Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 23.02.2022, Az.: 7 B 237/22

ambulanter Pflegedienst; Mitwirkungspflicht; Pflegeausbildungsfonds; Schätzung; Umlage

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
23.02.2022
Aktenzeichen
7 B 237/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59441
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Meldet ein ambulanter Pflegedienst zum Stichtag nicht die für die Berechnung des Umlagebetrags erforderlichen Daten, so kann eine Schätzung der Daten gerechtfertigt sein (hier bejaht).
2. Grundlage für die Schätzung der Punkte im Sinne des § 11 Abs. 4 PflAFinV kann die im Transparenzbericht genannte Zahl der vom Pflegedienst versorgten Personen sein.

Tenor:

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 8.239,06 € festgesetzt.

Gründe

1.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage (7 A 2651/21) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2021 anzuordnen, ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat eine Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt hier jedoch gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 33 Abs. 7 Satz 2 des Gesetzes über die Pflegeberufe (PflBG).

Ob hier die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzung des § 80 Abs. 6 VwGO Anwendung findet, da es sich bei dem im angefochtenen Bescheid festgesetzten Umlagebetrag inhaltlich um „öffentliche Abgaben und Kosten“ im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO handeln dürfte, kann hier im Ergebnis offenbleiben, da eine dem gerichtlichen Eilverfahren vorangegangene behördliche Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO entbehrlich wäre, weil die Vollstreckung des Bescheides droht. Dies ist der Fall, wenn Vollstreckungsmaßnahmen bereits eingeleitet wurden oder der Beginn der Vollstreckung behördlich angekündigt wurde (SchochKoVwGO/Schoch, 41. EL Juli 2021, VwGO § 80 Rn. 515). Hier waren bereits Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet, denn die Gerichtsvollzieherin hatte auf Betreiben des für die Vollstreckung des Bescheides zuständigen NLBV bereits einen Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft anberaumt. Dass die Antragsgegnerin die Vollstreckung auf Bitten des Gerichts für die Dauer des laufenden Eilverfahrens ausgesetzt hat, steht dem nicht entgegen, da es sich hierbei nur um eine vorübergehende Aussetzung handelt und die Vollstreckung dessen ungeachtet weiter droht.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist jedoch unbegründet. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz VwGO kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen. Hiernach entscheidet das Gericht auf der Grundlage einer eigenen Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das besondere öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2014 – 7 VR 5.14 –, juris Rn. 9; Nds. OVG, Beschluss vom 10. September 2014 – 8 ME 87/14 –, juris Rn. 2). Im Rahmen der Interessenabwägung kommt den Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs eine entscheidende Bedeutung zu. Ergibt sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nur gebotenen summarischen Überprüfung, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache keinen Erfolg haben wird, weil sich der angegriffene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig erweist, so überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes. Erweist sich der Rechtsbehelf bei summarischer Überprüfung demgegenüber als offensichtlich erfolgreich, überwiegt regelmäßig das Interesse des Adressaten des Verwaltungsaktes, von dessen Vollziehung vorerst verschont zu bleiben. Stellen sich die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs hingegen als offen dar, so ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich, bei der in Rechnung zu stellen ist, welche Gründe bei bestehender Unsicherheit im Hinblick auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs für und gegen eine Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes sprechen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 10. Mai 2010 – 13 ME 181/09 –, juris Rn. 4).

Gemessen daran ist der Antrag unbegründet. Die Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 17. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2021 wird voraussichtlich keinen Erfolg haben. Der Bescheid erweist sich als offensichtlich rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für eine Beitragszahlung in den Pflegeausbildungsfonds ist § 33 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 PflBG i.V.m. §§ 12, 13 der „Verordnung über die Finanzierung der beruflichen Ausbildung nach dem Pflegeberufegesetz sowie zur Durchführung statistischer Erhebungen“ (PflAFinV).

