Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 24.11.1994, Az.: 4 A 4252/93

Beteiligungsfähigkeit eines Fachbereichs einer Universität im verwaltungsgerichtlichen Verfahren; Beteiligtenfähigkeit eines Fachbereichs als teilrechtsfähiges Glied einer Hochschule trotz fehlender Zuständigkeit für die Aufhebung von Studiengängen nach dem Hochschulrecht des betreffenden Bundeslandes; Institutionelle Garantie der Wissenschaftsfreiheit als zu einem eigenen Recht und damit der Beteiligtenfähigkeit eines Fachbereichs führend

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
24.11.1994
Aktenzeichen
4 A 4252/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 24301
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:1994:1124.4A4252.93.0A

Fundstelle

  • WissR 1995, 250-254

Verfahrensgegenstand

Aufhebung von Studiengängen am Fachbereich Erziehungswissenschaften zum Wintersemester 1993/94.

Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen hat
auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 1994
durch
die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Kaiser,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Wenderoth und
den Richter Dr. Allner sowie
die ehrenamtlichen Richter Groffmann und Hackethal
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.300,00 DM vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein Fachbereich der ... Durch Erlaß vom 25.03.1985 (Nds. MBl., S. 314) richtete der Beklagte am Kläger die Erziehungswissenschaftlichen Diplomstudiengänge "Familienpädagogik und Familienhilfe", "Freizeitpädagogik" sowie den Ergänzungsstudiengang "Schule" ein. Hintergrund der Einrichtung dieser Studiengänge war nach dem Erlaß des Beklagten vom 01.11.1993 - 1061-245 02-2 - das Ziel, einen erziehungswissenschaftlichen Kernbereich (nucleus) zu erhalten, um im Bedarfsfälle dem Gedanken einer Ausbildung von Haupt- und Grundschullehrern, die durch Erlaß des Beklagten vom 15.09.1983 (Nds. MBl., S. 835) beim Kläger beendet worden war, gegebenenfalls wieder näher treten zu können.

2

Mit Erlaß vom 17.07.1992 (Az.: 1062-245-02-2) forderte der Beklagte die ... unter Hinweis auf § 77 Abs. 6 Satz 1 NHG auf, die genannten Diplomstudiengänge und den Ergänzungsstudiengang mit Wirkung zum Sommersemester 1993 aufzuheben. Nachdem zwischen dem Beklagten und der Universität unter Beteiligung des Klägers Verhandlungen über diese Aufhebung stattgefunden hatten, hob der Beklagte mit Erlaß vom 01.06.1993 (Az.: 106-204502-2) die genannten Studiengänge mit Wirkung zum Wintersemester 1993/94 im Wege der Ersatzvornahme auf und ordnete die sofortige Vollziehung der Maßnahme an.

3

Hiergegen hat der Kläger am 30.06.1993 Klage erhoben und zugleich um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Mit Beschluß der Kammer vom 13.07.1993 (4 B 4253/93) hat die Kammer den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Klägers wurde durch Beschluß des OVG Lüneburg vom 05.11.1993 (10 M 3900/93) zurückgewiesen.

4

Die ... hat ihre zunächts ebenfalls gegen den Erlaß erhobene Klage (4 A 4237/93) zurückgenommen, nachdem ihr Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung keinen Erfolg gehabt hatte (Beschluß der Kammer vom 13.07.1993 - 4 B 4238/93 - und des OVG Lüneburg vom 05.11.1993 - 10 M 3901/93 -).

5

Unter Bezugnahme auf den Beschluß der Kammer trägt der Kläger vor, die angefochtene Maßnahme sei nur im Verordnungswege rechtlich zulässig. Die Anhörung nach § 77 Abs. 6 Satz 2 und 3 NHG a.F. sei u.a. deshalb rechtswidrig, weil der Gesamtpersonalrat der ... nicht beteiligt worden sei. In der Sache rügt der Kläger, der Beklagte habe seine, des Klägers, aus Art. 5 Abs. 3 GG folgenden Rechte nicht richtig gewichtet. Insbesondere sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, daß Studiengänge beseitigt würden, die andernorts nicht belegt werden könnten, sie insoweit daher einmalig seien. Außerdem werde der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Wenn es zutreffe, wie der Beklagte annehme, daß Absolventen der streitigen Studiengänge auf dem Arbeitsmarkt schwer vermittelbar seien, so gelte dies in gleicher Weise für andere Universitäten, an denen ein vergleichbares Studienangebot bestehe. An diesen Universitäten seien indes vergleichbare Studiengänge nicht aufgehoben worden.

