Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.09.1982, Az.: 11 Sa 81/82

Anspruch auf Zahlung des Arbeitgeberanteils der vermögenswirksamen Leistungen ; Postulationsfähigkeit der Vertreter von Vereinigungen von Arbeitgebern ; Nichtigkeit der Mitgliedschaft eines kirchlichen Arbeitgebers in einem Verein; Zutrittsrechts der Gewerkschaften zu kirchlichen Einrichtungen; Zuschuss zum Mutterschaftsgeld; Beschäftigungsverbot für die Dauer von Schutzfristen

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
30.09.1982
Aktenzeichen
11 Sa 81/82
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1982, 10359
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1982:0930.11SA81.82.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Göttingen - 13.05.1982 - AZ: 2 Ca 273/82

Verfahrensgegenstand

Forderung

Prozessführer

...

Prozessgegner

...

In dem Rechtsstreit hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 1982
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Müller und
die ehrenamtlichen Richter von Schwartz und Stoermer
für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 13. Mai 1982 - 2 Ca 273/82 - wird abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin war vom 01. Oktober 1972 bis zum Ablauf ihres Mutterschaftsurlaubs am 24. Januar 1982 im ... der Beklagten in ... beschäftigt. Die Mutterschutzfristen des § 3 Absatz 2 und des § 6 Absatz 1 Mutterschutzgesetz lagen zwischen dem 10. Juni 1981 und 19. September 1981. Während dieser Schutzfristen zahlte die Beklagte den Arbeitgeberzuschuß zum Mutterschaftsgeld. Die Klägerin verlangt von der Beklagten darüber hinaus die Zahlung des Arbeitgeberanteils der vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von monatlich 13,00 DM für die Monate Juli bis September 1981. Die Beklagte hat die Zahlung unter Hinweis auf die Arbeitsvertragsrichtlinien verweigert. Die Parteien haben die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) nebst deren Anlagen vereinbart. Nach der Anlage 9 zu den AVR "vermögenswirksame Leistungen" erhalten voll- und teilbeschäftigte Mitarbeiter und zu ihrer Ausbildung Beschäftigte vermögenswirksame Leistungen. Die vermögenswirksame Leistung beträgt für vollbeschäftigte Mitarbeiter monatlich 13,00 DM (§ 1 Absatz 3 lit. a) der Anlage 9 zu den AVR). Nach § 1 Absatz 4 der Anlage 9 zu den AVR wird die vermögenswirksame Leistung nur für die Kalendermonate gewährt, für die dem Mitarbeiter Dienstbezüge, Urlaubsvergütung nach § 2 der Anlage 14 zu den AVR oder Krankenbezüge zustehen. Die Anlage 1 zu den AVR "Vergütungsordnung" bestimmt unter II "Dienstbezüge:" (a) die dem Mitarbeiter monatlich zu gewährenden Dienstbezüge bestehen aus:

  1. 1.

    der Grundvergütung (Abschnitt III und IV)

  2. 2.

    dem Ortszuschlag (Abschnitt V)

  3. 3.

    den sonstigen Zulagen (Abschnitt VIII).

2

Die sonstigen Zulagen sind Stellenzulagen (VIII lit. a), widerrufliche Leistungszulagen (VIII lit. b), Zulagen für besonders gefährliche oder gesundheitsschädliche Arbeiten (VIII lit. e).

3

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung des Arbeitgeberanteiles der vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von monatlich 13,00 DM für die drei Monate der Mutterschutzfristen, die in dem Zeitraum Juli bis September 1981 gelegen hatten. Die Beklagte verweigerte die Zahlung unter Hinweis auf die Arbeitsvertragsrichtlinien.

4

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Arbeitgeberzuschuß habe zwar keinen echten Lohncharakter, er könne aber als Entgeltfortzahlung gelten. Sie könne daher die Zahlung des Arbeitgeberzuschusses auch für die Zeit beanspruchen, die zwischen dem Beginn der Schutzfristen und des Mutterschaftsurlaubes lägen.

5

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 39,00 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 24.01.1982 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Die Beklagte war der Ansicht, aus § 1 Absatz 4 der Anlage 9 zu den AVR folge, daß während des Bezuges von Mutterschaftsgeld für die Zeit der Schutzfristen kein Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen bestehe.

