Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 03.03.2022, Az.: 7 B 507/22
Genesenennachweis; Genesenenstatus; Verkürzung der Gültigkeit
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 03.03.2022
- Aktenzeichen
- 7 B 507/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 59820
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 123 VwGO
- § 2 Nr 5 SchAusnahmV
- § 43 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Bei einem Genesenennachweis, der ein konkretes Enddatum für die Gültigkeit des Genesenenstatus bestimmt, handelt es sich um einen Verwaltungsakt.
2. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i. S. d. § 43 Abs. 1 VwGO zwischen dem Normadressaten und dem Normanwender kann nur bestehen, wenn sich der Normadressat gegen den Vollzug und die Überwachung der Norm innerhalb der (territorialen) Herrschaftssphäre des in Anspruch genommenen Normanwenders wendet.
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird
abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
Mit ihrem „Antrag auf einstweilige Anordnung“ begehrt die Antragstellerin wörtlich:
„Der Antragsgegner wird vorläufig im Falle der Klageerhebung bis zur Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache verpflichtet, dem Antragsteller [!] einen Nachweis über seine [!] Genesung im Sinne des § 2 Nr. 5 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen bis zum 27. Mai 2022 auszustellen.“
I. Dieser Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners erweist sich als unzulässig.
1. Es fehlt der Antragstellerin schon an einem Rechtsschutzbedürfnis hierfür. Denn sie verfügt bereits über einen Genesenennachweis des Antragsgegners, der für sie einen Genesenstatus bis zum 27. Mai 2022 bestimmt. Sie ist daher im Besitz eines aus ihrer Sicht inhaltlich richtigen Nachweises.
Dieser Genesennachweis ist, so wie er im hier zu entscheidenden Fall konkret ausgestaltet ist, ein begünstigender Verwaltungsakt i. S. d. § 35 Satz 1 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG. Die Bescheinigung besitzt insbesondere auch Regelungscharakter. Denn neben der verbindlichen Festlegung von Rechten und Pflichten für den Adressaten kann eine Regelung auch in der Feststellung eines Rechtsstatus bestehen, an den wiederum Rechtsnormen Rechte oder Pflichten knüpfen (BVerwG, Urt. v. 20. März 1990 – 9 C 12.89 –, juris, Rn. 26; Ramsauer, in: Kopp/ders., VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 35 Rn. 88). So liegt es hier. Der Inhalt des der Antragstellerin ausgestellten Genesenennachweises vom 3. Dezember 2021 geht seinem objektiven Sinngehalt nach über die bloße Mitteilung, dass die Antragstellerin am 26. November 2021 positiv auf eine Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 getestet worden war, hinaus. Er hat statusbegründende Funktion mit Grundrechtsrelevanz, da der Antragsgegner in der Bescheinigung mit verbindlicher Wirkung festgestellt hat, dass die Antragstellerin im Zeitraum bis zum 27. Mai 2022 als genesene Person i. S. d. SchAusnahmV gilt. Daraus folgt in der Rechtsanwendung, dass sie nicht von den Grundrechtseinschränkungen, die die derzeit geltende Niedersächsische Corona-Verordnung vom 23. Februar 2022 (Nds. GVBl. S. 97) für ungeimpfte und nicht genesene Personen vorsieht, betroffen ist (vgl. VG Halle, Beschl. v. 16. Februar 2022 – 1 B 41/22 HAL –, juris, Rn. 15).
