Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 22.09.1999, Az.: 8 A 8292/98

Gebühren für die Entsorgung von Sperrmüll ; Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
22.09.1999
Aktenzeichen
8 A 8292/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 32052
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:1999:0922.8A8292.98.0A

Fundstellen

  • GK 2000, 371-372
  • NVwZ-RR 2000, 393 (Volltext mit amtl. LS)
  • NdsVBl 2000, 153-154

Verfahrensgegenstand

Benutzungsgebühren

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 8. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 1999
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Büschen,
den Richter am Verwaltungsgericht Krause und
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Struß
sowie
die ehrenamtliche Richterin ... und
den ehrenamtlichen Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Verfahrenskosten; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem er zu Gebühren für die Anlieferung von Sperrmüll zu der Städtischen Deponie Diebesstieg herangezogen wird.

2

Am 20.8.1997 transportierte der Kläger mit einem Traktor nebst Anhänger 1,12 t Sperrmüll zu der städtischen Deponie Diebesstieg, deren Eingangsbereich im Auftrag der Beklagten von der Entsorgungszentrum Salzgitter GmbH betrieben wird. Der Sperrmüll war bei der Entrümpelung einer Wohnung entstanden. Für die Entsorgung des Sperrmülls zog die Beklagte den Kläger mit Gebührenbescheid vom 20.8.1997 zu einem Betrag von 328,16 DM heran.

3

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung führte er an, es könne nicht sein, dass er der Beklagten die Arbeit abnehme und den Sperrmüll selbst anliefere und dafür auch noch 328,16 DM zahlen müsse. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.2.1998 als unbegründet zurück. Darin wies die Beklagte auf zusätzlich vorgehaltene Leistungen hin, die der Kläger mit der direkten und selbständigen Anlieferung des Sperrmülls zur Deponie in Anspruch genommen habe und die deshalb auch berechnet werden müssten.

4

Der Kläger hat am 2.4.1998 Klage erhoben.

5

Er trägt vor, die Heranziehung zu Abfallgebühren verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er habe den Sperrmüll mit eigenen Mitteln und auf eigene Kosten zur Deponie gefahren und dort auch selbst an der zugewiesenen Stelle deponiert. Dadurch seien der Beklagten keine Kosten entstanden. Es sei zudem sinnwidrig, für das Abholen von Sperrmüll durch städtische Mitarbeiter keine Gebühren zu erheben, obwohl hierfür erhebliche Kosten anfielen. Der Entsorgungsweg Selbstanlieferung stünde gleichberechtigt neben dem Entsorgungsweg Abholen des Sperrmülls. In beiden Fällen müsse die Beklagte zudem kontrollieren, ob tatsächlich Sperrmüll vorliege.

6

Der Kläger beantragt,

den Gebührenbescheid vom 20.8.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.2.1998 aufzuheben.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie macht geltend, die unterschiedlichen, in der Abfallentsorgungsgebührensatzung festgelegten Gebühren seien entsprechend den Vorgaben des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes kalkuliert worden. Sie habe darauf verzichtet, für die Sperrmüllabfuhr eine gesonderte Gebühr zu erheben. Eine weitere Gebühr hätte einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand bedeutet. Werde Sperrmüll aus Haushaltungen ausnahmesweise zur Deponie angeliefert, müssten die durch die Gestaltung des Eingangsbereiches mit Personal und technischen Einrichtungen sowie weitere Maßnahmen entstehenden Kosten durch Gebühren gedeckt werden. Dieser Entsorgungsweg werde voraussichtlich nicht von allen Nutzern der Restabfallentsorgung gleichmäßig in Anspruch genommen. Die Organisation der Abfallentsorgung und die Erhebung von Gebühren sei von dem ihr eingeräumten Ermessen gedeckt.

9

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Klage ist unbegründet.

11

Der Gebührenbescheid der Beklagten vom 20.8.1997 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 25.2.1998 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beklagte hat den Kläger zu Recht zu Gebühren für die Entsorgung von Sperrmüll in Höhe von 328,16 DM herangezogen.

12

Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung ist §5 Niedersächsisches Kommunalabgabengesetz (NKAG) i.V.m. der Abfallentsorgungsgebührensatzung der Beklagten in der Neufassung vom 20.2.1997 (Amtsblatt für die Stadt Salzgitter vom 11.3.1997, S. 37 - AGS -). Nach §2 Abs. 6 Satz 1 AGS werden für die Benutzung der Deponie Diebesstieg Gebühren in Höhe von 5,86 DM je angefangene 20 kg erhoben.

13

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieser satzungsrechtlichen Gebührenregelung sind nicht zu erheben. Die Bestimmung verstößt - auch in Zusammenhang mit den übrigen Satzungsregelungen - nicht gegen höherrangiges Recht.

14

Nach §5 Abs. 1 NKAG erheben die Gemeinden und Landkreise als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen Benutzungsgebühren. Das Gebührenaufkommen soll die Kosten der jeweiligen Einrichtungen decken, jedoch nicht übersteigen. §1 Abs. 1 der Abfallentsorgungssatzung der Beklagten vom 30.1.1997 (Amtsblatt für die Stadt Salzgitter, S. 12 - AES -) bestimmt, dass die Beklagte die Abfallentsorgung als öffentliche Einrichtung betreibt. Zur Abfallentsorgung der Beklagten gehört die Deponie Diebesstieg einschließlich des von der Entsorgungszentrum Salzgitter GmbH betriebenen Eingangsbereiches (§1 Abs. 1 Satz 2 AES).