6

Im übrigen bezieht sich der Kläger zur Begründung auf sein Vorbringen und das der ... In dem jeweiligen gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren.

7

Der Kläger beantragt,

den Erlaß des Beklagten vom 01.06.1993 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Er bezieht sich ebenfalls zunächst auf sein Vorbringen im gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren und trägt darüber hinaus ergänzend vor:

10

Die Zahl der Planstellen, die einem Fachbereich gemäß § 94 Abs. 1 Satz 4 NHG a.F. zugeordnet sein sollten, sei lediglich eine planerische Sollzahl, keine rechtliche Mindestgröße. Rechtlich denkbar sei auch ein Fachbereich mit einer geringeren Planstellenzahl. Das vom Kläger vorgehaltene Studienangebot sei nach den Studieninhalten keineswegs einmalig. Unter Benennung der entsprechenden Universitäten und dortigen Lehrveranstaltungen weist der Beklagte darauf hin, daß freizeit- und familienpädagogische Lehrinhalte an allen niedersächsischen Universitäten, die einen Diplompädagogikstudiengang anböten, im Rahmen der Pädagogenausbildung vermittelt würden. Dies sei insbesondere in Lüneburg und Hildesheim der Fall. Hier wie dort würde zudem nach der Prüfungsordnung für die erziehungswissenschaftlichen Diplomstudiengänge nach bestandener Prüfung der Hochschulgrad "Diplom-Pädagoge/in" verliehen. Von einer Einmaligkeit des Klägers und seiner Studiengänge könne deshalb keine Rede sein. Schließlich weist der Beklagte darauf hin, daß auch an anderen niedersächsischen Universitäten, beispielsweise Osnabrück und Oldenburg, vergleichbare Studiengänge geschlossen worden seien.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu diesem Verfahren und dem Verfahren 4 B 4253/93, zu den Verfahren der ... gegen den Beklagten (4 A 4237/93 und 4 B 4238/93), die Gerichtsakte zum Verfahren des Gesamtpersonalrats der ... (Az.: 7 A 28/93) sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist unzulässig.

13

Dem Kläger fehlt die Beteiligungsfähigkeit nach § 61 VwGO. Mangels körperschaftlicher Struktur ist er keine juristische Person i.S.v. § 61 Nr. 1 VwGO.

14

Bei dem Kläger handelt es sich auch nicht um eine Vereinigung i.S.v. § 61 Nr. 2 VwGO, wie dies die Kammer noch im - lediglich eine summarische Rechtmäßigkeitsüberprüfung gebietenden - Eilrechtsschutzverfahren angenommen hat. Dem Kläger stehen in bezug auf den Streitgegenstand keine subjektiven Rechte zu, die er nach außen hin neben der Universität aus eigenem Recht vertreten kann.

15

Ob dem Fachbereich im Verhältnis zu der ihn tragenden Hochschule ein eigenständiges Recht zum Erhalt von Studiengängen zukommt, ob er also insoweit ein teilrechtsfähiges Glied der Hochschule bildet (§ 61 Nr. 2 VwGO), oder ob er als Hochschulorgan lediglich eine körperschaftsinterne Zuständigkeit zur Wahrnehmung der mit der Aufhebung von Studiengängen verbundenen Aufgaben inne hat, bestimmt sich nach dem geltenden Hochschulrecht der Länder (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.05.1985 - 7 B 54.84 - Buchholz 421.2 Nr. 107 zum Erlaß von Prüfungsordnungen). Gemäß § 95 Abs. 3 des Nds. Hochschulgesetzes (in der zum Zeitpunkt des Ergehens des angefochtenen Erlasses geltenden Fassung vom 14. Juni 1989 (Nds. GVBl S. 223)) zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. April 1991 (Nds. GVBl S. 173 - NHG a.F. -) schlägt der Fachbereich dem Senat die Einführung, Änderung und Aufhebung von Studiengängen vor. Das Beschlußorgan der Universität im Falle der Aufhebung von Studiengängen ist, wie sich auch aus § 91 Abs. 2 Nr. 8 NHG a.F. ergibt, mithin nicht der Fachbereich selbst, sondern der Senat der Universität als deren zentrales Organ i.S.v. § 78 Abs. 1 Nr. 3 NHG a.F. Die Kammer verkennt nicht, daß dem Kläger nach § 95 NHG a.F. gewisse Wahrnehmungszuständigkeiten zustehen, aufgrund derer er als organisatorische Grundeinheit (§ 94 Abs. 1 Satz 1 NHG a.F.) wesentliche Aufgaben der Hochschule erfüllt. Dies geschieht indes gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 NHG a.F. unbeschadet der Gesamtverantwortung der Hochschule und der Zuständigkeiten der Zentralen Hochschulorgane sowie der gemeinsamen Kommissionen. Die einzelnen Aufgaben des Fachbereichs und damit des Klägers begründen keine Zuständigkeiten kraft eigenen Rechts (vgl. grundlegend Schrimpf in: Denniger, HRG, § 64 Rn. 7).