Der Antragsgegner hat – wie er nunmehr auch selbst im Rahmen seiner Antragserwiderung ausdrücklich feststellt – den Genesenennachweis auch nicht durch das Schreiben vom 15. Februar 2022 aufgehoben. Darin hat das Gesundheitsamt des Antragsgegners zwar das Begehren der Antragstellerin auf eine „Verlängerung“ ihres Genesennachweises abgelehnt, nachdem sich diese zuvor an das Gesundheitsamt gewandt hatte, weil sich ihr Genesenenstatus „aufgrund einer Gesetzes-/Verordnungsänderung“ (gemeint ist die Änderung der SchAusnahmV vom 14. Januar 2022) um drei Monate verkürzt habe. In seinem ablehnenden Antwortschreiben gibt der Antragsgegner vielmehr lediglich die zuvor genannte veränderte Rechtslage wieder, ohne selbst eine Regelung betreffend den Genesenennachweis vom 3. Dezember 2021 zu treffen. Insbesondere hat er den zuvor ausgestellten Nachweis vom 3. Dezember 2021 weder im Sinne eines actus contrarius aufgehoben und entsprechend eingezogen, noch hat er der Antragstellerin einen neuen Nachweis über die verkürzte Geltungsdauer ausgestellt. Da sich der Genesenennachweis vom 3. Dezember 2021 zudem nicht durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt hat (vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG), hat die Antragstellerin folglich kein Rechtsschutzbedürfnis für die Ausstellung eines neuen Nachweises, der inhaltlich mit dem Nachweis vom 3. Dezember 2021 gleichlautend wäre.
2. Der Vollständigkeit halber weist das Gericht darauf hin, dass ein Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Ausstellung einer Bescheinigung, wie sie der Genesenennachweis vom 3. Dezember 2021 mit der Angabe eines konkreten Enddatums für die Geltungsdauer darstellt, auch im Übrigen unzulässig wäre.
Die Antragstellerin hat nicht schlüssig vorgetragen, dass sie insofern möglicherweise einen subjektiv-rechtlichen Anspruch auf die begehrte Ausstellung des Genesenennachweises gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog gegen den Antragsgegner hat. Sie hat schon keinen subjektiven Anspruch konkret gegenüber dem Antragsgegner auf Ausstellung des begehrten Genesenennachweises glaubhaft gemacht.
Die Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung sehen weder bundes- noch landesrechtliche Regelungen vor. Die Niedersächsische Corona-Verordnung verweist vielmehr zur Privilegierung von Genesenen ausschließlich auf die Vorschrift des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV. Nach derzeitiger Rechtslage ist der Antragsgegner zur Ausstellung des begehrten Dokuments nicht befugt. Die Feststellung bzw. das Bestehen des Genesenenstatus bedarf keines behördlichen Vollzugs- oder Umsetzungsaktes. Dieser ergibt sich vielmehr allein und unmittelbar aus § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV. Weder aus dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) noch aus den Regelungen der VO EU 2021/953 vom 14. Juni 2021 folgt ein dahingehender subjektiver Anspruch, weil danach nur das positive Testergebnis festzustellen und zu dokumentieren ist. Der Genesenennachweis ist nach der geltenden Rechtslage nur das in verkörperter oder digitaler Form vorliegende, personalisierte, positive Testergebnis als solches, soweit der Test den vorgeschriebenen Anforderungen entspricht, ohne dass eine weitergehende Ausstellung einer Bescheinigung vorgeschrieben ist, geschweige denn dass ein Anspruch darauf bestehen würde. Selbst eine Verpflichtung des Gesundheitsamtes, im Falle eines labordiagnostisch geführten Nachweises einer Infektion eine Bescheinigung darüber auszustellen, wann die Infektion festgestellt worden ist und welche Rechtsfolgen sich daraus im Hinblick auf die Regelungen der SchAusnahmV ergeben, besteht nicht. Ein Anspruch besteht auch nicht gemäß § 22 Abs. 6 IfSG, wonach die Durchführung einer Überwachung einer Testung in Bezug auf einen positiven Erregernachweis des Corona-Virus SARS-CoV-2 der betroffenen Person auf deren Wunsch in einem digitalen Zertifikat (COVID-19-Genesenenzertifikat) zu bescheinigen ist. Denn diese Regelung verpflichtet nicht den Antragsgegner, sondern die zur Durchführung oder Überwachung der Testung berechtigte Person oder nachträglich Ärzte oder Apotheker (vgl. zum Vorstehenden insgesamt VG Würzburg, Beschl. v. 23. Februar 2022 – W 8 E 22.222 –, https://www.vgh.bayern.de/internet/media/vgwuerzburg/22a00222b.pdf, unter Verweis auf VG Schleswig, Beschl. v. 17. Februar 2022 – 1 B 7/22 –, juris, Rn. 9 ff.; VG Dresden, Beschl. v. 11. Februar 2022 – 6 L 97/22 –, juris, Rn. 10 ff.).