8

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf den Inhalt ihrer im ersten Rechtszug gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.

9

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und die Berufung zugelassen. Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, daß der Arbeitgeberzuschuß nach § 13 Mutterschutzgesetz qualitätsmäßig wie der Lohnfortzahlungsanspruch des § 616 BGB und des § 1 Lohnfortzahlungsgesetz zu behandeln sei. Der Anspruch der Arbeitnehmerin aus § 14 Absatz 1 auf Gewährung eines Zuschusses zum Mutterschaftsgeld sei rechtlich als individueller arbeitsvertraglicher Anspruch ausgestaltet. Dieser Anspruch unterliegt den allgemeinen Bestimmungen und Grundsätzen für das Arbeitsentgelt. § 14 Mutterschutzgesetz sei weitgehend dem § 1 Arbeits-Krankheitsgesetz nachgebildet und damit dem Lohnfortzahlungsanspruch des § 616 und dem heutigen § 1 Lohnfortzahlungsgesetz vergleichbar. Da die Klägerin die streitigen vermögenswirksamen Leistungen nicht mehr vermögenswirksam anlegen könne, müsse die Beklagte ihr den Betrag auszahlen.

10

Wegen der Entscheidungsgründe im übrigen wird auf die des angefochtenen Urteils verwiesen.

11

Gegen das ihr am 24. Mai 1982 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 13. Mai 1982 - 2 Ca 273/82 - richtet sich die am 09. Juni 1982 eingelegte und am 24. Juni 1982 begründete Berufung der Beklagten.

12

Die Berufung ist von dem Assessor ... als einem der Prozeßbevollmächtigten des ... unterzeichnet. Der Beklagten ißt auf ihrem Aufnahmeantrag vom 25. Februar 1982 von dem ... unter dem 03. März 1982 der Beitritt bestätigt worden.

13

Die Beklagte greift die Entscheidung des Arbeitsgerichts Göttingen damit an: Sie habe der Klägerin, wie unstreitig ist, gemäß § 14 Mutterschutzgesetz den Zuschuß zum Mutterschaftsgeld gezahlt. Gegen die Qualifizierungen des Arbeitgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld wende sie sich. Der Arbeitgeberanteil der vermögenswirksamen Leistungen könne weder als Dienstbezug oder Krankenbezug bezeichnet oder diesen Bezügen gleichgestellt werden. Der Arbeitgeberanteil der vermögenswirksamen Leistungen sei vielmehr in dem Zuschuß des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld enthalten. Im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes über vermögenswirksame Leistungen eines Angestellten in der Fassung vom 18. August 1980 (BAT) sei die gleiche Regelung wie in den hier anzuwendenden AVR für die Einrichtungen des Deutschen Caritas zu finden. Nach der Bestimmung des BAT stehe dem Angestellten nur jeweils für die Kalendermonate Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen zu, wenn ein Anspruch auf Vergütung, Urlaubsvergütung oder Krankenbezüge bestehe. Für die Zeit der Schutzfristen nach § 3 Absatz 2 und § 6 Absatz 1 Mutterschutzgesetz könnten keine vermögenswirksamen Leistungen während des Bezuges vom Mutterschaftsgeld gezahlt werden. Die vermögenswirksame Leistung gehe als Teil des Arbeitgeberanteils in die Bemessung des Mutterschaftsgeldes ein und würde bei einer zusätzlichen Zahlung zu einer Doppelzahlung führen. Das Arbeitsgericht nenne nicht einmal die Rechtsgrundlage für die Gewährung der vermögenswirksamen Leistungen in den Entscheidungsgründen. Anspruchsgrundlage seien die Bestimmungen der AVR. Nach § 1 Absatz 4 der Anlage 9 zu den AVR stehe der Anspruch auf die vermögenswirksamen Leistungen nur für die Kalendermonate dem Arbeitnehmer zur Verfügung, für die er Dienstbezüge, Urlaubsvergütung oder Krankenbezüge beanspruchen könne. Was Dienstbezüge seien, bestimme Abschnitt II der Anlage 1 zu den AVR. Die Klägerin beziehe während der Mutterschutzfristen weder die Grundvergütung, noch den Ortszuschlag, noch die sonstigen Zulagen. Im übrigen würde in den AVR immer dann, wenn die Zeiten der Mutterschutzfristen oder des Mutterschaftsurlaubs irgendwelche Ansprüche auslösen können, diese in den AVR auch ausdrücklich hinzugesetzt.

