Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 31.05.2016, Az.: 1 B 1062/16
AfD; Alternative für Deutschland; Chancengleichheit; Gleichbehandlung; Kapazität; Kapazitätsgrenze; kommunale GmbH; kommunales Unternehmen; konkludente Widmung; öffentliche Einrichtung; öffentlicher Zweck; Partei; Parteienprivileg; Stadthalle; Tochtergesellschaft; Tochterunternehmen; Widmung; Widmungszweck
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 31.05.2016
- Aktenzeichen
- 1 B 1062/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 43034
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 3 GG
- § 5 PartG
Gründe
I.
Der Antragsteller ist ein Kreisverband der A., einer Partei, die in mehreren Landtagen vertreten ist und auch bei der bevorstehenden Kommunalwahl in Niedersachsen am 11. September 2016 beabsichtigt, Kandidaten aufzustellen. Er begehrt von der Antragsgegnerin, ihren Einfluss auf die Beigeladene geltend zu machen, damit er eine Wahlveranstaltung mit der Bundesvorsitzenden seiner Partei in einer von der Beigeladenen betriebenen Mehrzweckhalle durchführen kann.
Die Beigeladene ist eine GmbH, deren Anteile die Antragsgegnerin zu 100% hält. Sie ist für die Vermarktung und Vermietung der Mehrzweckhalle H. in I. zuständig. Unternehmensgegenstand der Beigeladenen ist die Vermittlung, Organisation und Verwaltung von Veranstaltungen aller Art, insbesondere „die Vermarktung des Veranstaltungszentrums der Wirtschaftsbetriebe der Gemeinde I. GmbH sowie die Förderung des Tourismus in der Gemeinde I.“ (§ 3 des Gesellschaftsvertrages der Beigeladenen).
Im Frühjahr 2016 fragte der Vorsitzende des Antragstellers wegen der Anmietung des J. bei der Beigeladenen an. Dieser Raum ist ein multifunktionaler Veranstaltungssaal für große Tagungen, Versammlungen, Feiern etc. für 70 bis 400 Personen (s. Internetauftritt www. K..de). Nachdem die Beigeladene die Vermietung wegen einer vorgehenden Veranstaltung am 4. Juni 2016 mit komplizierter Bühnentechnik abgelehnt hatte, fragte der Vorsitzende am 13. Mai 2016 per E-Mail erneut wegen einer Anmietung für den 2. Juni 2016 an. Die vorgehende Veranstaltung war abgesagt worden. Der Antragsteller wies darauf hin, dass es die Pflicht der Beigeladenen als kommunaler Betrieb sei, den demokratischen Prozess wie er in Wahlen zum Ausdruck komme zu unterstützen. Mit E-Mail vom 17. Mai 2016 lehnte die Geschäftsführerin der Beigeladenen eine Vermietung des J. an den Antragsteller ab. Die Antragsgegnerin habe keinen Einfluss auf die Belegung der Räume des L.; es handele sich bei der Beigeladenen nicht um eine öffentliche Einrichtung. Generell werde nicht an überregionale Parteiverbände, Kreisverbände eingeschlossen, vermietet. Die Vermietung an Ortsverbände sei im Unternehmensleitbild beschrieben „Dem Umgang mit M. Vereinen und Verbänden wird ein besonderer Stellenwert in der Unternehmenskommunikation eingeräumt. M. Vereine und Verbände genießen traditionell ein besonderes Nutzungsrecht“. Schließlich sei der angefragte Termin schon vergeben bzw. reserviert.