16

Mit dieser Argumentation wird dem Fachbereich generell im Außenrechtsverhältnis in Literatur und Rechtsprechung die Beteiligungsfähigkeit abgesprochen (vgl. Dallinger, HRG, § 64 Fn. 10; Hamann, DVBl. 1991, S. 131; VG Berlin, KMK-HSchR 1978, S. 132; 1983, S. 222; VGH Mannheim, KMK-HSchR 1981, S. 474; DVBl. 1986, S. 631 [VGH Baden-Württemberg 17.12.1985 - 9 S 1740/83]; VG Kassel, KMK-HSchR 1981, S. 832; VG Aachen, KMK-HSchR 1983, S. 303; OVG Münster, WissR 1984, S. 298).

17

Der in der Literatur vertretenen Gegenmeinung, die dem Fachbereich Beteiligungsfähigkeit zusprechen will, folgt die Kammer nicht.

18

Danach ergebe sich aus der institutionellen Garantie des Art. 5 Abs. 3 GG, die auch die Fachbereiche als organisatorische Grundeinheiten für Forschung und Lehre schütze, daß die Fachbereiche die ihnen zugewiesenen Aufgaben eigenberechtigt durchführen und sie somit rechtsfähig seien. Es bestünden in vielfältiger Weise unmittelbare Außenrechtsbeziehungen etwa zu Studenten, Examenskandidaten, Doktoranden, aber auch zu sonstigen Personen, die sich in fachlicher oder persönlicher Hinsicht an die Fachbereiche wendeten. Der Fachbereich mit seiner eigenen Willensbildung müsse sich (im Rahmen seiner Zuständigkeiten) auch nach außen artikulieren und entfalten können, was eine entsprechende Außenrechtsfähigkeit erfordere. Andernfalls, so wird eingewandt, bestehe die Gefahr von Scheinprozessen, wenn der Präsident als Vertreter der Gesamtuniversität beispielsweise den Vorstellungen eines klagenden Doktoranden, dessen Dissertation anzunehmen, sich der Fachbereich geweigert habe, zuneigen sollte (vgl. grundlegend Maurer, WissR 1977, S. 193, 210 ff.; Karpen in: Hailbronner, Komm. zum HRG, § 64 Rn. 15 ff.; ders. WissR 1986, S. 47, 59; Hoffmann-Becking, DVBl. 1972, S. 299, 301; Perschel, Festgabe aus Anlaß des 25 jährigen Bestehens des Bundesverwaltungsgerichts 1978, S. 28; Bork, WissR 1985, S. 216, 218 ff.). Soweit die Vertreter dieser Ansicht für sich Rechtsprechungszitate in Anspruch nehmen, sind die genannten Entscheidungen für den Streitfall nicht einschlägig. Soweit das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 16.01.1963 (BVerfGE 15, S. 256, 261 [BVerfG 16.01.1963 - 1 BvR 316/60]) Fachbereiche als (teil)rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts bezeichnet, beruht dies zum einen auf den Besonderheiten der Verfassungsbeschwerde; zum anderen fehlt es jedenfalls dem Kläger als organisatorischer Grundeinheit der Hochschule nach § 95 Abs. 1 Satz 1 NHG a.F. an einer eigenen Rechtspersönlichkeit. Er teilt damit nicht die körperschaftliche Struktur der Universität, sondern ist deren Bestandteil. Auch die übrigen von dieser Literaturmeinung herangezogenen Rechtsprechungsnachweise betreffen den Streitfall nicht. Sie befassen sich mit der Teilrechts- und Beteiligungsfähigkeit der Fachbereiche in Organstreitverfahren, d.h. im Innenverhältnis zwischen Fachbereich und Hochschulleitung (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.02.1974 - VII C 9.71 - BVerwGE 45, S. 39, 42; VG Minden, KMK-HSchR 1981, S. 716; VGH Mannheim, KMK-HSchR 1988, S. 124, 125 f.). Schließlich ist auch die Entscheidung des OVG Berlin (Beschl. v. 04.03.1993 - 8 B 77.92 -, KMK-HSchR/NF 31 A Nr. 5) nicht einschlägig, da sich die Beteiligungsfähigkeit des Fachbereiches hier aus den Besonderheiten des Einigungsvertrages ergab.