14

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

16

Die Klägerin meint zunächst, daß die Berufung als unzulässig zu verwerfen sei, denn der ... sei nicht berechtigt, dem prozessualen Handeln der Beklagten die rechtserhebliche Erscheinungsform zu geben. Da die Beklagte eine kirchliche Einrichtung sei, vertrage sich damit nicht die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband.

17

Im übrigen verteidige sie die angegriffene Entscheidung als zutreffend. Der Zuschuß zum Mutterschaftsgeld sei als individueller arbeitsvertraglicher Anspruch ausgestaltet und sei ein "mutterschutzrechtlicher Lohnersatzanspruch". Es leuchte nicht ein, daß der Zuschuß zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 Mutterschutzgesetz den Arbeitgeberanteil der vermögenswirksamen Leistungen enthalten soll. Die Frauen erhielten den Zuschuß vom Arbeitgeber, um den Lebensstandard zu sichern. Einmalige Zuwendungen blieben außer Betracht, vermögenswirksame Leistungen seien jedoch zu berücksichtigen.

18

Wegen des Vortrags der Parteien im übrigen wird auf den Inhalt ihrer in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

19

Die Berufung ist statthaft, denn das Arbeitsgericht hat sie zugelassen. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Dem ... fehlt nicht die Postulationsfähigkeit. Unstreitig ist er satzungsgemäßer Vertreter des .... Er ist von der Beklagten auch wirksam bevollmächtigt worden, wie die Prozeßvollmacht vom 05. April 1982 zeigt. Die Tatsache, daß es sich bei der Beklagten um eine kirchliche Einrichtung handelte führt nicht dazu, daß es dem ... verwehrt ißt, sie im Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wirksam zu vertreten. Nach § 11 Absatz 2 Satz 2 Arbeitsgerichtsgesetz ist die Postulationsfähigkeit der Vertreter von Vereinigungen von Arbeitgebern nur davon abhängig, daß sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und deren Mitglied Partei ist (§ 11 Abs. 2 ArbGG).