Nach § 33 Abs. 1 PflBG wird der nach § 32 PflBG ermittelte Finanzierungsbedarf durch die Erhebung von Umlagebeträgen und Zahlungen nach § 26 Abs. 3 PflBG aufgebracht, deren Anteile in § 33 Abs. 1 PflBG für die verschiedenen Einzahlergruppen jeweils gesondert festgelegt wurden. Maßgeblich für die hier vorliegende ambulante Pflegeeinrichtung der Antragstellerin ist zunächst § 33 Abs. 1 Nr. 2 PflBG, wonach der gemeinsame Anteil der ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 2 und 3 PflBG an der Deckung des Gesamtfinanzierungsbedarfs 30,2174 % beträgt, der über Ausbildungszuschläge aufgebracht wird (§ 33 Abs. 4 Satz 1 PflBG). Die zuständige Stelle setzt gegenüber jeder Einrichtung den jeweils zu entrichtenden Umlagebetrag fest (§ 33 Abs. 4 Satz 2 PflBG). Hierfür wird der Anteil nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 PflBG auf die Sektoren „voll- und teilstationär“ und „ambulant“ im Verhältnis der in diesen Sektoren beschäftigten Pflegefachkräfte aufgeschlüsselt (§ 33 Abs. 4 Satz 3 PflBG).

Die Aufteilung des Finanzierungsbedarfs auf die einzelnen Pflegeeinrichtungen legt § 12 PflAFinV fest. Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 PflAFinV bemisst sich der auf die einzelne ambulante Einrichtung entfallene Anteil an dem nach § 12 Abs. 1 PflAFinV für den ambulanten Sektor ermittelten Betrag nach dem Verhältnis der in den zwölf Monaten vor dem 1. Januar des Festsetzungsjahres von der jeweiligen Einrichtung nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch entsprechend des im jeweiligen Land geltenden Abrechnungssystems abgerechneten Punkte oder Zeitwerte zur Gesamtzahl der Punkte oder Zeitwerte im ambulanten Sektor im selben Zeitraum. Festsetzungsjahr im Sinne der PflAFinV ist dabei nach § 1 Abs. 3 PflAFinV das Vorjahr des jeweiligen Finanzierungszeitraums nach dem Pflegeberufegesetz.

Der monatliche Umlagebetrag einer ambulanten Pflegeeinrichtung bestimmt sich also nach den folgenden Rechenschritten:

Zur Berechnung des Finanzierungsbedarfs und zur Ermittlung der konkreten Beitragssätze der einzelnen Pflegeeinrichtungen schafft die PflAFinV in § 11 gesetzliche Mitteilungspflichten der Pflegeeinrichtungen. So haben die stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen nach § 11 Abs. 2 Satz 1 PflAFinV der zuständigen Stelle bis zum 15. Juni des Festsetzungsjahres (hier: 15. Juni 2020) die Anzahl der Vollzeitäquivalente der Pflegefachkräfte mitzuteilen, die am 15. Dezember des Vorjahres des Festsetzungsjahres (hier: 15. Dezember 2019) in der Einrichtung beschäftigt oder eingesetzt sind (VZÄ). § 11 Abs. 2 Satz 2 PflAFinV erweitert dies für ambulante Pflegeeinrichtungen dahingehend, dass diese zusätzlich mitzuteilen haben, welcher Anteil an Vollzeitäquivalenten auf Pflegeleistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch entfällt (VZÄ-SGB XI). Weitergehend bestimmt § 11 Abs. 4 PflAFinV, dass die ambulanten Pflegeeinrichtungen der zuständigen Stelle ebenfalls bis zum 15. Juni des Festsetzungsjahres (hier: 15. Juni 2020) zusätzlich die Anzahl der in den zwölf Monaten vor dem 1. Januar des Festsetzungsjahres (hier: 1. Januar bis 31. Dezember 2019) von der jeweiligen Einrichtung nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch entsprechend des im jeweiligen Land geltenden Abrechnungssystems abgerechneten Punkte oder Zeitwerte mitteilen. Auf der Grundlage dieser Mitteilungen setzt die zuständige Stelle nach § 12 Abs. 4 Satz 1 PflAFinV bis zum 31. Oktober des Festsetzungsjahres den monatlichen Umlagebetrag gegenüber den Pflegeeinrichtungen fest (VG Augsburg, Urteil vom 13. September 2021 – Au 9 K 20.857 –, juris, Rn. 18 - 21).

