Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 24.02.2021, Az.: 3 A 136/19

Schweiz; Subsidiärer Schutz

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
24.02.2021
Aktenzeichen
3 A 136/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 71126
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Soweit die Prüfung des Asylantrags in einem vorherigen, erfolglos abgeschlossenen Asylverfahren (in der Schweiz) nicht die Gewährung subsidiären Schutzes umfasst hat, liegt kein unzulässiger Zweitantrag vor (wie VG Cottbus, Urteil vom 14.05.2020 – 8 K 1895/18.A –
2. Die Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamtes nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist kein teilbarer Verwaltungsakt.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig.

Er ist eritreischer Staatsangehöriger protestantischen Bekenntnisses und 1983 in Asmara geboren. Er reiste am 06.04.2018 aus der Schweiz in der Bundesrepublik ein und stellte einen Asylantrag. Gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gab der Kläger an, dass er sich zweieinhalb Jahre in der Schweiz aufgehalten und dort erfolglos ein Asylverfahren durchlaufen habe. Hierzu legte er einen ablehnenden Bescheid des schweizerischen SEM vom 20.02.2018 in französischer Sprache vor. In Deutschland würden seine Frau, die er im Oktober 1994 in Eritrea traditionell geheiratet habe, sowie seine einjährige Tochter leben. Nachdem die zuständige schweizerische Behörde die Rückübernahme des Klägers bestätigt hatte, lehnte das Bundesamt seinen Asylantrag mit Bescheid vom 26.04.2018 nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG als unzulässig ab und ordnete seine Abschiebung in die Schweiz an. Wegen Ablaufs der Überstellungsfrist hob das Bundesamt den Bescheid vom 26.04.2018 durch Schriftsatz vom 14.12.2018 auf.

Mit weiterem Bescheid vom 06.06.2019 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers erneut als unzulässig ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Dem Kläger wurde die Abschiebung nach Eritrea angedroht. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 9 Monate befristet. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es handele sich um einen unzulässigen Zweitantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG, weil aufgrund der Angaben des Klägers und des Bescheids des SEM vom einem in der Schweiz abgeschlossenen erfolglosen Asylverfahren auszugehen sei. Gründe für ein Wiederaufgreifen des Asylverfahrens oder die Zuerkennung nationalen Abschiebungsschutzes lägen nicht vor.

Am 19.06.2019 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er sich auf seinen Vortrag im Asylverfahren bezieht und ihn vertieft. Im schweizerischen Asylverfahren sei die Gewährung subsidiären Schutzes in Sinne des § 4 AsylG nicht geprüft worden, weshalb es sich bei dem Asylantrag des Klägers nicht um einen Zweitantrag handele. Auf den zugleich gestellten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das erkennende Gericht durch Beschluss vom 03.07.2019 - 3 B 137/19 - die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 06.06.2019 aufzuheben,

hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, für den Kläger ein nationales Abschiebungsverbot festzustellen und den Bescheid vom 06.06.2019 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid. Der Kläger habe in der Schweiz, einem sicheren Drittstaat, ein Asylverfahren bestandskräftig abgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG lägen nicht vor.

Nach Anhörung der Beteiligten hat die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vom 02.07.2019 und vom 19.02.2021 zugestimmt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Bezug genommen. Die Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige und auch sonst statthafte Klage, über die der Einzelrichter im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nach der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG grundsätzlich maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zulässig und begründet. Der Bescheid vom 06.06.2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Statthafte Klageart gegen einen Bescheid wie den streitgegenständlichen, in dem ein Asylantrag als unzulässiger Zweitantrag abgelehnt, ist allein die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO (vgl. BVerwG, Urteile vom 09.08.2016 - 1 C 6.16 -, juris, Rn. 9, und vom 27.10.2015 - 1 C 32.14 -, juris, Rn. 13 ff; Nds. OVG, Beschluss vom 06.11.2014 - 13 LA 66/14 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).

Ziffer 1. des Bescheides vom 06.06.2019 ist rechtswidrig. Die Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Schutzgewährung zu Unrecht nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig abgelehnt. Es ist auch nicht zu erkennen, dass eine Unzulässigkeitsentscheidung auf andere Tatbestände des § 29 Abs. 1 AsylG gestützt werden könnte. Ein Asylantrag ist gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG abzulehnen, wenn im Falle eines Zweitantrages nach § 71a AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Das ist hier nicht der Fall. Nach § 71a Abs. 1 AsylG ist ein weiteres Asylverfahren in Deutschland nur dann durchzuführen, wenn der Antragsteller bereits in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den die Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten, erfolglos ein Asylverfahren durchlaufen hat, und wenn die einschränkenden Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen.