Mit Schreiben vom 20. Mai 2016 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin, die Beigeladene durch die Gesellschafter anzuweisen, ihm am 2. Juni 2016 die Mehrzweckhalle F. zur Durchführung einer öffentlichen Veranstaltung zu überlassen und den Teilnehmern der Veranstaltung sowie den vom Antragsteller angestellten Hilfskräften in der Zeit der Veranstaltung Zutritt zu der Veranstaltung zu gewähren. Es entspreche nicht den Tatsachen, dass die Räumlichkeiten generell nicht an überregionale Parteiverbände vermietet würden. Dies ergebe sich aus verschiedenen Veranstaltungen, die in diesen Räumlichkeiten in den Jahren 2014, 2015 und 2016 durchgeführt worden seien. Das H. sei eine öffentliche Einrichtung i.S. des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes; es entspreche der gängigen Praxis, auch Parteiveranstaltungen mit überregionalem Bezug dort zuzulassen. In der Vergangenheit habe er, der Antragsteller, schwer damit zu kämpfen gehabt, Räumlichkeiten für seine Veranstaltungen anzumieten. Es gelte der Anspruch auf Gleichbehandlung der politischen Parteien. Die Anmietung der Räumlichkeiten sei von größter Bedeutung, um im Kommunalwahlkampf gleichberechtigt am demokratischen Wettbewerb teilnehmen zu können. Eine „Flucht in das Privatrecht“ durch die Antragsgegnerin sei nicht zulässig. Weil die Beigeladene zu 100% im Eigentum der Antragsgegnerin stehe, sei diese verpflichtet, ihre Gesellschaftermehrheit zu nutzen, um ihm, dem Antragsteller, die Nutzung der Halle zu ermöglichen.
Mit Bescheid vom 25. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers ab. Es handele sich bei dem angefragten Saal nicht um eine öffentliche Einrichtung. Gemäß der herrschenden jahrelangen Praxis sowie dem bestehenden Gesellschaftsvertrag obliege die Entscheidung, an wen vermietet werde, allein der Geschäftsführerin der Beigeladenen. Selbst für den Fall, dass eine öffentliche Einrichtung vorläge, komme die Vermietung an den Antragsteller nicht in Betracht. Die Ziele der AfD seien mit denen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen nicht vereinbar. Man befürchte eine Schädigung der guten Zusammenarbeit mit den ausländischen Veranstaltern, an die regelmäßig vermietet werde, insbesondere mit den türkischen, persischen, russischen und indischen Veranstaltern, die teilweise islamischen Glaubens seien. Dies würde zu finanziellem Schaden führen, den sie, die Antragsgegnerin, nicht zulassen dürfe und auch nicht könne, weil sie für die Vermietung nicht zuständig sei. Die Mitarbeiter der Beigeladenen könnten eine Vermietung an den Antragsteller nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren. Die Veranstaltung würde gegen die Vermiet-AGB der Beigeladenen verstoßen. Der Ausländeranteil der Antragsgegnerin sei hoch; eine Veranstaltung der AfD würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Krawalle provozieren. Für die Sicherheit des Hauses, der Mitarbeiter der Beigeladenen sowie der Besucher könne sie, die Antragsgegnerin, nicht garantieren. Vorbeugender Schutz lasse sich nur schwer organisieren. Es bestünden zudem Haftungsprobleme. Die tatsächliche Vergabepraxis, nach der nicht an überregionale Parteiverbände, Kreisverbände eingeschlossen, vermietet werde, spreche gegen die Vermietung an den Antragsteller. Die Antragsgegnerin habe ohnehin keinen maßgeblichen Einfluss auf die Vermietpraxis.
Am 25. Mai 2016 hat der Antragsteller Klage erhoben und sucht gleichzeitig um vorläufigen Rechtsschutz nach. Es handele sich um eine Streitigkeit des öffentlichen Rechts, für die das Verwaltungsgericht zuständig sei. Denn es werde von der Antragsgegnerin verlangt, ihren Einfluss auf die Beigeladene geltend zu machen; das „Ob“ der Nutzung stehe in Streit. In der Vergangenheit hätten politische Veranstaltungen mit überregionalem Bezug und von überregionalen Parteigliederungen im H. stattgefunden. Es entspreche der gängigen Praxis, auch Parteiveranstaltungen jeglicher Couleur zu gestatten. Dem Antragsteller komme als Partei ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen Parteien auch gegenüber der Antragsgegnerin als Kommune zu. Es komme nicht darauf an, welcher Rechtsform sich eine Kommune bediene; eine „Flucht ins Privatrecht“ sei nicht zulässig. Die Antragsgegnerin dürfe sich nicht ihrer Einwirkungsmöglichkeiten auf die Beigeladene begeben, um sich verfassungsrechtlicher Bindungen zu entziehen. Die Antragsgegnerin verletze mit ihren Einwendungen gegen den Antragsteller die verfassungsrechtliche Pflicht zur Neutralität gegenüber politischen Parteien. Ihre Kritik an der AfD orientiere sich nicht am Sachlichkeitsgebot. Für die Annahme, dass die öffentliche Sicherheit gefährdet werde, fehle es an brauchbaren Anhaltspunkten. Bei der Regulierung der Haftungsrisiken seien die hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe nicht berücksichtigt worden. Ohne die Überlassung des J. drohe ihm, dem Antragsteller, ein erheblicher Nachteil; es sei ihm nicht zumutbar, die Entscheidung im Hauptsachverfahren abzuwarten. Die Partei dürfe in Wahlkampfzeiten nicht von der Nutzung öffentlicher Einrichtungen ausgeschlossen werden. Es bestünden keine Ausweichmöglichkeiten auf private Räumlichkeiten.
