Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 07.06.1999, Az.: 5 A 88/99
Rechtmäßigkeit einer Ausweisungsverfügung mit gleichzeitiger Abschiebungsandrohung; Zulässigkeit einer Ausweisung trotz Bestehens eines besonderen Ausweisungsschutzes; Wiederholte Begehung von Straftaten als schwerwiegender Grund der öffentlichen Sicherheit und Ordnung; Verurteilung wegen einer aus verschiedenen Straftaten gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe als hinreichender Ausweisungstatbestand; Voraussetzungen für die Annahme eines der Ausweisung entgegenstehenden Ausnahmegrundes; Berücksichtigungsfähigkeit der Absicht der Durchführung einer Drogentherapie; Eingeschränkte Behandlungsmöglichkeit im Heimatland als hinreichendes Abschiebungshindernis
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 07.06.1999
- Aktenzeichen
- 5 A 88/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 31617
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:1999:0607.5A88.99.0A
Rechtsgrundlagen
- § 42 Abs. 2 S. 2 AuslG
- § 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG
- § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG
- § 47 Abs. 3 S. 1 AuslG
- § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AuslG
- § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG
- § 56 Abs. 2 StGB
Fundstellen
- NVwZ 1999, 109-112
- NVwZ (Beilage) 1999, 109-112 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Ausweisung und Abschiebungsandrohung
In der Verwaltungsrechtssache
... ...
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 5. Kammer -
am 07. Juni 1999
beschlossen:
Tenor:
Die Anträge auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz sowie von Prozesskostenhilfe für das Eil- und das Klageverfahren werden abgelehnt.
In den Prozesskostenhilfeverfahren entstandene außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Eilverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Eilverfahren auf 8000,-- DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der am 1971 in S. geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger und reiste am 24. Juli 1987 erstmals in die Bundesrepublik ein. Am 15. Dezember 1987 erhielt er eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, da sein Vater seit längerer Zeit in Deutschland lebte und ebenfalls eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besaß.
Im Bundesgebiet machte sich der Antragsteller diverser Straftaten schuldig:
1.
Durch Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Salzgitter vom 05. Februar 1992 - 1222-0 11 Ls 604 Js 30304/91 - wurde der Antragsteller wegen seiner Beteiligung an einem Diebstahl im Jahre 1991 mit einer jugendrichterlichen Maßnahme belegt.
2.
Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 21. Januar 1994 - 10 Cs 204 Js 59949/93 - wurde der Antragsteller wegen Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung sowie wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (Tatzeit: jeweils 06. Januar 1993) mit einer Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 20,-- DM belegt (vgl. Bl. 20 und 21 Beiakte A).
3.
Durch Urteil des Amtsgerichts - Jugendrichter - Wolfenbüttel vom 14. November 1994 - 1220-3 11 Ds 803 Js 4414/94 - wurde der Antragsteller wegen Beihilfe zum unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln (Tatzeit: 26. Januar 1994) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,-- DM verurteilt (vgl. Bl. 28 bis 30 Beiakte A).
4.
Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Salzgitter vom 19. Februar 1997 - 8 Cs 902 Js 3029/97 - wurde der Antragsteller wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Versicherungsschutz (Datum der letzten Tat: 08. Januar 1997) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20,-- DM belegt.
5.
Durch Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 04. Dezember 1997 - 37 Ns 804 Js 23180/97 - in Verbindung mit dem Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter - Salzgitter vom 14. August 1997 - 8 Ds 804 Js 2318/97 - sowie unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts - Schöffengerichts - Kleve vom 25. Juli 1997 - 13 Ls 5 Js 968/96 (277/96) - wurde der Antragsteller wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 30 Fällen (Tatzeiten: Sommer 1996 - sieben Fälle - sowie Herbst 1996 bis etwa Ende März 1997 - 23 Fälle -) sowie wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung (Tatzeit: 13. Februar 1997) und ferner wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - einbezogene Verurteilung - (Tatzeit: 31. Juli 1996) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Der Gesamtstrafenbildung lagen dabei folgende Einzelstrafen zugrunde: 30 mal ein Monat Freiheitsstrafe (§ 47 Abs. 1 StGB) - für jeden der 30 Fälle des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln ein Monat -, sechs Monate für die Widerstandshandlung in Tateinheit mit Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung sowie schließlich ein Jahr und drei Monate für die ehedem vom Amtsgericht Kleve abgeurteilte unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Hinsichtlich der Gesamtstrafenbildung führte das Landgericht Braunschweig in seinem Urteil folgendes aus:
"Eine Gesamtfreiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren kam unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände nicht in Betracht. Dabei konnte insbesondere die gezeigte erhebliche kriminelle Energie sowie der Umstand nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich der Angeklagte sogar nach Erhebung der Anklage zum Schöffengericht Kleve (14.11.1996) nicht davon hat abhalten lassen, den Großteil der dem Amtsgericht Salzgitter zugrunde liegenden Taten zu begehen.
