Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 05.10.2001, Az.: 6 B 170/01
Abschiebungsandrohung; Staatenlosigkeit; Staatsangehörigkeit; Syrien; Wiedereinreise; Wiedereinreiseverweigerung; Zielstaat
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 05.10.2001
- Aktenzeichen
- 6 B 170/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 39562
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 50 Abs 2 AuslG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Abschiebungsandrohung und Rechtmäßigkeit der Zielstaatsbezeichnung, wenn eine Wiedereinreise in den Zielstaat wegen fehlender Staatsangehörigkeit dieses Staates oder bei Staatenlosigkeit nicht möglich ist.
Tenor:
Die Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sowie auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.
Hinsichtlich der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe werden außergerichtliche Kosten der Beteiligten nicht erstattet.
Gründe
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der am 08.08.2001 erhobenen Klage (u.a.) gegen die Regelung zu Nr. 3 des Bescheides des Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 27.07.2001 insoweit anzuordnen, als den Antragstellern die Abschiebung nach Syrien angedroht wurde, ist zulässig, aber nicht begründet. Die dem Bescheid vom 27.07.2001 beigegebene Abschiebungsandrohung verletzt subjektive Rechte der Antragsteller nicht, soweit sie als Zielland der Abschiebung Syrien aufweist,.
Nach der Rücknahme des Asylantrages und der daraufhin gemäß § 32 AsylVfG auszusprechende Einstellung des Asylverfahrens, sowie der Feststellung, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AsylVfG nicht gegeben seien (Regelungen Nr. 1 und 2 des Bescheides vom 27.07.2001) war die Abschiebungsandrohung gemäß § 34 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 50 AuslG auszusprechen.
Auch wenn davon ausgegangen wird, dass auf legalem Weg eine Rückkehr nach Syrien nicht möglich ist, wird dies nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts (Urt. vom 29.08.2001 - 6 A 37/00 -; vom 26.09.2001 - 182/2001; in diesem Sinne auch OVG Magdeburg, Urt. vom 27.06.2001 - A 3 S 461/98) nicht zu einer Aufhebung der Abschiebungsandrohung führen, soweit dort gemäß § 50 Abs. 2 AuslG als Zielstaat Syrien aufgeführt worden ist.
Für die rechtliche Beurteilung des in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Zielstaates ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Ausländer dessen Staatsangehörigkeit besitzt (BVerwG, Beschl. vom 01.09.1998 - 1 B 41/98 - Buchholz 402.240 § 50 AuslG 1990 Nr. 4 m. w. N. ; BVerwG, Beschl. vom 29.06.1998 - 9 B 604/98 - ). Das Vorliegen von Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen nach den §§ 51 und 53 bis 55 steht gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 AuslG dem Erlass einer Abschiebungsandrohung nicht entgegen. Eine Abschiebungsandrohung unterliegt der Aufhebung nur, soweit (relative) Abschiebungshindernisse im Sinne von § 50 Abs. 3 Satz 2 und 3 AuslG zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung bestanden haben (BVerwG, Urt. vom 19.11.1996 - 1 C 6.95 - BVerwGE 102, 249, 257; Beschl. vom 01.09.1998, a.a.O.). Das Vorliegen von Duldungsgründen im Sinne von § 55 Abs. 2 AuslG begründet lediglich ein für die Abschiebungsandrohung rechtlich unerhebliches sonstiges Abschiebungshindernis (vgl. dazu auch BVerwG, Urt. vom 25.07.2000 - 9 C 42/99 -, AuAS 2001, 3; Beschl. vom 01.09.1998, a.a.O.; Beschl. vom 29.06.1998 - 9 B 604/98 - zitiert nach Juris).
