Versionsverlauf

Pflichtfeld

  • ab 09.07.2008 (aktuelle Fassung)

Abschnitt 1 UZuwHARdErl - I. Allgemeiner Teil

Bibliographie

Titel
Richtlinien für die Verfolgung und Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen des Umweltschutzes
Redaktionelle Abkürzung
UZuwHARdErl,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
28000

1.
Begriffsbestimmungen

1.1
Eine Ordnungswidrigkeit ist eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung, die den Tatbestand eines Gesetzes (förmlichen Gesetzes oder einer aufgrund eines solchen erlassenen Rechtsverordnung oder Satzung) verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt (§ 1 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten - OWiG -, vgl. jedoch auch § 1 Abs. 2 OWiG).

1.2
Eine Straftat ist eine rechtswidrige und schuldhafte Handlung, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Strafe (Freiheitsstrafe, Geldstrafe) vorsieht.

2.
Anwendungsbereich des Katalogs

2.1
Der Bußgeldkatalog ist als Richtlinie für die zuständigen Verwaltungsbehörden und für die Polizei bei Ordnungswidrigkeiten aus den Sachbereichen Abfallentsorgung, Immissionsschutz, Gewässerschutz sowie Naturschutz und Landschaftspflege anzuwenden.

Wesentliches Element der materiellen Gerechtigkeit ist dabei eine möglichst gleichmäßige Behandlung gleich gelagerter Sachverhalte. Mit dem Katalog soll eine Liste der Verstöße gegen die genannten Bußgeldvorschriften vorgelegt werden, um einen einheitlichen Vollzug bei der Verfolgung und Ahndung dieser Verstöße zu erreichen. Die in dem Katalog genannten Regel- und Rahmensätze für die Bemessung der Geldbuße haben allerdings nur die Bedeutung einer Richtlinie hierfür. Die Verwaltungsbehörde muss in jedem Einzelfall prüfen, ob Besonderheiten des Sachverhaltes eine Abweichung von diesen Regel- und Rahmensätzen verlangen.

Der Verstoß gegen die Nebenbestimmungen ist nach pflichtgemäßem Ermessen der Behörde mit einem unterhalb der für den Hauptverstoß geltenden Bußgeldhöhe zu belegen.

2.2
Soweit Zuwiderhandlungen aus den Sachbereichen nach Nummer 2.1 nicht vom Katalog erfasst werden, soll für die Bemessung der Geldbuße von vergleichbaren Zuwiderhandlungen des Katalogs ausgegangen werden.

3.
Bußgeldverfahren und Verwarnungsverfahren

3.1
Bußgeldverfahren

Ein Bußgeldverfahren soll eingeleitet werden, wenn aufgrund von Feststellungen oder Anzeigen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Ordnungswidrigkeit aus den Sachbereichen nach Nummer 2.1 vorliegen und der Verfolgung keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Dies gilt nicht, wenn die Ordnungswidrigkeit so unbedeutend erscheint, dass nicht einmal eine Verwarnung notwendig ist. Die Verfolgung und Ahndung einer Ordnungswidrigkeit liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde (§ 47 Abs. 1 und 2 OWiG - Opportunitätsprinzip -).

3.2
Verwarnungsverfahren

Ist eine Ordnungswidrigkeit als geringfügig zu beurteilen, kann von der Durchführung eines Bußgeldverfahrens abgesehen und eine Verwarnung erteilt werden (§ 56 Abs. 1 OWiG). Dabei soll ein Verwarnungsgeld erhoben werden, wenn die Verwarnung ohne Verwarnungsgeld unzureichend ist. Die Erfordernisse des § 56 Abs. 2 OWiG sind zu beachten (Einverständnis der Täterin oder des Täters nach Belehrung; Zahlung des Verwarnungsgeldes innerhalb bestimmter Frist). Für die Einstufung einer Ordnungswidrigkeit als geringfügig sind vor allem das Maß der Gefährdung oder Schädigung der geschützten Umweltgüter sowie das Täterverhalten (Notwendigkeit eines fühlbaren Denkzettels zur Beeinflussung künftigen Verhaltens) im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen zu berücksichtigen.

Im Bußgeldkatalog sind - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - die Zuwiderhandlungen besonders kenntlich gemacht, bei denen häufig eine Verwarnung in Betracht kommt (Kennzeichnung durch "*" in den Spalten 3 und 4).

Eine Ordnungswidrigkeit kann dann nicht mehr als geringfügig angesehen werden, wenn der Regelsatz nach dem Bußgeldkatalog das gesetzliche Höchstmaß des Verwarnungsgeldes überschreitet, es sei denn, es liegen besondere Umstände i. S. von Nummer 6.3 vor.