Nach alldem erschien zur Einwirkung auf den Angeklagten die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten als unerlässlich, aber auch ausreichend.
Auch unabhängig vom verhängten Gesamtstrafmaß wäre eine Strafaussetzung zur Bewährung unter keinem Aspekt möglich gewesen. Das angefochtene sowie das einbezogene Urteil enthalten jeweils keine Feststellungen zu § 56 Abs. 2 StGB. Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung vor der Kammer ist die Sozialprognose des Angeklagten zur Zeit denkbar schlecht. Obwohl er sämtliche, den Einzelstrafen zugrunde liegenden Taten aufgrund von Betäubungsmittelabhängigkeit (regelmäßiges Rauchen von Heroin) begangen hat, fehlt ihm derzeit das erforderliche Suchtbewußtsein, um einen erfolgreichen Neuanfang zu machen. Er ist in seiner Persönlichkeit instabil und hat in der Hauptverhandlung die Neigung gezeigt, selbst rechtskräftig festgestellte Umstände nachträglich zu verharmlosen, die eigene Schuld herunterzuspielen und die Verantwortung bei anderen zu suchen. Er ist darüber hinaus ausdrücklich nicht bereit, eine Drogentherapie anzutreten. Er verfügt weder über eine abgeschlossene Berufsausbildung noch über eine Beschäftigung. Sein diffuses Vorbringen in der Hauptverhandlung, er wolle demnächst in Salzgitter mit einem 'Kumpel', von dem der Angeklagte noch nicht einmal den Nachnamen weiß, eine Kneipe betreiben, kann kaum als ernsthafter und verantwortbarer Versuch angesehen werden, sich eine wirtschaftliche Lebensgrundlage zu schaffen."
Nach den Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Salzgitter vom 14. August 1997 war der Antragsteller seit etwa 3 Jahren heroinabhängig, hatte regelmäßig geraucht, schließlich etwa einmal in der Woche, zeitweise auch in größeren Abständen. Er behauptete gegenüber jenem Gericht nunmehr "clean" zu sein. Wegen weiterer Einzelheiten der der Gesamtstrafenbildung des Landgerichts Braunschweig zugrun de liegenden Verurteilungen wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Kopien der Urteile verwiesen, die sich beim Verwaltungsvorgang des Antragsgeg ners befinden.
Nach vorangegangener Anhörung wies der Antragsgegner den Antragsteller mit Bescheid vom 05. August 1998 aus der Bundesrepublik Deutschland aus, verfügte die sofortige Vollziehung der Ausweisung und kündigte die Abschiebung für den Tag der Haftentlassung an. Zur Begründung führte er u.a. aus, die letzte Verurteilung des Antragstellers erfülle für sich genommen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG. Da der Antragsteller nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 AuslG erhöhten Ausweisungsschutz genieße, habe seine Ausweisung jedoch lediglich in der Regel zu erfolgen. Ein Ausnahmefall sei allerdings vorliegend nicht zu erkennen. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung des Bescheides wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf diesen selbst verwiesen (Bl. 12 bis 15 der Gerichtsakte).
Am 13. August 1998 erhob der Antragsteller Widerspruch. In seiner Widerspruchsbegründung rügte er u.a., es liege kein Fall des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG vor. Im Hinblick auf den erhöhten Ausweisungsschutz, den er genieße, sei davon auszugehen, dass die Ausweisungsentscheidung zu einer Ermessensentscheidung herabgestuft werde. Im Rahmen der Ermessenserwägungen sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass er eine Strafe erhalten habe, die dicht an der unteren Grenze des von § 47 Abs. 1 AuslG umfassten Möglichen liege. Weiterhin müsse beanstandet werden, dass Taten in die Ermessenserwägungen einbezogen worden seien, die nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht Teil der Entscheidung nach § 47 AuslG sein sollten. Zu Unrecht gehe der Antragsgegner davon aus, dass für den Fall seiner Haftentlassung die Gefahr neuer Straftaten bestehe. Nach der Entlassung aus der Haft beabsichtige er, zu seinen Eltern nach Salzgitter zurückzukehren. In Deutschland sei er vollständig integriert. Dagegen sei der Kontakt zu den in der Türkei lebenden Verwandten erloschen. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass durch die Ausweisungsverfügung eine erforderliche Drogentherapie blockiert werde. Im Falle der Verweigerung dieser Therapie sei sowohl von einer Erhöhung des drogenbedingten statistischen Todesfallrisikos als auch der hinreichenden Wahrscheinlichkeit erheblicher zusätzlicher körperlicher und seelischer Leiden sowie akuter und chronischer Krankheiten auszugehen. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens des Antragstellers im Verwaltungsverfahren wird auf seine Schriftsätze vom 09. und 28. Oktober 1998 (letzterer mit anliegender Therapieplatzbescheinigung) und vom 14. Januar 1999 sowie vom 03. und 12. Oktober 1998 und vom 11. Januar 1999 an die Bezirksregierung Braunschweig verwiesen.
