Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 02.06.2005, Az.: 3 A 2354/03
Anspruch auf Zahlung von Mietbeihilfe nach dem Unterhaltssicherungsgesetz (USG); Entsprechende Geltung der Bestimmungen des USG für anerkannte Kriegsdienstverweigerer; Abhängigkeit der Gewährung von Mietbeihilfe der Möglichkeit einer Finanzierung der Wohnung aus eigenem Einkommen; Zweck der Vorschriften des USG
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 02.06.2005
- Aktenzeichen
- 3 A 2354/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 17785
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2005:0602.3A2354.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 7a USG
- § 1 KDVG
- § 78 Abs. 1 Nr. 2 ZDG
Fundstellen
- NVwZ-RR 2006, VI Heft 3 (Kurzinformation)
- NVwZ-RR 2006, 264-265 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Durchführung des Unterhaltssicherungsgesetzes
Redaktioneller Leitsatz
§ 7a USG ist um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu ergänzen, nach dem die Gewährung der Mietbeihilfe davon abhängt, ob der Wehrpflichtige in der Lage war, die Wohnung (und seinen sonstigen Lebensunterhalt) aus eigenem Einkommen zu finanzieren. Denn zum einen bedingt der Begriff der "Sicherung", dass durch diese einschließlich der gewährten Leistungen der Wehrpflichtige nicht besser dastehen soll als vor Ableistung seines Dienstes. Zum anderen geht es um seinen Lebensbedarf, d. h., wirtschaftlich betrachtet dürfen die gewährten Leistungen allein nur ihm zugute kommen. Daher kann eine Aufrechterhaltung des Wohnraums nur dann vorliegen, wenn der Wohnraum bereits vor der Dienstzeit vom Wehrpflichtigen unterhalten worden war; das wiederum ist nur der Fall, wenn der Wehrpflichtige vor Beginn der Dienstzeit das Entgelt für die Gebrauchsüberlassung selbst aufgebracht hat.
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Stade - 3. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juni 2005
durch
den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts Schulz,
den Richter am Verwaltungsgericht Fahs,
den Richter am Verwaltungsgericht Lassalle sowie
die ehrenamtlichen Richter G. und H.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kostenforderung abzuwenden, sofern nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Zahlung weiterer Mietbeihilfe nach dem Unterhaltssicherungsgesetz.
Der im April 1983 geborene Kläger wurde zum 04.08.2003 zur Ableistung seines Zivildienstes einberufen. Unter dem 26.08.2003 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Gewährung von Mietbeihilfe. Die in Achim belegene Ein-Zimmer-Wohnung hatte der Kläger ausweislich des vorgelegten Mietvertrages vom 05.02.2002 zum 15.02.2002 angemietet; in dem Mietvertrag war neben dem Kläger sein Vater als Mieter aufgeführt. Gleichzeitig sieht der Mietvertrag vor, dass lediglich 1 Person die Wohnung beziehen wird. Einschließlich der Vorauszahlung auf die Stromkosten beträgt der Mietzins monatlich 333,- Euro.
In dem Antrag stellt der Kläger dar, dass er seit Juli 2002 als selbstständiger EDV-Berater tätig sei; im Zeitraum August 2002 - September 2003 sei er Schüler gewesen. In dieser Zeit habe er seinen Lebensunterhalt durch Einnahmen aus der EDV-Tätigkeit und durch Unterhaltsleistungen durch seine Eltern bestritten.
Im Rahmen des folgenden Schriftverkehrs zwischen den Beteiligten legte der Kläger eine Gewinn- und Verlustrechnung für seine selbstständige Tätigkeit vor; danach hatte er im Zeitraum Juli 2002 - Juli 2003 einen Gewinn von ca. 1.600,- Euro erzielt.