II. Aufgrund des Vorstehenden legt das Gericht das Begehren der Antragstellerin daher gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO anhand des in der Antragsschrift vom 21. Februar 2022 zum Ausdruck kommenden Rechtsschutzziels dahingehend aus, dass die Feststellung der Dauer des Genesenenstatus entsprechend des am 3. Dezember 2021 von dem Antragsgegner ausgestellten Genesenennachweises bis zum 27. Mai 2022 auch in Ansehung zwischenzeitlich anderslautender Bestimmungen der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung – SchAusnahmV) begehrt ist.
Dieses Rechtschutzziel kann (nur) mit einer (vorläufigen) Feststellung im Wege eines Antrags nach § 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 VwGO erreicht werden. Denn in der Hauptsache könnte die Antragstellerin ihr Begehren mit einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Var. 1 VwGO verfolgen. Diese Klageart bietet unter anderem die Möglichkeit eines Rechtsschutzes gegen rechtswidrige Normen dergestalt, dass ein Kläger das Fortbestehen des Rechts geltend machen kann, auf dessen Aufhebung oder Einschränkung die nach seiner Auffassung rechtswidrige Norm gerichtet ist (W.-R. Schenke, in: Kopp/ders., VwGO, 26. Aufl. 2020, § 43 Rn. 8a und 8c).
Eine solche Interessenlage ist hier gegeben. Die Antragstellerin verfügt über einen Genesenennachweis des Antragsgegners, der für sie einen Genesenstatus bis zum 27. Mai 2022 bestimmt. Aufgrund der Umstände des vorliegenden Einzelfalls besteht zudem ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin für eine Bestätigung, dass der Nachweis vom 3. Dezember 2022 weitergilt bzw. inhaltlich weiter richtig ist und durch die Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung vom 14. Januar 2022 (BAnz AT 14.01.2022 V1) nicht erloschen ist (vgl. VG Halle, Beschl. v. 16. Februar 2022 – 1 B 41/22 –, juris, Rn. 7; VG Ansbach, Beschl. v. 11. Februar 2022 – AN 18 S 22.00234 –, juris, Rn. 25).
Denn insoweit liegt jedenfalls vorliegend ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i. S. d. § 43 Abs. 1 VwGO zwischen der Antragstellerin als Normadressatin und dem Antragsgegner als Normanwender vor, weil das Gesundheitsamt des Antragsgegners den Nachweis vom 3. Dezember 2021 ausgestellt hat und als die im Kreisgebiet für den Vollzug und die Überwachung zuständige Behörde der Antragstellerin mit dem Schreiben vom 15. Februar 2022 ausdrücklich mitgeteilt hat, dass es § 2 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 anwendet. Der Antragsgegner hat damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er selbst dem in dem Genesenennachweis vom 3. Dezember 2021 ausgewiesenen Gültigkeitszeitraum faktisch keine Wirkung (mehr) beimisst (vgl. VG Frankfurt, Beschl. v. 22. Februar 2022 – 5 L 363/22.F –, juris, Rn. 18 f.; VG Halle, Beschl. v. 16. Februar 2022 – 1 B 41/22 –, juris, Rn. 7; jeweils mit Verweis auf Sodan, in: ders./Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 43 Rn. 58 ff.).