Dem Antrag liegt eine eidesstattliche Versicherung des Vorsitzenden des Antragstellers bei, wonach die tatsächlichen Angaben zu den vergeblichen Versuchen einen privaten Veranstaltungsraum für die AfD zu buchen, zutreffend seien.
Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung - der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung - vorläufig zu verpflichten, die Beigeladene anzuweisen, ihm am 2. Juni 2016 in der Zeit von 18:00 bis 24:00 Uhr die Mehrzweckhalle „N.“, O.,.{I.} zur Durchführung einer öffentlichen Veranstaltung zu überlassen und den Teilnehmern der Veranstaltung sowie den von dem Antragsteller angestellten Hilfskräften in der Zeit der Veranstaltung Zutritt zu den Räumlichkeiten zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückzuweisen.
Sie vertieft die bereits im Bescheid vom 25. Mai 2016 geäußerte Position. Bei dem angefragten Saal handle es sich nicht um eine öffentliche Einrichtung. Nach der herrschenden jahrelangen Praxis sowie dem Gesellschaftervertrag obliege es allein der Geschäftsführerin der Beigeladenen zu entscheiden, ob und an wen vermietet werde. Die Antragsgegnerin verweist im Einzelnen auf zwei Entscheidungen von Verwaltungsgerichten aus Nordrhein-Westfalen. Die Ziele der AfD stünden nicht in Einklang mit denjenigen der Beigeladenen und der Antragsgegnerin. Es seien bei einer Vermietung an den Antragsteller wirtschaftliche Nachteile und ein Ansehensverlust im Ausland zu befürchten. Es seien akut erhebliche Gefährdungen (Glasbruch) zu erwarten, denen in der Kürze der Zeit nicht effektiv begegnet werden könne und die nachfolgende Veranstaltungen beeinträchtigen würden. Der Antragsteller habe kein Sicherheitskonzept und auch keine entsprechende Veranstalterhaftpflichtversicherung vorgelegt; dies könne in der Kürze der Zeit auch nicht mehr erfolgen. Der angefragte große Veranstaltungssaal werde nicht an überregionale Parteiverbände, Kreisverbände eingeschlossen, vermietet. Die Vermietung gehöre zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Beigeladenen, deren Organisation obliege allein der Geschäftsführerin der Beigeladenen ohne Einflussnahme durch die Antragsgegnerin in eigener Verantwortung.
Die Geschäftsführerin der Beigeladene erläutert den Vorgang in einer persönlichen Stellungnahme. Sie sei überrascht gewesen, dass am Freitag, den 13. Mai 2016 der Antragsteller erneut wegen des Saals angefragt habe, nachdem sie ihm zuvor bereits erläutert habe, dass eine Anmietung durch ihn nicht in Betracht komme. Sie hätte sich einen angemessenen Reaktionszeitraum gewünscht. Der zeitliche Druck sei nicht das Verschulden der Beigeladenen, sondern liege darin begründet, dass der Antragsteller zu einer Veranstaltung lade, ohne dass ein Raum dafür zur Verfügung stehe. Den Beschluss, nicht an den Antragsteller zu vermieten, habe sie allein aufgrund der langjährigen Vergabepraxis gefasst. In den letzten 10 Jahren habe die Gesellschafterversammlung keinen Einfluss darauf genommen, an wen vermietet werde. Die Historie begründe, dass die M. Vereine und Verbände ein besonderes Nutzungsrecht erwarteten. Daher sei dies auch im Leitbild aufgenommen worden.