Mit Bescheid vom 11. Januar 1999 lehnte der Antragsgegner einen Antrag des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung ab.
Durch Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 1999 wies die Bezirksregierung Braunschweig den Widerspruch des Antragstellers zurück und lehnte zudem ebenfalls eine Aussetzung der Vollziehung ab. Zur Begründung führte die Widerspruchsbehörde u.a. aus, zwar lägen die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG nicht vor, es sei jedoch der Regelausweisungstatbestand des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG erfüllt. Mit Blick auf den dem Antragsteller zustehenden besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 AuslG werde die Regelausweisung allerdings zu einer Ermessenausweisung herabgestuft. Duldungsgründe, die die Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich erscheinen ließen, lägen nicht vor. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung der Widerspruchsentscheidung wird auf diese selbst (Bl. 16 bis 27 der Gerichtsakte) verwiesen.
Nach Zustellung des Widerspruchsbescheides am 28. Januar 1999 hat der Antragsteller am 28. Februar 1999 Klage erhoben (5 A 88/99) und zugleich um die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz nachgesucht. Er hat außerdem mit Schriftsatz vom 30. März 1999 die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Eil- und das Klageverfahren begehrt.
Zur Begründung seiner Anliegen wiederholt und vertieft der Antragsteller sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren. Er hält weiter daran fest, dass in seinem Fall nicht die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG erfüllt seien, sondern lediglich der Tatbestand für eine Regelausweisung gemäß § 47 Abs. 2 AuslG vorliege, wobei jedoch aufgrund besonderen Ausweisungsschutzes nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 AuslG die Regelausweisung gemäß § 47 Abs. 3 AuslG zu einer Ermessensausweisung herabgestuft werde. Es sei grundsätzlich zu klären, ob besonderer Ausweisungsschutz gemäß Artikel 3 ENA seine Ausweisung hindere. Generalpräventiv könne er im Übrigen bereits aufgrund von Artikel 14 des Assoziationsratsbeschlusses EWG-Türkei Nr. 1/80, der für ihn als türkischen Staatsangehörigen gelte, nicht ausgewiesen werden. Nach einer im Vordringen befindlichen Ansicht im Schrifttum sei davon auszugehen, dass für in der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsene Ausländer wegen der tiefen Verwurzelung in der deutschen Kultur und wegen des Familienzusammenhalts mit den gleichfalls in Deutschland lebenden Familienangehörigen ein atypischer Fall im Sinne des § 47 Abs. 2 AuslG vorliege. Er sei therapiewillig und äußerst motiviert, insbesondere mit der Hilfe seiner ihn unterstützenden Familie die Drogentherapie erfolgreich abzuschließen und in Zukunft ein Leben ohne Straftaten zu führen. Nach Beendigung seiner Haft hoffe er, zu seinen Eltern nach Salzgitter zurückzukehren. Zur Überwindung seiner Drogensucht sei er in besonderer Weise auf die Lebenshilfe seiner in der Bundesrepublik aufhältigen Familie angewiesen. Eine Wiederholungsgefahr bezogen auf Straftaten liege zumindest dann nicht mehr vor, wenn er die Drogentherapie durchlaufen habe. Da er nicht mehr drogenabhängig sein werde, seien keine weiteren Straftaten von ihm zu erwarten. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens des Antragstellers wird auf seine Schriftsätze vom 24. März und 29. April 1999 verwiesen.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausweisungsverfügung wiederherzustellen und zugleich die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Abschiebungsandrohung anzuordnen,
sowie sinngemäß,
