschrieben hat und daher überdies für die Sicherheit des ihm anvertrauten Auszubildenden verantwortlich war. Gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 3 des Jugendarbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) dürfen Jugendliche nicht beschäftigt werden mit Arbeiten, die mit Unfallgefahren verbunden sind, von denen anzunehmen ist, dass Jugendliche sie wegen mangelnden Sicherheitsbewusstseins oder mangelnder Erfahrung nicht erkennen oder nicht abwenden können. Darüber hinaus besagt § 14 Abs. 1 Nr. 5 des Bundesbildungsgesetzes (BBiG), welches auch für volljährige Auszubildende gilt, dass Ausbildende dafür zu sorgen haben, dass Auszubildende charakterlich gefördert sowie sittlich und körperlich nicht gefährdet werden. Als der noch minderjährige Björn S. im August 2008 seine Ausbildung zum Flachglasmechaniker begonnen hat, war dem Angeklagten Hermann R. bereits bewusst, dass die Glaskantenschleifmaschine manipuliert betrieben wurde. Seine Schutzpflicht hat sich jedoch auch nach dem Volljährigwerden des Björn S. fortgesetzt. Tatsächlich ist Björn S. mit Wissen und Wollen seines Ausbilders Hermann R. in der Produktion der Y.-Glas GmbH & Co. KG eingesetzt worden, wobei und obwohl dem Angeklagten Hermann R. bewusst war, dass bei der Glaskantenschleifmaschine in der Y.-Glas-Fabrikationshalle die Lichtschrankensicherheitsfunktion außer Betrieb gesetzt war. Bereits bei der Einstellung des Auszubildenden Björn S. war dem Angeklagten Hermann R. die Maschinenmanipulation in der Y.-Glas-Fabrikationshalle bewusst gewesen; gleichwohl billigte der Angeklagte Hermann R. den Einsatz des Auszubildenden Björn S. an der nicht dem Arbeitsschutz entsprechenden, manipulierten Glaskantenschleifmaschine in der Y.-Glas- Produktion. Damit hat der Angeklagte Hermann R. gegen die Pflicht zum Schutz seines Auszubildenden eklatant verstoßen.

Dass die Billigung des Einsatzes eines Auszubildenden in einer Firmenproduktion, von der der Ausbilder weiß, dass dort eine Glaskantenschleifmaschine ohne Lichtschrankensicherheitseinrichtung betrieben wird, zu einem schweren und sogar tödlichen Arbeitsunfall des Auszubildenden führen kann, ist auch objektiv vorhersehbar.

Die Billigung des Einsatzes des Auszubildenden Björn S. in der Y.-Glas-Produktion durch den Angeklagten Hermann R. ist auch ursächlich für den tödlichen Arbeitsunfall des Björn S. gewesen, weil Björn S. ohne die Manipulationsentscheidung der Gebrüder R. und die Billigung seines Ausbilders Hermann R. überhaupt nicht in der Y.-Glas-Produktion und damit auch nicht an der Unfallmaschine eingesetzt worden wäre.

Der Angeklagte Hermann R. hat auch subjektiv vorwerfbar gehandelt. Der Angeklagte Hermann R. ist Gründer der H.-Glas Unternehmensgruppe und besitzt als langjähriger Experte und Fachmann in der Glasfabrikationsbranche ohne weiteres die persönlichen Fähigkeiten und die individuelle Kenntnis, dass ein Auszubildender zum Flachglasmechaniker wie Björn S., der mit Billigung des Ausbilders in der Y.-Glas-Fabrikation eingesetzt wird, auch an Glaskantenschleifmaschinen ausgebildet wird, und die Bedienung einer Glaskantenschleifmaschine, an der die erforderlichen arbeitsschutztechnischen Lichtschrankensicherheitseinrichtungen fehlen, für den Auszubildenden lebensgefährlich ist.

