Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 28.08.2013, Az.: 1 Ss 90/13

Beschränkung des Anfechtungsrechts eines Nebenklägers bzgl. der Verurteilung des Angeklagten zu einer höheren Strafe (hier: wegen fahrlässiger Tötung)

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
28.08.2013
Aktenzeichen
1 Ss 90/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 49509
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2013:0828.1SS90.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Leer - 27.12.2012 - AZ: 6c Ds 503/12

Fundstellen

  • NStZ-RR 2013, 6
  • NStZ-RR 2013, 385

In der Strafsache
gegen Herrn H .... R .... aus E .... ,
dort geb. am .................,
wegen fahrlässiger Tötung,
Verteidiger: Rechtsanwältin L ......... T ........., E ................,
Nebenkläger:
1.) Frau I ...-C ... V ... ,
2.) Herr G ... V ... , beide F ..... ,
3.) Frau S ... V... , L ....,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt B ......, D .............,
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 28. August 2013
durch
den ............................................., den ....................................... und die ......................................... auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Beschwerdeführers
beschlossen:

Tenor:

Die Revision der Nebenklägerin zu 1.) gegen das Urteil des Amtsgerichts Leer vom 27. Dezember 2012 wird als unzulässig verworfen.

Die Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Revision; die Nebenklägerin zu 1.) trägt zudem die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe

Das Amtsgericht Leer hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung des Sohnes der Nebenkläger zu 1.) und 2.) und Ehemannes der Nebenklägerin zu 3.) zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 15,- € verurteilt.

Gegen dieses Urteil haben zunächst alle drei Nebenkläger fristgerecht Rechtsmittel eingelegt, die Nebenklägerin zu 1.) hat dieses Rechtsmittel innerhalb der mit Zustellung des Urteils am 2. November 2012 beginnenden Frist am Montag, den 3. Dezember 2012 als (Sprung-) Revision bezeichnet und diese zugleich begründet. Die Nebenkläger zu 2.) und 3.) haben das Rechtsmittel zurückgenommen.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Revision rügt die Nebenklägerin eine Verletzung formellen Rechts. Sie trägt dazu - zusammengefasst - vor, zu dem Hauptverhandlungstermin am 27. September 2012 sei weder sie noch ihr Verfahrensbevollmächtigter geladen worden, obwohl sie bereits - vor Anklageerhebung - mit Schriftsatz vom 19. Juli 2013 den Anschluss als Nebenklägerin erklärt habe.

Die allein auf die Verfahrensrüge gestützte Revision ist unzulässig, weil die Nebenklägerin durch das angefochtene Urteil nicht beschwert ist.

Allerdings ist zutreffend, dass das Amtsgericht, das erst mit Beschluss vom 26. September 2012 die Berechtigung zur Nebenklage festgestellt hat, die Nebenklägerin nicht zur Hauptverhandlung geladen und damit gegen § 397 Abs. 1 S. 2 StPO verstoßen hat. Der Umstand, dass der Verfahrensbevollmächtigte am Vortag telefonisch von dem Termin benachrichtigt worden ist, ist ohne Belang, weil dies die notwendige Ladung der Nebenklägerin nicht zu ersetzen vermag und überdies damit auch die - ebenfalls für einen Nebenkläger geltende - Ladungsfrist des § 217 StPO nicht eingehalten worden ist.

Die Nebenklägerin ist jedoch durch das in ihrer Abwesenheit ergangene Urteil nicht beschwert, so dass es an einer notwendigen Voraussetzung für die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels fehlt.

Gemäß § 400 StPO steht einem Nebenkläger nur ein beschränktes Anfechtungsrecht zu, insbesondere kann er das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder dass der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluss des Nebenklägers berechtigt.

Zwar hat die Nebenklägerin ihr Rechtsmittel nicht damit begründet, die Verurteilung des Angeklagten zu einer höheren Strafe erreichen zu wollen. Da aber der Angeklagte entsprechend der Anklage wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden ist, kann Ziel des Revisionsangriffs nur eine andere Sanktion sein.

Allein die Verletzung des Verfahrensrechts der Nebenklägerin, mangels Ladung an der Terminsteilnahme gehindert gewesen zu sein, vermag die Annahme einer Beschwer und damit die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen. Denn auf der unterbliebenen Ladung beruht das Urteil nur, wenn auszuschließen ist, dass ein Nebenkläger Tatsachen hätte vorbringen und/oder Beweismittel hätte beibringen können, die für den Schuldspruch wesentliche Bedeutung hätten haben können (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 396 Rn. 20 ff mit Rspr.-Nachw. für den Fall der fehlerhaften Nichtzulassung). Dafür hat die Nebenklägerin nichts vorgetragen und ist auch sonst nichts ersichtlich.

Die Zurückverweisung allein hinsichtlich einer unterbliebenen Adhäsionsentscheidung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Zutreffend ist zwar, dass der Nebenklägerin die Stellung eines Adhäsionsantrages durch den Verfahrensfehler genommen oder jedenfalls erschwert worden ist, da sie im Falle rechtzeitiger Ladung und Teilnahme diesen Antrag noch in der Hauptverhandlung hätte stellen können. Gemäß § 406a Abs. 1 StPO kann ein Adhäsionskläger jedoch lediglich die Vorabentscheidung gemäß § 406 Abs. 5 StPO unter engen Voraussetzungen mit der sofortigen Beschwerde - deren Zulässigkeit nach Erlass der den Rechtszug abschließenden Entscheidung entfällt (vgl. Meyer Goßner, a.a.O., § 406a Rn. 2) - anfechten und steht ihm im Übrigen ein Rechtsmittel nicht zu. Hintergrund dieser gesetzlichen Regelung ist, dass der Adhäsionskläger in solchen Fällen seine zivilrechtlichen Ansprüche vor dem Zivilgericht geltend machen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 18.12.2007, Az. 5 StR 578/07 - bei [...]). Dies gilt in gleicher Weise für den Nebenkläger, der durch Verfahrensfehler an der Stellung eines Adhäsionsantrages gehindert wird.

Diese Rechtsmittelbeschränkung führt aber auch dazu, dass allein auf eine fehlerhaft unterbliebene Adhäsionsentscheidung eine Beschwer des Nebenklägers hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs nicht gestützt werden kann, so dass auch dieser Umstand nicht zu einer Aufhebung und Zurückverweisung des strafrechtlichen Teils führen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S. 1 und S. 3 StPO.