Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 06.10.1999, Az.: 6 B 239/99

Entziehung einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung mit Taxi und Mietwagen wegen des Erreichens von 18 Punkten im Verkehrszentralregister; Zuwiderhandlungen gegen die Verkehrsvorschriften wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit; Missachtung eines Verbotsschildes; Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges mit fehlerhafter Bremsanlage; Nichtbeachtung des Rotlichtes an einer Lichtzeichenanlage; Zweifel einer medizinisch-psychologischen Untersuchung bei einer amtlich anerkannten Untersuchungsstelle

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
06.10.1999
Aktenzeichen
6 B 239/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 31513
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:1999:1006.6B239.99.0A

Fundstellen

  • DAR 2000, 91-93 (Volltext mit red. LS)
  • NZV 2000, 101-103
  • NdsVBl 2000, 196-197

Verfahrensgegenstand

Entziehung der Fahrerlaubnis
Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

...
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 6. Kammer -
am 06. Oktober 1999
beschlossen:

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung des vom Antragsteller gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 9. September 1999 erhobenen Widerspruchs wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.000,-- DM festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der am 16. Juni 1967 geborene Antragsteller erhielt im August 1985 eine Fahrerlaubnis der Klasse 3, die im April 1991 auf die Klasse 2 erweitert wurde. Außerdem hatte der Antragsteller im Jahre 1988 eine Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung für Taxi und Mietwagen erhalten, die im August 1991 mit einer Gültigkeitsdauer bis zum 13. August 1994 auf das Führen von Krankenwagen erweitert worden war. Nach Ablauf der Fahrgastbeförderungserlaubnis erhielt der Antragsteller auf seinen Antrag vom 19. Januar 1995 im Juli 1996 erneut eine Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung mit Taxi und Mietwagen, deren Geltungsdauer bis zum 16. Juli 1999 befristet wurde. Auf einen vom Antragsteller im April 1999 gestellten Antrag zur Verlängerung der Fahrgastbeförderungserlaubnis wurde ihm im Hinblick auf die von ihm begangenen Zuwiderhandlungen gegen die Verkehrsvorschriften und die darauf beruhenden Sanktionen die Fahrerlaubnis der Klasse 2 entzogen.

2

Der Antragsteller hatte folgende Zuwiderhandlungen gegen die Verkehrsvorschriften begangen:

  1. 1.

    Durch Bußgeldbescheid des Landkreises Goslar vom 11. März 1993 (Rechtskraft: 1. April 1993) war dem Antragsteller wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 45 km/h eine Geldbuße von 200,-- DM auferlegt worden (Tatzeit: 18. Dezember 1992/3 Punkte).

  2. 2.

    Am 1. September 1993 (Rechtskraft: 22. September 1993) erhielt der Antragsteller vom Landkreis Goslar wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 25 km/h eine Geldbuße von 120,-- DM (Tatzeit: 14. Juni 1993/1 Punkt).

  3. 3.

    Durch Urteil des Amtsgerichts Hildesheim vom 21. Oktober 1993 (Rechtskraft: 27. Oktober 1993) wurde dem Antragsteller wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 48 km/h eine Geldbuße von 220,-- DM sowie ein Fahrverbot von einem Monat auferlegt (Tatzeit: 11. Mai 1993/3 Punkte).

  4. 4.

    Durch Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums Kassel vom 11. Oktober 1994 (Rechtskraft: 30. November 1994) erhielt der Antragsteller wegen Missachtung eines Verbotsschildes eine Geldbuße von 80,-- DM (Tatzeit: 15. Juli 1994/1 Punkt).

  5. 5.

    Am 13. Dezember 1994 (Rechtskraft: 3. Januar 1995) wurde dem Antragsteller vom Landkreis Goslar wegen Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges mit fehlerhafter Bremsanlage eine Geldbuße von 300,-- DM auferlegt (Tatzeit: 3. November 1994/3 Punkte).

  6. 6.