ihm als Kläger und Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Waldmann-Stocker aus Göttingen zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung als unbegründet zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, es könne die Anwendung des § 47 Abs. 1 AuslG nicht hindern, dass eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet worden sei und nicht festgestellt werden könne, ob bei jeder einzelnen Straftat eine Aussetzung zur Bewährung stattgefunden hätte. Zumindest für das Urteil des Amtsgerichts Salzgitter vom 14. August 1997 gelte, dass es mit der Strafaussetzung zur Bewährung nicht rechtskräftig geworden sei, sondern vom Landgericht Braunschweig in eine Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen wurde, die nicht zur Bewährung ausgesetzt worden sei. Daher sei der Tatbestand des § 47 Abs. 1 AuslG erfüllt. Diese Frage könne allerdings dahingestellt bleiben, da die Ausweisung jedenfalls auch begründet sei, wenn man gemäß § 47 Abs. 2 und Abs. 3 AuslG i.V.m. § 48 AuslG von einer Ausweisung im Ermessenswege ausgehe. Die insoweit notwendigen Ermessenserwägungen habe die Bezirksregierung Braunschweig in ihrem Widerspruchsbescheid vorgenommen, dem man sich vollinhaltlich anschließe. Das Interesse des Staates an einer Ausweisung des Antragstellers wiege schwerer als sein Interesse am Verbleib in der Bundesrepublik. Bei der Gefahrenprognose sei nicht ausschlaggebend, ob die "Gesellschaft" seine Drogenabhängigkeit bewirkt habe. Zwischenzeitlich habe die Staatsanwaltschaft Braunschweig hinsichtlich der Frage der Zurückstellung der Strafvollstreckung entschieden. Die Zurückstellung zugunsten einer Drogentherapie nach § 35 BtMG sei auch deshalb abgelehnt worden, weil der Antragsteller noch im Dezember 1997 nicht zu einer Therapie bereit gewesen sei und seine Einstellung dazu erst aufgrund der drohenden Ausweisung geändert habe. Die Staatsanwaltschaft verzichte jedoch zugunsten einer Abschiebung nach § 456a StPO ab dem 30. Juli 1999 auf die weitere Vollstreckung der Strafe. Die Abschiebung solle deshalb zum 30. Juli 1999 eingeleitet werden. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens des Antragsgegners wird auf seinen Schriftsatz vom 25. Mai 1999 samt den Anlagen (Schreiben der Vollstreckungsabteilung der Staatsanwaltschaft Braunschweig, Bl. 89 bis 92 der Gerichtsakte) verwiesen.
Wegen der übrigen Details des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners und der Bezirksregierung Braunschweig sowie auf die den Beteiligten bekannte Erkenntnismittelliste der Kammer Bezug genommen.
II.
Der zulässige Eilantrag ist unbegründet.
Unbegründet ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ausweisungsverfügung. Denn der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung der Verfügung in formell ordnungsgemäßer Weise angeordnet (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) und sie in einer eben noch den Anforderungen, die an die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs bei einer Ausweisungsverfügung zu stellen sind (vgl. dazu: Nds. OVG, Beschl. vom 23.01.1996 - 11 M 7713/95 -), genügenden Weise begründet. Im Übrigen ist die Kammer aber auch der Auffassung, dass der Antragsteller nicht mit Erfolg gegen den Sofortvollzug der Verfügung einwenden könnte, es bestehe kein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse. Denn seine Ausweisung ist offensichtlich rechtmäßig, so dass der Rechtsbehelf im Hauptsacheverfahren keine Erfolgsaussicht hat (vgl. zu diesem Gesichtspunkt: Nds. OVG, Beschl. vom 03.01.1997 - 12 M 6991/96 -).
Wegen der eindeutigen Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung kommt eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage auch aus materiell-rechtlichen Gründen nicht in Betracht.
Obwohl der Antragsteller besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG genießt, ist seine Ausweisung offensichtlich rechtmäßig, weil sie sich auf schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung stützt, sie gemäß § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG in dem gegebenen Falle des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG in der Regel zu erfolgen hat und keine Umstände vorliegen, die eine Abweichung von dieser Regel rechtfertigen.
Der Antragsteller genießt besonderen Ausweisungsschutz gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 2 AuslG, weil er seit dem 15. Dezember 1987 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt und mit 15 Jahren noch minderjährig war, als er am 24. Juli 1987 ins Bundesgebiet einreiste.