3) Angeklagter A.:

Auch der Angeklagte A. hat sich wegen fahrlässiger Tötung gemäß § 222 StGB in Form der bewussten Fahrlässigkeit schuldig gemacht.

Der Angeklagte A. hat bewusst eine arbeitsschutztechnische Lichtschrankensicherheitseinrichtung unter Einsatz seiner elektronischen Fachkenntnisse eigenhändig außer Betrieb gesetzt und bewusst so unmittelbar für die Gewährleistung des Maschinenbetriebes ohne die erforderliche Lichtschrankensicherheitseinrichtung gesorgt.

Dass die eigenhändige Maschinenmanipulation zur Umgehung einer Lichtschrankensicherheitseinrichtung bei einer Glaskantenschleifmaschine zu einem tödlichen Arbeitsunfall an der Maschine wie bei Björn S. führen kann, ist auch objektiv vorhersehbar.

Die eigenhändige Maschinenmanipulation ist für den tödlichen Arbeitsunfall des Björn S. auch ursächlich gewesen. Der Pflichtwidrigkeitszusammenhang scheidet auch nicht unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens aus. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zur rechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten Heinrich R. verwiesen.

Auch der Angeklagte A. als Leiter des Maschineninstandsetzungsteams der H.-Glas Unternehmensgruppe hat die persönlichen Fähigkeiten und individuellen Kenntnisse gehabt, um zu erkennen, dass seine eigenhändige Maschinenmanipulation zu einem tödlichen Arbeitsunfall wie dem des Björn S. hat führen können.

Dem Angeklagten A. war es auch zumutbar, die Durchführung der Überbrückung der Maschine zu verweigern und die Maschine stattdessen ordnungsgemäß mit vorgesehener Lichtschrankensicherheitseinrichtung zu versehen. Die Zumutbarkeit entfällt auch nicht dadurch, dass der Angeklagte A. ebenfalls lediglich faktischer Befehlsempfänger gewesen ist. Es wäre ihm trotz seines Angestelltenverhältnisses gerade als Instandsetzungsleiter zumutbar gewesen, eine Überbrückung der Maschine unter Berufung auf den Arbeitsschutz abzulehnen.

4) Angeklagter H.:

Der Angeklagte H. hat sich ebenfalls der fahrlässigen Tötung gemäß § 222 StGB in Form der bewussten Fahrlässigkeit schuldig gemacht. Der Angeklagte H. hat in Kenntnis des Fehlens der erforderlichen Lichtschrankensicherheitseinrichtung an der Ausbildung des Björn S. mitgewirkt, indem er den Ausbildungsplan erstellt hat, der explizit auch Einsätze der Flachglasmechaniker-Auszubildenden an der manipulierten Glaskantenschleifmaschine vorgesehen hat, und als Produktionsleiter den Einsatz des Auszubildenden Björn S. mit veranlasst hat. Auch für diesen Angeklagten war objektiv vorhersehbar, dass der Einsatz eines Auszubildenden an einer Maschine ohne Lichtschrankensicherheitseinrichtung zu einem tödlichen Unfall führen kann.

Der Tatbeitrag des Angeklagten H. war für den tödlichen Unfall auch ursächlich gewesen. Hätte der Angeklagte H. die Ausbildung an der Glaskantenschleifmaschine in seinem Ausbildungsplan nicht vorgesehen, wäre der Auszubildende Björn S. an der manipulierten Glaskantenschleifmaschine nicht eingesetzt worden und es wäre nicht zu dem tödlichen Unfall gekommen.

Der Angeklagte H. hatte aufgrund seiner beruflichen Vorbildung als gelernter Glasermeister auch die persönlichen Fähigkeiten und individuellen Kenntnisse, um zu erkennen, dass eine Einsatzplanung von Auszubildenden an einer Glaskantenschleifmaschine ohne Lichtschrankensicherheitseinrichtung zu einem tödlichen Arbeitsunfall führen kann.

