Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 06.08.2013, Az.: 1 Ws 438/13; 1 Ws 439/13

Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung bei einem beharrlichen Entzug der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers durch den Verurteilten

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
06.08.2013
Aktenzeichen
1 Ws 438/13; 1 Ws 439/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 42257
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2013:0806.1WS438.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 13.06.2013

Fundstelle

  • StRR 2014, 154

Hinweis

Verbundenes Verfahren

Verbundverfahren:
OLG Oldenburg - 06.08.2013 - AZ: 1 Ws 439/13

Amtlicher Leitsatz

Allein der Umstand, dass sich der Verurteilte der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht, rechtfertigt nicht den Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung.

In der Bewährungssache

betreffend pp.

Verteidiger: Rechtsanwalt Möckel, Giesenweg 1. 26133 Oldenburg,

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg am 6. August 2013

durch die unterzeichnenden Richter beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Oldenburg bei dem Amtsgericht Wilhelmshaven vom 13. Juni 2013, durch den die dem Verurteilten durch Urteil des Amtsgericht Aurich vom 26. März 2010 bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen worden ist,

    aufgehoben.

  2. 2.

    Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der durch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Oldenburg bei dem Amtsgericht Wilhelmshaven erlassene Sicherungshaftbefehl vom 7. Januar 2013 aufgehoben.

  3. 3.

    Die Kosten der Beschwerdeverfahren und die dadurch dem Verurteilten entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

zu 1.

Die gegen den Widerruf der Strafaussetzung der Bewährung gerichtete sofortige Beschwerde des Verurteilten ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

Ein Verstoß gegen § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB, auf den die Strafvollstreckungskammer den Bewährungswiderruf vorrangig gestützt hat, liegt nicht vor.

Nach dieser Vorschrift kann die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen werden, wenn sich der Verurteilte der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass er erneut Straftaten begehen wird. Da es nicht um die Ahndung einer Unbotmäßigkeit gegenüber dem Bewährungshelfer geht, kann der beharrliche oder gröbliche Verstoß des Verurteilten gegen ihm erteilte Weisungen oder das beharrliche Sich- Entziehen der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers allein den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nicht rechtfertigen. Der Bewährungswiderruf ist keine Strafe für den Weisungsverstoß. Maßgeblich ist vielmehr, ob unter Berücksichtigung der gesamten Umstände der Verstoß zu der kriminellen Neigung oder Auffälligkeit des Verurteilten so in einer kausalen Beziehung steht, dass die Gefahr weiterer Straftaten besteht (BVerfG NStZ-RR 2007, 338 [BVerfG 22.06.2007 - 2 BvR 1046/07] m.w.N.).

Eine derartige Kausalität vermag der Senat vorliegend nicht zu erkennen. Mangels weiterer Anhaltspunkte wäre eine solche nur dann anzunehmen, wenn die gegen den Verurteilten laufenden Straf- und Ermittlungsverfahren Straftaten zum Gegenstand hätten, die der Verurteilte zeitlich nach dem Weisungsverstoß begangen haben soll.

Dieses ist indessen nicht der Fall.

Ausweislich der Berichte der Bewährungshelferin vom 30. Mai 2012 und 17. September 2012 war es jedenfalls am 29. Mai 2012 zu einer Kontaktaufnahme seitens des Verurteilten gekommen. Versäumt hat der Verurteilte dagegen einen für den 29. August 2012 vereinbarten Gesprächstermin. Erst nach diesem Zeitpunkt war er für die Bewährungshilfe nicht mehr erreichbar.

Die Straftaten, deren Begehung der Verurteilte - soweit bekannt - verdächtigt wird, sollen jedoch alle in einem vor diesem Datum liegenden Zeitraum begangen worden sein. Das inzwischen zur Anklage gelangte Verfahren der Staatsanwaltschaft Oldenburg mit dem Az. 168 Js 23278/12 betrifft am 26. Januar 2012 begangene Diebstähle. Die noch bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg geführten Verfahren 164 Js 50218/12 und 165 Js 66267/12 haben in der Zeit vom 21. Mai bis 5. Juli 2012 bzw. am 1. August 2012 begangene Betrugstaten zum Gegenstand. in dem bei der Staatsanwaltschaft Aurich unter dem Az. 420 Js 5033/12 geführten Ermittlungsverfahren wird dem Verurteilten ein zwischen dem 21. April und dem 10. Juni 2010 begangener Betrug vorgeworfen.