Entgegen der Rechtsansicht auch der Bezirksregierung Braunschweig ist ein Fall des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG gegeben. Denn der Antragsteller wurde durch das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 04. Dezember 1997 in Verbindung mit dem Urteil des Amtsgerichts Salzgitter vom 14. August 1997 und unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Kleve vom 25. Juli 1997 wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Allerdings ist umstritten, ob bei einer wegen verschiedener Straftaten gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe der Ausweisungstatbestand des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG auch dann erfüllt ist, wenn die auf das Betäubungsmitteldelikt entfallende Freiheitsstrafe für sich genommen einer Bewährungsaussetzung zugänglich gewesen wäre, hierzu dem Strafurteil jedoch keine Aufschlüsse zu entnehmen sind (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, LsBl., § 47 AuslG, Rn 12a; OVG NW, Entsch. vom 31.01.1996 - 18 B 102/96 -). Im vorliegenden Falle gibt jedoch das Strafurteil des Landgerichts Braunschweig hinreichend Aufschluss darüber, dass die auf die vorsätzlichen Betäubungsmitteldelikte entfallenden Freiheitsstrafen auch für sich genommen einer Bewährungsaussetzung nicht zugänglich gewesen wären. Denn das Landgericht hat ausdrücklich ausgeführt, dass auch unabhängig vom verhängten Gesamtstrafmaß (in das auch die Strafe wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung einfloss) eine Strafaussetzung zur Bewährung unter keinem Aspekt möglich gewesen wäre. Es hat insoweit und im Hinblick auf § 56 Abs. 2 StGBüberzeugend mit der schlechten Sozialprognose des Antragstellers argumentiert, wobei gerade die mit den Betäubungsmitteldelikten in unmittelbarem Zusammenhang stehende Drogensucht des Antragstellers eine entscheidende Rolle spielte. Vergegenwärtigt man sich, dass mit Blick auf die dem Urteil des Amtsgerichts Kleve zu entnehmende Einsatzstrafe bei einer Gesamtstrafenbildung auch ohne Berücksichtigung der Einzelstrafe von 6 Monaten ohnehin allenfalls § 56 Abs. 2 StGB - und nicht § 56 Abs. 1 StGB - zur Anwendung hätte gelangen können, kann ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller wegen der Betäubungsmitteldelikte allein lediglich eine Bewährungsstrafe erhalten hätte. Die Kammer teilt auch nicht die Bedenken, die in der Literatur (Ventzke, InfAuslR 1996, 315 ff. <316>) gegen die Bejahung der Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG für den Fall erhoben werden, dass sich der Wegfall einer Strafaussetzung zur Bewährung erst aus einer nachträglichen Bildung der Gesamtstrafe ergibt. Denn Grundgedanke des § 55 StGB ist es, die durch eine getrennte Aburteilung entstandenen Vor- und Nachteile auszugleichen, so dass Taten, die bei gemeinsamer Aburteilung nach den §§ 53 und 54 StGB behandelt worden wären, auch bei getrennter Aburteilung durch Einbeziehung in das letzte Urteil noch nachträglich so zu behandeln sind, der Täter also im Ergebnis weder besser noch schlechter gestellt ist (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, Komm., 49. Aufl., § 55 Rn 1). Vor diesem Hintergrund besteht auch im ausländerrechtlichen Zusammenhang kein Anlass für die Privilegierung eines Straftäters im Hinblick auf eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung, die in einem einbezogenen Urteil erfolgte, jedoch mit der nachträglichen Bildung einer Gesamtstrafe noch vor der Ausweisungsentscheidung entfallen ist. Dieser Gedanke findet seine Bestätigung auch in der Überlegung, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers die nachträgliche Gesamtstrafenbildung einen Widerruf der im Hinblick auf die einzubeziehende Verurteilung ausgesprochenen Bewährung entbehrlich macht (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 56f, Rn 3a). Denn zu Recht wird in Literatur und Rechtsprechung überwiegend die Auffassung vertreten (vgl. Gemeinschaftskommentar zum Ausländerrecht, LsBl., § 47 AuslG, Rn 29; VG München, Beschl. vom 05. Juli 1996 - 8 S 96.1913 -, InfAuslR 1996, 314 f.), dass ein Ausweisungsgrund im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG auch dann vorliegt, wenn die Bewährung, die der Ausländer wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz erhalten hat, später widerrufen wird.