Nach dem Ablauf der Überstellungsfrist ist die Bundesrepublik für das Asylverfahren des Klägers zuständig geworden, Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO. Die Schweiz ist ein sicherer Drittstaat (§ 26 a Abs. 2 AsylG iVm. der Anlage I), für den die Rechtsvorschriften der Europäischen Union über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten, die von der Schweiz gemäß Art. 1 Abs. 1 und 2 des Assoziationsabkommens vom 26.10.2004 angewendet werden. Das Gericht geht ferner davon aus, dass der schweizerische Asylantrag des Klägers durch den Bescheid des SEM vom 20.02.2018 unanfechtbar abgelehnt worden ist. Im Zeitpunkt der Einreise des Klägers in die Bundesrepublik am 06.04.2018 waren die Rechtsmittelfristen des Art. 108 des schweizerischen Asylgesetzes gegen den Bescheid des SEM vom 20.02.2018 abgelaufen, so dass es auf die streitige Frage, ob für den erfolglosen Abschluss des Asylverfahrens im Drittstaat auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung in Deutschland oder auf den Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs abzustellen ist (vgl. OVG Bremen, Urteil vom 03.11.2020 - 1 LB 28/20 -, juris, Rn. 27 mwN.), nicht ankommt. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass ihm der Bescheid vom 20.02.2018 verzögert zugegangen wäre oder dass er ein Rechtsmittel gegen den Bescheid eingelegt hätte. Das Gericht teilt auch die Auffassung in der vorgenannten Entscheidung (aaO., Rn. 45ff), dass § 71a AsylG mit EU-Recht, insbesondere mit Art 33 Abs. 2 lit. d und Art 2 lit q der Verfahrensrichtlinie im Einklang steht. Dennoch kann die Ablehnungsentscheidung vorliegend nicht auf §§ 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71a Abs. 1 AsylG gestützt werden, weil das schweizerischen Asylverfahren eine Prüfung des subsidiären Schutzes iSd. § 4 AsylG nicht kennt. Insoweit fehlt es an einem abgeschlossenen Asylverfahren im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylG.

Das VG Cottbus (Urteil vom 14.05.2020 - 8 K 1895/18.A -, juris, Rn. 16ff) hat hierzu unlängst ausgeführt, was der erkennende Einzelrichter in vollem Umfang teilt, weshalb diese Gründe auch für das vorliegende Verfahren maßgeblich sind:

Die Anwendung von § 29 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 71 a Abs. 1 AsylG auf Staaten, die wie die Schweiz zwar am Dublin-System teilnehmen, ohne aber Mitglied der Europäischen Union zu sein, ist mit Art. 33 Abs. 2 lit. d) i. V. m. Art. 2 lit. b) und q) der Richtlinie (RL) 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie) grundsätzlich vereinbar.

Zwar beschränken Art. 33 Abs. 2 lit. d) i. V. m. Art. 2 lit. b) und q) RL 2013/32/EU die Möglichkeit, einen Antrag auf internationalen Schutz wegen eines vorausgehenden erfolglosen Asylverfahrens als unzulässig zu betrachten, auf Fälle, in denen auch der frühere Asylantrag auf die Zuerkennung internationalen Schutzes gerichtet war. Unter „Antrag auf internationalen Schutz“ oder „Antrag“ ist gemäß Art. 2 lit. b) RL 2013/32/EU das Ersuchen eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen um Schutz durch einen Mitgliedstaat zu verstehen, bei dem davon ausgegangen werden kann, dass er die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung subsidiären Schutzes anstrebt und der nicht ausdrücklich um eine andere, gesondert zu beantragende Form des Schutzes außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2011/95/EU ersucht. Ausgehend von diesem Wortlaut wird in der Rechtsprechung teilweise vertreten, dass die Ablehnung eines Asylantrages als unzulässig gemäß Art. 33 Abs. 2 lit. d) RL 2013/32/EU voraussetzt, dass auch das vorangegangene Asylverfahren in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union durchgeführt worden ist, und dass nur dann in einem weiteren Asylantrag ein Folgeantrag im Sinne dieser Regelung vorliegt (vgl. so: Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 9. Dezember 2019 - 10 K 995/18.A -, juris Rn. 38 ff. und Beschluss vom 13. September 2019 - 10 L 1000/19.A -, juris Rn. 25; Verwaltungsgericht Köln, Beschluss vom 30. Januar 2020 - 8 L 130/20.A -, juris Rn. 17 ff.).