Seinen Werdegang erläuterte der Kläger mit Schreiben vom 26.08.2003 wie folgt: Ab September 1999 habe er eine Ausbildung zum Systemelektroniker bei Siemens absolviert und sich am Ende dieser Ausbildung für ein Studium in der entsprechenden Richtung entschieden. Deswegen habe er von August 2002 bis Juli 2003 die Fachhochschulreife erworben und beabsichtige, das Studium aufzunehmen. In Abhängigkeit von seinen bzw. den entsprechenden Lebensplanungen seiner Schwester seien seine Eltern Ende 2000 nach Bayern umgezogen. Sein Vater sei in den Mietvertrag aufgenommen worden, weil er selbst zum damaligen Zeitpunkt über kein festes Einkommen verfügte.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.09.2003 bewilligte der Beklagte Mietbeihilfe auf der Grundlage des § 7a USG in Höhe von 50% des Mietzinses einschließlich Nebenkosten und Stromvorauszahlung und lehnte den gestellten Antrag im Übrigen unter Hinweis darauf, dass der Vater des Klägers Mitmieter sei, ab. Dagegen erhob der Kläger fristgerecht Widerspruch und wies zur Begründung darauf hin, dass sein Vater allein deswegen in den Mietvertrag aufgenommen worden sei, weil der Vermieter einen allein von ihm unterschriebenen Mietvertrag aus Gründen der Sicherheit der Mietzahlung nicht habe akzeptieren wollen. Der Mietvertrag sei lediglich geschlossen worden, um ihm, dem Kläger, eine Wohnung in der Nähe seiner Ausbildungsstätte in Bremen zur Verfügung zu stellen, nachdem die Eltern im Mai 2001 nach Bayern gezogen seien. Tatsächlich habe der Vater die Wohnung zu keinem Zeitpunkt genutzt. Der so begründete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 18.11.2003 zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich fristgerecht erhobene Klage. Der Kläger wiederholt und vertieft seine Ansicht, nach der sein Vater nicht auch Mieter und Nutzer der Wohnung gewesen sei. Auf den Hinweis des Gerichts, nach dem die Gewährung der begehrten Mietbeihilfe ggf. nur in Betracht komme, wenn der Wehrpflichtige den Mietzins selbst und aus eigenen Mitteln aufgebracht hat, trägt der Kläger ergänzend vor, dass er im Rahmen seiner Ausbildung eine Ausbildungsvergütung in Höhe von zuletzt 600,- Euro und weitere 300,- Euro Unterhaltsleistungen von seinem Vater erhalten und damit vor Beginn des Zivildienstes über finanzielle Mittel von 900,- Euro verfügt habe. Während des Zivildienstes habe er Bezüge in Höhe von ca. 300,- Euro erhalten. Zuzüglich der weiter gewährten Unterhaltsleistungen hätten ihm damit während dieser Zeit nur 600,- Euro zur Verfügung gestanden, sodass er mit den geringeren Einkünften finanziell schlechter gestellt gewesen sei; die geringeren Einkünfte hätten auch kausal für den etwaigen Verlust der Wohnung sein können.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, ihm auf den gestellten Antrag weitere Mietbeihilfe in Höhe von 50% der erstattungsfähigen Kosten zu gewähren und den Bescheid des Beklagten vom 16.09.2003 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 18.11.2003 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, dass der Vater des Klägers weiterhin auf Grund des geschlossenen Vertrages als Vertragspartei anzusehen sei, sodass für den Kläger lediglich die Hälfte der Miete als erstattungsfähiger Aufwand betrachtet werden könne, auch wenn dessen Vater die Wohnung tatsächlich nicht nutze. Dessen ungeachtet könne auf Grund der Tatsache, dass der Kläger auf Grund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse vor und während des Zivildienstes nicht in der Lage war, den Mietzins auch nur teilweise zu entrichten, in Frage gestellt werden, ob er Mieter im Sinne der maßgeblichen Vorschriften des USG ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten; einen weiter gehenden Anspruch hat der Kläger nicht, ohne dass es auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage ankommt.
Rechtsgrundlage für die begehrte Mietbeihilfe ist § 7a USG. Danach erhalten Wehrpflichtige, die allein stehend und Mieter von Wohnraum sind, Mietbeihilfe nach Maßgabe der folgenden Absätze der genannten Vorschrift, wobei die Bestimmungen des USG für anerkannte Kriegsdienstverweigerer entsprechend gelten, §§ 1 KDVG, 78 Abs. 1 Nr. 2 ZDG.
Allein auf Grund des Wortlauts dieser Vorschrift hätte die Klage Erfolg, weil der Kläger und nur der Kläger Mieter der Wohnung im Sinne der Vorschrift ist; dass der Vater des Klägers im Mietvertrag aufgenommen ist, dient, wie der Kläger nachvollziehbar vorgetragen hat, allein der Absicherung des Vermieters, der damit einen zweiten Schuldner hinsichtlich des Mietzinses hat, weil der Kläger nicht über hinreichend eigenes Einkommen verfügte, um sich eine eigene Wohnung zu halten. Insofern ist insbesondere auf die - vom Beklagten nicht berücksichtigte - mietvertragliche Regelung hinzuweisen, nach der nur eine Person in die Wohnung einzieht. Im Übrigen hat der Beklagte auch eingeräumt, dass der Vater des Klägers die Wohnung wohl nicht nutzt. Die rechtliche Argumentation des Beklagten, dass die Nichtausübung des Nutzungsrechts durch den Vater nicht zu einem weiteren Anspruch des Klägers führen könne, ist nicht nachvollziehbar.
