Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 10.06.2004, Az.: 20 U 58/03
Bewertung des Eigentums an Wertpapieren durch Berücksichtigung der Verfügungsberechtigung; Hälftiges Eigentum an Wertpapieren von Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft; Anschaffung von Wertpapieren aus gemeinschaftlichem Geld von Ehegatten; Tätigung von Investitionen aus Wertpapiererlösen als Indiz für das Eigentum an den Wertpapieren selbst
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 10.06.2004
- Aktenzeichen
- 20 U 58/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 14478
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2004:0610.20U58.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Bückeburg - 30.06.2003 - AZ: 2 O 16/02
Rechtsgrundlage
- § 1006 BGB
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 2004, 587-588
Amtlicher Leitsatz
Auch wenn die Errichtung eines Oder-Depots in der Regel keinen Aufschluss über das Eigentum an den Wertpapieren gibt, ist die Auslegungsregel des § 1006 BGB jedenfalls dann heranzuziehen, wenn die verfügungsberechtigten Ehepartner im Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben und ein entgegenstehender Parteiwille nicht ersichtlich ist. Die Beweislast für eine abweichende Sachlage trifft denjenigen, der sich darauf beruft, dass die Wertpapiere aus "ehefremden" Mitteln angeschafft worden seien.
Tenor:
- I.
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 30. Juni 2003 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg (Einzelrichterin) aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 15.338,76 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz gem. § 1 DÜG seit dem 3. September 1997 zu zahlen.
- II.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
- III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2 i. V. m. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO und § 26 Nr. 8 EGZPO verzichtet.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte - diese als Rechtsnachfolgerin des vormaligen Beklagten - einen Anspruch auf hälftigen Miteigentümerausgleich aus der Auflösung des am 1. März 1995 bei der Volksbank ####### eröffneten Wertpapierdepots.
1.
Das Landgericht hat der angefochtenen Entscheidung eine unzutreffende Beweislastverteilung zu Grunde gelegt.
Zwar ist es unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1997, 1434) zu Recht davon ausgegangen, dass die Existenz eines Oder-Depots nicht zwingend auf eine bestimmte Eigentumslage schließen lässt, da insofern zwischen dem Eigentum an den verwahrten Wertpapieren und den Rechten aus dem Depotverwahrungsvertrag zu unterscheiden ist. Allein die Verfügungsberechtigung über das Oder-Depot besagt somit nichts über das Eigentum an den Wertpapieren selbst. Hierfür kommt es vielmehr auf die dingliche Berechtigung an, mithin auf die Frage, aus wessen Mitteln das auf dem Oder-Depot verwahrte Vermögen angeschafft worden ist.
Insofern hat das Landgericht jedoch die Beweislast verkannt. Die Umstände des vorliegenden Falles unterscheiden sich nämlich entscheidend von jenen, die der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Grunde lagen: Hier hatten die Parteien nämlich nicht Gütertrennung vereinbart, sondern lebten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Bereits daraus folgt, dass ihnen die während der Ehezeit geschaffenen Vermögenswerte hälftig zustehen sollten.
Dies wiederum bedeutet, dass es dem vormaligen Beklagten bzw. der jetzigen Beklagten als seiner Rechtsnachfolgerin oblegen hat darzulegen und zu beweisen, dass das auf dem Oder-Depot verwahrte Vermögen allein aus "ehefremden" Mitteln des vormaligen Beklagten angeschafft worden ist. Dieser Darlegungs- und Beweislast hat sie nicht genügt:
a)
Der vormalige Beklagte hat auf das substantiierte Bestreiten der Erbschaft durch die Klägerin keinen Beweis für seine Behauptung angeboten, die im März 1994 auf das Konto der Klägerin eingezahlten 41.151,43 DM stammten aus dem Nachlass seiner Mutter. Er ist insofern beweisfällig geblieben.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der von ihm erstmals mit Schriftsatz vom 23. Februar 2004 vorgelegten Kopie einer Gutschrift, aus der sich ergeben soll, dass der Betrag von 41.151,43 DM nach dem Tod seiner Mutter von deren Sparkonto auf das Konto der Klägerin überwiesen worden sei (Bl. 149 d. A.).
Abgesehen davon, dass das Vorbringen nur wenig substantiiert ist, da die Kopie nicht einmal ein Datum trägt, ist es auch nach wie vor nicht geeignet, dem unbestrittenen Einwand der Klägerin zu begegnen, dass der Erbfall bereits im Jahr 1989 eingetreten war (vgl. Vortrag Bl. 77 d. A.), sodass eine Überweisung im Jahr 1994 hiermit kaum nachvollziehbar in Verbindung gebracht werden kann.