Dem Angeklagten H. wäre eine Nichtberücksichtigung der Glaskantenschleifmaschine in den Ausbildungsplänen auch zumutbar gewesen. Die Zumutbarkeit entfällt nicht dadurch, dass er für den Fall der Nichtberücksichtigung der Glaskantenschleifmaschine in den Ausbildungsplänen unter Hinweis auf eine Gefährdung der Auszubildenden den Verlust seines Arbeitsplatzes zu befürchten gehabt hätte. Im Konfliktfall mit den Gebrüdern R. hätte er auch dann die Mitwirkung an der Ausbildung der Flachglasmechaniker-Auszubildenden unter Berufung auf den Arbeits- und Auszubildendenschutz ablehnen müssen.

5) Angeklagter Ro.:

Der Angeklagte Ro. hat sich wegen fahrlässigen Unterlassens einer Aufsichtsmaßnahme, die erforderlich ist, um in einem Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber des Unternehmens treffen, gemäß §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 130 OWiG zu verantworten.

Der Angeklagte Ro. hätte spätestens nach dem an ihn gerichteten Hinweis auf die Missstände an den in der Fabrikationshalle der Y.-Glas GmbH & Co. KG befindlichen Maschinen inklusive der hier tatrelevanten Glaskantenschleifmaschine durch die externe Fachkraft für Arbeitssicherheit Adolf S. dieser Problematik durch eigene Maschinenüberprüfungsmaßnahmen und ein Zurredestellen des Mitgeschäftsführers Heinrich R. nachgehen müssen, was er jedoch nicht getan hat. Den Angeklagten Ro. entlastet nicht, dass er nach der internen Geschäftsführergebietsverteilung lediglich für Vertrieb und Akquise und der Angeklagte Heinrich R. für den Maschinenpark verantwortlich gewesen sind. Spätestens nach der Information durch die Sicherheitsfachkraft Adolf S. hätte auch der Angeklagte Ro. den Mitangeklagten Heinrich R. zur Rede stellen und darauf hinwirken müssen, ob und dass die Vorschriften der §§ 3 a Abs. 1, 4 Abs. 1 der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) sowie §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 4 Nr. 1 bis 3 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) eingehalten werden und eine Gefährdung von Mitarbeitern unterbleibt.

Eine Pflichtenübertragung ist zwar auch unter Gleichrangigen möglich und kann gesetzlich bestehende Verantwortlichkeiten verteilen -etwa unter Geschäftsführern, die kraft ihrer Amtsstellung grundsätzlich für alle Angelegenheiten der Gesellschaft zuständig sind: Der vom Gesetz vorgesehenen Allzuständigkeit des Geschäftsführers steht eine entsprechend umfassende Verantwortung für die Belange der Gesellschaft gegenüber. Demgemäß ist auch in einer mehrgliedrigen Geschäftsleitung grundsätzlich jeder Geschäftsführer für die Erfüllung der öffentlich rechtlichen Pflichten der Gesellschaft verantwortlich - und zu diesen öffentlich rechtlichen Pflichten gehört der Arbeitsschutz. Wenn einem Mitglied der Unternehmensleitung bestimmte Aufgaben übertragen werden (horizontale Pflichtenübertragung), können die anderen Mitglieder ihre Haftung auf Aufsichtspflichten beschränken, jedoch nicht vollständig ausschließen. Erfährt ein Geschäftsführer von Unregelmäßigkeiten in einem nach der internen Zuständigkeit nicht zu seinen Aufgaben gehörenden Gebiet oder ist die Aufgabenerfüllung durch den Mitgeschäftsführer offensichtlich unzulänglich, muss der intern nicht zuständige Geschäftsführer trotzdem tätig werden (vgl. Willrich, Verantwortlichkeit und Pflichtenübertragung im Arbeitsschutzrecht, DB 2009, 1294).