Andererseits nimmt die Schweiz jedoch aufgrund des oben genannten Assoziationsabkommens am Dublin-Zuständigkeitssystem – nunmehr unter der Dublin III-Verordnung – teil. Dieser Einbindung der Schweiz in das gemeinsame Europäische Asylsystem und damit letztlich Sinn und Zweck dieses Systems liefe es jedoch zuwider, wenn Asylbewerber – wie etwa hier der Kläger – zwar im Rahmen des Dublin-Systems zur Prüfung ihres Asylantrages in die Schweiz überstellt werden können, die Mitgliedstaaten aber dennoch verpflichtet sein sollten, nach dortigem erfolglosem Abschluss des Verfahrens – und Entfallen der Zuständigkeit der Schweiz nach der Dublin-Verordnung – nochmals ein vollständiges Asyl(erst)verfahren durchzuführen (vgl. ebenso (für Norwegen): Verwaltungsgericht Schleswig, Vorlagebeschluss vom 30. Dezember 2019 – 13 A 392/19 -, Rn. 30 ff.). Insofern ist davon auszugehen, dass der Begriff „Mitgliedstaat“ in der Dublin III-Verordnung und in der Richtlinie 2013/32/EU, der in Kenntnis der Tatsache verwendet worden ist, dass sich auch Staaten wie Norwegen und die Schweiz durch Abkommen mit der Europäischen Union am Dublin-System beteiligen, erweiternd dahingehend auszulegen ist, dass er grundsätzlich auch diese - am Dublin-System beteiligten - Staaten erfasst (vgl. ebenso: Verwaltungsgericht Schwerin, Urteil vom 13. September 2019 - 15 A 4496/17 As SN -, juris Rn. 21 ff.; Verwaltungsgericht Schleswig, Vorlagebeschluss vom 30. Dezember 2019 - 13 A 392/19 -, Rn. 30 ff.; a. A. Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 9. Dezember 2019 - 10 K 995/18.A -, juris Rn. 51 ff.).

Vorliegend sind jedoch die (für) eine Ablehnung des Asylantrages erforderlichen Voraussetzungen des § 71 a Abs. 1 AsylG nicht gegeben. Es fehlt vielmehr an einem vorhergehenden erfolglos abgeschlossenen Asylverfahren (hierzu unter a), da und soweit im Rahmen des Schweizer Asylverfahrens eine Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht geprüft wurde (hierzu unter b).

a) Wie oben bereits dargelegt, setzt der Begriff des Asylverfahrens in europarechtlicher Auslegung voraus, dass eine vollständige Prüfung des internationalen Schutzes im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU stattgefunden hat. So bezeichnet Art. 2 lit. q) RL 2013/32/EU einen „Folgeantrag“ als einen „weiteren Antrag auf internationalen Schutz, der nach Erlass einer bestandskräftigen Entscheidung über einen früheren Antrag gestellt wird“. Wie oben ebenfalls bereits dargelegt, beziehen sich die Begriffe „Antrag auf internationalen Schutz“ und „früherer Antrag“ nicht nur auf das Begehren einer Flüchtlingsanerkennung, sondern auch auf die Gewährung subsidiären Schutzes (Art. 2 lit. h) RL 2011/95/EU, Art. 2 lit. b) RL 2013/32/EU). Entsprechend verlangt auch der Begriff der „bestandskräftigen Entscheidung“ nach Art. 2 lit e) RL 2013/32/EU eine Entscheidung darüber, ob einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen ist. Ausgehend hiervon ist auch im Rahmen einer europarechtskonformen Anwendung des § 71 a Abs. 1 AsylG erforderlich, dass das in einem sicheren Drittstaat erfolglos abgeschlossene Asylverfahren neben der Prüfung einer Flüchtlingsanerkennung auch die Prüfung der Gewährung subsidiären Schutzes umfasste. Nur in diesem Fall kann vom (vollumfänglichen) Vorliegen eines Zweitantrages ausgegangen werden (so bereits Verwaltungsgericht Cottbus, Beschluss vom 31. Juli 2019 - VG 6 K 1895/18.A -, juris Rn. 2; vgl. auch Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 21. Februar 2019 - 8 K 9975/17.A -, juris Rn. 31 ff.; Verwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 14. Juli 2016 - 1 AE 2790/16 -, juris Rn. 16 ff.; im Ergebnis auch Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 9. Dezember 2019 - 10 K 995/18.A -, juris Rn. 94; a. A. Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 13. März 2919 - A 1 K 3235/16 -, juris Rn. 23 ff.).