20

In dem Zusammenhang bestreitet die Klägerin zwar nicht die Vertretungsbefugnis kraft Satzung oder Vollmacht, und nach Vorlage des Aufnahmeantrags und der Beitrittsbestätigung nicht mehr die Mitgliedschaft der Beklagten beim .... Die Klägerin meint aber, daß nach § 4 der Satzung des Arbeitgeberverbandes Südhannover e.V. die Beklagte nicht Mitglied des Verbandes sein könne und daher eine wirksame Vertretung in der Berufungsinstanz nicht vorliege. Diese Rechtsauffassung ist falsch. Aus der Tatsache, daß die Beklagte eine kirchliche Einrichtung ist, ergibt sich nicht, daß die Beklagte nicht Mitglied bei dem ... geworden ist. Die Mitgliedschaft besteht nämlich in einer organisatorischen Eingliederung in den Verein aufgrund einer Unterwerfung unter die Vereinsgewalt, die in der Kegel im Beitritt liegt. Die Mitgliedschaft wird durch einen Vertrag zwischen dem Mitglied und dem Verein erworben; die beiderseitigen Willenserklärungen sind Beitrittserklärung und Aufnahme (BGH 28, 134; Palandt-Heinrichs BGB 40. Auflage § 38 Anmerkung 1 a) und 1 b) zu § 38 BGB). Entsprechend ist in der von der Klägerin selbst überreichten Ablichtung der Satzung des ... der Erwerb der Mitgliedschaft abhängig von einer Anmeldung bei dem Vorstand und einer Entscheidung des Vorstands über die Mitgliedschaft (§ 4 Satz 2 der Satzung). Die Beklagte ist danach Mitglied des ... geworden, denn sie hat unter dem 25. Februar 1982 ihre Aufnahme bei dem Verein beantragt und dieser hat ihr unter dem 03. März 1982 den Beitritt bestätigt. Selbst wenn die Mitgliedschaft der Beklagten bei dem Verein wegen ihres Charakters als kirchliche Einrichtung ausgeschlossen wäre, so könnte das zwar einen Nichtigkeits- oder Anfechtungsgrund darstellen. Die Mitgliedschaft würde aber erst ab Geltendmachung beseitigt, eine Rückwirkung ist ausgeschlossen (vgl. Walter in Anmerkung zu Nr. 12 - Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 12.09.1974 - in NJW 1975 Seite 1033 f [LG Wiesbaden 12.09.1974 - 2 O 131/74]; Palandt-Heinrichs 40. Auflage Anmerkung 1 b) zu § 38 BGB mit weiteren Hinweisen). Unabhängig davon ist die Mitgliedschaft der Beklagten bei dem Verein nicht nichtig. Die Beklagte ist Arbeitgeber. Ihr religiöser Charakter steht der Arbeitgeberschaft nicht entgegen, wie die Klägerin aber meint. Unabhängig von der von der Klägerin beanstandeten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Frage des Zutrittsrechts der Gewerkschaften zu kirchlichen Einrichtungen, haben Kirchen- und Religionsgemeinschaften nach Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 5 Weimarer Reichsverfassung sowie aufgrund mehrerer Kirchenverträge (z.B. Artikel 1 Abs. 2 Satz 2 Niedersächsischer Kirchenvertrag) die Eigenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Mit der Eigenschaft der Körperschaft des öffentlichen Rechts ist den Kirchen- und Religionsgemeinschaften die Dienstherrnfähigkeit von der Verfassung unmittelbar zuerkannt. Insofern sind auch die kirchenvertraglichen Garantien der Körperschaftsrechte nur Ausprägungen der Verfassungsgrundlagen und deklaratorischer Natur (Frank in Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland § 15 4. auf Seite 681). Die Kirchen- und Religionsgemeinschaften und damit die Beklagte können aufgrund ihrer Rechtsnatur privatrechtliche Arbeitsverträge begründen. Sie sind damit Arbeitgeber. Daß sie das Arbeitsrecht in einer ihrem Auftrag und Selbstverständnis entsprechenden Weise ausgestalten und Rechte und Pflichten durch Kirchenrecht konkretisieren, steht dem nicht entgegen (Frank a.a.O. § 15 6. Seite 703 mit Hinweis auf Richardi in Arbeitsrecht und kirchlicher Ordnung und weiteren Verweisungen). Daß die Kirchen weitgehend den Abschluß von Tarifverträgen als nicht sachgemäß ablehnen und die Arbeitsbedingungen unter partnerschaftlichem Zusammenwirken mit den kirchlichen Mitarbeitern festlegen, schließt nicht die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband aus.

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Denn die Arbeitgebereigenschaft wird nicht dadurch beseitigt, daß der Arbeitgeber anstelle von Tarifverträgen arbeitsrechtliche Regeln verwendet, die in gemischten Kommissionen aus Vertretern der Kirchenleitungen und der Mitarbeiter ausgearbeitet worden sind. Die Beklagte kann als Arbeitgeberin mithin Mitglied eines Arbeitgeberverbandes sein. Ob sie mit der Krankenanstalt, in der die Klägerin tätig war, ein Gewerbe im Sinne des § 4 Satz 2 der Satzung betreibt, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn es sich dabei nicht um die Ausübung eines Gewerbes handeln sollte, steht das der wirksamen Mitgliedschaft nicht entgegen. Mitglieder eines Vereins können sogar Personen sein, die die Satzung ausdrücklich als Nichtmitglieder bezeichnet, wenn sie sich durch Unterwerfung unter die Vereinsgewalt organisatorisch in ihn eingegliedert haben (Palandt-Heinrichs a.a.O. Anmerkung 1 a) zu § 38 BGB). Anders konnte es sein, wenn die Satzung eine Bestimmung hätte, wenn die zum Erwerb der Mitgliedschaft berechtigenden Rechtsbeziehungen nicht mehr bestehen oder gar nicht bestanden haben (vgl. hierzu BGH Urteil vom 03.07.1978 in LM Nr. 17 zu §§ 25, 39 BGB). Eine derartige Bestimmung ist in der Satzung des ... nicht enthalten. Letztlich verlangt das Gesetz auch nicht, daß die Koalition, deren Mitglied durch eine ihrer vertretungsberechtigten Personen vertreten wird, gerade der Berufsgruppe angehört, um die es sich bei dem Rechtsstreit handelt (Dersch-Volkmar Arbeitsgerichtsgesetz 6. Auflage Rd. Nr. 5 c) alpha zu § 11 ArbGG auf Seite 331).