    Am 26. April 1995 (Rechtskraft: 17. Mai 1995) erhielt der Antragsteller vom Landkreis Goslar wegen der Verursachung eines Unfalles mit Sachschaden infolge einer den Witterungsverhältnissen (Schneeglätte) nicht angepassten Geschwindigkeit eine Geldbuße von 300,-- DM (Tatzeit: 8. Februar 1995/ 3 Punkte).

  7. 7.

    Durch Bußgeldbescheid des Landkreises Goslar vom 13. Februar 1996 (Rechtskraft: 5. Juni 1996) wurde dem Antragsteller wegen Nichtbeachtung des Rotlichtes an einer Lichtzeichenanlage, wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in zwei Fällen um bis zu 15 km/h sowie wegen Überschreitens der zulässigen Tageslenkzeit für Lastkraftwagen und Unterschreitens der zusammenhängenden Tagesruhezeit eine Geldbuße von 1.590,-- DM auferlegt (Tatzeit: 22. November 1995/3 Punkte).

  8. 8.

    Am 8. Juli 1997 (Rechtskraft: 2. Februar 1998) wurde dem Antragsteller vom Technischen Polizeiamt Magdeburg wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 54 km/h eine Geldbuße von 450,--- DM sowie ein Fahrverbot von einem Monat auferlegt (Tatzeit: 27. April 1997/4 Punkte).

  9. 9.

    Durch Bußgeldbescheid des Landkreises Goslar vom 18. Juni 1998 (Rechtskraft: 9. Juli 1998) erhielt der Antragsteller wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h in mehr als zwei Fällen und wegen Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichts durch Überladung um 9,45 v.H. eine Geldbuße von 580,-- DM (Tatzeit: 27. März 1998/1 Punkt).

  10. 10.

    Am 19. Mai 1999 (Rechtskraft: 9. Juni 1999) wurde dem Antragsteller von der Stadt Hannover wegen des Nichtbeachtens eines Rotlichtes einer Lichtzeichenanlage eine Geldbuße von 200,-- DM auferlegt (Tatzeit: 7. April 1999/3 Punkte).

3

Nachdem der Antragsteller mit den unter Nr. 1 bis 5 aufgeführten Verkehrsverstößen einen Eintragungsstand von 11 Punkten im Verkehrszentralregister des Kraftfahrt-Bundesamtes in Flensburg erreicht hatte, wurde er unter dem 7. Februar 1995 von dem Antragsgegner verwarnt und auf die Möglichkeit einer Überprüfung der Fahreignung für den Fall weiterer Verfehlungen hingewiesen. Ihm wurde außerdem die Möglichkeit aufgezeigt, durch eine erfolgreiche Teilnahme an einem Aufbauseminar für Kraftfahrer (ASK) den Punktestand um 4 Punkte zu verringern, sofern der Gesamteintragungsstand weniger als 13 Punkte betrage.

4

Nachdem der Antragsteller mit dem unter Nr. 6 aufgeführten weiteren Verkehrsverstoß einen Eintragungsstand von 14 Punkten erreicht hatte, wurde ihm von dem Antragsgegner am 23. Juni 1995 aufgegeben, sich einer theoretischen Fahrprüfung für die Klasse 2 zu unterziehen. Eine solche Prüfung bestand der Antragsteller am 29. September 1995.