Diesen gesetzlichen Mitwirkungspflichten ist die Antragstellerin nicht nachgekommen.

Sie hat der Antragsgegnerin zum Stichtag 15. Juni 2020 weder die Anzahl der Vollzeitäquivalente der Pflegefachkräfte, die am 15. Dezember 2019 in der Einrichtung beschäftigt oder eingesetzt sind (VZÄ), noch den Anteil an Vollzeitäquivalenten, der auf Pflegeleistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch entfällt (VZÄ-SGB XI), mitgeteilt. Ebenso wenig hat sie die Anzahl der im Jahr 2019 von ihrer Pflegeeinrichtung nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch entsprechend des im jeweiligen Land geltenden Abrechnungssystems abgerechneten Punkte oder Zeitwerte mitgeteilt.

Soweit die Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren vorträgt, die nötigen Angaben zur Mitarbeiterzahl und Beschäftigungsart über das Webportal der Antragsgegnerin bereits „seit dem Jahr 2019“ gemacht zu haben, gibt es nach dem Inhalt der dem Gericht vorliegenden Unterlagen keine Hinweise darauf, dass die Antragstellerin diese Angaben tatsächlich bis zum maßgeblichen Stichtag 15. Juni 2020 gemacht hat und diese Angaben bei der Antragsgegnerin eingegangen sind. Der von ihr vorgelegte Ausdruck der „Meldehistorie“ des Webportals der Antragsgegnerin (Anlage AST 3 zur Antragsschrift) erlaubt diese Annahme entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht. Zudem hat sie mit ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 19. Januar 2022 (nur) vorgetragen, sie habe für das (Finanzierungs-)Jahr 2021 erfolglos versucht, die Anzahl der bei ihr beschäftigten Pflegekräfte auf dem Webportal der Antragsgegnerin anzugeben, nachdem sie den Festsetzungsbescheid der Antragsgegnerin erhalten habe, und damit zwangsläufig auch erst nach dem Stichtag 15. Juni 2020.

Hinzu kommt, dass die von der Antragstellerin zur Begründung ihres Begehrens im Wesentlichen geltend gemachte Diskrepanz zwischen den von der Antragsgegnerin angenommenen Beschäftigtenzahlen (VZÄ: 12,0; VZÄ-SGB XI: 1,2; vgl. Seite 2 des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2021) und den – von der Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren vorgetragenen – „tatsächlichen“ Beschäftigtenzahlen sich rechnerisch ohnehin nur in verschwindend geringem Maße auf ihren konkreten Umlagebetrag auswirken würde, selbst wenn man unterstellte, dass die Antragstellerin diese Werte (zum Stichtag) gemeldet und die Antragsgegnerin unrichtige Werte angenommen hätte. Unmittelbaren rechnerischen Einfluss bei der Ermittlung des konkreten einrichtungsbezogenen Umlagebetrags hat die Zahl der VZÄ und der VZÄ-SGB XI nur bei der Bestimmung des Finanzierungsanteils für den ambulanten Pflegesektor (§ 12 Abs. 1 PflAFinV). Die nachfolgende Vergleichsberechnung soll die hypothetischen Auswirkungen der von der Antragstellerin begehrten Annahme reduzierter Beschäftigtenzahlen für den Umlagebetrag ihrer Einrichtung verdeutlichen. Hierbei nimmt das Gericht für die Alternativberechnung die von der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 9. Februar 2022 als richtig für das (dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende) Meldejahr 2020 angegebenen Werte von VZÄ 1,0 und VZÄ-SGB XI 1,0 an.