Soweit jedoch die Antragstellerin ihr Antragsbegehren darauf stützt, dass es ihr wegen der in dem D. Hospital E. für Besucher geltenden 2G-Plus-Regel als ungeimpfte und nicht genesene Person nicht möglich sei, ihre sich dort in stationärer Behandlung befindende minderjährige Tochter zu besuchen, betrifft dieser Umstand schon nicht das hier allein maßgebliche Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten als Normadressatin und Normanwender. Denn das Krankenhaus befindet sich weder im Kreisgebiet des Antragsgegners geschweige denn in dessen Trägerschaft, sodass einem nur inter partes wirkendem Feststellungsausspruch durch das angerufene Gericht für die Frage des Zugangs zu dem betreffenden Krankenhaus schon keine Bedeutung zukommen könnte. Soweit der Eilantrag der Antragstellerin der Sache nach aber auf eine gerichtlich gewährleistete generelle Nichtanwendung bzw. die Feststellung der Normergänzung/-änderung des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV zielt, müsste sich die Antragstellerin vielmehr mit einem Eilantrag gegen den Normgeber wenden (vgl. zu dem wegen Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen Rechtsschutz mittels einer sog. atypischen Feststellungsklage insbesondere für den Fall des Vollzugs einer Norm durch eine Vielzahl von Rechtssubjekten eingehend W.-R. Schenke, in: Kopp/ders., VwGO, 26. Aufl. 2020, § 43 Rn. 8k ff.). Ob ein solcher Antrag gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesregierung, als Normgeberin bei dem zuständigen Verwaltungsgericht Berlin zulässig wäre (bejahend VG Würzburg, Beschl. Beschl. v. 23. Februar 2022 – W 8 E 22.222 –, https://www.vgh.bayern.de/internet/media/vgwuerzburg/22a00222b.pdf, m. w. N., zuletzt abgerufen am 2. März 2022; VG Berlin, Beschl. v. 16. Februar 2022 – VG 14 L 24/22 –, juris, PM v. 17. Februar 2022; vgl. auch VG Berlin, Beschl. v. 18. Februar 2022 – VG 14 L 15/22 –, juris, Rn. 3 ff.; a. A. nunmehr aber OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 1. März 2022 – OVG 9 S 5/22 u. a., PM v. 1. März 2022, https://www.berlin.de/gerichte/oberverwaltungsgericht/presse/pressemitteilungen/2022/pressemitteilung.1181503.php, zuletzt abgerufen am 2. März 2022), bedarf hier keiner Entscheidung.
III. Der nach dem Vorstehenden statthafte (vorläufige) Feststellungsantrag hat keinen Erfolg. Der Antrag ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn der Antragsteller den geltend gemachten Anspruch (Anordnungsanspruch) und die besondere Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) darlegt und glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht regelmäßig nur vorläufige Entscheidungen treffen und einem Antragsteller noch nicht in vollem Umfang das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erstreiten könnte. Im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG gilt dieses Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache jedoch nicht, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile des Antragstellers unzumutbar und in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären sowie ein hoher Wahrscheinlichkeitsgrad für einen Erfolg in der Hauptsache spricht, der Antragsteller dort also schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden, bloß summarischen Prüfung des Sachverhalts erkennbar Erfolg haben würde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26. November 2013 – 6 VR 3.13 –, juris, Rn. 5, 7).
Darüber hinaus sind erhöhte Maßstäbe hier auch schon deshalb anzulegen, da der Sache nach die Gültigkeit einer Rechtsnorm vorübergehend suspendiert werden soll, wofür in einem Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO auch eine besonders strenge Interessenabwägung vorzunehmen wäre (vgl. zum Maßstab OVG Münster, Beschl. v. 10. Juni 2016 – 4 B 504/16 –, juris, Rn. 24 ff., m. w. N.). Zwar betrifft der vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO, anders als Eilanträge im Normenkontrollverfahren gem. § 47 Abs. 6 VwGO, unmittelbar nur das Verhältnis zwischen den Beteiligten dieses Verfahrens. Jedoch könnten, wenn § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 gegenüber der Antragstellerin für rechtswidrig erklärt würde, auch andere Bürgerinnen und Bürger Anträge im einstweiligen Rechtsschutzverfahren stellen, und es bestünde für den Antragsgegner ein erheblicher Druck auf Gleichbehandlung mit der Folge, dass die Bestimmungen der Niedersächsischen Corona-Verordnung, die auf § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 verweisen, faktisch außer Kraft gesetzt würden. Auch dieser Umstand unterstreicht das Erfordernis hoher Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren (vgl. VG Hamburg, Beschl. v. 14. Februar 2022 – 14 E 414/22 –, juris, Rn. 10).
In Anwendung dieses Maßstabs liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer die Hauptsache vorwegnehmenden Regelungsanordnung nicht vor.
1. Die Antragstellerin hat das Bestehen eines Anordnungsgrundes im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht.
