Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 27.09.2001, Az.: 6 A 220/00
Ausnahmefall; Gruppenverfolgung; Staatsangehörigkeit; Syrien; Viransehir; Wiedereinreiseverweigerung; Yeziden
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 27.09.2001
- Aktenzeichen
- 6 A 220/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 39277
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 50 Abs 2 AuslG
- § 51 Abs 1 AuslG
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger ist kurdischer Volkszugehöriger yezidischen Glaubens aus Syrien und nach eigenen Angaben türkischer Abstammung. Er reiste im Februar 2000 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Zur Begründung dieses Begehrens trug er vor:
Er besitze weder die türkische noch die syrische Staatsangehörigkeit. Sein Vater habe in der Türkei einen Personalausweis besessen. Er selbst sei aber nicht auf den Namen des Vaters eingetragen worden. Die letzten Jahre habe er in der Türkei gelebt. Von Syrien sei er nach Viransehir gegangen. Nachdem seine Familie ausgereist sei, sei er dort allein geblieben. Er habe sich eine Wohnung gemietet bzw. zeitweise in einem Hotel gelebt. Manchmal sei er auch zu Verwandten in die yezidischen Dörfer gegangen. Wann er nach Deutschland gekommen sei, wisse er nicht. In Syrien habe er Baumwolle angebaut und Handel betrieben. Er sei oft in die Türkei zurückgereist, weil er dort eine weitere Familie gehabt habe. Eine seiner Ehefrauen stamme aus Midyat, wo er auch gewohnt habe. In Syrien, wo er eine weitere Familie gegründet habe, habe er mit den arabischen Nachbarn Streit gehabt. Die hätten das böse Wort zu ihnen gesagt, und in der Schule seien seine Kinder geschlagen worden. Außerdem habe man ihr Vieh umgebracht, wenn es auf der Weide gewesen sei. Sein Arbeitgeber sei ein Araber gewesen. Im Streit habe er sich mit diesem Araber geschlagen. Daraufhin sei er von dem Bruder des Arbeitgebers mit einem Messer verletzt worden und in das Krankenhaus gekommen. Daraufhin sei er mit seinen Kindern in die Türkei ausgereist. Den Vorfall habe er der Polizei gemeldet. Die Polizei habe gesagt, dass man den Araber unter Druck setzen und ihm "die Augen rausnehmen" werde, wenn er so etwas noch einmal mache. Dabei sei aber nichts herausgekommen. Sie hätten den Araber auch mitgenommen; er sei sich aber sicher, dass sie nichts weiter gemacht hätten, weil am nächsten Tag der Araber wieder freigelassen worden sei. Weitere Schwierigkeiten habe er nicht gehabt. Seine Familie in der Türkei habe ihn nicht länger akzeptiert, als sie mitbekommen habe, dass er auch in Syrien geheiratet habe. Die Familie in der Türkei habe er seit ca. 11 Jahren nicht mehr gesehen gehabt. Sie hätten ihn deshalb rausgeschmissen und seien später nach Deutschland ausgereist. Auch er habe es dann in der Türkei nicht mehr ausgehalten und habe das Land verlassen. Wenn er nach Syrien zurückgegangen wäre, hätte man ihn dort verhaftet und gefragt, was er dort suche. Sie würden ihm irgendwelche politischen Sachen anhängen. Wenn einer aus Syrien ausreise und zurückkomme, werde er tausend Mal verhört und auch inhaftiert. Leichter wäre es, wenn er einen Pass hätte. Seine Frau sei syrische Staatsangehörige und habe auch einen Pass besessen. Seine Kinder und er seien aber keine syrischen Staatsangehörigen. Den Pass habe der Schlepper seiner syrischen Frau abgenommen.
Mit Bescheid vom 2. März 2000 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag als unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG ebenfalls nicht gegeben seien und die Voraussetzungen des § 53 AuslG nicht vorlägen. Außerdem forderte die Behörde den Kläger zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland innerhalb von einem Monat nach Unanfechtbarkeit der ablehnenden Entscheidung des Bundesamtes auf und drohte für den Fall, dass dieser Anordnung nicht fristgerecht nachgekommen werde, die Abschiebung an.
Gegen den am 7. März 2000 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 20. März 2000 Klage erhoben.