Die Grünen hätten das H. nicht für eine Veranstaltung genutzt, diese habe auf dem Wochenmarkt am H. stattgefunden. Die Veranstaltungen „Abhören unter Freunden“, „Die Entwicklung der Flüchtlingssituation in I.“, „Regionalkonferenz“ und „Europawahlkonferenz“, auf die der Antragsteller Bezug nehme, hätten in den Seminarräumen des L. stattgefunden. Die Veranstaltung „Zukunft Nordwest“ habe im F. stattgefunden; diesen habe der SPD-Ortsverein angemietet. Der F. werde sehr selten für politische Veranstaltungen an die Ortsverbände vermietet. Gelegentlich würden die Seminarräume für parteipolitische Veranstaltungen genutzt. Die Seminarräume habe der Antragsteller nicht angefragt. Die Veranstaltungen dort seien auch in Größe und Charakter nicht mit der geplanten zu vergleichen.
Der Antragsteller habe bislang keine aussagekräftige Mietanfrage vorgelegt. Es müsse mit erheblichen Sicherheitsrisiken gerechnet werden. Bei Sicherheitsbedenken würde eine Haftung abgelehnt werden. Die Architektur des Gebäudes mit vielen Glasfronten gebe zu Sicherheitsbedenken Anlass. Mit Blick auf Folgeschäden, die sich auch auf weitere Veranstaltungen auswirken würden, müsse die Vermietung an den Antragsteller in diesem Fall grundsätzlich abgelehnt werden.
Sie, die Geschäftsführerin der Beigeladenen, habe sich nach der ersten Absage gegenüber dem Antragsteller nicht verpflichtet gefühlt. Nunmehr seien für den 2. Juni 2016 eine Filmvorführung als Eigenveranstaltung und eine Treffen mit den Geschäftspartnern vorgesehen. Dies sei am 25. Mai 2016 bekannt gegeben worden. In den Seminarräumen finde an diesem Tag ein Sponsorentreffen mit Pressekonferenz statt. Dieser Termin sei bereits vor dem 13. Mai 2016 per Doodle-Anfrage vom 11. Mai 2016 organisiert worden.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat Erfolg.
Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet. Es geht dem Antragsteller darum, dass die Antragsgegnerin auf eine GmbH, die Beigeladene, einwirkt, deren Gesellschaftsanteile zu 100% in der Hand der Antragsgegnerin liegen. Für solche Fälle, in denen Parteien Kommunen mit dem Ziel der Einwirkung auf ihre Eigengesellschaften in Anspruch nehmen, um den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Parteien durchzusetzen, ist es anerkannt, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (nur BVerwG, Beschluss vom 21.7.1989 - 7 B 184.88 -, juris; vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 24.10.2007 - 10 OB 231/07 -, juris).
Der Antrag ist zulässig. Er ist darauf gerichtet, dass die Antragsgegnerin ihre Einwirkungsmöglichkeiten auf die Beigeladene ausübt und diese anweist, die Mehrzweckhalle F. am 2. Juni 2016 zur Durchführung einer Wahlkampfveranstaltung an den Antragsteller zu vermieten. Nicht vom Antrag umfasst sind Fragen der konkreten Ausgestaltung des Mietverhältnisses, einschließlich etwaiger Haftungsfragen. Soweit der Antragsteller begehrt, dass die Anweisung der Antragsgegnerin an die Beigeladene auch ein Recht auf Zutritt zu den Räumen umfassen muss, handelt es sich hierbei lediglich um eine Klarstellung. Denn die Vermietung von Räumen zur Durchführung einer öffentlichen Veranstaltung umfasst naturgemäß auch das Recht, dass diese Räume zum Zwecke der Durchführung der Veranstaltung von den Veranstaltern und den Teilnehmern betreten werden.
Der Antrag ist begründet. Gemäß § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Satz 2). Gemäß den §§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) hat der Antragsteller sowohl die Eilbedürftigkeit der begehrten gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) als auch seine materielle Anspruchsberechtigung (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen.
Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die von ihm begehrte Regelung ist eilbedürftig, weil er die auf den 2. Juni 2016 angesetzte und von ihm auf seinem Internetauftritt bereits beworbene Wahlkampfveranstaltung ohne die begehrte Regelung nicht durchführen kann. Er hat anhand einer eidesstattlichen Versicherung zudem glaubhaft gemacht, dass er nicht auf andere Räumlichkeiten, namentlich bei privaten Veranstaltern, ausweichen kann und dies auch bereits im Anschreiben an die Antragsgegnerin vom 20. Mai 2016 angegeben. Er hat die Eilbedürftigkeit auch nicht selbst verursacht. Denn nach der ersten Absage durch die Beigeladene hat der Antragsteller am 13. Mai 2016 nochmals wegen der Vermietung des J. bei ihr angefragt. Alsbald nach der nochmaligen Absage hat er bei der Antragsgegnerin um Einflussnahme auf die Beigeladene ersucht. Damit bestand ausreichender zeitlicher Vorlauf. Eine kurzfristige Verlegung der Veranstaltung ist dem Antragsteller nicht zuzumuten.
Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Dieser folgt jedenfalls aus § 5 Parteiengesetz (PartG) i.V. mit Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG) sowie Art. 21 GG und Art. 38 GG.
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht führt in seinem Beschluss vom 14. April 2011 (- 10 ME 47/11 -, juris Rn. 30) aus:
„Aufgrund ihres Selbstverwaltungsrechts nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG steht es Gemeinden zwar grundsätzlich frei, ihre gemeindlichen Einrichtungen Parteien zur Verfügung zu stellen oder diese von deren Nutzung auszuschließen (Nds. OVG, Beschl. v. 28. 2. 2007 - 10 ME 74/07 -, DVBl. 2007, 517, hier zitiert nach juris, Langtext Rn. 20, m. w. N.). Bei der Ausübung ihres Selbstverwaltungsrechts haben sie aber den durch Art. 3 GG i. V. m. Art. 21 und Art. 38 GG gewährleisteten Grundsatz der Chancengleichheit politischer Parteien zu beachten. Das Grundgesetz gewährleistet durch Art. 3 GG in Verbindung mit Art. 21 und Art. 38 GG die Chancengleichheit der Parteien und sichert damit den freien Wettbewerb der Parteien und die Teilnahme an der politischen Willensbildung. Die Chancengleichheit gilt nicht nur für den Bereich des Wahlrechts im engeren Sinne, sondern im gesamten "Vorfeld" der Wahlen (BVerfG, Beschl. v. 7. 3. 2007 - 2 BvR 447/07 -, NdsVBl. 2007, 165 f., hier zitiert nach juris, Langtext Rn. 3). Paragraf 5 Abs. 1 PartG setzt diese verfassungsrechtlichen Vorgaben um, indem er bestimmt, dass bei der Gestattung der Nutzung öffentlicher Einrichtungen alle politischen Parteien gleich behandelt werden sollen. Das Recht auf Chancengleichheit der Parteien ist verletzt, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung einer Partei verweigert, obwohl er sie anderen Parteien einräumt oder eingeräumt hat.“
Gemessen an diesen Maßstäben steht dem Antragsteller der geltend gemachte Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Einwirkung auf die Beigeladene zu.
Der Antragsteller ist der Kreisverband einer politischen Partei, die beabsichtigt, an der bevorstehenden Kommunalwahl teilzunehmen. Bei der Beigeladenen handelt es sich um eine gemeindliche öffentliche Einrichtung i.S. des § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG. Dies richtet sich nach der Widmung, also der Festlegung der Zweckbestimmung der Einrichtung und ihrer Benutzung durch die Allgemeinheit, die auch konkludent erfolgen kann, etwa durch die tatsächliche Inbetriebnahme und Nutzung. Maßgeblich ist die Erkennbarkeit des Behördenwillens, dass die Sache einem bestimmten öffentlichen Zweck dienen soll. Für den Fall, dass es an einer eindeutigen Widmungserklärung fehlt, kann auf eine Reihe von Indizien zurückgegriffen werden, die auf einen entsprechenden Erklärungswillen hindeuten (zum Ganzen vgl. nur VG Arnsberg vom 20.8.2007 - 14 K 274/07 -, juris).