19

Es ist bereits zweifelhaft, ob sich der Kläger in bezug auf die Aufhebung der Studiengänge auf das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 GG berufen kann. Die unmittelbare Rechtsfolge der Aufhebung von Studiengängen erschöpft sich, wie das OVG Münster (WissR 1984, S. 298, 300) meint darin, daß sie den betroffenen Studienveranstaltungen in ihrer Gesamtheit die Abschlußqualifizierung und damit den Stellenwert als Berufsausbildung nimmt (hierzu auch: § 14 NHG a.F.); sie stellt auch ein Einschreibungshindernis für Studienanfänger dar (§ 38 Abs. 1 Satz 1 NHG a.F.). Es ist daher mindestens zweifelhaft, ob die Freiheit des Lehrangebotes durch die Studiengangaufhebung überhaupt berührt wird (vgl. ablehnend: VG Berlin, KMK-HSchR 1978, S. 132; VG Aachen, KMK-HSchR 1982, S. 303; OVG Lüneburg, KMK-HSchR 1989, S. 108, 110 insoweit nicht abgedruckt in DVBl. 1989, S. 114; kritisch: Karpen WissR 1986, S. 56).

20

Selbst wenn man aber in Anbetracht der drohenden Existenzgefährdung des Klägers, dessen wesentliche Studiengänge hier aufgehoben werden, davon ausgeht, daß die angefochtene Maßnahme des Beklagten den Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 berührt, begründet dies nicht seine Teilrechtsfähigkeit. Dies ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschl.v. 13.05.1985, a.a.O., S. 70), der die Kammer folgt, daraus, daß der in Art. 5 Abs. 3 GG gewährleisteten freien Entfaltung der Wissenschaft hochschulintern durch organisatorische Vorkehrungen Rechnung zu tragen ist, die sicherstellen, daß wissenschaftsrelevante Entscheidungen nicht wissenschaftsfremd getroffen werden können. Hochschulexternen Eingriffen, gegen die sich der Kläger hier wendet, vermag die Hochschule selbst entgegenzutreten; hierzu bedarf es nicht der Außenrechtsfähigkeit des Fachbereichs, um dessen Studiengänge es geht.

21

Selbst wenn zwischen dem Präsidenten als dem für die Außenvertretung berufenen Hochschulorgan und dem Fachbereich Unterschiede in der Beurteilung der Rechtslage, insbesondere in der Einschätzung der Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme des Beklagten, aber auch in den hochschulpolitischen Positionen bestehen würden, müßte der Rechtsstandpunkt des Fachbereichs notfalls zunächst in einem Organstreitverfahren durchgesetzt werden. Die Kompetenzverteilung zwischen Fachbereich und Präsident steht als solche nicht im Gegensatz zur Wissenschaftsfreiheit, so daß Nebenfolgen einer solchen hochschulinternen Aufgabengliederung auch nicht unter Berufung auf die Wissenschaftsfreiheit umgangen werden können. Entsprechendes gilt gegenüber dem Argument, der Mangel der Teilrechtsfähigkeit des Fachbereiches berge in solchen Fällen die Gefahr eines Scheinprozesses, in dem sich die Beteiligten weitgehend einig seien, der wirklich Betroffene aber außerhalb stehe. Die Verhinderung pflichtwidrigen Verhaltens von Hochschulorganen liegt nicht im Schutzbereich des Grundrechts auf freie wissenschaftliche Betätigung in Forschung und Lehre. Der im Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit begründete Abwehranspruch der Hochschule gegen rechtswidrige Aufsichtsmaßnahmen erleidet durch ein etwa erforderlich werdendes Organstreitverfahren demgegenüber auch keine Beschränkung.

22

Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß der Beklagte bei der Ersatzvornahme nach § 77 Abs. 6 Satz 2 NHG a.F. für die und anstelle der Hochschule handelt. Eine derartige Argumentation würde die hochschulinterne Kompetenzverteilung nach dem NHG zu Unrecht mißachten.