Zur Begründung der Klage trägt er vor:
Er sei in der Türkei geboren und habe dort auch mit Unterbrechungen gelebt. Gelegentlich habe er sich für längere Zeiträume in Syrien aufgehalten. Er sei Yezide und kurdischer Volkszugehöriger. Das Bundesamt habe dagegen fälschlicherweise die Asylberechtigung nach den Gegebenheiten in Syrien geprüft. Sein Lebensmittelpunkt sei jedoch die Türkei, in der er sich die längste Zeit seines Lebens aufgehalten habe und wo er auch geboren sei. Allerdings sei er dort nie registriert worden. Die am Ende der 60-ger Jahre in Midyat geschlossene Ehe mit der Yezidin R. C. sei dort ebenfalls nicht registriert worden. Aus der Ehe seien elf Kinder hervorgegangen. Alle Familienmitglieder seien zwischen 1992 und 1994 nach Deutschland geflohen. Aufgrund seines Handeltreibens sei er häufig nach Syrien gereist, wobei er wegen der fehlenden Ausweispapiere die Grenzposten bestochen habe. In Syrien habe er Ende der 70-ger Jahre die Yezidin R. S. S. geheiratet. Aus dieser Ehe seien sechs Kinder hervorgegangen; ein Kind sei gestorben. Das Asylverfahren der Ehefrau R. und der Kinder S. und R., die 1998 nach Deutschland eingereist seien, sei noch nicht abgeschlossen. Die Kinder M., M. und A. hätten durch Urteile des Verwaltungsgerichts Hannover Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG erhalten. Wegen dieser Ehe habe seine Familie in der Türkei den Kontakt zu ihm abgebrochen. Im Jahre 1997 sei er mit seiner syrischen Familie in die Türkei ausgereist. Während seine syrische Ehefrau und die Kinder im Jahre 1998 nach Deutschland weitergereist seien, sei er in der Türkei geblieben. Schließlich sei er im Februar 2000 ebenfalls nach Deutschland gekommen, weil auch fast alle Verwandten ausgereist seien. Nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg seien glaubensgebundene Yeziden in ihren angestammten Siedlungsgebieten einer mittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt. Da er ein glaubensgebundener Yezide sei, müsse er bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit politischer Verfolgung wegen seiner Glaubenszugehörigkeit rechnen. Auch wenn er nach seiner Geburt in der Türkei von seinen Eltern nicht bei den türkischen Behörden registriert worden sei, müsse aufgrund der türkischen Staatsangehörigkeitsregelungen davon ausgegangen werden, dass er nach seinem Vater die türkische Staatsangehörigkeit besitze. Sein in Deutschland lebender Bruder, der seit dem 11. Oktober 2000 eine Aufenthaltsbefugnis besitze, sowie zwei Cousins, die seit mehreren Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis hätten, könnten bezeugen, dass sein Vater türkischer Staatsangehöriger gewesen sei. Aus diesem Grunde müsse geprüft werden, ob in Bezug auf die Türkei ebenfalls die Voraussetzungen für einen Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG vorlägen. Auch in der Türkei seien die Yeziden einer Gruppenverfolgung ausgesetzt. Soweit eine Abschiebungsandrohung hinsichtlich des Ziellandes Syrien ergangen sei, sei wegen der tatsächlichen und rechtlichen Unmöglichkeit, ihn als dort illegal und nicht registriert gelebt habenden Kurden in dieses Land abzuschieben, die Abschiebungsandrohung aufzuheben.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und des § 53 AuslG vorliegen, und den Bescheid des Bundesamtes vom 2. März 2000 insoweit aufzuheben.
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung zu seinem Klagebegehren ergänzend informatorisch angehört worden; wegen seiner Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens und der beigezogenen Verfahrensakten des VG Hannover, auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie auf die in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel verwiesen. Diese Unterlagen waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand des Verfahrens.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Es besteht kein Anspruch auf die Feststellung durch die Beklagte, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG oder des § 53 AuslG vorliegen.
Die Voraussetzungen des Schutzes vor Abschiebung nach § 51 Abs. 1 AuslG und eines Anspruchs auf Asyl aus Art. 16a Abs. 1 GG sind deckungsgleich, soweit es um die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut, den politischen Charakter der Verfolgung sowie den Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und dessen Herabstufung bei bereits vor der Ausreise aus dem Heimatstaat verfolgten Asylsuchenden geht (BVerwG, Urt. vom 18.01.1994, NVwZ 1994, 497; Urt. vom 05.07.1994, NVwZ 1995, 391 [BVerwG 05.07.1994 - BVerwG 9 C 1.94]).
Dagegen ist ein Abschiebungsschutz aus § 51 Abs. 1 AuslG im Gegensatz zum asylrechtlichen Schutz nach Art. 16a Abs. 1 GG auch dann zu gewähren, wenn einem Betroffenen aus Gründen, die er erst nach der Ausreise aus dem Heimatstaat geschaffen hat (subjektiver Nachfluchtgrund), politische Verfolgung droht oder - wie hier - ein
Asylanspruch aus den in den §§ 26a und 27 AsylVfG genannten Gründen (bei einer Einreise aus Drittstaaten) ausgeschlossen ist (BVerwG, Urt. vom 28.06.1999, BVerwGE 109, 174 = NVwZ 2000, 81).
Ausgangspunkt eines Asylanspruchs oder Anspruchs nach § 51 Abs. 1 AuslG ist die in die Zukunft gerichtete Prüfung der Frage, ob der Flüchtling im - politischer Verfolgung ausgesetzt sein würde, durch die der hiervon Betroffene in eine die Gewährung politischen Asyls oder den Schutz vor Abschiebung rechtfertigende Notlage geriete. Das setzt einen Staat voraus, in den der
Asylsuchende in rechtlich zulässiger Weise zurückkehren könnte (BVerwG, Urt. vom 15.10.1985, NVwZ 1986, 759 [BVerwG 15.10.1985 - BVerwG 9 C 30.85]). Soweit der Ausländer eine Staatsangehörigkeit besitzt, ist Gegenstand der Prüfung, ob dem Flüchtling im Land seiner Staatsangehörigkeit die in § 51 Abs. 1 AuslG bezeichneten Gefahren drohen (§ 3 AsylVfG). Nur auf die Verhältnisse in diesem Staat und nicht auf die Gegebenheiten in anderen Ländern kommt es für die Beurteilung des geltend gemachten Asylanspruchs an. Derjenige, der in einem Drittstaat politisch verfolgt worden ist oder dem dort eine solche Verfolgung droht, kann den Schutz des Staates in Anspruch nehmen, dem er angehört. Einen Schutz vor politischer Verfolgung besitzt er im Ausland nur dann, wenn er im Land seiner Staatsangehörigkeit keinen Schutz erhalten kann (BVerwG, Urt. vom 18.10.1983, BVerwGE 68, 106 = NVwZ 1984, 244 m.w.N.).