Solche Indizien sind hier gegeben. Keine Rolle spielt es, dass die Beigeladene eine juristische Person des Privatrechts ist; es kommt allein auf die sich aus der (stillschweigenden) Widmung ergebenden öffentlichen Zwecke an. Derartige Zwecke liegen vor. Der vorliegende Fall unterscheidet sich wesentlich von der Konstellation, über die das Verwaltungsgericht Arnsberg und das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu entscheiden hatten (VG Arnsberg, a.a.O.; OVG NRW, Beschluss vom 21.1.2008 - 14 A 2872/07 -, juris). Die Beigeladene ist zu 100% in der Hand der Antragsgegnerin. Dies ergibt sich aus § 4 des Gesellschaftsvertrages. In §§ 6 und 7 ist sichergestellt, dass die Vertreter der Antragsgegnerin den alleinigen Einfluss in der Gesellschafterversammlung und bei den Gesellschafterbeschlüssen ausüben. Auch bei unaufschiebbaren Beschlüssen ist sichergestellt, dass diese nur mit Zustimmung des Vorsitzenden der Gesellschafterversammlung bzw. seines Stellvertreters und eines weiteren Gemeindevertreters gefasst werden dürfen. Die Geschäftsführung ist nach § 8 Nr. 3 dazu angehalten, die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung bei der Leitung der Gesellschaft zu beachten. § 8 Nr. 4 legt fest, dass Beschlüsse, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung benötigen. Damit ist auch bei der Leitung der Gesellschaft im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb die Möglichkeit der Einflussnahme durch Beschlüsse der Gesellschafterversammlung, der zu 100% Vertreter der Antragsgegnerin angehören, gesichert. Dass in den letzten 10 Jahren auf diese Weise kein Einfluss auf die Vermietung genommen worden sein soll, setzt diese Regelung des Gesellschaftsvertrages nicht außer Kraft. Der in § 3 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages festgelegte Gesellschaftszweck betrifft die Vermittlung, Organisation und Verwaltung von Veranstaltungen aller Art, insbesondere die Vermarktung des Veranstaltungszentrums der Wirtschaftsbetriebe der Gemeinde I. GmbH sowie die Förderung des Tourismus in der Gemeinde I.. Daraus geht hervor, dass die Beigeladene sowohl allen Veranstaltern offen steht als auch maßgeblich öffentliche Zwecke zugunsten der Antragsgegnerin erfüllen soll. Dies schlägt sich auch in ihrem Leitbild nieder, nach dem M. Vereine und Verbände traditionell ein besonderes Nutzungsrecht genießen und ihnen ein vergünstigter Nutzungstarif durch den Beschluss der Gesellschafterversammlung eingeräumt worden ist. An dem letztgenannten Umstand ist zu erkennen, dass die Antragsgegnerin über die Gesellschafterversammlung Einfluss auf die Vermietungspraxis der Beigeladenen nimmt.
Die vom Antragsteller begehrte Nutzung liegt nicht außerhalb des Widmungszwecks. Aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt sich kein Ausschluss politischer Zwecke oder eine Beschränkung auf die Nutzung durch bei der Antragsgegnerin ansässige Ortsverbände politischer Parteien. Eine solche Beschränkung kann auch nicht dem von der Geschäftsführerin zitierten Unternehmenszweck entnommen werden. Danach genießen M. Vereine und Verbände traditionell ein besonderes, nicht aber ein ausschließliches Nutzungsrecht. Einer derartigen ausschließlichen Nutzung durch kommunale Akteure stehen nicht nur die Ausführungen der Antragsgegnerin in ihrem Bescheid vom 25. Mai 2016 entgegen, in dem auf zahlreiche internationale, im Ausland ansässige Nutzer hingewiesen wird. Auch dem Zweck der Tourismusförderung dürfte eine Beschränkung auf Nutzer aus der Gemeinde entgegenstehen. Entscheidend fällt ins Gewicht, dass verschiedene Nutzungen des L. durch politische Parteien mit überkommunalem