Ist ein Fall des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG gegeben, so liegen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG in der Regel auch schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für eine Ausweisung vor. Umstände, die im vorliegenden Fall ausnahmsweise eine andere Sicht der Dinge rechtfertigen, sind nicht gegeben. Eine Ausnahme vom Regelfall nach § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG setzt nach allgemeinen Grundsätzen eine Ausnahmesituation voraus, die durch einen atypischen Geschehensablauf gekennzeichnet ist, der so bedeutsam ist, dass er das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigt (vgl. Hailbronner, AuslR, a.a.O., § 48 AuslG Rn 22). Umstände, die bereits Voraussetzung für den besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG sind, liegen typischerweise vor und können daher keine Ausnahme im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG begründen. Eine Ausnahmesituation kann vielmehr nur angenommen werden, wenn angesichts der Verhältnisse des Einzelfalles die gesetzliche Annahme, es handele sich um einen schwerwiegenden Grund der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, den Ausländer einer untypischen Härte aussetzen würde, die der Gesetzgeber normalerweise nicht im Blickpunkt hat. Solche Umstände sind im Falle des Antragstellers nicht gegeben. Sie lassen sich insbesondere nicht daraus herleiten, dass der Antragsteller drogenabhängig ist und ihm durch die Ausweisung die Möglichkeit genommen wird, hier in Deutschland eine Drogentherapie zu beginnen. Vielmehr handelt es sich insoweit um eine Konstellation, die für Ausländer, die Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz begehen, nicht untypisch ist. Ausweislich der §§ 29 Abs. 5, 31a Abs. 1 und 37 BtMG bestehen nach dem Betäubungsmittelgesetz diverse Möglichkeiten, die es erlauben, bei geeigneten Personen von vorneherein von einer Strafverfolgung bzw. Verurteilung abzusehen, so dass es nicht zu einer strafgerichtlichen Entscheidung kommt, die einen Ausweisungsgrund gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG darstellen könnte. Vor diesem Hintergrund muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG i.V.m. § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG für die Personen, die letztlich doch eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung erhalten, auch wenn sie betäubungsmittelabhängig sind, die mit der Ausweisung verbundenen Härten als typisch billigend in Kauf genommen hat. Ein Ausländer, der wie der Antragsteller nicht beizeiten die erforderliche Einsicht in seine Suchtproblematik zeigt, sondern noch nachdem er bereits wegen einer einschlägigen Straftat angeklagt worden ist, weitere ähnliche Delikte begeht und zudem in der letzten Hauptverhandlung ausdrücklich eine Drogentherapie verweigert, muss mit seiner Ausweisung ohne Wenn und Aber rechnen. Eine erst nach der Ankündigung der Ausweisung erklärte Therapiebereitschaft stellt keinen Umstand dar, der für ihn eine untypischer Härte begründen könnte.
Nach alldem liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vor, die die Ausweisung des Antragstellers tragen.
Zwar wird der Antragsteller im Hinblick auf den besonderen Ausweisungsschutz, den er genießt, durch § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG noch einmal dahingehend privilegiert, dass nicht nur die Ausweisung schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung voraussetzt, sondern sie zudem als Rechtsfolge nicht zwingend ist, sondern lediglich die Regel. Dieses Privileg vermag jedoch dem Antragsteller ebenfalls nicht zu helfen, da eine Ausnahme vom Regelfall nicht vorliegt. Diese setzt nämlich eine erhebliche Abweichung des zugrunde liegenden Sachverhalts von der vom Gesetzgeber vorausgesetzten Normallage voraus, woran es hier fehlt. Dem Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet seit seiner Einreise als Minderjähriger wird nämlich bereits durch § 48 Abs. 1 Nr. 2 AuslG und die Herabstufung zur Regelausweisung hinreichend Rechnung getragen. Er vermag nicht noch zusätzlich die Annahme eines Ausnahmefalls zu begründen. Als Erwachsener kann sich der Antragsteller auch nicht auf den Wunsch eines Zusammenlebens mit seinen Eltern erfolgreich berufen. Es bleibt wiederum lediglich seine Absicht, nunmehr eine Drogentherapie durchzuführen. Im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Bad.-Würt. (Beschl. vom 11.02.1997 - 11 S 3271/96 -) ist die Kammer jedoch der Auffassung, dass dem Umstand, dass sich ein Antragsteller einer stationären Drogentherapie unterzieht oder unterziehen will, im Zusammenhang mit einer Regelausweisung keine rechtserhebliche Bedeutung zukommt. Im Unterschied zu den Fällen der Ermessensausweisung nach § 46 Nr. 4 AuslG ist vielmehr eine erforderliche, der Rehabilitation dienende Behandlung bei einer Betäubungsmittelabhängigkeit nach der Gesetzeslage in den Fällen der Ist- oder Regelausweisung wegen besonderer Gefährlichkeit (§ 47 AuslG) nicht maßgeblich zu berücksichtigen. Aus ihr ergibt sich keine besondere Lage, die zur Annahme einer atypischen Ausnahmesituation und damit zu einem Abweichen von der Regelrechtsfolge der Ausweisung führen müsste.