Bei Personen, die staatenlos sind, kommt es auf die Verhältnisse im Land ihres gewöhnlichen Aufenthalts an (§ 3 AsylVfG). Dies ist grundsätzlich der Staat, in dem der Staatenlose bis zu seiner Ausreise gelebt hat. Allein der Umstand, dass der Staatenlose ihn verlässt und im Ausland um Asyl nachsucht, ändert daran nichts. Eine Änderung der rechtlichen Lage tritt jedoch ein, wenn der Staat den Staatenlosen ausweist oder die Wiedereinreise verweigert und dies aus Gründen tut, die nicht als politische Verfolgung qualifiziert werden können. Der Staat löst damit seine Beziehungen zu dem Staatenlosen und hört auf, für ihn das Land des gewöhnlichen Aufenthalts zu sein (BVerwG, Urt. vom 15.10.1985, aaO.). In diesem Fall wird die Frage, ob dem Staatenlosen auf dem Territorium dieses Staates politische Verfolgung droht, unter verfolgungsrechtlichen Gesichtspunkten gegenstandslos. Staatenlose, die in eine solche Lage geraten sind, können mit Blick auf diesen Herkunftsstaat weder Asyl nach Art. 16a Abs. 1 GG noch Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 oder § 53 AuslG beanspruchen (BVerwG, Urt. vom 15.10.1985, aaO.; Urt. vom 24.10.1995, NVwZ-RR 1996, 471, 602 [BVerwG 24.10.1995 - BVerwG 9 C 75.95]).
So liegen die Dinge bei Kurden aus Syrien, die aus der insoweit maßgeblichen Sicht des syrischen Staates dort als Staatenlose oder als Personen ohne syrische Staatsangehörigkeit angesehen werden und als solche registriert sind. Bei diesen, wie erst recht für solche Asylsuchende, die sich illegal und ohne eine behördliche Registrierung in Syrien aufgehalten haben und entweder ebenfalls staatenlos sind oder über eine andere als die syrische Staatsangehörigkeit verfügen, gilt, dass der syrische Staat ihre Wiedereinreise verweigert (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 30.01.2001 an das VG Aachen; Lagebericht vom 08.02.2001; Auskunft vom 26.04.2001 an das VG Saarlouis; Landeshauptstadt Düsseldorf, Auskunft vom 15.11.2000 an das VG Aachen).
Zwar kann die Verweigerung der Wiedereinreise in das Land ihres gewöhnlichen Aufenthalts auch in Bezug auf staatenlose Personen eine Maßnahme politischer Verfolgung darstellen. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn die Maßnahme die von ihr Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen soll. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung der Wiedereinreiseverweigerung vorliegt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme zu beurteilen (BVerfG, Urt. vom 02.07.1993, InfAuslR 1993, 345; BVerwG, Urt. vom 24.10.1995, NVwZ-RR 1996, 471 [BVerwG 24.10.1995 - BVerwG 9 C 75.95]; OVG Münster, Urt. vom 22.02.1994, 4 A 3676/93.A <juris>).
Eine derartige Zielrichtung ist in Bezug auf den von dem Wiedereinreiseverbot betroffenen Personenkreis nicht erkennbar. Insbesondere sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Maßnahme - bei hiervon betroffenen Yeziden - an die yezidische Glaubenszugehörigkeit anknüpft. Denn Yeziden mit syrischer Staatsangehörigkeit sind von dem Wiedereinreiseverbot ausgenommen. Dies gilt in gleicher Weise, soweit es sich um Personen mit kurdischer Volkszugehörigkeit handelt. Auch insoweit stellt der syrische Staat auf den Besitz der syrischen Staatsangehörigkeit ab. Außerdem lässt sich weder in Bezug auf die bloße Glaubenszugehörigkeit noch auf die kurdische Volkszugehörigkeit eine staatliche Verfolgung in Syrien feststellen (OVG Lüneburg, Urt. vom 27.03.2001, 2 L 2505/98 m.w.N.; OVG Münster, Beschl. vom 05.04.2001, 9 A 1269/01.A; OVG Saarlouis, Beschl. vom 19.01.2001, 3 Q 151/99).
Die Verweigerung der Wiedereinreise zielt auch nicht darauf, Staatenlose oder andere Personen ohne syrische Staatsangehörigkeit auszugrenzen. In Syrien leben zahlreiche Personen ohne syrische Staatsangehörigkeit, die dort für die Dauer ihres Aufenthalts geduldet werden, wenngleich sie gegenüber den syrischen Staatsangehörigen häufig nur eingeschränkte Rechte haben (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 08.02.2001; GfbV, Bericht vom 01.04.1997, Auskunft vom 09.07.1998 an das VG München). Nur im Falle einer beantragten oder ungenehmigten Ausreise verlieren sie den Aufenthaltsstatus (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 30.01.2001 an das VG Aachen).