In vorliegender Sache ist der Angeklagte Ro. schon seinen dauerhaft bestehenden Aufsichtspflichten nicht nachgekommen, geschweige denn hat er sich um die Maschinenarbeitsschutzproblematik nach dem Hinweis der Sicherheitsfachkraft Adolf S. gekümmert. Dies wäre jedoch -auch für ihn erkennbar- nötig gewesen, um in der Y.-Glas GmbH & Co. KG Zuwiderhandlungen gegen die Arbeitsschutzvorschriften zu verhindern.

6) Angeklagter B.:

Der Angeklagte B. hat sich der versuchten Strafvereitelung gemäß §§ 258 Abs. 1 und 4, 22, 23 StGB schuldig gemacht.

Durch die bewusste wahrheitswidrige Angabe der Ordnungsgemäßheit der unfallbetroffenen Maschine gegenüber der Berufsgenossenschaft am Nachmittag des 22.07.2010 und durch das Bescheinigen des "Versagens einer sicherheitstechnischen Einrichtung" anstatt des Bescheinigens einer "Umgehung einer sicherheitstechnischen Einrichtung" im gewerbeaufsichtsamtlichen Unfallbericht vom 26.07.2010 hat der Angeklagte B. versucht, die Angeklagten Heinrich R. und Hermann R. -neben berufsgenossenschaftlichen und gewerbeaufsichtsamtlichen Konsequenzen- auch vor strafrechtlichen Folgen des maschinenmanipulationsbedingten Arbeitsunfalls zu bewahren. Dabei war ihm bewusst, dass die Ermittlungsbehörden bei ihren Ermittlungen auch die berufsgenossenschaftlichen und gewerbeaufsichtsamtlichen Akten und Erkenntnisse hinzuziehen würden.

Die bewusste telefonische Falschangabe gegenüber der Berufsgenossenschaft vom 22.07.2010 und die bewusste Falschangabe im Untersuchungsbogen vom 26.07.2010 stellen lediglich eine Tat dar. Mehrere auf einem einheitlichen "Verteidigungskonzept" beruhende Handlungen mit dem Ziel, die Durchführung eines Verfahrens und die Bestrafung einer Person zu verhindern, sind nämlich nur eine Tat (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 59. Aufl. 2012, § 258, Rdnr. 41).

Soweit der Angeklagte B. dem Polizeibeamten K. am 23.07.2010 wahrheitswidrig telefonisch mitgeteilt hat, er habe die Funktionsfähigkeit der Lichtschrankensicherheitseinrichtung noch nicht überprüfen können, und soweit der Angeklagte B. am 22.09.2010 in seiner polizeilichen Zeugenvernehmung die Frage des Polizeibeamten K., ob er -B.- an der Unfallmaschine Auffälligkeiten festgestellt habe, mit "nein" beantwortet und angegeben hat, nicht nach Lichtschranken geschaut zu haben, können diese beiden Verhaltensweisen nicht als Bestandteil einer Strafvereitelung gewertet werden. Zum Zeitpunkt des Telefonats mit dem Polizeibeamten K. vom 23.07.2010 war dem Angeklagten B. nämlich bewusst gewesen, dass er am Vortag des 22.07.2010 bereits telefonisch die Berufsgenossenschaft belogen hatte. Zum Zeitpunkt der polizeilichen Zeugenaussage vom 22.09.2010 ist dem Angeklagten B. klar gewesen, dass er sowohl am 22.07.2010 gegenüber der Berufsgenossenschaft und auch am 26.07.2010 im gewerbeaufsichtsamtlichen Unfalluntersuchungsbogen gelogen hatte. Ihm war klar, dass bei wahrheitsgemäßen Angaben gegenüber den Polizeibeamten sein strafvereitelndes Verhalten im Telefonat mit der Berufsgenossenschaft und beim Ausfüllen des gewerbeaufsichtsamtlichen Untersuchungsbogens schnell ans Licht geraten könnte. Daher hat er durch die Falschangaben gegenüber den Polizeibeamten neben der Inschutznahme des Angeklagten Heinrich R. zumindest zugleich versucht zu verhindern, dass er selbst wegen versuchter Strafvereitelung oder Strafvereitelung gemäß § 258 StGB bestraft wird. Gemäß § 258 Abs. 5 StGB wird wegen Strafvereitelung jedoch nicht bestraft, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, dass er selbst bestraft wird.