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Die Berufung ist mithin von einer postulationsfähigen Person für die Beklagte eingelegt worden. Die Berufung ist darüber hinaus form- und fristgerecht bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen, innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet worden; sie ist daher zulässig. Die Berufung ist auch begründet.

23

Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist die Anlage 9 - vermogenswirksame Leistungen - zu den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR).

24

Es kann dahingestellt bleiben, welche Rechtsnatur den AVR zukommt. Sie haben zumindest aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages Eingang in das Arbeitsverhältnis gefunden.

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Nach § 1 Absatz 4 der Anlage 9 zu den AVR werden die vermögenswirksamen Leistungen nur für die Kalendermonate gewährt, für die den Mitarbeitern Dienstbezüge, Urlaubsvergütung nach § 2 der Anlage 14 zu den AVR oder Krankenbezüge zustehen. Für den zu seiner Ausbildung Beschäftigten treten anstelle der Dienstbezüge die Ausbildungshilfe beziehungsweise der Unterhaltszuschuß.

26

Bereits der Wortlaut der Anlage 9 zu den AVR gibt der Klägerin für die Zeiten der Schutzfristen nach §§ 3 und 6 Mutterschutzgesetz nicht den Anspruch auf Gewährung vermögenswirksamer Leistungen. Während der Schutzfristen stehen ihr weder Dienstbezüge noch Urlaubsvergütung oder Krankenbezüge zu. Zutreffend verweist die Beklagte hierzu darauf, daß die Begriffe Dienstbezüge, Urlaubsvergütung und Krankenbezüge Definitionen der AVR sind. Was Dienstbezüge sind, ist in Abschnitt II der Anlage 1 zu den AVR festgelegt. Danach bestehen die Dienstbezüge aus der Grundvergütung - Abschnitt III und IV -, dem Ortszuschlag - Abschnitt V - und den sonstigen Zulagen - Abschnitt VIII - (vgl. Abschnitt II der Anlage 1 zu den AVR). Die Klägerin erhielt aber während dieser Fristen keine der drei genannten Leistungsarten, sondern den Zuschuß zum Mutterschaftsgeld. Bei dem Zuschuß zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 Mutterschutzgesetz handelt es sich auch nicht um Krankenvergütung, denn diese ist in Abschnitt XII der Anlage 1 zu den AVR anders bestimmt. Letztlich ist die unter Mutterschutz stehende Arbeitnehmerin ohne entsprechende Vereinbarung während der Fristen des § 3 und 6 Mutterschutzgesetz nicht im Urlaub; das Mutterschaftsgeld stellt sich mithin auch nicht als Urlaubsvergütung dar.

27

Der Zuschuß zum Mutterschaftsgeld hat trotz seiner Berechnungsweise keinen Lohncharakter und gilt auch, entgegen der Meinung der Klägerin, nicht als eine Art Entgeltfortzahlung und damit als eine Art Dienstbezug. Denn die Klägerin mußte in den hier in Betracht kommenden Zeiten des gesetzlichen Mutterschutzes keine Leistungen erbringen. Sowohl in den letzten 6 Wochen vor der Entbindung als auch in den 8 Wochen nach der Entbindung besteht für den Arbeitgeber ein Beschäftigungsverbot, wie die insoweit gleichlautenden Formulierungen der §§ 3 Abs. 2 und 6 Abs. 1 Mutterschutzgesetz erweisen: "... dürfen ... nicht beschäftigt werden." Zwar steht es der Arbeitnehmerin frei, innerhalb der Schutzfrist des § 3 Abs. 2 Mutterschutzgesetz sich gleichwohl zur Arbeitsleistung bereitzuerklären, gegen ihren Willen kann die Arbeitnehmerin jedoch dazu nicht verpflichtet werden.