Schließlich stellt die im Anschluss an die Sondervolkszählung erfolgte Aberkennung der syrischen Staatsangehörigkeit für die hiervon betroffenen Personen und ihre Nachkommen, als deren späte Folge sich das Wiedereinreiseverbot auswirkt, nicht eine Maßnahme politischer Verfolgung dar. Anlass für den Zensus war die in zahlreichen Fällen begründete Annahme, dass viele der im Grenzbereich zu den Ländern Türkei, Iran und Irak lebenden Kurden nicht syrischen Ursprungs, sondern illegal aus diesen Ländern nach Syrien übergesiedelt waren. Auch wenn die Entscheidung über die syrische Staatsangehörigkeit nicht selten vorschnell getroffen wurde, weil den Betroffenen nicht genügend Zeit für den Nachweis einer syrischen Herkunft blieb, waren die Sondervolkszählung und die Überprüfung der Staatsangehörigkeit in erster Linie darauf gerichtet, illegale Einwanderer und ihre Nachkommen, zumeist Kurden aus den angrenzenden Kurdengebieten, als solche zu erfassen. Erst zeitlich danach wurde ein Plan zur Arabisierung und Umsiedlung der Kurden aus dem Grenzgebiet gefasst, der jedoch nur teilweise umgesetzt und im Jahr 1976 angeblich beendet wurde (vgl. GfbV, Bericht vom 01.04.1997, Auskunft vom 09.07.1998 an das VG München; Ai, Auskunft vom 01.05.1994; Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 08.02.2001). Als Ergebnis der Sondervolkszählung wurde in etwa 120 000 bis 150 000 Fällen angenommen, dass eine syrische Staatsangehörigkeit nicht vorlag, und diesen Kurden die syrische Staatsangehörigkeit entzogen. In vielen dieser Fälle wird, weil eine andere Staatsangehörigkeit nicht feststellbar sein wird, nunmehr eine Staatenlosigkeit anzunehmen sein.
Die Gründe, aus denen den staatenlosen Kurden aus Syrien sowie den dort illegal gelebt habenden Personen nach der Ausreise aus diesem Land die Einreise verwehrt wird, haben keinen asylrechtlich relevanten Anknüpfungspunkt. Die syrischen Behörden halten die frühere Duldung dieser Personen für einen humanitären Akt und sehen keine Veranlassung, sie weiterhin aufzunehmen, nachdem diese Personen freiwillig das Land verlassen haben. Hinzu kommt, dass dieser Personenkreis in aller Regel das Land illegal unter Verletzung der syrischen Grenzübertrittsregelungen verlassen hat, was auch für syrische Staatsangehörige einen Rechtsbruch bedeuten würde (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 30.01.2001 an das VG Aachen; Lagebericht vom 08.02.2001; Auskunft vom 26.04.2001 an das VG Saarlouis; vgl. zum Ganzen auch OVG Lüneburg, Urt. vom 27.03.2001 - 2 L 2505/98 -).
Das Gericht ist mit der nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gebotenen Gewissheit zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger in Syrien als Ausländer mit ungeklärter, möglicherweise türkischer Staatsangehörigkeit gelebt hat und dass mit der Ausreise aus Syrien ein Verlust des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts eingetreten ist. Aus den hierzu gemachten Angaben ergibt sich, dass er in Syrien jedenfalls nicht als syrischer Staatsangehöriger gelebt hat.
Damit hat der Kläger nach der gegenwärtigen Erkenntnislage keine rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit, nach Syrien zurückzukehren. Ob im Falle einer Rückkehr in Syrien politische Verfolgung droht und deshalb Schutz vor einer Abschiebung nach § 51 Abs. 1 AuslG zu gewähren ist, ist infolgedessen ebenso gegenstandslos wie die Frage eines Abschiebungsschutzes nach § 53 AuslG, der ebenfalls nur Abschiebungshindernisse erfasst, die in Gefahren begründet sind, welche dem Ausländer im Zielland der Abschiebung drohen (BVerwG, Urt. vom 15.10.1985, aaO.; Urt. vom 24.10.1995, aaO.; Urt. vom 11.11.1997, BVerwGE 105, 322).
Soweit der Kläger erstmals im Klageverfahren und entgegen seinen Angaben bei der Anhörung vor dem Bundesamt (Bl. 17 der Beiakten A) behauptet hat, als nicht in den türkischen Personenstandsregistern erfasster Abkömmling eines Vaters mit türkischer Staatsangehörigkeit ebenfalls diese Staatsangehörigkeit zu besitzen, führt dieses Vorbringen ebenfalls nicht zum Klageerfolg.
Abgesehen davon, dass der Kläger in Bezug auf seine Person über Urkunden (z.B. Nüfus), denen in Fragen der türkischen Staatsangehörigkeit entscheidende Bedeutung zu kommt, nicht verfügt (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 15.08.1990 an das VG Braunschweig; Universität Köln - Institut für Völkerkunde -, Gutachten vom 14.09.1995) und in solchen Fällen zunächst über die türkische Auslandsvertretung und das türkische Innenministerium ein Verfahren zur Feststellung der türkischen Staatsangehörigkeit durchzuführen wäre (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 05.01.1989 an das VG Köln; Auskunft vom 23.08.1989 an das OVG Koblenz; Auskunft vom 27.07.1990 an das VG Hamburg), ist bereits zweifelhaft, ob im Rahmen dieses Verfahrens den Fragen der türkischen Staatsangehörigkeit nachgegangen werden müsste. Weder droht dem Kläger mangels einer entsprechenden Abschiebungsandrohung des Bundesamtes eine Abschiebung in die Türkei, noch hat der Kläger nachgewiesen oder auch nur glaubhaft gemacht, dass ihm derzeit ein Recht auf Zugang zum türkischen Staatsgebiet zusteht. In Bezug auf die Türkei stellt sich damit die Situation des Klägers gegenwärtig nicht anders dar als zu dem syrischen Staat. Die Frage, ob dem Kläger politische Verfolgung in der Türkei droht, dürfte deshalb erst dann von rechtlicher Bedeutung sein, wenn ihm dorthin ausdrücklich die Abschiebung angedroht oder sie als zulässig bezeichnet wird (vgl. hierzu auch: OVG Hamburg, Beschluss vom 26.04.2000, 4 Bf 376/99.A; VG Oldenburg, Urteil vom 12.09.2001, 11 A 3406/00; VG Braunschweig, Urteil vom 20.09.2001, 6 A 83/00). Insoweit wäre der Kläger auf eine hiergegen gerichtete Klage oder auf die Durchführung eines Asylfolgeverfahrens zu verweisen.