b) Das von dem Kläger in der Schweiz betriebene Asylverfahren ist nicht in diesem Sinne vollständig erfolglos abgeschlossen, da eine Prüfung des subsidiären Schutzes nicht erfolgt ist. Das Schweizer Recht kennt den subsidiären Schutz, wie er in der Richtlinie 2011/95/EU vorgesehen ist, vielmehr nicht (vgl. Art. 1 des Schweizer Asylgesetzes), namentlich unterscheidet es lediglich zwischen der Flüchtlingsanerkennung (Art. 2 und 3 Abs. 1 des Schweizer Asylgesetzes) und der – in Regelungsgehalt und Voraussetzungen nicht mit Art 15 RL 2011/95/EU deckungsgleichen - Gewährung vorübergehenden Schutzes (Art. 4 des Schweizer Asylgesetzes) bzw. der vorläufigen Aufnahme (Art. 83 des Schweizer Ausländer- und Integrationsgesetzes). Zwar hat sich die Schweiz, wie oben bereits dargestellt, an das Dublin-System der Europäischen Union – nunmehr in Gestalt der Dublin III-Verordnung – angeschlossen, ohne aber die für sie als Nicht-Mitgliedstaat nicht unmittelbar bindende Richtlinie 2011/95/EU in das nationale Recht überführt zu haben, womit sie auch nicht zur Umsetzung von Art. 18 RL 2011/95/EU über die Zuerkennung subsidiären Schutzes einschließlich (der) Schaffung entsprechender nationaler Regelungen verpflichtet ist (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. November 2016 - OVG 3 B 2.16 -, juris Rn. 21; Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 21. Februar 2019 - 8 K 9975/17.A -, juris Rn. 35; Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 9. Dezember 2019 - 10 K 995/18.A -, juris Rn. 76, 94; Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 21. Januar 2019 - 22 L 3215/18.A -, juris Rn. 35; Verwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 14. März 2018 - 3 B 5/18 -, juris Rn. 16).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich etwas anderes auch nicht aus dem Asylentscheid des Schweizerischen Staatssekretariats für Migration SEM vom 16. Juni 2016. Die sich darin an die Ablehnung der Flüchtlingsanerkennung anschließende Prüfung einer vorläufigen Aufnahme des Klägers gemäß Art. 44 Satz 2 des Schweizer Asylgesetzes i. V. m. Art. 83 des Schweizer Ausländer- und Integrationsgesetzes betrifft lediglich den Vollzug der Wegweisung und stellt keine (vergleichbare) Prüfung des subsidiären Schutzes dar, zumal die vorläufige Aufnahme keinen eigenständigen Status des Asylsuchenden begründet und die aus ihrer Gewährung resultierenden Rechte nicht den Rechten des subsidiär Schutzberechtigten nach der Richtlinie 2013/32/EU vergleichbar sind (vgl. Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 9. Dezember 2019 - 10 K 995/18.A -, juris Rn. 78; Verwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 22. Juni 2018 - 4 AE 1149/18 -, Seite 5 f. EA). Dies gilt auch, soweit im Rahmen dieser Prüfung das Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 3 EMRK thematisiert wird. Abgesehen davon, dass es einer ausdrücklichen Entscheidung über den subsidiären Schutzstatus bedarf (vgl. etwa § 31 Abs. 2 Satz 1 AsylG), weisen die aus Art. 3 EMRK abzuleitenden Abschiebungsverbote einerseits und die Regelungen zum subsidiären Schutz in der Richtlinie 2011/95/EU andererseits sowohl in ihren Voraussetzungen als auch in ihren Rechtsfolgen gewichtige Unterschiede auf (vgl. hierzu Verwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 14. Juli 2016 - 1 AE 2790/16 -, juris Rn. 20 f.; Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 21. Februar 2019 - 8 K 9975/17.A -, juris Rn. 37 ff.).

Erfolglos abgeschlossen wurde damit das vom Kläger in der Schweiz betriebene Asylverfahren nur hinsichtlich der abgelehnten Zuerkennung des Flüchtlingsstatus; nur insoweit wäre § 71a Abs. 1 AsylG auf seinen in Deutschland gestellten Antrag anwendbar, so dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens auf die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus anzuwenden sind. Dazu hat der Kläger nichts vorgetragen, was nicht bereits Gegenstand des schweizerischen Asylverfahrens war. Die Sach- und Rechtslage hinsichtlich der vom Kläger begehrten Flüchtlingsanerkennung hat sich mithin nicht zu seinen Gunsten geändert (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel wurden nicht vorgelegt (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG). In Bezug auf den Flüchtlingsstatus erfüllt der Zweitantrag des Klägers also nicht die Voraussetzungen, unter denen das Bundesamt erneut eine materielle Prüfung durchführen muss. Kein erfolgloser Abschluss liegt hingegen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 AsylG vor, weil dessen Voraussetzungen in der Schweiz nicht geprüft wurden.