Annahmen der Antragsgegnerin (VZÄ: 12,0; VZÄ-SGB XI: 1,20)

Annahmen der Antragstellerin: (VZÄ: 1,0; VZÄ-SGB XI: 1,0)

1       

Finanzierungsanteil 2021 für stationäre und ambulante Pflegedienste:

 80.820.954,33 €

2       

Anzahl VZÄ stationär + VZÄ-SGB XI ambulant:
(vgl. § 12 Abs. 1 PflAFinV)

24.951,47

24.951,27

3       

Quotient 1 ÷ 2:

3.239,125964522331

3.239,151928138327

4       

VZÄ-SGB XI in ambulanten Pflegediensten:

4.932,94

4.932,74

5       

Produkt 3 × 4:
(Finanzierungsanteil ambulanter Sektor)

15.978.414,04 €

15.977.894,28 €

Bei Zugrundelegung der von der Antragstellerin als richtig vorgetragenen Werte für VZÄ und VZÄ-SGB XI würde sich danach der Finanzierungsanteil für den gesamten ambulanten Pflegesektor, d.h. aller niedersächsischen ambulanten Pflegeeinrichtungen, um insgesamt 519,76 Euro verringern. Dies bedeutete eine Reduzierung des Finanzierungsanteils um 0,003 %. Da der Gesamtfinanzierungsanteil wiederum gemäß § 12 Abs. 3 PflAFinV anteilig auf alle ambulanten Pflegeeinrichtungen verteilt wird, ist offenkundig, dass sich ein um 0,003 % verringerter Gesamtfinanzierungsbedarf auf den konkreten Finanzierungsanteil der Einrichtung der Antragstellerin und damit ihren monatlichen Umlagebetrag nur in verschwindend geringem Umfang auswirken würde.

Dass die Antragstellerin der Antragsgegnerin zum Stichtag die Anzahl der im Jahr 2019 von ihrer Pflegeeinrichtung nach dem SGB XI entsprechend des im jeweiligen Land geltenden Abrechnungssystems abgerechneten Punkte oder Zeitwerte mitgeteilt hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Bis heute – auch im gerichtlichen Verfahren – hat die Antragstellerin keine Angaben zu den im Jahr 2019 abgerechneten Punkten gemacht.

Die Antragsgegnerin war aufgrund der unterbliebenen Angaben der Antragstellerin zum Stichtag 15. Juni 2020 berechtigt, die für die Ermittlung des Umlagebetrags erforderlichen einrichtungsbezogenen Daten abschließend und verbindlich durch Schätzung festzustellen.

Die rechtliche Grundlage für die Schätzungsbefugnis der Antragsgegnerin ist § 24 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Fellenberg, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 24 Rn. 38). Die Einzelheiten zu den Voraussetzungen der Schätzung und dem einzuhaltenden Verfahren hat das Nds. Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung in seinem Erlass vom 24. Oktober 2019 (https://ausbildungsfonds-niedersachsen.de/fileadmin/introduction/documents/veroeffentlichungen/20202210_Schaetzungsmoeglichkei_Meldedaten_Festsetzungsjahr2020.pdf; „Schätzerlass 2020“) geregelt. Die grundsätzliche Annahme einer Schätzbefugnis der Antragsgegnerin sowie die Regelung der Details in einem ministeriellen Erlass begegnen hierbei aus gerichtlicher Sicht keinen durchgreifenden Bedenken grundsätzlicher Natur (so auch OVG Münster, Beschluss vom 23. September 2021 – 9 B 947/21 –).

Die Schätzung der einrichtungsbezogenen Daten erfolgte hier im Einklang mit den Vorgaben des „Schätzerlass 2020“ und begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Dem Erlass zufolge kann eine Schätzung der erforderlichen Daten erfolgen, falls „bis zum Meldezeitpunkt (…) trotz unterschiedlichster und mehrmaliger Aufforderungen bzw. Erinnerungen keine oder keine vollständige Meldung erfolgt.“ Wie bereits ausgeführt, hat die Antragstellerin zum Meldezeitpunkt (15. Juni 2020) keine oder jedenfalls keine vollständige Meldung der nach § 11 Abs. 2 und 4 PflAFinV erforderlichen Daten vorgenommen. Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin auch zuvor mehrfach zur Meldung der Daten aufgefordert. Mit Schreiben/E-Mail vom 5. Mai 2020 wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf den Beginn der Meldephase und den Stichtag 15. Juni 2020 hin. Mit E-Mail vom 2. Juni 2020 erinnerte die Antragsgegnerin die Antragstellerin an die Meldung der Daten zum 15. Juni 2020. Soweit die Antragstellerin vorträgt, keine Aufforderung/Erinnerung zur Datenmeldung erhalten zu haben, wertet das Gericht diesen Vortrag als Schutzbehauptung. Die erfolgreiche Versendung der Aufforderungsschreiben ist durch die Antragsgegnerin hinreichend nachgewiesen (vgl. Anlage zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 22. Februar 2022, lfd. Nr. 1225 des Mail-Log-Protokolls). Daher ist die schlichte Behauptung der Antragstellerin, keine Schreiben/E-Mails erhalten zu haben, unzureichend.