Dem Klagebegehren des Klägers ist jedoch selbst dann nicht zu entsprechen, wenn man das Vorliegen der türkischen Staatsangehörigkeit annähme. Denn es ist nicht zur Überzeugung des Gerichts wahrscheinlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr in die Türkei einer asylrechtlich relevanten Verfolgung ausgesetzt wäre.
Politische Verfolgung liegt vor, wenn dem Einzelnen durch den Heimatstaat oder durch Maßnahmen Dritter, die diesem Staat zurechenbar sind, in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden oder unmittelbar drohen, die ihn nach ihrer Intensität und Schwere aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschl. vom 10.07.1989, BVerfGE 80, 315, 333). Dabei beschränkt sich der asylrechtliche Schutz nicht auf die Rechtsgüter Leib und Leben, sondern erfasst auch Einschränkungen der persönlichen Freiheit; die hierin eingeschlossenen Rechte der freien Religionsausübung und ungehinderten beruflichen und wirtschaftlichen Betätigung lösen einen Asylanspruch indessen nur aus, wenn deren Beeinträchtigung nach ihrer Intensität und Schwere zugleich die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Herkunftsstaates allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, Beschl. vom 24.06.1992 - 2 BvR 176/92 u.a., S. 12 f. des Abdrucks unter Hinweis auf BVerfGE 76, 143, 158). Die Gefahr eigener politischer Verfolgung kann sich auch aus gegen Dritte gerichteten Verfolgungsmaßnahmen ergeben, wenn der Asylbewerber sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und auch im Übrigen vergleichbaren Lage befindet, so dass seine (etwaige) Nichtbetroffenheit von ausgrenzenden Rechtsverletzungen eher als zufällig anzusehen ist (BVerfG, Beschl. vom 23.01.1991, BVerfGE 83, 216, 230). Eine solche sog. mittelbare Gruppenverfolgung liegt danach typischerweise vor bei Massenausschreitungen (Pogromen), die das ganze Land oder große Teile desselben erfassen, aber etwa auch dann, wenn unbedeutende oder kleine Minderheiten mit solcher Härte, Ausdauer und Unnachsichtigkeit verfolgt werden, dass jeder Angehörige dieser Minderheit sich ständig der Gefährdung an Leib, Leben
oder persönlicher Freiheit ausgesetzt sieht, wobei allerdings nicht ein ganzes Land gewissermaßen flächendeckend erfasst sein muss (BVerfG, Beschl. vom 23.01.1991, BVerfGE 83, 216, 232). Auch ohne Pogrome und vergleichbare Massenausschreitungen liegt eine mittelbare Gruppenverfolgung immer dann vor, wenn die Verfolgungsschläge, von denen die Angehörigen einer Gruppe betroffen werden, so dicht und eng gestreut fallen, dass für jedes Gruppenmitglied die Furcht begründet ist, in eigener Person Opfer der Übergriffe zu werden (BVerwG, Beschl. vom 24.09.1992, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 156; Urt. vom 05.07.1994, BVerwGE 96, 200, 203). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. vom 02.08.1983, BVerwGE 67, 317 m. w. N.) wird eine solche von nichtstaatlicher Seite, insbesondere von Privatpersonen oder nichtstaatlichen Organisationen ausgehende Verfolgung dem Staat zugerechnet, wenn dieser die Verfolgung billigt oder fördert, ferner wenn er nicht willens oder - trotz vorhandener Gebietsgewalt - nicht in der Lage ist, die Betroffenen gegen Übergriffe Privater zu schützen. Dabei besteht die Zurechenbarkeit begründende Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit nicht bereits dann, wenn in dem zu beurteilenden Einzelfall effektiver staatlicher Schutz nicht geleistet worden ist. Kein Staat vermag einen schlechthin perfekten lückenlosen Schutz zu gewährleisten und sicherzustellen, dass Fehlverhalten, Fehlentscheidungen oder "Pannen" sonstiger Art bei der Erfüllung der ihm zukommenden Aufgaben der Wahrung des öffentlichen Friedens nicht vorkommen. Deshalb schließt weder Lückenhaftigkeit des Systems staatlicher Schutzgewährung überhaupt noch die im Einzelfall von dem Betroffenen erfahrene Schutzversagung als solche schon staatliche Schutzbereitschaft oder Schutzfähigkeit aus. Vielmehr sind Übergriffe Privater dem Staat als mittelbare Verfolgung dann zuzurechnen, wenn er gegen Verfolgungsmaßnahmen Privater grundsätzlich keinen effektiven Schutz gewährt. Umgekehrt ist eine grundsätzliche Schutzbereitschaft des Staates zu bejahen, wenn die zum Schutz der Bevölkerung bestellten (Polizei-) Behörden bei Übergriffen Privater zur Schutzgewährung ohne Ansehen der Person verpflichtet und dazu von der Regierung auch landesweit angehalten sind, vorkommende Fälle von Schutzverweigerung mithin ein von der Regierung nicht gewolltes Fehlverhalten der Handelnden in Einzelfällen sind (BVerwG, Urt. vom 05.07.1994,
InfAuslR 1995, 24 [BVerwG 05.07.1994 - BVerwG 9 C 1.94]).