§ 7a USG ist jedoch um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu ergänzen, nach dem die Gewährung der Mietbeihilfe davon abhängt, ob der Wehrpflichtige in der Lage war, die Wohnung (und seinen sonstigen Lebensunterhalt) aus eigenem Einkommen (zum Begriff vgl. § 11 USG) zu finanzieren. Dieses Erfordernis ergibt sich aus Sinn und Zweck des USG, wie es seinen Niederschlag in § 1 Abs. 1 USG findet. Nach dieser Vorschrift erhalten Wehrpflichtige/Zivildienstleistende Leistungen "zur Sicherung ihres Lebensbedarfs". Aus dieser Formulierung folgt zweierlei:
Zum einen bedingt der Begriff der "Sicherung", dass durch die und einschließlich der gewährten Leistungen der Wehrpflichtige nicht besser dastehen soll als vor Ableistung seines Dienstes. Zum anderen geht es um seinen Lebensbedarf, d. h., wirtschaftlich betrachtet dürfen die gewährten Leistungen allein nur ihm zu gute kommen. Zweck der Vorschriften des USG ist es, mit anderen Worten, dass der Wehrpflichtige durch die Ableistung des Wehrdienstes - im Rahmen der gesetzlich festgelegten Höchstgrenzen - keinen Nachteil, insbesondere den vom Kläger zutreffend angesprochenen Verlust der Wohnung, erleiden soll; andererseits es liegt auf der Hand ( und wäre ggf. gegenüber Wehrpflichtigen ohne eigene Wohnung im Hinblick auf Art. 3 GG rechtlich zweifelhaft ), dass der Wehrpflichtige insoweit auch keinen Vorteil ziehen soll.
Die Konsequenzen der Gewährung der Mietbeihilfe ohne Berücksichtigung der Frage nach dem eigenen Einkommen sind folgende: Entweder stellt der Unterhaltsverpflichtete seine Leistungen für die Zeit des Wehr-/Zivildienstes ein oder er leistet weiter. In ersterem Fall kommt die Mietbeihilfe in Gestalt ersparter Aufwendungen wirtschaftlich jenem zu gute, was der gesetzlichen Intention nicht entspricht, auch wenn in dieser Situation der Lebensbedarf des Wehrpflichtige gesichert wird; im zweitgenannten Fall steht der Wehrpflichtige besser als ohne Ableistung des Dienstes, was ebenfalls nicht Sinn des Gesetzes ist und ihn bevorzugt. Diese Konsequenz räumt der Kläger auch für sich ein, indem er auf den entsprechenden Hinweis des Gerichts mit Schriftsatz vom 06.04.2005 (dort S. 3) ausdrücklich erklärt hat, auf Grund der fortlaufenden Unterhaltszahlungen "entsprechend mehr finanzielle Mittel zur Verfügung" gehabt zu haben.
Die insoweit entgegenstehende Rechtsprechung ( VG Augsburg vom 23.02.1999, Au 1 K 96.119 und dazu Bay. VGH, Beschluss vom 07.01.2000, 3 ZB 99.992; VG Düsseldorf vom 28.11.1995, 11 K 1236/93 sowie VG Gießen vom 20.01.1997, 4 E 1373/94 ( 2 ), zitiert nach Eichler - Oestreicher, USG Kommentar Band III, die übereinstimmend von dem Fehlen weiterer Tatbestandsmerkmale im Wortlaut des § 7a USG bzw. von der Identität des Begriffs des Mieters in dieser Vorschrift und in § 535 BGB ausgeht ), überzeugt nicht, weil sie sich zu Fragen von Sinn und Zweck des USG nicht verhält und insbesondere keine Erwägungen zu den Konsequenzen einer gewährten Unterhaltsleistung anstellt. Demgegenüber ist das OVG Berlin in der den Beteiligten mitgeteilten Entscheidung ( vom 12.07.2000, 6 N 11.00; zitiert nach juris) unter Hinweis auf eine Entscheidung des VGH Kassel ( ZMR 1993, 299 ) zu der Auffassung gelangt, dass die Aufrechterhaltung des Wohnraums nur dann vorliegen kann, wenn der Wohnraum bereits vor der Dienstzeit vom Wehrpflichtigen unterhalten worden war; das wiederum könne nur der Fall sein, wenn der Wehrpflichtige vor Beginn der Dienstzeit das Entgelt für die Gebrauchsüberlassung selbst aufgebracht hat.
Das danach erforderliche ungeschriebene Tatbestandsmerkmal, dass der Wehrpflichtige den Wohnraum aus eigenem Einkommen unterhalten haben muss, erfüllt der Kläger nicht, sodass die Klage mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen war. Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung ist zuzulassen, weil die Frage, ob § 7a USG um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal in dem dargestellten Sinne zu ergänzen ist, grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird gemäß §§ 13 Abs. 1 S. 1 GKG a.F. auf 1.665,00 Euro festgesetzt (10 Monate x hälftiger Mietzins in Höhe von 166,50 Euro).
Fahs
Lassalle