Nachdem die erforderlichen Daten – insbesondere die von der Antragstellerin im Jahr 2019 abgerechneten Punkte – aus anderen Quellen (eigene Datenbestände, Datenbestände anderer Behörden, Daten aus Erhebungsmeldungen früherer Jahre) nicht zu ermitteln waren (vgl. hierzu im Einzelnen die Ausführungen im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 3. Februar 2022), hat die Antragsgegnerin zu Recht anhand der MDK-Transparenzberichte die Zahl der vom Pflegedienst der Antragstellerin versorgten Personen ermittelt (vgl. Seite 3 des „Schätzerlass 2020“). Dem aufgrund der Qualitätsprüfung nach § 114 Abs. 1 SGB XI am 22. Mai 2019 erstellten Transparenzbericht (https://pflegelotse.de/berichte_a/460344879_26131_a_1_190522va90000000-000031088.pdf) zufolge hat der Pflegedienst der Antragstellerin zum Zeitpunkt der Qualitätsprüfung 71 Menschen versorgt. Diesen Wert hat die Antragsgegnerin zur Grundlage ihrer Schätzung gemacht und sodann anhand von nach der Zahl der versorgten Personen gebildeten Vergleichsgruppen einen Punktewert von 5.909.449,00 angenommen. Dieser Wert beruht darauf, dass für die Vergleichsgruppe „51-100 zu versorgende Personen“ ein Mittelwert der von allen dieser Vergleichsgruppe zuzuordnenden 226 Pflegeeinrichtungen gemeldeten abgerechneten Punkte gebildet wurde. Dieses Vorgehen steht im Einklang mit den Vorgaben des „Schätzerlass 2020“. Danach ist „eine nicht zu beanstandende Schätzgrundlage (…) insbesondere dann gewährleistet, wenn daraufhin mindestens drei weitere Einrichtungen mit einer ähnlichen Zahl versorgter Patienten ermittelt werden, für die vollständige Daten im Meldeportal der C. vorhanden sind. Die Durchschnittswerte dieser drei Einrichtungen hinsichtlich der Pflegefachkräfte nach Vollzeitäquivalenten und Punkte oder Zeitwerte sind geeignet, das Schätzergebnis zu bilden. Zur Vereinfachung kann die zuständige Stelle auch Vergleichsgruppen (z.B. 30-40 versorgte Personen) bilden, für die dann einmalig die Durchschnittswerte ermittelt werden. Der Berechnung der Durchschnittswerte stehen jedenfalls keine Bedenken entgegen, wenn dabei jeweils mindestens sechs Vergleichseinrichtungen zugrunde gelegt werden.“

Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass dieser geschätzte Punktewert viel zu hoch sei und der diesem Wert zugrunde gelegte unterstellte Umfang der im Jahr 2019 abgerechneten Pflegeleistungen unmöglich mit den bei ihr beschäftigten vier Pflegekräften zu erbringen gewesen wäre, ist der Antragstellerin natürlich insoweit in tatsächlicher Hinsicht zuzustimmen, als dass die Anzahl der beschäftigten Pflegekräfte maßgeblichen Einfluss auf den Umfang der erbringbaren Pflegeleistungen und den sich daraus ergebenden Punktewert hat. Sie verkennt jedoch, dass die von ihr geltend gemachte, sie belastende Differenz zwischen dem geschätzten Punktewert und dem den von ihrem Pflegedienst im Jahr 2019 tatsächlich erbrachten Pflegeleistungen entsprechenden Punktwert allein darauf zurückzuführen ist, dass sie ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist und die Schätzung des Punktewerts überhaupt erst notwendig gemacht hat. Unmittelbare Auswirkungen auf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Schätzung und des aufgrund der Schätzung festgesetzten Umlagebetrags haben diese Ausführungen der Antragstellerin an dieser Stelle jedenfalls nicht. Sie stellen die Rechtmäßigkeit der Schätzung und des so gefundenen Ergebnisses nicht in Frage. Der unmittelbare rechnerische Einfluss der Beschäftigtenzahlen wurde oben bereits dargestellt.

Die Anknüpfung der Schätzung des Punktewerts, d.h. Umfang der abgerechneten Pflegeleistungen, an die Zahl der gepflegten Personen ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Wenn – wie hier – die Antragsgegnerin keinen Zugriff auf die Daten hat, die unmittelbar eine Bestimmung des Umfangs der erbrachten Pflegeleistungen erlauben, weil die Pflegeeinrichtung diese Daten nicht meldet, muss die Behörde eine Schätzung anhand von ihr zugänglichen Daten vornehmen können, die jedenfalls indizielle Rückschlüsse auf den Umfang der erbrachten Pflegeleistungen erlauben. Während die Information über die tatsächlich abgerechneten Pflegeleistungen (und die Zahl der angestellten Pflegekräfte) für die Antragsgegnerin nicht zugänglich – und genau aus diesem Grund Gegenstand der gesetzlich normierten Mitwirkungspflichten – sind, erlaubt der Inhalt der Transparenzberichte jedenfalls die Feststellung der Anzahl vom Pflegedienst versorgten Personen. Dass diese Zahl wiederum indizielle Aussagekraft für den Umfang der vom Pflegedienst abgerechneten Pflegeleistungen hat und so eine Annäherung an die Bestimmung des Punktwerts erlaubt, liegt auf der Hand.

Soweit die Antragstellerin mit ihrem Schreiben vom 8. Februar 2022 (Anlage A 9 zum Schriftsatz vom 9. Februar 2022) vorträgt, ihr Pflegedienst versorge lediglich 32 Patienten und nicht jeder dieser Patienten werde mit Leistungen nach SGB XI versorgt, vermag dies keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Zum einen beziehen sich die Angaben im Schreiben der Antragstellerin vom 8. Februar 2022 – soweit ersichtlich – auf den jetzigen Zeitpunkt und nicht etwa auf den hier maßgeblichen Zeitraum des Jahres 2019. Zum anderen mag zwar die im Transparenzbericht genannte Zahl der versorgten Personen nicht identisch sein mit der Anzahl der tatsächlich mit Leistungen nach dem SGB XI versorgten Personen, allerdings war letztere Zahl der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses weder bekannt noch war sie ihr zugänglich, so dass sie auch nicht Grundlage einer Schätzung sei konnte. Die Antragsgegnerin kann einer Schätzung naturgemäß nur Zahlen zugrunde legen, die ihr bekannt und/oder zugänglich sind.

Die Antragsgegnerin hat den monatlichen Umlagebetrag der Antragstellerin unter Annahme des geschätzten Punktewerts sowie der sich aus den Anlagen zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 3. Februar 2022 ergebenden und von der Antragstellerin nicht bestrittenen Werte (Gesamtfinanzierungsbedarf (G): 267.464.951,76 €; VZÄ SGB XI (ambulant): 4.932,94; VZÄ (stationär): 20.018,53; Gesamtpunkte im ambulanten Sektor: 11.460.478.961,36) zutreffend berechnet:

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

2.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 GKG. Da mit dem angefochtenen Bescheid der monatliche Umlagebetrag für eine Dauer von zwölf Monaten festgesetzt wurde, nimmt das Gericht als Streitwert den zwölffachen Wert des Monatsbetrages an.