15

Entgegen der Auffassung des Klägers entstehen der Beklagten bzw. dem von ihr beauftragten Unternehmen Kosten für die Entgegennahme und Deponierung des aus Haushaltungen selbst angelieferten Sperrmülls. So müssen beispielsweise Einrichtungen und Personal für das Wiegen der Fahrzeuge und die Erstellung der Abrechnungen vorgehalten werden. Abgesehen davon verursacht selbstverständlich das Ablagern von Abfall auf der Deponie Kosten. Die Beklagte ist daher berechtigt, als Gegenleistung für die Inanspruchnahme der Deponie Benutzungsgebühren zu erheben.

16

Der Gesetzgeber räumt den Kommunen durch das NKAG einen Gestaltungsspielraum nicht nur bei der Organisation der Abfallentsorgung, sondern auch bei der Erhebung von Benutzungsgebühren ein. Der gesetzgeberische Wille findet Ausdruck in §5 Abs. 1 Satz 3 NKAG, wonach Gemeinden und Landkreise niedrigere als kostendeckende Gebühren erheben oder von Gebühren absehen können, soweit daran ein öffentliches Interesse besteht. Vorliegend handelt die Beklagte als Satzungsgeber ermessensgerecht, wenn für die Anlieferung zur Deponie Diebesstieg gestaffelte Benutzungsgebühren nach §2 Abs. 6 und 7 AGS erhoben werden.

17

§2 Abs. 6 Satz 1 AGS verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG.

18

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt nur vor, wenn wesentlich gleiches ohne sachlichen Grund ungleich behandelt wird. Hier ist schon zweifelhaft, ob die Anlieferung und die Abholung von Sperrmüll wesentlich gleich sind. Selbst wenn man dieses annimmt, da es sich um zwei Entsorgungswege der selben Abfallart handelt, so liegt jedenfalls ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung vor. Diese liegt nicht darin, dass für die Abholung von Sperrmüll keine Gebühr erhoben wird. Die hierfür entstehenden Kosten werden bei der Kalkulation der Gebühren für die Restabfallentsorgung berücksichtigt (§4 Abs. 4 AGS). Vielmehr hat derjenige, der sich freiwillig für die Anlieferung von Sperrmüll entscheidet, eine gesondert erhobene Gebühr zu entrichten.

19

Die Differenzierung zwischen Abholung und Anlieferung ist sachlich zum Einen dadurch zu rechtfertigen, dass die Beklagte mit der Möglichkeit, Sperrmüll zur Deponie Diebesstieg anzuliefern, ein zusätzliches Angebot der Abfallentsorgung geschaffen hat. Es ist nicht zu beanstanden, dass derjenige, der den erweiterten Service in Anspruch nimmt, hierfür auch zusätzlich zu zahlen hat. Auf längerer Sicht ist zudem anzunehmen, dass jeder Haushalt einmal die Sperrmüllabfuhr von zu Hause in Anspruch nimmt (vgl. Dahmen in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, §6 Rn. 338). Deshalb ist die Einbeziehung der Kosten für die Sperrmüllabfuhr in die Kalkulation der Gebühren für die Entleerung der Restabfallbehälter auch regelmäßig rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. hierzu Nds. OVG, Urt. v. 29.3.1995 - 9 L 4417/94 -, VGH Hessen, Beschl. v. 19.3.1987 - 5 N 2/83 -, KStZ 1987, 190). Nicht alle Gebührenpflichtigen werden jedoch regelmäßig Sperrmüll anliefern. Insbesondere ältere Menschen haben häufig kein Fahrzeug zur Verfügung. Überdies ist auf §2 Abs. 7 Nr. 2 Satz 3 AGS zu verweisen, wonach die Anlieferung von Sperrmüll bis 0,5 qm gebührenfrei ist. Für das Bringen von Kleinstmengen an Sperrmüll hat die Beklagte mithin einen Ausnahmetatbestand geschaffen. Der Gebührenpflichtige, der auf diese Weise keine nennenswerten zusätzlichen Kosten verursacht, nimmt die Leistungen der Beklagten somit kostenlos in Anspruch. Es ist nachvollziehbar, dass die höheren Kosten für größere Mengen entsprechend der durch die Beklagte erbrachten Leistung durch Gebühren ausgeglichen werden müssen. Die Gebührenerhebung für die Anlieferung ist sachlich auch dadurch zu rechtfertigen, dass sich der Anlieferer des Sperrmülls sofort entledigen kann, während ansonsten bis zur Abholung auf schriftlichen Antrag gemäß §19 Abs. 2 AES einige Zeit vergehen wird. Auch darf das Bestreben berücksichtigt werden, einen weiteren Verwaltungsaufwand durch eine Gebührenerhebung für Sperrmüll bei der Abholung zu vermeiden. Der darin zum Ausdruck kommende Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität ist ein anerkannter Grundsatz des Gebührenrechts.

20

Nach alledem steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass sich die Beklagte bei der Organisation der Sperrmüllentsorgung von sachlichen Gesichtspunkten hat leiten lassen und deshalb weder gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen die Grundsätze des Niedersächsischen Kommunalabgabenrechtes verstoßen hat. Aus diesem Grunde verstoßen die Satzungsbestimmungen auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundstz als Teil des Rechtsstaatsprinzips i.S.d. Art. 20 Abs. 3 GG.

21

Danach kann die Anwendung der Gebührenregelung durch den angefochtenen Bescheid keinen Verstoß gegen höherrangiges Recht begründen.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf §154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §167 VwGO i.V.m. §708 Nr. 11 ZPO.