Da das Asylgrundrecht auf dem Zufluchtgedanken beruht und von seinem Tatbestand her grundsätzlich den Ursachenzusammenhang von Verfolgung/Flucht/Asyl voraussetzt (BVerfG, Beschl. vom 26.11.1986, BVerfGE 74, 51, 60; Beschl. vom 10.07.1989, BVerfGE 80, 344), ist ferner von maßgeblicher Bedeutung, ob der Asylbewerber vorverfolgt oder unverfolgt ausgereist ist. Ist der Asylsuchende wegen erlittener oder unmittelbar bevorstehender politischer Verfolgung ausgereist und war ihm auch ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates wegen Fehlens einer inländischen Fluchtalternative unzumutbar, ist er als Asylberechtigter anzuerkennen, sofern die fluchtbegründenden Umstände im maßgeblichen Zeitpunkt fortbestehen. Er ist ferner anzuerkennen, wenn diese zwar entfallen sind, aber an seiner Sicherheit vor abermals einsetzender Verfolgung bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ernsthafte Zweifel bestehen. Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat hingegen unverfolgt verlassen, kann er nur dann anerkannt werden, wenn ihm politische Verfolgung aufgrund eines asylerheblichen Nachfluchttatbestandes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerfG, Beschl. vom 26.11.1986, aaO., 64 f.; Beschl. vom 10.07.1989, aaO., 344; BVerwG, Urt. vom 20.11.1990, BVerwGE 87, 152; Urt. vom 23.07.1991, DVBl. 1991, 1089). Für die Annahme einer drohenden Verfolgung ist entscheidend, ob aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat unzumutbar erscheint (BVerwG, Urt. vom 05.11.1991, BVerwGE 89, 162, 169). Die dazu erforderliche Zukunftsprognose hat auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abzustellen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) und muss auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein (BVerwG, Urt. vom 03.12.1985, EZAR 202 Nr. 6). Sie hat die vom Asylbewerber geschilderten Ereignisse zu würdigen und insbesondere auch den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahme festzustellen (§§ 15, 25, 74 Abs. 2 AsylVfG). Bei der Darstellung der allgemeinen Umstände im Herkunftsland genügt es, dass die vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung ergeben (BVerwG, Urt. vom 23.11.1982, BVerwGE 66, 237).
Der Kläger hat die Türkei nicht wegen einer bereits erlittenen oder unmittelbar bevorstehenden Gefahr der individuellen Verfolgung wegen der yezidischen Glaubenszugehörigkeit verlassen. Das Gericht geht davon aus, dass die Glaubensverschiedenheit zu den muslimischen Mitbewohnern in der Türkei in der Vergangenheit allenfalls den Grad von bloßen Belästigungen und nicht von asylrechtlich relevanten Übergriffen erreicht hatten. Asylrechtlich bedeutsame Übergriffe wegen der Religionszugehörigkeit wurden von dem Kläger nicht geschildert. Der Kläger hat vielmehr sowohl vor dem Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er als Yezide im Bereich Midyat aufgewachsen ist, dort eine erste Ehe gegründet hat und als Händler tätig war, als der er bis etwa fünf Jahre vor der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland häufig zwischen Syrien und der Türkei hin- und hergereist ist, ohne dass es wegen der Religionszugehörigkeit zu Behelligungen gekommen ist, die einer Erwähnung wert gewesen wären. Auch in dem Zeitraum von etwa drei Jahren vor der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland (von Mitte 1997 bis Februar 2000), hat der Kläger offenkundig wegen der Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Yeziden eine individuelle Verfolgung nicht erlitten. Soweit er in mehr oder minder kurzen Zeiträumen seinen Wohnsitz oder den Aufenthaltsort gewechselt und yezidische Bekannte und Verwandte besucht hat, war dieser Wechsel des Aufenthaltsortes offensichtlich vorwiegend geprägt von der Befürchtung, als nicht registrierte Person in der Türkei von den Behörden aufgegriffen und zur Verantwortung gezogen zu werden. Dass sich der Kläger während dieser Zeit ständig verborgen gehalten hat, wurde von ihm weder behauptet noch ist sonst ersichtlich.
Der Kläger war wegen seiner Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Yeziden auch nicht einer mittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt. Zwar geht die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung bisher überwiegend davon aus, dass glaubensgebundene Yeziden in ihren angestammten Siedlungsgebieten im Südosten der Türkei zumindest seit 1988/1989 einer mittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung durch die muslimische Bevölkerungsmehrheit ausgesetzt waren, der sie sich grundsätzlich auch nicht durch ein Ausweichen in andere Landesteile der Türkei entziehen konnten (OVG Lüneburg, Urteil vom 29.05.1997, 11 L 6286/91 m.w.N.). Ob wegen der in den letzten Jahren weitgehend ausgebliebenen Hinweise darauf, dass die in der Türkei verbliebenen Yeziden noch immer asylrechtlich relevanten Übergriffen ausgesetzt sind, die Annahme einer dem türkischen Staat zurechenbaren Gruppenverfolgung weiter gerechtfertigt ist, ist allerdings fraglich; dies kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben. Denn nach Lage der Besonderheiten des Falles des Klägers findet die Rechtsprechung zur mittelbaren Gruppenverfolgung der Yeziden in der Türkei auf ihn keine Anwendung. Die Verfolgungsfreiheit des Klägers während seines etwa dreijährigen Aufenthaltes in Viransehir und in den umliegenden von Yeziden bewohnten Dörfern vor seiner Ausreise in die Bundesrepublik sind eine verlässliche Grundlage für die Annahme, dass die im Februar 2000 erfolgte Ausreise nicht aus Furcht vor Verfolgung durch muslimische Mitbewohner wegen seines Glaubens erfolgt ist (vgl. hierzu auch: BVerfG, Urteil vom 23.01.1991, BVerfGE 83, 216). Die Regelvermutung zur mittelbaren Gruppenverfolgung ist hierdurch im Falle des Klägers widerlegt. Der mehrjährige Aufenthalt in der Türkei vor der Ausreise nach Deutschland hat gezeigt, dass der Kläger in Viransehir und in der umliegenden Region, wo nach seinen Angaben sowohl Verwandte als auch mit ihm nicht verwandte Yeziden wohnen, ohne einen asylerheblichen Verfolgungsdruck bleiben könnte. Soweit der Kläger vorgetragen hat, sich nicht ständig an einem Ort aufgehalten zu haben, sondern während dieser Zeit außer in Viransehir auch noch in den Dörfern Tiltirik (türkisch: Tepeyolu), Kerma Cem (türkisch: Yaprakli) und Olaxci (türkisch: Oglakci) gewesen zu sein, war der Ortswechsel nach der Überzeugung des Gerichts von der Befürchtung geprägt, den türkischen Behörden als nicht registrierte Person aufzufallen und belangt zu werden, weil er sich dem Wehrdienst entzogen hatte. Der Kläger hat nicht angegeben, dass er sich zusätzlich zu dem Wechsel des Aufenthaltsortes nach Zeiträumen von jeweils einigen Tagen bis zu einem Monat verborgen gehalten hat, um vor allem Übergriffen der muslimischen Nachbarn zu entgehen. Dass die von ihm besuchten Yeziden in der Zeit seiner verschiedentlichen Aufenthalte bei diesen Familien solchen Übergriffen ausgesetzt waren, hat der Kläger ebenfalls nicht behauptet.