5

Als dem Antragsgegner bekannt geworden war, dass der Antragsteller am 9. November 1995 durch das Amtsgericht Goslar wegen Betruges in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden war, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, gab die Behörde dem Antragsteller auf, sich zur Klärung der an seiner Fahreignung entstandenen Zweifel einer medizinisch-psychologischen Untersuchung bei einer amtlich anerkannten Untersuchungsstelle zu unterziehen. Der Antragsteller hatte als Inhaber eines Transport- und Baustoffhandels in Kenntnis der ihm fehlenden finanziellen Mittel Autoreifen und -teile bestellt sowie auf Kredit seine Fahrzeuge betankt und auf diese Weise einen Schaden von 17.000,-- DM verursacht. In dem Gutachten des TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt vom 29. April 1996 kamen die Sachverständigen aufgrund einer Untersuchung vom 25. April 1996 zu dem Ergebnis, dass weitere verkehrsrechtliche Verstöße des Antragstellers voraussichtlich nicht zu erwarten seien, der Untersuchte allerdings eindringlich zu verwarnen und auf die bei erneuten Verfehlungen folgenden Konsequenzen hinzuweisen sei. Mit Verfügung vom 6. Mai 1996 erteilte daraufhin der Antragsgegner dem Antragsteller eine eindringliche Verwarnung und gab ihm zur Kenntnis, dass im Hinblick auf das Untersuchungsergebnis von einer Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen werde. Eine weitere eindringliche Ermahnung unter Hinweis auf die Möglichkeit einer erneuten Überprüfung der Fahreignung erhielt der Antragsteller unter dem 29. April 1998 von dem Antragsgegner, nachdem er mit den Verkehrsverstößen zu Nr. 7 und 8 einen Eintragungsstand von 21 Punkten im Verkehrszentralregister erreicht hatte.

6

Nachdem die unter Nr. 1 bis 3 aufgeführten Verkehrsverfehlungen des Antragstellers im Verkehrszentralregister getilgt worden waren, gab das Kraftfahrt-Bundesamt dem Antragsgegner im Februar und Mai 1999 davon Kenntnis, dass der Antragsteller mit den Verkehrsverfehlungen zu den Nr. 4 bis 9 einen Eintragungsstand von 15 Punkten erreicht habe. Im Anschluss an den Verkehrsverstoß zu Nr. 10 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt dem Antragsgegner im Juli 1999 mit, dass sich der Eintragungsstand nunmehr auf 19 Punkte belaufe.

7

Mit Verfügung vom 9. September 1999 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klasse 2, nachdem ihm zuvor Gelegenheit gegeben worden war, zu dieser Maßnahme Stellung zu nehmen. Hiergegen erhob der Antragsteller am 20. September 1999 Widerspruch und leitete dem Antragsgegner eine Bescheinigung über die erfolgreiche Teilnahme an einem Aufbauseminar für Kraftfahrer zu, an dem er in der Zeit vom 24. August bis zum 17. September 1999 teilgenommen hatte. Zur Begründung seines Rechtsbehelfs machte der Antragsteller geltend: Er habe nach einem Stand von 14 Punkten im Verkehrszentralregister sowohl eine theoretische Fahrprüfung bestanden als auch ein medizinisch-psychologisches Gutachten beigebracht, das seine Fahreignung bestätigt habe. Infolgedessen hätten ihm zwei Punkte von der Gesamtpunktzahl abgezogen werden müssen. Er habe zum Nachweis seiner Fahreignung außerdem an einem Aufbauseminar für Kraftfahrer teilgenommen. Als Berufskraftfahrer sei er auf die Fahrerlaubnis angewiesen.

8

Am 20. September 1999 hat der Antragsteller außerdem beim Verwaltungsgericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.

9

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Fahrerlaubnisentziehungsverfügung des Antragsgegners vom 9. September 1999 anzuordnen.

10

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

11

Er entgegnet:

12

Nach dem Erreichen einer Punktzahl von mehr als 18 habe dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen werden müssen. Ein Abzug vom Punktestand wegen der Teilnahme an einem Nachschulungskurs bzw. an einer theoretischen Fahrprüfung sei weder nach den seinerzeit geltenden Vorschriften noch nach den derzeit geltenden Bestimmungen möglich gewesen. Das Interesse des Antragstellers, wegen seiner Berufstätigkeit die Fahrerlaubnis weiter nutzen zu dürfen, müsse hinter dem öffentlichen Interesse an der Verkehrssicherheit zurücktreten. Der Antragsteller habe sich entgegen den mehrfachen Verwarnungen und sonstigen Maßnahmen zur Überprüfung der Fahreignung weiterhin verkehrswidrig verhalten.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.

14

II.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig und begründet.