Das erkennende Gericht teilt nicht die Auffassung des VG Cottbus (aaO., Tenor und Rn. 29), dass der angefochtene Bundesamtsbescheid nur teilweise aufzuheben ist, soweit auch der auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes gerichtete Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde. Diese Aufteilung der einheitlich getroffenen Unzulässigkeitsentscheidung setzt ihre Teilbarkeit voraus, die jedoch nicht gegeben ist. Die Verwaltungsgerichtsordnung gibt nicht vor, wann und unter welchen Voraussetzungen die Regelungen eines Verwaltungsaktes teilbar sind. Vielmehr knüpft sie, wie sich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ("Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig ist ...") ergibt, an die nach materiell-rechtlichen Vorschriften zu beurteilende Teilbarkeit an (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.07.2010 - 8 B 125/09 -, juris, Rn. 16 mwN.), erfordert also mindestens zwei selbstständige (Teil-)Regelungen, die unabhängig voneinander Bestand haben können. Zwar enthält jeder Asylantrag gemäß § 13 Abs. 1 und 2 AsylG einen Antrag auf internationalen Schutz in Form des Flüchtlings- und des subsidiären Schutzstatus (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG), die nach materieller Prüfung unabhängig voneinander beschieden werden können. Das durch den Antrag eingeleitete Asylverfahren ist aber nach § 71a Abs. 1 und 2 AsylG vom Bundesamt nur nach einer Vorprüfung der Zulässigkeit durchzuführen, welche einheitlich für beide Antragsteile vorzunehmen ist. Dabei sind die Ermittlungspflichten des Bundesamts nach § 71a Abs. 2 AsylG auf den Teil des Sachverhalts beschränkt, der für die Beurteilung der Voraussetzungen aus § 71a Abs. 1 AsylG erforderlich ist. Führt die Vorprüfung zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen eines Zweitantrags erfüllt sind, so entfällt eine materiell-rechtliche Prüfung des Asylbegehrens anhand der Kriterien der §§ 3ff, 4 AsylG. Dies gilt auch dann, wenn sich beispielsweise im Herkunftsstaat des Antragstellers nach dem erfolglosen Abschluss des Asylerstverfahrens die Bedrohungslage iSd. § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG grundlegend geändert hat, oder wenn dem Bundesamt nur in Bezug auf die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 neue Beweismittel vorgelegt werden. Führt bei diesen Beispielen die Vorprüfungen zu einem positiven Ergebnis, so öffnet dies den Weg zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, welches mit unterschiedlichen Regelungen zu den beiden Antragselementen enden kann; ist das Ergebnis dagegen negativ, so ist der Antrag insgesamt und einheitlich unzulässig, § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG. Eine Trennung des Asylverfahrens sieht die Rechtslage nicht vor, so dass der Regelungstenor „Der Antrag wird als unzulässig abgelehnt“ nur einheitlich ergehen kann.

Das Bundesamt wird also in Fällen wie dem vorliegenden, bei denen im ausländischen Asylerstverfahren die Voraussetzungen des subsidiären Schutzstatus nicht geprüft wurden und die Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG deshalb gesperrt ist, ein vollständiges weiteres Asylverfahren durchzuführen haben. Da § 71a Abs. 1 AsylG fingiert, dass eine bestandskräftig beendete ausländische Asylprüfung einem unanfechtbaren inländischen Verwaltungsakt iSd § 51 Abs. 1, 1. HS VwVfG hinsichtlich der rechtlichen Wirkung auf ein erneutes Prüfungsbegehren gleichsteht, diese Gleichstellung aber ausschließlich den bereits abgelehnten Antrag auf Anerkennung als Flüchtling betrifft, kann das Bundesamt dem Kläger die fehlende Erfüllung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG in Bezug auf den Antrag auf die Gewährung von subisdiärem Schutz nicht entgegenhalten, hat dieses Begehren also wie einen Erstantrag zu prüfen.

Weil sich das Asylverfahren des Klägers infolge dieses Urteils wieder in dem Stadium befindet, in dem es vor der Bekanntgabe des Bescheides vom 06.06.2019 war, fehlt es derzeit an einer Unzulässigkeitsentscheidung als Grundlage und Anknüpfungspunkt für die Folgeentscheidungen wie Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.