Zunächst versetzt der allgemein gehaltene Verweis der Antragstellerin darauf, dass sie ohne die Genesenenbescheinigung mit einer – gerichtlich festgestellten – Gültigkeit bis zum 27. Mai 2022 aufgrund der 2G-Maßnahmen der derzeit gültigen Niedersächsischen Corona-Verordnung von der Teilhabe am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben unzumutbar und irreversibel ausgeschlossen wäre, das Gericht nicht in die Lage, das Vorliegen eines schweren und unzumutbaren Nachteils festzustellen (vgl. VG Dresden, Beschl. v. 11. Februar 2022 – 6 L 97/22 –, juris, Rn. 20). Zwar besteht in Folge der Änderung des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV vom 14. Januar 2022 für die Antragstellerin, die ausweislich der schriftlichen Mitteilung ihres Prozessbevollmächtigten vom 22. Februar 2022 nicht gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 geimpft ist, die abstrakte Gefahr, dass ihr Genesenenstatus nicht anerkannt wird, weil das Datum der Abnahme des positiven Tests, der 26. November 2021, bereits mehr als 90 Tage zurückliegt. Indes hat die Antragstellerin nicht dargelegt, welche 2G-Regelungen sie konkret in ihren (grundrechtsbewährten) Rechtspositionen beeinträchtigen und inwieweit diese Beeinträchtigungen das hier allein maßgebliche Rechtsverhältnis zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner betreffen.
Die Antragstellerin hat insofern lediglich konkret vorgetragen, sie könne ihre minderjährige Tochter, die sich seit dem 25. Februar 2022 in stationärer Behandlung in dem D. Hospital E. befindet, aufgrund der in dieser Einrichtung geltenden 2G-Plus-Regelung, nicht besuchen. Zwar haben nach der derzeit in Niederachsen geltenden Rechtslage sehr wohl auch ungeimpfte und nicht genesene Person zu Besuchszwecken unter Vorlage eines negativen Testergebnisses Zugang zu Krankenhäusern oder anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens (vgl. § 19 Satz 1 Halbsatz 1 Niedersächsische Corona-Verordnung sowie § 28b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 IfSG). Allerdings weicht das betreffende Krankenhaus hiervon nach fernmündlicher Auskunft gegenüber dem Gericht unter Anwendung seines Hausrechts bis auf weiteres durch die Fortgeltung einer einrichtungsspezifischen 2G-Plus-Regelung ab.
Das Gericht verkennt insoweit nicht die besondere (mittelbare) Grundrechtsrelevanz einer derartigen Besuchseinschränkung für das Verhältnis zwischen Mutter und (minderjähriger) Tochter. Indes betrifft die Besuchsregelungen für das D. Hospital E. nach dem unter II. Gesagten nicht das hier allein maßgebliche konkrete Rechtsverhältnis zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner und kann demnach letztlich auch keine besondere Eilbedürftigkeit für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit bewirken.
2. Daneben hat die Antragstellerin auch – insoweit im Hinblick auf die ablehnende Entscheidung des Gerichts selbständig tragend – das Bestehen eines Anordnungsanspruchs nicht in einer die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Weise glaubhaft gemacht. Nach der in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung ist nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich die Antragstellerin zu Recht darauf berufen könnte, die für genesene Personen in der Niedersächsischen Corona-Verordnung vorgesehenen Ausnahmen für sich in Anspruch nehmen zu können.