Die eingeschränkte Behandlungsmöglichkeit in der Türkei bedingt ebenfalls nicht eine Ausnahmesituation, weil sie - wie noch darzulegen sein wird - kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG darstellt.
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass auch Art. 3 Abs. 3 des Europäischen Niederlassungsabkommens (ENA) der Ausweisung des Antragstellers nicht entgegensteht, da die dort genannten "besonders schwerwiegenden Gründe" vorliegen, wenn schwerwiegende Gründe i.S.d. § 48 Abs. 1 AuslG gegeben sind (vgl. Hailbronner, AuslR, a.a.O., § 48 AuslG, Rn 23). Dass die letztgenannten schwerwiegenden Gründe vorliegen, wurde jedoch bereits im Einzelnen dargelegt.
Ob nach Art. 14 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation eine rein generalpräventive Ausweisung unzulässig wäre, ist für den vorliegenden Fall schon deshalb ohne Belang, weil spezialpräventive Gründe die Ausweisung des Antragstellers hinreichend rechtfertigen.
Da nach alldem keine Umstände ersichtlich sind, die ein Abweichen vom Gebot der regelmäßigen Ausweisung rechtfertigen könnten, steht der Behörde ein Ermessensspielraum nicht zu (vgl. Hailbronner, AuslR, a.a.O., § 47 AuslG, Rn 17). Die Ausweisung des Antragstellers hatte rechtlich zwingend zu erfolgen, so dass es schon von daher keine Rolle spielt, dass die angefochtene Ausweisungsverfügung in der maßgeblichen Fassung der Widerspruchsentscheidung zu Unrecht von einer Ermessensausweisung ausgeht.
Der gemäß den §§ 3 Abs. 1 Satz 3, 64 Abs. 4 Satz 2 NGefAG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO statthafte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung ist ebenfalls unbegründet. Denn auch insoweit hat die Klage keine Erfolgsaussicht, weil der Bescheid des Antragsgegners i.d.F. des Widerspruchsbescheides offensichtlich rechtmäßig ist.
Mit der Ausweisung ist nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG die unbefristete Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers erloschen. Seine Ausreisepflicht ist gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 AuslG vollziehbar, da der Sofortvollzug der Ausweisung angeordnet wurde.
Bedenkenfrei ist es auch, dass der Antragsgegner dem Antragsteller die Abschiebung in die Türkei angedroht hat. Zwar ist mit dem Bundesverwaltungsgericht (Urt. vom 19.11.1996 - 1 C 6/95 -, BVerwGE 102, 249-269) davon auszugehen, dass eine von der Ausländerbehörde erlassene Abschiebungsandrohung auch insoweit der Aufhebung unterliegt, als in ihr trotz eines zwingenden Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG die Abschiebung in denjenigen Staat angedroht wird, mit Blick auf den das Abschiebungshindernis besteht. Nach den vorliegenden Erkenntnissen muss jedoch davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller keinen Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG beanspruchen kann. Denn es kann nicht angenommen werden, dass für ihn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in der Türkei eine erhebliche Gefahr für Leib oder Leben besteht. Mit dem Bundesverwaltungsgericht (Urt. vom 25.11.1997 - 9 c 58.96 -) geht das erkennende Gericht allerdings davon aus, dass die Verschlimmerung einer Krankheit, an der ein Ausländer leidet, die Voraussetzungen einer erheblichen konkreten Leibesgefahr im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erfüllen kann. Voraussetzung ist jedoch, dass die zu befürchtende Verschlimmerung wesentlich wäre und mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in näherer Zukunft als Folge einer unzureichenden Behandlung im Zielstaat der Abschiebung einträte. Das ist zur Überzeugung des Gerichts jedoch mit Blick auf den Antragsteller nicht der Fall.