IV. Rechtsfolgen

1) Zur Ahndung der fahrlässigen Tötung hat die Kammer die gegen die Angeklagten Heinrich R., Hermann R., A. und H. zu verhängenden Strafe dem Strafrahmen des § 222 StGB entnommen, der Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorsieht.

a) Hinsichtlich der Angeklagten Heinrich und Hermann R. hat die Kammer folgende Strafzumessungsgesichtspunkte für maßgebend erachtet: Zu Gunsten dieser beider Angeklagten hat die Kammer berücksichtigt, dass sie bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sind. Strafmildernd hat die Kammer auch in ihre Überlegungen eingestellt, dass seit dem Unfall bereits mehr als drei Jahre vergangen sind, wobei aufgrund des Umfangs der Ermittlungen eine wesentliche Verfahrensverzögerung jedoch nicht festzustellen ist. Straferschwerend musste sich bei beiden Angeklagten das besondere Maß an subjektiver Pflichtwidrigkeit auswirken, da sie die für den tödlichen Arbeitsunfall ursächliche Manipulation bewusst, also vorsätzlich herbeigeführt hatten. Ferner hat die Kammer zu ihren Lasten gewertet, dass die Angeklagten die ursächliche Handlung aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen und damit zur Profitsteigerung begangen haben. Aus diesen Gründen kam bei beiden Angeklagten als angemessener Schuldausgleich die Verhängung einer Geldstrafe nicht mehr in Betracht; vielmehr erschien der Kammer die Verhängung einer Freiheitsstrafe geboten und bei beiden Angeklagten in Höhe von jeweils von sechs Monaten als tat- und schuldangemessen.

Die Vollstreckung der erkannten Freiheitsstrafen konnte bei beiden Angeklagten zur Bewährung ausgesetzt werden, da zu erwarten ist, dass die bislang unbestraften Angeklagten sich die bloße Verurteilung zur hinreichenden Warnung dienen lassen werden und künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen werden.

b) Zu Gunsten des Angeklagten A. hat die Kammer ebenfalls berücksichtigt, dass er strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten ist und der Unfall bereits mehr als drei Jahre zurückliegt, wobei aufgrund des Umfangs der Ermittlungen eine wesentliche Verfahrensverzögerung jedoch nicht festzustellen ist. Strafmildernd hat die Kammer weiterhin gewertet, dass der Angeklagte A. die manipulativen Überbrückung der Glaskantenschleifmaschine zur Gewährleistung des Maschinenbetriebes ohne Lichtschrankensicherheitseinrichtung nicht aus eigenständigem Entschluss durchgeführt hat, sondern auf Anordnung gehandelt hat.

Zu Lasten des Angeklagten A. hat die Kammer gewertet, dass er es gewesen ist, der die für die Maschinenbediener hochgefährliche Maschinenüberbrückung mit eigenen Händen vorgenommen hat und ihm die Lebensgefährlichkeit seiner Manipulationstätigkeit bewusst gewesen ist.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Strafzumessungsgesichtspunkte hielt die Kammer bezüglich des Angeklagten A. die Verhängung einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen. Die Tagessatzhöhe von 40,- EUR entspricht den wirtschaftlichen Verhältnissen, die der Angeklagte glaubhaft angegeben hat.