Bezug stattgefunden haben. So gab es eine Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion zur Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses im Bundestag im Juli 2015 (auf Einladung der Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Osterholz-Verden, vgl. www.spd-schwanewede.de/content/467054.php) und die Durchführung der SPD-Regionalkonferenz im November 2013 für die Landkreise P. und Q.. Weiter hat der SPD-Kreisvorstand P. zu einer Europawahlkonferenz eingeladen. Die genannten Veranstaltungen sollen in den Seminarräumen des L. stattgefunden haben; die Rechnung für die erstgenannte Veranstaltung wurde an die SPD-Bundestagsfraktion gestellt, die Rechnungen für die anderen beiden Veranstaltungen an den SPD-Ortsverein I.. Zu einer Veranstaltung der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK) wurde im Jahr 2012 der auch vom Antragsteller angefragte F. angemietet; ausweislich der vorgelegten Rechnung ist diese Anmietung ebenfalls durch den SPD-Ortsverein I. erfolgt. Jedenfalls für die Veranstaltungen der SPD ist damit belegt, dass das H. - und zwar sowohl die Seminarräume als auch der F. - von ihr für Veranstaltungen genutzt wird, die einen Bezug zur Arbeit im Wahlkreis Q. -P. und sogar zur Arbeit auf Bundesebene haben. Es ist nicht ersichtlich, dass die Veranstaltung mit der Bundesparteivorsitzenden der AfD, zu welcher der Antragsteller als Kreisverband lädt, sich von den genannten Veranstaltungen wesentlich unterscheidet. Kein zulässiges Unterscheidungskriterium stellt es dar, dass die AfD nicht im Bundestag vertreten ist und nicht flächendeckend auf Ortsebene organisiert ist. Dies ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass ihre Gründung noch recht neuen Datums ist. Ebenfalls kein zulässiges Unterscheidungskriterium stellt es dar, dass der F. vom SPD-Ortsverein I. und nicht etwa von einem Kreisverband angemietet wurde. Hier geht es ersichtlich um eine rein organisatorische Frage. Entscheidend für das Gepräge der genannten Veranstaltungen ist, dass es bei ihnen um Themen mit einem über I. hinausweisenden Bezug geht. Dies gilt auch für die Veranstaltung im F. im Jahr 2012, wie dem Programm, welches der Antragsteller vorgelegt hat, zu entnehmen ist.
Der Nutzung durch den Antragsteller stehen Kapazitätsgründe nicht entgegen. Insbesondere spricht nicht gegen sie, dass nunmehr eine Filmvorführung anlässlich der Europameisterschaft 2016 um 20:00 Uhr und offenbar auch ein Sponsorentreffen um 18:00 Uhr im F. stattfinden sollen. Die materielle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass auch unabhängig von der Absage der Veranstaltung vom 4. Juni 2016 eine Vorbelegung zum angefragten Termin am 2. Juni 2016 bestanden hatte, liegt bei der Antragsgegnerin. Denn nur so kann dem „bösen Schein“ entgegengetreten werden, dass unliebsame politische Parteien durch nachträgliche Maßnahmen ausgeschlossen werden. Dies ist für Konstellationen, bei denen durch eine nachträgliche Änderung der Benutzungsordnung oder Satzung ein neuer Widmungszweck begründet werden soll, anerkannt (z.B. Nds. OVG: Beschluss vom 14.4.2011 - 10 ME 47/11 -, juris; in Bezug auf die AfD: VG Karlsruhe, Beschluss vom 1.3.2016 - 10 K 803/16 -, juris). Es gilt wegen derselben Zielrichtung, nämlich dem Ausschluss bestimmter Parteien vom politischen Wettbewerb, auch bei erst nach einer Anfrage auftretenden Kapazitätsproblemen. Substantiierte Nachweise dafür, dass die von der Beigeladenen und Antragsgegnerin angeführten Kapazitätsprobleme nach den Umständen des Einzelfalles unabhängig von der Anfrage durch den Antragsteller bestanden hätten, sind nicht beigebracht worden.