23

Die Kammer verkennt nicht, daß der Kläger durch die Aufhebung der streitbefangenen Studiengänge jedenfalls mittelfristig in seiner Existenz bedroht ist. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob es rechtlich möglich ist, mit der verbleibenden Planstellenzahl nach dem NHG einen Fachbereich zu bilden (vgl. § 94 Abs. 1 NHG a.F. einerseits und § 94 Abs. 4 Satz 4 und § 96 Abs. 2 NHG a.F. andererseits). Die vom OVG Lüneburg früher offengelassene (vgl. DVBl. 1989, S. 114) und im Verfahren 10 M 3900/93 (vgl. Beschluß vom 05.11.1993) bezweifelte Frage, ob hieraus die Beteiligungfähigkeit des Klägers erwächst, ist zu verneinen. Der Kläger als Fachbereich der ... hat in bezug auf seine Errichtung, Änderung, Zusammenlegung und Aufhebung keine eigene Entscheidungskompetenz. Diese obliegt gemäß § 91 Abs. 2 Nr. 5 NHG a.F. allein dem Senat der Universität. Insoweit kann der Kläger selbst bei Unterstellung einer Existenzgefährdung im Außenrechtsverhältnis keine eigenen Rechte geltend machen.

24

Die danach unzulässige Klage hätte auch in der Sache voraussichtlich keinen Erfolg haben können. Dies ergibt sich im wesentlichen aus den Gründen der Beschlüsse der Kammer und des OVG Lüneburg in den gegen den angefochtenen Erlaß geführten Verfahren auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes.

25

In seiner Beschwerdeentscheidung vom 05.11.1993 im Verfahren 10 M 3901/93 hielt allerdings das OVG Lüneburg es im Hinblick auf das Erfordernis der vollständigen Sachverhaltsermittlung für aufklärungswürdig, ob die vom Kläger vorgetragene Einmaligkeit der streitbefangenen Studiengänge tatsächlich besteht und ob die Arbeitsmarktaussichten der Absolventen der pädagogischen Diplomstudiengänge tatsächlich so sind, wie sie der Beklagte zugrundegelegt hat. Der Wesensgehalt eines Studienganges richtet sich nicht nach seiner Bezeichnung, sondern im wesentlichen nach den gelehrten Studieninhalten und dem zu erlangenden berufsqualifizierenden Abschluß. Dies ergibt sich aus §§ 9 Abs. 1 Satz 3 und 14 Satz 1 NHG a.F. Daß entsprechende Studieninhalte mit dem Ziel, den Hochschulgrad des Diplompädagogen/der Diplompädagogin zu erlangen, auch an anderen niedersächsischen Universitäten vermittelt werden, hat der Beklagte, ohne daß der Kläger dies im einzelnen bestritten hätte, vorgetragen und nachgewiesen.

26

Soweit es um die Berufsaussichten der Absolventen der streitigen Studiengänge geht, stützt sich der Beklagte u.a. auf eine (möglicherweise nicht aussagekräftige) Erhebung von Dezember 1992. Diese Befragung war indes nur ein Bestandteil der von dem Beklagten vorgenommenen Einschätzung der Berufsaussichten der entsprechenden Studiengangabsolventen. Der Beklagte hat darüber hinaus durch Befragung des Arbeitsamtes ... die allgemeine Arbeitsmarktsituation der Diplompädagogen ermittelt und festgestellt, daß zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung beim Arbeitsamt ... 155 arbeitslose Diplom-Pädagogen gemeldet waren, von denen 1/3 Absolventen des Klägers gewesen sind.

27

Des weiteren wurde ebenfalls generell unter Zugrundelegung der Hochschulentwicklungsplanung der Landesregierung festgestellt, daß universitäre Überkapazitäten bei der Ausbildung von Diplompädagogen zugunsten der Fachhochschulen verringert werden sollten. Diese beiden Gesichtspunkte, die sich, wie auch die finanziellen Erwägungen, der gerichtlichen Überprüfung entziehen, dürften die Entscheidung des Beklagten unabhängig von der konkreten Evaluation der Berufsaussichten auch in der Sache tragen, da sie nicht offensichtlich fehlsam sind.

28

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

29

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 173 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.

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Rechtsmittelbelehrung

31

Gegen dieses Urteil ist die Berufung an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft.

32

...

Kaiser
Dr. Allner
Dr. Wenderoth