15

Nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 4 Abs. 7 Satz 2 StVG in der seit dem 1. Januar 1999 geltenden Fassung des Änderungsgesetzes vom 24. April 1998 (BGBl. I S. 747) haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde, mit der - wie hier - dem Inhaber einer Fahrerlaubnis wegen des Erreichens von 18 oder mehr Punkten im Verkehrszentralregister die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann in einem solchen Fall allerdings die aufschiebende Wirkung anordnen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO), wenn bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sachlage Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass der gegen die angefochtene Maßnahme eingelegte Rechtsbehelf mit erheblicher Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird. Dies ist hier der Fall.

16

Zum Schutz vor Gefahren, die von wiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstoßenden Fahrzeugführern und -haltern ausgehen, hat die Fahrerlaubnisbehörde die in § 4 Abs. 3 StVG genannten Maßnahmen zu ergreifen. Die genannte Regelung sieht vor, dass bei einem Eintragungsstand von 8 bis 13 Punkten im Verkehrszentralregister des Kraftfahrt-Bundesamtes die Fahrerlaubnisbehörde den Betroffenen hierüber schriftlich zu unterrichten, ihn zu verwarnen und auf die Möglichkeit der Teilnahme an einem Aufbauseminar hinzuweisen hat (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG). Ergeben sich 14, aber nicht mehr als 17 Punkte, so hat die Fahrerlaubnisbehörde die Teilnahme an einem Aufbauseminar nach § 4 Abs. 8 StVG anzuordnen und hierfür eine Frist zu setzen. Hat der Betroffene innerhalb der letzten 5 Jahre bereits an einem solchen Seminar teilgenommen, so ist er schriftlich zu verwarnen. Unabhängig hiervon hat die Fahrerlaubnisbehörde den Betroffenen schriftlich auf die Möglichkeit einer verkehrspsychologischen Beratung nach § 4 Abs. 9 StVG hinzuweisen und ihn darüber zu unterrichten, dass ihm bei Erreichen von 18 Punkten die Fahrerlaubnis entzogen wird (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG). Ergeben sich 18 oder mehr Punkte, so gilt der Betroffene als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen; die Fahrerlaubnisbehörde hat in diesem Fall die Fahrerlaubnis zu entziehen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG). Erreicht oder überschreitet der Betroffene 14 oder 18 Punkte, ohne dass die Fahrerlaubnisbehörde die Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG ergriffen hat, wird der Fahrerlaubnisinhaber so gestellt, als ob er 9 Punkte hätte (§ 4 Abs. 5 Satz 1 StVG). Erreicht oder überschreitet der Betroffene in der Folgezeit 18 Punkte, ohne dass die Fahrerlaubnisbehörde die Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG ergriffen hat, wird der Fahrerlaubnisinhaber so gestellt, als ob er einen Eintragungsstand von 14 Punkten hätte (§ 4 Abs. 5 Satz 2 StVG). Nach Maßgabe dieser Regelungen erweist sich die angefochtene Verfügung als fehlerhaft.

17

Mit dem In-Kraft-Treten der Änderungen des Straßenverkehrsrechts zum 1. Januar 1999 war der Antragsgegner gehalten, nach diesen Bestimmungen zu verfahren, soweit die Übergangsvorschriften keine Ausnahmen vorsehen. Hinsichtlich einer Anwendung von Maßnahmen, die an wiederholte Zuwiderhandlungen gegen die Verkehrsvorschriften mit der Folge von Eintragungen von Punkten im Verkehrszentralregister anknüpfen, sieht § 65 Abs. 4 Satz 2 StVG vor, dass sich solche Maßnahmen nach dem Punktesystem des § 4 StVG richten, sofern zu den vom Kraftfahrt-Bundesamt bis zum 31. Dezember 1998 erfassten Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten weitere hinzutreten, die nach dem 1. Januar 1999 begangen worden sind. Der Antragsgegner war, nachdem die unter Nr. 1 bis 3 aufgeführten Verkehrsverstöße im Verkehrszentralregister getilgt worden waren (§ 13 a Abs. 3 Satz 2 StVZO a.F. bzw. § 29 Abs. 6 Satz 3 StVG n.F.), durch Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundsamtes vom Februar und Mai 1999 darüber informiert worden, dass der Eintragungsstand ab dem 28. Oktober 1998 nur noch 15 Punkte betrug. Die Behörde hätte dies zum Anlass nehmen müssen, dem Antragsteller gem. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG die Teilnahme an einem Aufbauseminar (§ 35 FeV) aufzugeben. Die gegenüber dem Antragsteller im Jahre 1995 angeordnete Teilnahme an einer theoretischen Fahrprüfung, die durch die erfolgreiche Teilnahme an einem Aufbauseminar für Kraftfahrer hätte ersetzt werden können, ließ diese Anordnung nicht entbehrlich werden. Die Maßnahmen nach dem Punktesystem sehen die Verpflichtung zur Wiederholung der theoretischen Fahrprüfung zum Nachweis der für die Fahreignung erforderlichen Kenntnisse nicht mehr vor. An einem Aufbaukurs hat der Antragsteller erst im August/September 1999 teilgenommen.