Die Kammer geht davon aus, dass die Abendveranstaltungen am 2. Juni 2016 im F. vorgeschoben worden sind, um eine Belegung dieses Saales durch den Antragsteller zu verhindern. Darauf weist bereits die prinzipielle Ablehnung der inhaltlichen Ausrichtung der AfD hin, welche die Antragsgegnerin sowohl in ihrem Ablehnungsbescheid als auch in ihrer Erwiderung an das Gericht formuliert hat. Aus dem Geschehensablauf ergibt sich zudem, dass die Belegung des J. am 2. Juni 2016 erst nach der nochmaligen Anfrage des Antragstellers vom 13. Mai 2016 von der Beigeladenen organisiert worden ist. Zunächst war dem Antragsteller die Anmietung mit Hinweis auf einen mehrtägigen Vorlauf für eine andere Veranstaltung am 4. Juni 2016 wegen komplizierter Bühnentechnik verweigert worden. Nachdem bekannt geworden war, dass diese Veranstaltung verschoben werden musste, bekundete der Antragsteller alsbald wieder Interesse an der Anmietung des Saals und zwar am 13. Mai 2016. Daraufhin erfolgte aber nicht sogleich der Hinweis der Beigeladenen, dass nunmehr eine andere Belegung geplant sei. Vielmehr erbat sich die Beigeladene in ihrer E-Mail vom 13. Mai 2016 mit Verweis auf weiteren Gesprächsbedarf mehr Zeit und versandte ihre Stellungnahme erst am 18. Mai 2016. Es liegt nahe, dass die Filmvorführung in Kenntnis der Anmietungsanfrage des Antragstellers erst nach der Absage der Veranstaltung vom 4. Juni 2016 geplant wurde, zumal der Veranstalter der Filmvorführung die Beigeladene selbst ist. Für diese Annahme spricht auch, dass in der E-Mail der Beigeladenen vom 18. Mai 2016 lediglich der unspezifische Hinweis darauf erfolgte, dass der angefragte Termin schon vergeben bzw. reserviert sei. Das „Sponsoren und Geschäftspartner-Get-Together“ um 18:00 Uhr im F. ist erst nach dem 13. Mai 2016 - also zeitlich nach der Anfrage des Antragstellers - geplant worden. Dies schließt die Kammer aus dem Schreiben der Beigeladenen vom 23. Mai 2016, in welchem der Pressetermin, an dem die Sponsoren und Geschäftspartner auch beteiligt sind, aufgrund der Ergebnisse einer Doodle-Terminabfrage auf den 2. Juni 2016 festgelegt worden ist. Für die Einladung zum Barbecue um 18:00 Uhr dürfte nichts anderes gelten. Die Belegung der Seminarräume im H. am Vormittag des 2. Juni 2016 steht einer Belegung des J. am Abend durch den Antragsteller nicht entgegen.
Andere Gründe, die eine Ablehnung der Vergabe des begehrten J. an den Antragsteller rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Grundsatz der Gleichbehandlung politischer Parteien schließt es aus, dass Parteien unter Hinweis auf eine inhaltlich missliebige oder unerwünschte Zielsetzung benachteiligt werden. Allein eine verfassungswidrige Ausrichtung, die nur durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt werden dürfte (Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG), wäre in dieser Hinsicht ein zulässiges Unterscheidungskriterium. Die Antragsgegnerin kann eine Benachteiligung des Antragstellers auch nicht erfolgreich damit rechtfertigen, dass sie oder die Beigeladene einen Reputationsverlust bei ausländischen Kunden erleiden würden. Abgesehen davon, dass dieser Einwand spekulativ ist, steht auch hier der Grundsatz der Gleichbehandlung politischer Parteien entgegen. Für drohende Schäden aufgrund von Krawallen bei einer Anmietung durch den Antragsteller fehlt es an belastbaren Hinweisen. Zudem hätte die Polizei den Schutz der Veranstaltung des Antragstellers und des L. zu gewährleisten.
Etwaige organisatorische Schwierigkeiten bei der konkreten Vertragsgestaltung in der Kürze der nunmehr zur Verfügung stehenden Zeit stehen dem geltend gemachten Anspruch nicht entgegen. Denn dieser betrifft nicht das „Wie“ der Belegung des J., sondern ausschließlich das „Ob“, auf das die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer durch den Gesellschaftsvertrag begründeten Handlungsmöglichkeiten Einfluss nehmen kann.
Zuletzt steht dem Anordnungsanspruch nicht entgegen, dass die begehrte einstweilige Anordnung möglicherweise eine Vorwegnahme der Hauptsache bedeutet. Denn nur durch sie kann ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Nachteil für den Antragsteller verhindert werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG. Für eine Ermäßigung des Regelstreitwerts besteht nach Ziffer 1.5. des Streitwertkatalogs wegen der Vorwegnahme der Hauptsache kein Anlass.