c) Zu Gunsten des Angeklagten H. war zunächst zu berücksichtigen, dass auch er noch nicht vorbestraft ist seit dem Unfall bereits mehr als drei Jahre vergangen sind, wobei aufgrund des Umfangs der Ermittlungen jedoch keine wesentliche Verfahrensverzögerung festzustellen ist. Ferner hat die Kammer in ihre Überlegungen eingestellt, dass das Maß der von ihm an den Tag gelegten Pflichtwidrigkeit sowohl im Verhältnis zu den beiden Angeklagten Heinrich R. und Hermann R., aber auch im Vergleich zum Angeklagten A. deutlich niedriger liegt. Zum einen hat der Angeklagte H. bei seinem Eintritt als Mitarbeiter in die Y.-Glas GmbH & Co. KG die Glaskantenschleifmaschine bereits in ihrem manipulierten Zustand vorgefunden. Zum anderen hat er weder die Entscheidung zur Manipulation der Maschine getroffen noch die Manipulation selbst umgesetzt. Zu Gunsten des Angeklagten H. musste sich auch sein von der Kammer beobachtetes Verhalten an den ersten drei Hauptverhandlungstagen auswirken. Der Angeklagte hat während der Verhandlungstage bewusst das Gespräch mit den Eltern des verstorbenen Björn S. gesucht, die als Nebenkläger anwesend gewesen sind und dort glaubhaft aufrichtig sein tiefstes Bedauern über den tragischen Tod des Björn S. zum Ausdruck gebracht.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Strafzumessungsgesichtspunkte hielt die Kammer die Verhängung einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen. Die Tagessatzhöhe von 30,- EUR ergibt sich aus den vom Angeklagten H. glaubhaft dargelegten wirtschaftlichen Verhältnissen.

Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass es ausreicht, den Angeklagten H. neben dem Schuldspruch zu verwarnen, die Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30,- EUR zu bestimmen und die Verurteilung zu dieser Geldstrafe vorzubehalten. Es ist zu erwarten, dass der bislang unbestrafte und bereits durch das Verfahren sichtlich beeindruckte Angeklagte H. künftig auch ohne Verurteilung zu einer Strafe keine Straftaten mehr begehen wird. Das geringe Maß der von ihm an den Tag gelegten Pflichtwidrigkeit und sein aufrichtiges Bedauern der Geschehnisse sowie sein Verhalten gegenüber den beiden Eltern des verstorbenen Björn S. begründen besondere Umstände, die es rechtfertigen, ihn von der Verurteilung zur Strafe zu verschonen. Das Maß seiner Verantwortlichkeit weicht bei zusammenfassender Würdigung aller Umstände von vergleichbaren, gewöhnlich vorkommenden Durchschnittsfällen deutlich ab. Die Verteidigung der Rechtsordnung gebietet eine Verurteilung zur Strafe nicht. Die informierte Öffentlichkeit würde angesichts der zu Gunsten des Angeklagten H. sprechenden Umstände eine Verwarnung und den Vorbehalt der Geldstrafe als ausreichend erachten.

2) Hinsichtlich des Angeklagten Ro. kann die Ordnungswidrigkeit nach § 130 Abs. 1 OWiG gemäß § 130 Abs. 3 Satz 1 OWiG mit einer Geldbuße bis zu 1.000.000,- EUR geahndet werden. Wegen der hier festgestellten fahrlässigen Begehungsweise ermäßigt sich das Höchstmaß der Geldbuße gemäß § 17 Abs. 2 OWiG auf die Hälfte, also auf 500.000,- EUR.

Zu Gunsten des Angeklagten Ro. hat das Gericht berücksichtigt, dass er nicht vorbestraft ist, der Unfall bereits mehr als drei Jahre zurückliegt, wobei aufgrund des Umfangs der Ermittlungen eine wesentliche Verfahrensverzögerung jedoch nicht festzustellen ist, und keine vorherigen arbeitsschutzrechtlichen Verstöße oder vorherige betriebliche Aufsichtsverletzungen des Angeklagten bekannt sind. Zu Lasten des Angeklagten wirkt sich jedoch aus, dass er selbst nach seiner Benachrichtigung über den kritischen Zustand des Maschinenparks in der Y.-Glas-Fabrikation durch die Sicherheitsfachkraft Adolf S. keine Anstalten gemacht hat, seiner auch vorher schon bestehenden Aufsichtspflicht nachzukommen.