Weitere Umstände, aus denen sich die auf den Weisungsverstoß. zurückzuführende konkrete Besorgnis neuer Straftaten ableiten ließe, vermag der Senat nicht zu erkennen. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass der Verstoß des Verurteilten zu einem gesteigerten Risiko für die Begehung neuer Straftaten geführt hat.

Soweit die Strafvollstreckungskammer den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung auch auf § 56f Abs. 1 Nr. 3 StGB gestützt hat, kann die Entscheidung ebenfalls keinen Bestand haben.

Zwar hat der Verurteilte die Geldauflage nicht wie aufgegeben erfüllt. Dass es sich hierbei aber um einen gröblichen oder beharrlichen Verstoß gegen die Auflage gehandelt hat, vermag der Senat nicht zu erkennen. Denn Voraussetzung dafür ist, dass der Verurteilte überhaupt zahlungsfähig gewesen wäre. Allein die auf die Angabe des Verurteilten im Rahmen seiner Anhörung zum Widerruf gestützte Mitteilung der Strafvollstreckungskammer, er habe nach der letzten Zahlung vom 20. September 2012 Kleinzahlungen leisten können, reicht dafür nicht aus. Vielmehr war festzustellen, über welche Einkünfte der Verurteilte, der nach seinen Angaben gerade erst begonnen hatte, sich selbständig zu machen, verfügte, und in welchem Umfange er diese, trotz seiner Aufwendungen u.a. für eine Ferienwohnung, für Ratenzahlungen einzusetzen in der Lage war. Der Verurteilte hat hierzu nach Aufforderung durch den Senat mitgeteilt, dass er aus seiner Selbständigkeit in der Zeit von September 2012 bis zu seiner Inhaftierung keine Einnahmen erzielt habe. Seit Oktober oder November 2012 sei sein Lebensunterhalt zunächst durch seine Ehefrau bestritten worden, der ein Krankengeld in Höhe von 1.000 € ausgezahlt worden sei. Nachfolgend habe er sich insgesamt ca. 10,000 geliehen, wobei er diesen Betrag ab 2014 in Raten zurückzuzahlen habe. Von diesem Geld hätte er kleine Raten auf die Auflage zahlen können,

Zur Erfüllung der Bewährungsauflage mit geliehenen Mitteln war er aber nicht verpflichtet. Vor diesem Hintergrund durfte auch ein Widerruf wegen eines schuldhaften Verstoßes gegen die Bewährungsauflage nicht erfolgen.

Schließlich kam auch ein auf § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB gestützter Widerruf - derzeit - nicht in Betracht. Zwar ergibt sich aus dem Bewährungsheft, dass gegen den Verurteilten weitere Straf- und Ermittlungsverfahren anhängig sind. Ausreichende Anhaltspunkte für eine hierauf gegründete Widerrufsentscheidung, nämlich eine rechtskräftige Verurteilung oder jedenfalls ein glaubhaftes Geständnis des Verurteilten, sind aber im bisherigen Verlauf des Bewährungsverfahrens nicht bekannt geworden. Rein vorsorglich weist der Senat den Verurteilten allerdings bereits jetzt darauf hin, dass trotz des Ablaufs der Bewährungszeit ein Erlass der Strafe wegen der noch anhängigen Verfahren derzeit nicht in Betracht kommt.

zu 2.

Da nach dem zu 1. Gesagten derzeit hinreichende Gründe für einen Bewährungswiderruf nicht vorliegen, war der durch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Oldenburg bei dem Amtsgericht Wilhelmshaven am 7. Januar 2013 gemäß § 453c StPO erlassene Sicherungshaftbefehl aufzuheben.

zu 3.

Die Kostenentscheidung entspricht § 467 StPO.