Denn die Erfolgsaussichten einer Feststellungsklage in der Hauptsache wären jedenfalls (nur) offen. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht bei der Prüfung eines Eilantrags zur Außervollzugsetzung der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht (Immunitätsnachweis gegen COVID-19) nach § 20a IfSG so gesehen und zur vergleichbaren Regelungskonstruktion einer doppelten dynamischen Verweisung in § 20a IfSG, in der zunächst der Gesetzgeber auf die SchAusnahmV verweist, die ihrerseits auf Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts verweist (BVerfG, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 10. Februar 2022 – 1 BvR 2649/21 –, juris, Rn. 14) ausgeführt:
„[Die Verfassungsbeschwerde] ist auch nicht offensichtlich unbegründet. Es bestehen aber jedenfalls Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in § 20a IfSG gewählten gesetzlichen Regelungstechnik. Es handelt sich hier um eine doppelte dynamische Verweisung, da zunächst der Gesetzgeber auf die COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung verweist, die ihrerseits aber dann zur Konkretisierung der Anforderungen an den vorzulegenden Impf- oder Genesenennachweis auf Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts verweist. Insoweit stellt sich die Frage, ob und inwieweit eine bindende Außenwirkung der dynamisch in Bezug genommenen Regelwerke der genannten Bundesinstitute hier noch eine hinreichende Grundlage im Gesetz findet (vgl. BVerfGE 129, 1, [22, 25 [BVerfG 31.05.2011 - 1 BvR 857/07] ff.]). Sollte dies der Fall sein, bedarf es weiterer Aufklärung, ob und inwieweit ein tragfähiger Sachgrund auch dafür vorliegt, dass nicht dem Verordnungsgeber selbst die Konkretisierung des vorzulegenden Impf- oder Genesenennachweises und damit auch der geimpften und genesenen Personen im Sinne des Gesetzes übertragen ist, sondern dies den genannten Bundesinstituten überlassen wird.“
Das Bundesverfassungsgericht hat die ausgeführten Zweifel jedoch nicht als so offensichtlich angesehen, dass es die Norm des § 20a IfSG einstweilen außer Vollzug gesetzt hätte (so auch VG Würzburg, Beschl. v. 23. Februar 2022 – W 8 E 22.222 –, https://www.vgh.bayern.de/internet/media/vgwuerzburg/22a00222b.pdf; VG Schleswig, Beschl. v. 17. Februar 2022 – 1 B 7/22 –, juris, Rn. 30; anders dagegen u. a. VG Hamburg, Beschl. v. 14. Februar 2022 – 14 E 414/22; VG Osnabrück, Beschl. v. 4. Februar 2022 – 3 B 4/22; jeweils juris).
Im vorliegenden Eilverfahren lässt sich zudem nicht abschließend beurteilen, ob es die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse rechtfertigen, den Zeitraum für ungeimpfte Genesene von sechs Monaten auf 90 Tage zu verkürzen. Jedenfalls aber misst der Gesetzgeber der fachlichen Einschätzung des RKI im Bereich des Infektionsschutzes besonderes Gewicht bei, vgl. § 4 IfSG. Überdies hat das RKI jüngst zwar bei geimpften Genesenen ausdrücklich wieder einen längeren Genesenenstatus befürwortet, bei ungeimpften Genesenen aber bewusst nicht (vgl. Fachliche Vorgaben des RKI für COVID-19-Genesenennachweise, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Genesenennachweis.html, zuletzt abgerufen am 2. März 2022).
IV. Abgesehen davon wäre der Antrag auch nach einer reinen Folgenabwägung abzulehnen.
Da die Antragstellerin bis auf den beabsichtigten Besuch ihrer Tochter in dem D. Hospital E. nicht weiter vorgetragen hat, welche konkreten Handlungen sie nicht vornehmen könne, weil sie nach Auslaufen ihres Genesenenstatus mit Ablauf des 26. Februar 2022 nach den derzeitigen Vorgaben des RKI nicht mehr als genesen gilt, kann nicht beurteilt werden, wie schwer ihre behauptete Grundrechtsverletzung wiegt. Da zudem bereits ab dem 4. März 2022 die bisherigen Verbote für nicht nachweislich Immunisierte in Niedersachsen ganz weitgehend aufgehoben werden (vgl. die Übersicht der der anstehenden Lockerungen unter https://www.niedersachsen.de/download/180543, zuletzt abgerufen am 2. März 2022), überwiegen die Gefahren, die mit einer ggf. unzureichenden Immunisierung, der damit verbundenen potentiell erhöhten Transmission – insbesondere der sich ausbreitenden und hoch ansteckenden Omikron-Variante – von ihr für die Gesundheit Dritter und den allgemeinen Infektionsschutz einhergehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Von einer Reduzierung des Betrags im Eilverfahren ist unter Berücksichtigung der Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NordÖR 2014, 11) abzusehen, weil aufgrund der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache die Bedeutung des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens dem Hauptsacheverfahren entspricht.