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Dementsprechend hat auch das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung AP Nr. 92 zu § 611 BGB "Gratifikationen" die Zeit des gesetzlichen Mutterschutzes als eine Zeit bezeichnet, in der das Arbeitsverhältnis "ebenfalls ruht" (ebenso LAG Niedersachsen Urteil vom 10.12.1981 - 11 Sa 71/81 -; mit der Revision angegriffen: BAG - 5 AZR 75/82 -).

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Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung eines Mutterschaftsgeldes nach § 14 Mutterschutzgesetz für die Zeiten der Schutzfristen der §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 Mutterschutzgesetz spricht nicht gegen das Ruhen des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber ist nicht aufgrund § 611 BGB - Vergütung der Dienstleistung - sondern wegen der besonderen gesetzlichen Verpflichtung des § 14 Mutterschutzgesetz zur Zahlung eines Betrages verpflichtet. Dieser Betrag ist nicht Ausgleich für geleistete Arbeit (Arbeitsgericht Hamm, Urteil vom 12.03.1981 - 1 Ca 111/81 -), vielmehr handelt es sich dabei um einen Zuschuß zum kalendertäglichen Mutterschaftsgeld, damit um eine gesetzgeberische Maßnahme zur Entlastung der Krankenkassen. Diese subsidiären Leistungen zu den Leistungen der Reichsversicherungsordnung stellen daher keinen Ausgleich für geleistete Arbeit dar (LAG Hamm, Urteil vom 13.08.1981 - 10 Sa 527/81 -; LAG Niedersachsen, Urteil vom 10.12.1981 - 11 Sa 71/81 -). Die Leistungen des Arbeitgebers nach § 14 Mutterschutzgesetz sind auch nicht vergleichbar mit Zahlungen des Arbeitgebers für Urlaubszeiten oder Krankheitszeiten, für die der Arbeitgeber die volle Leistung erbringen muß (Arbeitsgericht Hamm a.a.O.). In den Fällen von Urlaub und Krankheit erhält der Arbeitnehmer nicht einen Zuschuß zu Krankenkassenleistungen, sondern das Arbeitsentgelt (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 und § 2 LfzG) bzw. das Urlaubsentgelt in Höhe des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes (§ 11 BUrlG). Auch die Verpflichtungen auf selten des Arbeitnehmers sind im Falle von Krankheiten und Urlaub anders zu bewerten als die der dem Mutterschutzgesetz unterstehenden Arbeitnehmerin. Für die Dauer der Schutzfristen besteht ein Beschäftigungsverbot, unabhängig von der tatsächlichen Möglichkeit der Arbeitnehmerin, Arbeitsleistungen zu erbringen. Im Falle der Krankheit besteht die Arbeitspflicht fort; der Arbeitnehmer ist nur "infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert" (§ 1 Abs. 1 Satz 1 LfzG). Was die Bemessung des Arbeitsentgelts anbetrifft, so wird der Arbeitnehmer während der tatsächlichen Verhinderung an der Erbringung der Arbeitsleistung so behandelt, wie wenn er im Betrieb weiterarbeiten würde mit der Folge, daß er Minderungen des Arbeitsentgelts der übrigen Arbeitnehmer bei verkürzter Arbeitszeit grundsätzlich zu tragen hat (§ 2 Abs. 2 LfzG). Auch Urlaub gibt dem Arbeitnehmer nicht ein absolutes Leistungsverweigerungsrecht; bei dringenden betrieblichen Belastungen kann er zur Rückkehr aus dem Urlaub und zur Aufnahme der Arbeit durch den Arbeitgeber angehalten werden. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses während der Schutzfristen verbietet daher die Annahme, es handele sich um Arbeitsentgelt oder arbeitsentgeltgleiche Leistungen.

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Es konnte daher dahingestellt bleiben ob, wie die Beklagte unter Bezugnahme auf Clemens-Scheuring-Steingen-Wiese (Kommentar zum BAT) meint, daß der Arbeitgeberanteil der vermögenswirksamen Leistungen ohnehin in den Zuschuß des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld enthalten ist und das Begehren der Klägerin mithin auf eine Doppelzahlung hinauslaufe.

31

Die Berufung mußte danach erfolgreich sein.

32

Die Entscheidung über die Kosten der Berufung folgt aus § 91 ZPO.

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Die Revision gegen das Urteil war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 72 Absatz 2 Nr. 1 Arbeitsgerichtsgesetz zuzulassen.