Es ist davon auszugehen, dass jedenfalls in den Metropolen der Westtürkei eine gute Medizin nach westlichem Standart angeboten wird (Dr. P. vom 08.07.1998 an das VG Braunschweig). Das Gesundheitssystem in der Türkei ist jedoch nur für Staatsbeamte und Arbeiter kostenfrei. Freiberufliche und Arbeitslose sind nicht krankenversichert und müssen, falls sie nicht privat versichert sind, für alle Behandlungskosten selbst aufkommen. Der Antragsteller ist in der Türkei nicht berufstätig gewesen und auch kein Staatsbeamter. Dass eine private Krankenversicherung für ihn bestünde, ist nicht ersichtlich. Er müßte daher grundsätzlich für alle Behandlungskosten selbst aufkommen. Ob er die erforderlichen Mittel von Verwandten erhalten könnte, ist zumindest fraglich. Zweifelhaft ist auch, ob er die gebotene Drogentherapie mit einer sog. "Yesil-Kart" erhalten könnte. Dieses Dokument ist nämlich nur für eine stationäre Behandlung und diagnostische Untersuchungen gültig und kann nicht zur ambulanten Behandlung gebraucht werden (AA , Auskunft vom 25.11.1998 an das VG Braunschweig; Stellungnahme Prof. Dr. Farabi Doras vom 17.08.1998 gegenüber dem VG Braunschweig). Heroinabhängigkeit wird jedoch regelmäßig durch Entzug im Wege der Dosisreduktion und langfristige psychische und soziale Betreuung therapiert (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 256. Aufl. 1990, S. 674). Ob eine Drogentherapie ohne ambulante Nachbehandlung erfolgen kann, mag dahinstehen. Denn auf all dies kommt es letztlich nicht an. Der Antragsteller ist zwar nach eigenem Bekunden heroinabhängig, und zwar in der Weise, dass er die Droge raucht. Bei bestehender Heronabhängigkeit führt Abstinenz zu einem Entzugssyndrom mit Schwindel, Durchfall, Erbrechen, Schweißausbrüchen, Blutdruckanstieg, Schlaflosigkeit und Schmerzen, das ca. 36 bis 72 Stunden nach der letzten Verabreichung der Droge seinen Höhepunkt erreicht und etwa fünf bis acht Tage anhalten kann (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 256. Aufl. 1990, Seite 674). Sollte der Antragsteller in die Türkei zurückkehren und dort weder eine Drogentherapie erhalten, noch den Drogenkonsum fortsetzen, so wäre die Zeit des "kalten Entzugs" lediglich von begrenzter Dauer. Die in dieser Zeit zu erduldenden Unbill stellen keine so erhebliche Gefahr für seine Gesundheit dar, dass sie den Tatbestand des § 53 Abs. 6 Satz 1 erfüllen würden. Die Voraussetzungen der Norm sind aber auch dann nicht erfüllt, wenn man annimmt, der Antragsteller werde in der Türkei, wo Drogen leichter zu erhalten sind als in Deutschland, den Heroinkonsum fortsetzen. Zwar steht außer Frage, dass dies langfristig zu einer Verschlechterung seines Gesundheitszustands und letztlich zum Tode führen würde. Im Rahmen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG ist jedoch nicht ausreichend, dass der Ausländer bei nicht optimaler Behandlung irgendwann einmal in fernerer Zukunft mit einer erheblichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes rechnen muss. Vielmehr ist eine gewisse Unmittelbarkeit der Gefahr zu verlangen. Da man mit einer Drogenabhängigkeit nicht selten noch Jahre bei im Übrigen leidlicher Gesundheit leben kann, ist diese Unmittelbarkeit im Falle des Antragstellers nicht gegeben. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass, selbst wenn man die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG bejahte, die Erteilung einer Duldung im Ermessen der Behörde stünde. Viel spricht dafür, dass in Anbetracht der gesetzgeberischen Wertung, die in § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG zum Ausdruck kommt, die Ausländerbehörde keinesfalls ohne weiteres stets zu Gunsten eines drogenabhängigen Straftäters von diesem Ermessen Gebrauch machen könnte. Zur berücksichtigen ist schließlich auch, dass eine Drogentherapie im Bundesgebiet keineswegs stets erfolgreich ist. Dass sich derjenige, der gezwungenermaßen in die Türkei zurückkehrt, letztlich dauerhaft gesundheitlich erheblich schlechter steht, als wenn er in Deutschland bliebe, ist folglich nicht für alle Fälle ausgemacht.
In der Gesamtschau vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass den Antragsteller eine Härte trifft, die unvertretbar wäre und die er sich nicht selbst zuzuschreiben hätte. Nach alldem bleibt der Eilantrag insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO erfolglos.
Den Anträgen auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Eil- und das Klageverfahren kann nicht entsprochen werden, da es der Rechtsverfolgung des Antragstellers sowohl mit Blick auf das Begehren nach vorläufigem Rechtsschutz als auch hinsichtlich der Klage aus den soeben dargelegten Gründen an der gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erforderlichen, hinreichenden Erfolgsaussicht mangelt. Der Ausspruch zu dem im Zusammenhang mit den Prozesskostenhilfegesuchen entstandenen außergerichtlichen Kosten beruht auf § 166 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG und entspricht der ständigen Rechtsprechung des 11. Senats des Nds. Oberverwaltungsgerichts.
von Krosigk
Tscherning