Dies entspricht im Übrigen der gegenwärtigen Erkenntnislage zu der Situation der Yeziden im Raum Viransehir. Dort gab es nicht nur reine Yezidendörfer, sondern die Yeziden lebten auch in ehemals gemischt bevölkerten Dörfern w.z.B. Tiltirik (Wießner, Gutachten vom 01.06.1996 an das VG Braunschweig; Sternberg-Spohr, Gutachten vom März 1993) mit Muslimen zusammen und hatten zu diesen soziale Kontakte (OVG Lüneburg, Urteil vom 29.05.1997, aaO.). Zum Zeitpunkt der verschiedentlichen Aufenthalte des Klägers bei yezidischen Familien und Bekannten im Raum Viransehir waren auch die übrigen Dörfer (Kerma, Olaxci) ganz überwiegend von Muslimen besucht, weil in diesen ehemals rein yezidischen Dörfern etwa ab 1993 nur noch wenige yezidische Familien verblieben waren (Sternberg-Spohr, Gutachten vom März 1993). Offenbar hat sich zwischen den dort noch lebenden Yeziden und den Muslimen eine Symbiose mit Duldung des jeweils Andersgläubigen herausgebildet. Es ist außerdem bekannt, dass sich der in Deutschland lebende Pesimam K. C. mehrere Monate jährlich unbehelligt in der Türkei zur Betreuung der dort lebenden Yeziden aufhält (vgl. VG Hannover, Urteil vom 30.05.2001, 1 A 1319/01; bestätigt durch: OVG Lüneburg, Beschluss vom 02.08.2001, 11 LA 2592/01).
Aus der genannten Entscheidung des VG Hannover und dem dort beigezogenen Gutachten des Sachverständigen Azad Baris vom 18.12.2000 sowie aus zwei weiteren der Kammer vorliegenden Gutachten dieses Sachverständigen vom 27.10.1999 und vom 13.10.1998 ergibt sich zudem, dass auch in anderen Orten des Landkreises Viransehir (z.B. Gire Sirt/türkisch: Kavurga; Xirbe Belek/türkisch: Bozca) Yeziden und Muslime überwiegend friedlich zusammenleben. Dies wird von dem Sachverständigen Baris in dem Gutachten vom 13.10.1998 in Bezug auf das Dorf Olaxci (türkisch: Oglakci) ebenfalls dargelegt, in dem die Yezidenfamilie Yüksel einen erheblichen Einfluss genießt und Repressalien seitens des Staates und der Muslime nicht bekannt geworden sind. Hinsichtlich des vom Kläger außerdem besuchten Ortes Tiltirik wird in dem Gutachten vom 13.10.1998 ausgeführt, dass dieses Dorf bereits seit Ende 1995 ausschließlich von Muslimen bewohnt wird.
Die Möglichkeit, sich in diesen und den vom Kläger genannten Orten unbehelligt aufzuhalten, wird bestätigt durch die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass er in der Zeit seines Aufenthalts in der Türkei bis zur Ausreise nach Deutschland dort "keine Schwierigkeiten" gehabt habe. Der Kläger ist aufgrund dieser besonderen Umstände von der begründeten Annahme einer auch ihn treffenden Gruppenverfolgung der Yeziden in der Türkei ausgenommen.
Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG sind für den Kläger weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. Die von ihm erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind angesichts seiner finanziellen Möglichkeiten allenfalls inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, über die im Falle einer hierdurch bedingten Reiseunfähigkeit die zuständige Ausländerbehörde zu befinden hätte.
Da das Bundesamt eine Anerkennung als Asylberechtigter nicht verfügt hat und auch eine Aufenthaltsgenehmigung nicht vorliegt, hatte die Behörde den Kläger gemäß den §§ 34 f. AsylVfG zur Ausreise aufzufordern und die Abschiebung anzudrohen. Auch wenn davon ausgegangen wird, dass auf legalem Weg eine Rückkehr nach Syrien nicht möglich ist, führt dies nicht zu einer Aufhebung der Abschiebungsandrohung, soweit dort gemäß § 50 Abs. 2 AuslG als Zielstaat Syrien aufgeführt worden ist.