18

Unabhängig hiervon hätte dem Antragsteller schriftlich die Möglichkeit der Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung aufgezeigt werden müssen, mit der der Antragsteller einen Abzug von zwei Punkten von seinem Punktestand hätte erreichen können. Außerdem hätte der Antragsteller schriftlich darüber informiert werden müssen, dass bei dem Erreichen von 18 Punkten die Fahrerlaubnis ohne weiteres entzogen werden muss, weil der Betroffene in einem solchen Fall als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gilt (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 StVG). Dies ist hier nicht geschehen. Da der Antragsgegner dem Antragsteller lediglich unter dem 7. Februar 1995 eine Verwarnung i. S. von § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG erteilt hatte, ist der Antragsteller auch nach dem Erreichen von 19 Punkten (mit dem Verkehrsverstoß zu Nr. 10) so zu stellen, als ob er einen Stand von 14 Punkten hätte (§ 4 Abs. 5 Satz 2 StVG). Für einen solchen Fall sieht das Punktesystem des § 4 StVG eine Entziehung der Fahrerlaubnis jedoch nicht vor.

19

Soweit der Antragsgegner die Fahrerlaubnisentziehung außerdem auf § 3 StVG i.V.m. § 46 FeV gestützt hat, rechtfertigen die zeitlich nach der medizinisch-psychologischen Untersuchung des Jahres 1996 begangenen Verstöße nicht ohne weiteres die Annahme der fehlenden Fahreignung. Der Antragsgegner, der ausweislich eines Aktenvermerks vom 27. August 1998 noch keine Veranlassung gesehen hatte, im Anschluss an die Verfehlungen zu den Nr. 8 und 9 die Fahreignung des Antragstellers in Zweifel zu ziehen, hätte den mit dem Verkehrsverstoß zu Nr. 10 erneut entstandenen Zweifeln zunächst mit einer nach § 11 FeV vorgesehenen Untersuchung nachgehen müssen. Soweit sich dem Antragsgegner die Frage der charakterlichen Fahreignung des Antragstellers abweichend von den Maßgaben des Punktesystems gestellt haben sollte (§ 4 Abs. 1 Satz 2 StVG), hätte er diese Beurteilung schon im Hinblick auf das Ergebnis der medizinisch-psychologischen Untersuchung vom April 1996 (Erfordernis einer erneuten medizinisch-psychologischen Untersuchung bei wiederholten oder weiteren erheblichen Verkehrsverstößen) nicht ohne weiteres selbst vornehmen dürfen. Die angefochtene Entziehungsverfügung wird deshalb, soweit bis zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung nicht weitere die Fahreignung des Antragstellers ausschließende Umstände hinzutreten, voraussichtlich aufzuheben sein.

20

Dem Antrag ist infolgedessen mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zu entsprechen.

21

Im Hinblick auf die gesetzliche Regelung des § 80 b VwGO bedarf es keiner Entscheidung zu der Dauer der getroffenen Anordnung.

22

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG und beläuft sich auf die Hälfte des Wertes, der in einem Hauptsacheverfahren anzunehmen wäre (Fahrerlaubnis der Klasse 2 = 12.000,-- DM zuzüglich 4.000,-- DM für die berufliche Nutzung).