4.
Abgabe an die Staatsanwaltschaft

4.1
Die Verwaltungsbehörde hat die Sache an die zuständige Staatsanwaltschaft abzugeben, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die zu verfolgende Handlung eine Straftat ist (§ 41 Abs. 1 OWiG).

4.2
Eine Sache ist auch dann als Straftat zu behandeln und damit an die Staatsanwaltschaft abzugeben, wenn durch ein und dieselbe Handlung (Tateinheit) oder durch mehrere Handlungen innerhalb eines einheitlichen Ereignisses (Verknüpfung mehrerer Handlungen in einem einheitlichen Lebensvorgang) sowohl der Tatbestand einer Straftat als auch einer Ordnungswidrigkeit verwirklicht wird (§ 21 Abs. 1 OWiG).

4.3
Wird die tateinheitliche Straftat von der Staatsanwaltschaft nicht verfolgt (§ 41 Abs. 2 OWiG), kann die tateinheitliche Ordnungswidrigkeit von der Verwaltungsbehörde verfolgt werden (§ 21 Abs. 2 OWiG).

5.
Regelsätze für vorsätzliche Zuwiderhandlungen

Die im Katalog ausgewiesenen Geldbußen sind Regel- und Rahmensätze für vorsätzliche Zuwiderhandlungen.

6.
Grundsätze für die Erhöhung oder Ermäßigung der Regel- und Rahmensätze sowie für die Konkretisierung von Rahmensätzen

6.1
Allgemeines

Die Regel- und Rahmensätze können nach den Grundsätzen des § 17 Abs. 3 und 4 OWiG je nach den Umständen des Einzelfalles erhöht (vgl. Nummern 6.2 und 6.2.1) oder ermäßigt (vgl. Nummer 6.3) werden.

Für die konkrete Festsetzung innerhalb eines Rahmensatzes ist sinngemäß zu verfahren.

6.2
Erhöhung

Eine Erhöhung kommt nach Maßgabe der hierzu ergangenen Rechtsprechung insbesondere in Betracht, wenn

  1. a)

    das Ausmaß der Umweltbeeinträchtigung nach den Umständen des Falles ungewöhnlich groß ist,

  2. b)

    die Täterin oder der Täter

    1. aa)

      sich uneinsichtig zeigt,

    2. bb)

      bereits einmal wegen einer gleichartigen Ordnungswidrigkeit innerhalb der letzten drei Jahre mit einer Geldbuße belegt oder förmlich (schriftlich) verwarnt worden ist,

    3. cc)

      die Ordnungswidrigkeit im Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs oder eines Gewerbes begeht,

    4. dd)

      vorwerfbar einen rechtswidrigen Zustand für einen gewissen Zeitraum herbeigeführt hat (vgl. Nummer 9),

    5. ee)

      in außergewöhnlich guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt.

6.2.1
Gewinnabschöpfung

Wurden wirtschaftliche Vorteile aus der Tat gezogen, so soll die Geldbuße den Betrag des empfohlenen Bußgeldes um diesen Vorteil (Gewinn) übersteigen (§ 17 Abs. 4 Satz 1 OWiG); auf diese Weise soll unlauteres Gewinnstreben bekämpft und sichergestellt werden, dass keine wirtschaftlichen Vorteile aus der Verletzung von Umweltschutzvorschriften gezogen werden können. Zwischen den erstrebten und erreichten Vorteilen einerseits und der Höhe der Sanktionen andererseits ist ein angemessenes Verhältnis herzustellen. Dabei kann das gesetzliche Höchstmaß der Geldbuße überschritten werden, wenn es sonst nicht möglich wäre, den wirtschaftlichen Vorteil, der aus der Tat gezogen wurde, abzuschöpfen (§ 17 Abs. 4 Satz 2 OWiG).

6.2.2
Verfall von Vermögensvorteilen

Hat die Täterin oder der Täter oder ein Dritter, für den die Täterin oder der Täter gehandelt hat, wirtschaftliche Vorteile aus der Tat gezogen und wird ein Bußgeldverfahren nicht eingeleitet, eingestellt oder eine Geldbuße nicht festgesetzt, so kann der Verfall eines Geldbetrages bis zur Höhe des erlangten Vermögensvorteils angeordnet werden, wobei die Höhe des Vermögensvorteils geschätzt werden kann (§ 29a OWiG).