Schließlich hat die Kammer bei der Bemessung der Geldbuße in Höhe von 10.000,- EUR auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten Ro. als Mitgeschäftsführer der Y.-Glas GmbH & Co. KG mit einem geschätzten monatlichen Nettoeinkommen von rund 6.000,- EUR unter Berücksichtigung seiner sechs zu versorgenden Kindern berücksichtigt.

3) Die gegen den Angeklagten B. zu verhängende Strafe hat die Kammer dem gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 258 Abs. 1 und 3 StGB entnommen, der Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren und 9 Monaten vorsieht. Nach einer Gesamtwürdigung der Tatumstände hält die Kammer es für angemessen, von der nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB zugelassenen Strafmilderung Gebrauch zu machen und den Normalstrafrahmen des § 258 Abs. 1 und 3 StGB entsprechend zu mildern. Die schulderhöhenden Gesichtspunkte stehen einer Milderung nicht entgegengegen. Zu Lasten des Angeklagten B. spricht zwar, dass er die Straftat in seiner Funktion als Gewerbeaufsichtsbeamter begangen hat und damit eklatant gegen seine gewerbeaufsichtsamtlichen Pflichten verstoßen hat. Er hat die Tat nicht nur bei Gelegenheit der Ausübung seines Dienstes begangen, sondern hat seine Dienstausübung quasi pervertiert, indem er versucht hat, die Maschinenmanipulation als wahre Unfallursache zu verschleiern, anstatt sie -wie es seine unbedingte berufliche Pflicht gewesen wäre- amtlich festzuhalten. Auf der anderen Seite wirkt sich aber zu Gunsten des Angeklagten B. aus, dass er bislang unbestraft ist, dass er eingestanden hat, den Unfallbericht vom 26.07.2010 bewusst wie festgestellt ausgefüllt zu haben und dass er unumwunden zugegeben hat, ihm sei die Manipulation der Glaskantenschleifmaschine sofort bei der Besichtigung am Unfalltag aufgefallen. Ferner hat die Kammer strafmildernd in ihre Überlegungen eingestellt, dass seit seinem Strafvereitelungsversuch mehr als drei Jahre vergangen sind, wobei aufgrund des Umfangs der Ermittlungen eine wesentliche Verfahrensverzögerung jedoch nicht festzustellen ist.

Nach nochmaliger Abwägung der vorgenannten Strafzumessungsgesichtspunkte, insbesondere seiner Unbestraftheit, aber auch dem eklatanten Verstoß gegen seine Pflichten als Gewerbeaufsichtsbeamter hielt die Kammer bezüglich des Angeklagten B. die Verhängung einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen. Die Tagessatzhöhe von 100,- EUR ergibt sich aus den von dem Angeklagten B. glaubhaft dargelegten wirtschaftlichen Verhältnissen.

VI. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465, 466 StPO.

Die Entscheidung über die Tragung der notwendigen Auslagen der Nebenkläger folgt aus § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO. Auch der Angeklagte Ro. hat die notwendigen Auslagen der Nebenkläger zu tragen. Für die Auslagentragungspflicht genügt nämlich auch die Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit, die -wie in vorliegender Sache- nicht nur im allgemeinen Interesse erlassen worden ist, sondern auch den einzelnen Arbeitnehmer schützen soll (vgl. Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 55. Aufl. 2012, § 472, Rdnr. 6). Der Angeklagte B. muss die notwendigen Auslagen der Nebenkläger dagegen nicht tragen, weil er lediglich wegen einer Tat verurteilt worden ist, die die Nebenkläger nicht betreffen.

Dr. T. Vors. Richter am Landgericht
B. Richter am Landgericht
Dr. W. Richterin am Landgericht