Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 24.06.2004, Az.: 14 U 216/03
Bemessung der Höhe eines Anspruchs auf Schmerzensgeld wegen eines Verkehrsunfalls; Anspruch auf Zahlung eines Verdienstausfalls nach einem Verkehrunfall
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 24.06.2004
- Aktenzeichen
- 14 U 216/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 14483
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2004:0624.14U216.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - 17.09.2003 - AZ: 3 O 54/02
Fundstellen
- NJW 2004, 3723 (amtl. Leitsatz)
- NJW-RR 2004, 1367-1368 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW-Spezial 2004, 208 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2004, 482-483
Amtlicher Leitsatz
Zu den Anforderungen an die Substantiierung des Vortrags, ob und inwieweit vorgetragene Beschwerden auf einen Verkehrsunfall zurückzuführen sind.
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17. September 2003 verkündete Teilurteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Lüneburg zurückverwiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG. Im Übrigen wird die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens dem Gericht des ersten Rechtszugs übertragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert der Beschwer übersteigt für keine der Parteien 20.000 EUR.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 6.633,61 EUR.
Gründe
(abgekürzt gemäß §§ 540, 313 a Abs. 1 ZPO):
Die Berufung hat zunächst einmal Erfolg. Das Landgericht hat die auf Zahlung weiteren Schadensersatzes, Schmerzensgeldes sowie Feststellung nach einem Verkehrsunfall vom 12. Juni 1970 gerichtete Klage hinsichtlich eines Betrages von 6.633,61 EUR (materieller Schadensersatz) durch Teilurteil abgewiesen, dessen Erlass jedoch gemäß § 301 ZPO unzulässig gewesen ist, weshalb der Senat das Urteil gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO aufgehoben und das Verfahren an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverwiesen hat.
Durch Teilurteil darf nur dann entschieden werden, wenn die Entscheidung über den Teil unabhängig davon ist, wie das Schlussurteil über den Rest des noch anhängigen Streitgegenstandes entscheidet. Insbesondere darf nicht die Gefahr bestehen, dass es im Teil und Schlussurteil zu widersprüchlichen Entscheidungen kommt, wobei diese Divergenzgefahr auch bei der Möglichkeit widersprüchlicher Entscheidungen im Instanzenzug begründet ist (BGH NJW 1991, 2699 f.; Zöller/ Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., Rn. 7 zu § 301). Dies aber ist hier der Fall:
Das Landgericht hat sich die Beurteilung der Schmerzensgeldhöhe sowie des Feststellungsantrags durch Schlussurteil vorbehalten. Dieser Frage will es sich mithin im weiteren Verfahren zuwenden, wobei der Erlass eines Beweisbeschlusses in Aussicht gestellt worden ist (vgl. Beschluss des Einzelrichters ebenfalls vom 17. September 2003, Bl. 194 d. A.). Dabei besteht die Gefahr, dass sich (im Falle einer eventuell durchzuführenden Beweisaufnahme, hier wohl durch Einholung eines vertiefenden Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen) Umstände ergeben, die für die Bemessung der Schmerzensgeldhöhe von Bedeutung sind, zugleich aber im Widerspruch zu denjenigen Feststellungen stehen könnten, mit denen das Landgericht die auf Zahlung materiellen Schadensersatzes gerichtete Klage teilweise abgewiesen hat. So erscheint es insbesondere denkbar (wie nahe liegend dies ist, ist nicht entscheidend, da die Möglichkeit widersprüchlicher Entscheidungen genügt), dass der Sachverständige zu Feststellungen gelangt, nach denen die Aufgabe der Erwerbstätigkeit durch die Klägerin im Zusammenhang mit der von ihr durch den Unfall als Folgeschaden erlittenen Dysthymie stehen könnte. Dies wäre ein Umstand, der für eine etwaige Schmerzensgeldbemessung von Bedeutung wäre, zugleich aber im Widerspruch zu der Feststellung des Landgerichts im Teilurteil stünde, dass der Verdienstausfall selber nicht mehr auf den Unfall zurückgeführt werden könne.
Darüber hinaus hat das Landgericht auch in verfahrensfehlerhafter Weise Sachvortrag der Klägerin übergangen, indem es angenommen hat, die Klägerin habe den ursächlichen Zusammenhang der von ihr geltend gemachten Schadenspositionen mit dem Verkehrsunfall "nicht substantiiert vorgetragen". Diese Auffassung überspannt die Anforderungen an die Substantiierungspflicht anspruchsbegründenden Tatsachenvortrages. Grundsätzlich reicht es aus, diejenigen Tatsachen vorzutragen, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht zu begründen (BGH NJW 2000, 3286 f. m. w. N.). Vereinzelter Vortrag ist hierzu nur erforderlich, wenn er für die rechtliche Erheblichkeit von Bedeutung ist. Die Klägerin, die keine Medizinerin ist, braucht die Wirkweise der von ihr durch den Verkehrsunfall davongetragenen Beeinträchtigungen und etwaigen Dauerschäden nicht zu kennen, geschweige denn vorzutragen. Die Behauptung, die von ihr geschilderten Beschwerden seien auf den Verkehrsunfall zurückzuführen und hätten beispielsweise zu den Heilbehandlungsmaßnahmen geführt, deren Bezahlung mit der Klage geltend gemacht wird, ist ausreichend. Die Klägerin brauchte keine Nachforschung zu betreiben, worauf es zurückzuführen ist, dass sich ihre Beschwerden über einen ungewöhnlich langen Zeitraum hinziehen, ebenso wenig war sie zu medizinisch wissenschaftlich überprüfbarem Sachvortrag gehalten. Die Überprüfung der Behauptung der Klägerin ist Gegenstand der Beweisaufnahme, nicht bereits der Substantiierung, sodass es nahe liegen sollte, ihr durch (für die Schmerzensgeldbemessung möglicherweise ohnehin erforderliche) weitere Befragung des psychiatrischen Sachverständigen nachzugehen.
Eine Klärung dieser, dem Teilurteil zugrundeliegenden Frage (Ursächlichkeit des Verkehrsunfalls für die Heilbehandlungskosten und den Verdienstausfall im Hinblick auf die vom psychiatrischen Sachverständigen immerhin festgestellte Dysthymie) ist dem Senat schon deswegen nicht möglich, weil auch dann die Gefahr bestünde, dass seine Feststellungen hierzu (seien sie positiv oder negativ) in Widerspruch stehen könnten mit denjenigen Feststellungen, die im Hinblick auf das Schlussurteil betreffend u. a. die Bemessung des Schmerzensgeldes noch zu treffen sein werden.
Angesichts dessen hat der Senat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Teilurteil aufzuheben und das Verfahren an das Landgericht zurückzuverweisen (was die Klägerin beantragt hat, gemäß § 538 Abs. 2 Satz 3 ZPO aber auch ohne Antrag möglich ist).
Die Entscheidung über die Niederschlagung der Gerichtskosten für das Berufungsverfahren beruht auf § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Streitwertbeschluss:
Der Wert der Beschwer übersteigt für keine der Parteien 20.000 EUR.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 6.633,61 EUR.