6.3
Ermäßigung

Eine Ermäßigung kann insbesondere in Betracht kommen, wenn

  1. a)

    das Ausmaß der Umweltbeeinträchtigung nach den Umständen des Falles ungewöhnlich klein ist,

  2. b)

    der Vorwurf, der die Täterin oder den Täter trifft, aus besonderen Gründen des Einzelfalles geringer als für durchschnittliches vorwerfbares Handeln erscheint,

  3. c)

    die Täterin oder der Täter Einsicht zeigt, so dass Wiederholungen nicht zu befürchten sind,

  4. d)

    die empfohlene Geldbuße zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung führt, auch unter Berücksichtigung weiterer Geldbußen, die für andere Ausführungshandlungen festzusetzen sind, zu denen ein gewisser zeitlicher und räumlicher Zusammenhang besteht und die eine im Wesentlichen gleichartige Begehungsweise aufweisen (früher so genannte fortgesetzte Handlungen),

  5. e)

    die wirtschaftlichen Verhältnisse der Täterin oder des Täters außergewöhnlich schlecht sind.

7.
Fahrlässiges Handeln

Soweit fahrlässiges Handeln mit Bußgeld bedroht ist, soll im Regelfall von der Hälfte der Regel- und Rahmensätze nach Nummer 5 ausgegangen werden. Das gesetzliche Höchstmaß der Geldbuße nach § 17 Abs. 2 OWiG darf dabei nicht überschritten werden. Im Übrigen gelten die Grundsätze nach den Nummern 6.2 und 6.3 auch für fahrlässiges Handeln.

8.
Tateinheit

Verletzt dieselbe Handlung mehrere Rechtsvorschriften, nach denen sie als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann, oder eine solche Rechtsvorschrift mehrmals, so wird nur eine einzige Geldbuße festgesetzt. Dabei bestimmt sich die Geldbuße nach der Rechtsvorschrift, mit der die höchste Geldbuße angedroht wird (§ 19 OWiG).

9.
Dauerzuwiderhandlungen

9.1
Eine Dauerzuwiderhandlung liegt vor, wenn der durch die Verletzung einer Rechtsvorschrift begründete Zustand vorsätzlich oder fahrlässig über einen gewissen Zeitraum aufrechterhalten wird. Hier liegt nur eine Zuwiderhandlung vor.

9.2
Bei der Festsetzung der Geldbuße ist zwar von den Regel- und Rahmensätzen des Bußgeldkataloges auszugehen (vgl. Nummer 5), die Geldbuße soll jedoch unter Berücksichtigung der Dauer des rechtswidrigen Zustandes erhöht werden (vgl. Nummer 6.2 Buchst. b Doppelbuchst. dd).

10.
Tatmehrheit

Werden durch mehrere rechtlich selbständige Handlungen mehrere Ordnungswidrigkeiten begangen, so wird für jede eine Geldbuße gesondert festgesetzt (§ 20 OWiG). Die begangenen Ordnungswidrigkeiten und ausgeworfenen Bußgelder können in einem Bußgeldbescheid zusammengefasst werden.

11.
Besondere persönliche Merkmale und Verletzung der Aufsichtspflicht

11.1
Handelt jemand für einen anderen (als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person, als Mitglied eines solchen Organs, als vertretungsberechtigte Gesellschafterin oder vertretungsberechtigter Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft, als gesetzliche Vertreterin oder gesetzlicher Vertreter, Beauftragte oder Beauftragter in einem Betrieb), sind die besonderen Bestimmungen des § 9 OWiG zu beachten.

11.2
Gegen juristische Personen und Personenvereinigungen kann unter den Voraussetzungen des § 30 OWiG eine Geldbuße festgesetzt werden.

11.3
Wegen Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen durch die Inhaberin oder den Inhaber oder ihnen gleichstehende Personen wird auf § 130 OWiG hingewiesen.

12.
Verfahren nach Einspruch

Ein unzulässiger Einspruch wird von der Verwaltungsbehörde durch Bescheid verworfen. Bei dessen Zustellung ist über den Rechtsbehelf des Antrages auf gerichtliche Entscheidung zu belehren (§ 50 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 2 OWiG).

Ist der Einspruch zulässig und begründet, nimmt die Verwaltungsbehörde den Bußgeldbescheid zurück. Zur Prüfung der Begründetheit kann die Verwaltungsbehörde in einem Zwischenverfahren neue Sachermittlungen anordnen oder selbst vornehmen (§ 69 Abs. 2 OWiG).

Erhält die Verwaltungsbehörde den Bußgeldbescheid aufrecht, so übersendet sie die Akten der Staatsanwaltschaft (§ 69 Abs. 3 OWiG) und bittet, auf ihre Beteiligung nach § 76 Abs. 1 OWiG hinzuwirken, wenn sie beabsichtigt, in der Hauptverhandlung die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind. Hält die Verwaltungsbehörde die Teilnahme der Staatsanwaltschaft an der Hauptverhandlung für notwendig, so regt sie diese an.