Selbst wenn etwas anderes - ausnahmsweise - dann angenommen werden müsste, wenn bereits bei Erlass der Abschiebungsandrohung feststeht, dass der Ausreisepflichtige nicht in diesen Zielstaat wird (legal) ausreisen können, ergäbe sich im Ergebnis eine andere Beurteilung nicht. Denn in diesem Fall könnte das Bundesamt allein eine objektive Rechtspflicht verletzt haben, die es geboten hätte, die getroffene Zielstaatsbezeichnung zu unterlassen; eine Verletzung subjektiver Rechte des Ausländers wären nicht berührt. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass das Bundesamt bei Zweifeln über die Herkunft des Ausländers eine Abschiebungsandrohung erlassen darf, in der ein Zielstaat nicht konkret bezeichnet ist. § 50 Abs. 2 AuslG sieht die Bezeichnung des Zielstaates der Abschiebung nur für den Regelfall vor. Zielstaat wird zumeist der Staat sein, dessen Staatsangehörigkeit der Ausländer besitzt, bei Staatenlosen der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts; es kann je nach den Umständen des Falles aber auch ein sonstiger zur Aufnahme bereiter oder verpflichteter Drittstaat sein. Ist indes die Staatsangehörigkeit des Ausländers ungeklärt und - wie wohl regelmäßig - auch ein aufnahmebereiter anderer Staat nicht erkennbar, so liegen besondere Umstände vor, die ein Absehen von der Zielstaatsbezeichnung rechtfertigen. Insbesondere im Asylverfahren ist das Bundesamt als androhende Behörde in derartigen Fällen auch nicht verpflichtet, vor Erlass der Abschiebungsandrohung lediglich zur Ermittlung eines in Betracht kommenden Zielstaates weitere Aufklärung zu betreiben. Nach § 50 Abs. 2 Satz 1 AuslG und § 55 Abs. 2 AuslG obliegt die Klärung der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat und die hierzu gegebenenfalls erforderliche Klärung der Staatsangehörigkeit des Ausländers grundsätzlich der abschiebenden Ausländerbehörde (BVerwG, Urt. vom 25.07.2000 - 9 C 42/99 - AuAS 2001, 3). Ist aber die Unterlassung der Zielstaatsbestimmung - ausnahmsweise - möglich, kann auch die Angabe eines letztlich aus rechtlichen Gründen nicht erreichbaren Zielstaates nicht dazu führen, dass Rechte des Ausländers verletzt werden. Die entsprechende Bezeichnung verschlechtert seinen Rechtsstatus nicht, da sie gegenstandslos und auch sonst nicht mit für ihn ersichtlichen negativen Folgen verbunden ist. Das erkennende Gericht schließt sich insoweit der wohl überwiegenden Ansicht (zum Meinungsstand vgl. Funke-Kaiser in: Gemeinschaftskommentar zum Ausländerrecht, Stand September 1999 § 50 Rn. 23; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Dezember 1999 § 50 AuslG Rn. 14 c) an, dass es sich bei der Sollvorschrift des § 50 Abs. 2 AuslG lediglich um eine Vorgabe für das Handlungsprogramm der Behörde im Sinne einer Ordnungsvorschrift handelt, subjektive Rechte des Betroffenen insoweit aber nicht verletzt werden können (in diesem Sinne wohl auch BVerwG, Urt. vom 25.07.2000, aaO). Mit der Regelung in § 50 Abs. 3 Satz 3 AuslG, wonach die Abschiebungsandrohung als solche selbst dann bestehen bleibt, wenn in rechtswidriger Weise ein Zielstaat benannt ist, in Bezug auf den zwingende Abschiebungshindernisse bestehen, wäre es nicht vereinbar, eine subjektive Rechtsverletzung bereits dann anzunehmen, wenn nur förmlich ein bestimmter Zielstaat bezeichnet wird, obwohl es zulässig gewesen wäre, einen Zielstaat nicht zu bezeichnen.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b Abs. 1 Satz 1 AsylVfG abzulehnen.
Die beantragte Prozesskostenhilfe kann nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Die Kostenentscheidung beruht insoweit auf § 83 b Abs. 1 AsylVfG und § 166 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.
Sonstiger Langtext
Rechtsmittelbelehrung:
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.