Darüber hinaus hat die Klägerin unter Vorlage einer Sparkassenbestätigung vom 29. April 2004 (s. Anlage zum Schriftsatz vom 3. Mai 2004) substantiiert dargelegt, dass es sich bei dem angeblichen Konto der verstorbenen Mutter mit der Nr. 1493998 um ein Gemeinschaftskonto der Klägerin und ihres verstorbenen Mannes handelte, welches durch Sparkassenfusion in das Gemeinschaftskonto 1401493992 umgewandelt wurde. Dem ist die Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung vom 26. Mai 2004 nicht überzeugend entgegengetreten. Die ursprüngliche Behauptung, bei dem Konto 1493998 habe es sich um ein Konto der Eltern bzw. der verstorbenen Mutter des vormaligen Beklagten gehandelt, hat sie ausdrücklich nicht aufrecht erhalten. Ihr statt dessen erhobener Einwand, das Wort "Nachlass" hinter dem Namen des vormaligen Beklagten auf dem Kontoausdruck vom 26. April 2004 (Bl. 161) belege, dass es sich um ein Konto gehandelt habe, auf das der Nachlass der verstorbenen Mutter des vormaligen Beklagten überwiesen worden sei, ist lebensfremd und abwegig. So trägt die Beklagte auch in keiner Weise schlüssig vor, woher die Bank eine entsprechende Kenntnis und überhaupt eine Veranlassung dafür gehabt haben sollte, den Inhabernamen mit einem Hinweis auf die Herkunft des von ihm eingezahlten Geldes zu versehen. Nachvollziehbar und nahe liegend ist vielmehr die Deutung der Klägerin, die Bank habe den Zusatz im Hinblick auf den Tod des vormaligen Beklagten gemacht.
b)
Im Ergebnis dasselbe gilt für den weiteren Betrag in Höhe von 18.662 DM, der im Februar 1994 auf das Konto der Klägerin eingezahlt worden war. Auch insofern sind der vormalige und die jetzige Beklagte beweisfällig geblieben.
In der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vom 26. August 2002 hat der vormalige Beklagte vielmehr ausdrücklich erklärt, hinsichtlich der Herkunft dieser 18.682 DM keine Angaben machen zu können (Bl. 74 d. A.). Insofern fehlt es erkennbar an jedweder Darlegung, dass die Summe aus seinen, d.h. ehefremden Mitteln stammte.
2.
Für eine Anschaffung der Wertpapiere aus gemeinsamen Mitteln spricht im Gegenteil der weitere erstinstanzliche Vortrag des vormaligen Beklagten, wonach auch die laufenden Einzahlungen auf das Sparkonto der Klägerin in Höhe von 100 DM monatlich (ihr "Taschengeld", vgl. Bl. 140 d. A.) Bestandteil des Grundstocks für den Kauf der ersten Wertpapiere im März 1994 waren (vgl. Schriftsatz vom 19. August 2002, dort S. 2, Bl. 63).
Mit diesem Vorbringen hat der vormalige Beklagte eingeräumt, dass die Wertpapiere zumindest auch aus den Mitteln der Klägerin bezahlt worden sind.
Der Einwand der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 26. Mai 2004, das erste Wertpapierdepot habe allein auf den Namen des vormaligen Beklagten gelautet, ist daher bereits aus diesem Grunde ohne Relevanz.
3.
Die Beklagte kann auch nicht mit dem Einwand durchdringen, der Klägerin habe es hinsichtlich der Schaffung der Wertpapierdepots an einem rechtsgeschäftlichen Willen gefehlt. Unstreitig war es allein der vormalige Beklagte, der in der Ehezeit mit der Klägerin Alleinverdiener war und sich um die finanziellen Belange der Familie kümmerte. Diese "Rollenaufteilung" geschah mit dem Wissen und Wollen beider Eheleute, ohne dass es insofern auf den konkreten rechtsgeschäftlichen Willen hinsichtlich einzelner Verfügungen ankäme. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin im Zusammenhang mit der Einrichtung des streitbefangenen Oder-Depots auf gemeinschaftliches, eheliches Vermögen "verzichten" wollte, sind nicht ersichtlich.
4.
Soweit der vormalige Beklagte behauptet hat, aus dem Gegenwert der Papiere Investitionen getätigt zu haben, die der Klägerin über die Berücksichtigung der Werte für den PKW VW Variant und die Erneuerungen im Haus im Rahmen des Zugewinnausgleichs bereits zu Gute gekommen seien, hat er ebenfalls den ihm obliegenden Beweis nicht erbracht. So hat er weder dargelegt noch durch die Vorlage von Kontounterlagen belegt, dass die von ihm behaupteten "Sonderausgaben" tatsächlich aus den Wertpapiererlösen bezahlt worden sind. Dies hat bereits das Amtsgericht Stadthagen im familiengerichtlichen Urteil vom 28. September 2000 zu Recht so gesehen (vgl. Beiakte Bd. 1, Bl. 96).
Da der vormalige Beklagte zudem auch über anderes (Bar)Vermögen verfügte, (laut Urteil des Amtsgerichts z. B. über Sparguthaben in Höhe von rund 24.000 DM, vgl. Beiakte Bd. 1, Bl. 96) und ein Nettoeinkommen in Höhe von gut 4.400 DM hatte (vgl. Beiakte Bd. 1, Bl. 94), ist es auch durchaus plausibel anzunehmen, dass die Ausgaben aus anderen Quellen bezahlt worden sind.
Angesichts des auch insofern fehlenden Vortrags und damit der Beweisfälligkeit der Beklagten musste der Senat der Frage, ob der PKW VW Variant aus dem Gegenwert der Wertpapiere angeschafft und über den Zugewinnausgleich bereits ausgeglichen ist, nicht weiter nachgehen.
5.
Soweit die Beklagte schließlich einwendet, ein etwaiger Anspruch der Klägerin sei rechtsmissbräuchlich, da sie dann im Zugewinnausgleichsverfahren ein zu geringes Endvermögen angegeben hätte, trifft dies ebenfalls nicht zu. Das Familiengericht hat die 60.000 DM vielmehr ausdrücklich "neutral" bewertet, d. h. auf beiden Seiten nicht in den Zugewinnausgleich einbezogen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.