Für die rechtliche Beurteilung des in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Zielstaates ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Ausländer dessen Staatsangehörigkeit besitzt (BVerwG, Beschl. vom 01.09.1998 - 1 B 41/98 - Buchholz 402.240 § 50 AuslG 1990 Nr. 4 m. w. N. ; BVerwG, Beschl. vom 29.06.1998 - 9 B 604/98 - ). Das Vorliegen von Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen nach den §§ 51 und 53 bis 55 steht gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 AuslG dem Erlass einer Abschiebungsandrohung nicht entgegen. Eine Abschiebungsandrohung unterliegt der Aufhebung nur, soweit (relative) Abschiebungshindernisse im Sinne von § 50 Abs. 3 Satz 2 und 3 AuslG zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung bestanden haben (BVerwG, Urt. vom 19.11.1996 - 1 C 6.95 - BVerwGE 102, 249, 257; Beschl. vom 01.09.1998, aaO). Das Vorliegen von Duldungsgründen im Sinne von § 55 Abs. 2 AuslG begründet lediglich ein für die Abschiebungsandrohung rechtlich unerhebliches sonstiges Abschiebungshindernis (vgl. dazu auch BVerwG, Urt. vom 25.07.2000 - 9 C 42/99 -, AuAS 2001, 3; Beschl. vom 01.09.1998, aaO; Beschl. vom 29.06.1998 - 9 B 604/98 - zitiert nach Juris).
Selbst wenn etwas anderes - ausnahmsweise - dann angenommen werden müsste, wenn bereits bei Erlass der Abschiebungsandrohung feststeht, dass der Ausreisepflichtige nicht in diesen Zielstaat wird (legal) ausreisen können, ergäbe sich im Ergebnis eine andere Beurteilung nicht. Denn in diesem Fall könnte das Bundesamt allein eine objektive Rechtspflicht verletzt haben, die es geboten hätte, die getroffene Zielstaatsbezeichnung zu unterlassen; eine Verletzung subjektiver Rechte des Ausländers wären nicht berührt. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass das Bundesamt bei Zweifeln über die Herkunft des Ausländers eine Abschiebungsandrohung erlassen darf, in der ein Zielstaat nicht konkret bezeichnet ist. § 50 Abs. 2 AuslG sieht die Bezeichnung des Zielstaates der Abschiebung nur für den Regelfall vor. Zielstaat wird zumeist der Staat sein, dessen Staatsangehörigkeit der Ausländer besitzt, bei Staatenlosen der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts; es kann je nach den Umständen des Falles aber auch ein sonstiger zur Aufnahme bereiter oder verpflichteter Drittstaat sein. Ist indes die Staatsangehörigkeit des Ausländers nicht abschließend geklärt und - wie wohl regelmäßig - auch ein aufnahmebereiter anderer Staat nicht erkennbar, so liegen besondere Umstände vor, die ein Absehen von der Zielstaatsbezeichnung rechtfertigen. Insbesondere im Asylverfahren ist das Bundesamt als androhende Behörde in derartigen Fällen auch nicht verpflichtet, vor Erlass der Abschiebungsandrohung lediglich zur Ermittlung eines in Betracht kommenden Zielstaates weitere Aufklärung zu betreiben.
Nach § 50 Abs. 2 Satz 1 AuslG und § 55 Abs. 2 AuslG obliegt die Klärung der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat und die hierzu gegebenenfalls erforderliche Klärung der Staatsangehörigkeit des Ausländers grundsätzlich der abschiebenden Ausländerbehörde (BVerwG, Urt. vom 25.07.2000 - 9 C 42/99 - AuAS 2001, 3). Ist aber die Unterlassung der Zielstaatsbestimmung - ausnahmsweise - möglich, kann auch die Angabe eines letztlich aus rechtlichen Gründen nicht erreichbaren Zielstaates nicht dazu führen, dass Rechte des Ausländers verletzt werden. Die entsprechende Bezeichnung verschlechtert seinen Rechtsstatus nicht, da sie gegenstandslos und auch sonst nicht mit für ihn ersichtlichen negativen Folgen verbunden ist. Das erkennende Gericht schließt sich insoweit der wohl überwiegenden Ansicht (zum Meinungsstand vgl. Funke-Kaiser in: Gemeinschaftskommentar zum Ausländerrecht, Stand September 1999 § 50 Rn. 23; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Dezember 1999 § 50 AuslG Rn. 14 c) an, dass es sich bei der Sollvorschrift des § 50 Abs. 2 AuslG lediglich um eine Vorgabe für das Handlungsprogramm der Behörde im Sinne einer Ordnungsvorschrift handelt, subjektive Rechte des Betroffenen insoweit aber nicht verletzt werden können (in diesem Sinne wohl auch BVerwG, Urt. vom 25.07.2000, aaO). Mit der Regelung in § 50 Abs. 3 Satz 3 AuslG, wonach die Abschiebungsandrohung als solche selbst dann bestehen bleibt, wenn in ihr rechtswidriger Weise ein Zielstaat benannt ist, in Bezug auf den zwingende Abschiebungshindernisse bestehen, wäre es nicht vereinbar, eine subjektive Rechtsverletzung bereits dann anzunehmen, wenn nur förmlich ein bestimmter Zielstaat bezeichnet wird, obwohl es zulässig gewesen wäre, einen Zielstaat nicht zu bezeichnen.
Die Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO und § 83b Abs. 1 AsylVfG abzuweisen. Die Nebenentscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.