Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 30.05.1990, Az.: 2 U 184/89
Klage eines Verpächters auf einen höheren Pachtzins; Fehlende Angabe eines Basisjahres und eines für die Anpassung maßgeblichen Stichtages im Pachtvertrag; Bindung des Verpächters an seine bisherige Pachterhöhung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben; Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts durch den Verpächter auf Grund seiner regelmäßigen Übersendung von Rechnungen über die Höhe des Pachtzinses
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 30.05.1990
- Aktenzeichen
- 2 U 184/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1990, 20622
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1990:0530.2U184.89.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade - 06.06.1989 - AZ: 3 O 70/89
Rechtsgrundlagen
- § 242 BGB
- § 315 BGB
- § 404 BGB
Fundstellen
- JurBüro 1991, 256 (Kurzinformation)
- NJW-RR 1991, 271-272 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 1990
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 6. Juni 1989 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer der Klägerin beträgt 24.674,38 DM.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Ein Anspruch auf einen höheren Miet- oder Pachtzins (künftig als "Pachtzins" bezeichnet) steht ihr für die Jahre 1984 bis 1987 sowie für das erste Halbjahr 1988 nicht zu.
Es kann dahingestellt bleiben, wie die in § 3 Abs. 3 des Pacht- oder Mietvertrags (künftig als "Pachtvertrag" bezeichnet) vom 6. August 1971 getroffene Regelung über eine Erhöhung des jährlichen Pachtzinses zu verstehen ist. Das gilt für alle damit zusammenhängenden Zweifelsfragen, die insbesondere wegen der fehlenden Angabe eines Basisjahres und eines für die Anpassung maßgeblichen Stichtags (1. Juni 1971 oder 1. Juni 1972?) bestehen. Ebensowenig ist zu entscheiden, ob wegen der in § 3 Abs. 2 des Vertrags vereinbarten Jahrespacht und halbjährlicher Vorauszahlungen, die jeweils am 10. Juni und 10. Dezember fällig werden, sich eine Erhöhung des Pachtzinses erst für das nächstfolgende Pachtjahr auswirken sollte. Jedenfalls muß sich die Klägerin, die für die genannte Zeit Ansprüche aus abgetretenem Recht geltend macht, nach Treu und Glauben das Verhalten des damaligen Verpächters oder Vermieters (künftig als "Verpächter" bezeichnet) entgegenhalten lassen, das unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles eine Nachforderung von Pachtzahlungen ausschließt (§ 242 BGB i.V.m. § 404 BGB).
Von dem Verpächter sind während der langjährigen Dauer des bereits 1971 abgeschlossenen und in Vollzug gesetzten Pachtvertrags wiederholt Erhöhungen des Pachtzinses verlangt worden, die nicht auf der in § 3 Abs. 3 des Vertrags getroffenen Regelung beruhten. Mit diesen Anpassungen der Pacht war der Beklagte einverstanden, der entsprechende Zahlungen geleistet hat. So sind Rechnungen des damaligen Verpächters ... an den Beklagten für die Zeit vom Juni 1984 bis Mai 1986 über halbjährliche Pachtzinszahlungen von 32.186 DM ergangen. In dieser Höhe sind von dem Beklagten halbjährlich die Vorauszahlungen erbracht worden, was auch für die weiteren Zeiträume bis zur Jahresmitte 1988 gilt, die Gegenstand der Klage sind.
Ob das Verhalten des Verpächters darauf zurückzuführen ist, daß dieser den Aufwand des Beklagten für Reparaturen an der Lagerhalle berücksichtigte, ist für die Entscheidung unerheblich. Jedenfalls gehen beide Prozeßparteien übereinstimmend davon aus, daß in unregelmäßigen Abständen der Pachtzins erhöht wurde, wobei die Klägerin vorträgt, es habe sich jeweils um Steigerungen um 10 v.H. gehandelt. Damit hat sie eine Vertragspraxis eingeräumt, die nicht der in § 3 Abs. 3 des Pachtvertrags getroffenen Regelung entspricht. Anstelle einer der Steigerung des Lebenshaltungskostenindex entsprechenden Erhöhung, wobei die Indexpunkte auf Prozentzahlen umzurechnen gewesen wären, hat der Verpächter, wie im Termin von der Klägerin vorgetragen, in unregelmäßigen Abständen Zuschläge zum Pachtzins von 10 v.H. geltend gemacht. An diese von den Verpächtern veranlagten Erhöhungen, die nach längerer Vertragsdauer schließlich zu einer von dem Beklagten auch geleisteten Jahrespacht von 64.372 DM führten, jedoch nicht auf der Grundlage der in § 3 Abs. 3 des Pachtvertrags getroffenen Regelung beruhten, ist die Klägerin nach Treu und Glauben gebunden.
Mit der Erteilung der Pachtabrechnungen hat der Verpächter einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Damit brachte er dem Beklagten gegenüber zum Ausdruck, daß er Pacht in der genannten Höhe fordere und er von einem etwaigen Recht, auf der Grundlage von § 3 Abs. 3 des Pachtvertrags eine noch höhere Pacht zu verlangen, keinen Gebrauch mache. Hierauf durfte sich der Beklagte verlassen. Er brauchte nicht mit einer Nachforderung zu rechnen, die darauf beruhte, daß sich in Anwendung der in § 3 Abs. 3 des Pachtvertrags getroffenen Regelung eine noch höhere als die vom Verpächter verlangte Pacht ergab.
Für einen Fall der vorliegenden Art, in dem bei Bestehen einer vertraglichen Pachterhöhungsklausel bei der Anpassung des Pachtzinses auf andere als die vertraglich geregelten Maßstäbe zurückgegriffen wird, gilt der Grundsatz, daß eine von der Vertragsregelung abweichende Bestimmung der Pachthöhe nach Treu und Glauben nicht ohne wichtigen Grund nachträglich geändert werden darf (zum Architektenvertrag vgl. BGHZ 62, 208 (211) [BGH 07.03.1974 - VII ZR 35/73]; ferner OLG Düsseldorf MDR 1968, 321 [OLG Düsseldorf 30.06.1967 - 5 U 203/65] und OLG Hamburg MDR 1968, 667). Die Rechtslage ist insoweit mit der Erteilung einer Schlußrechnung im Werkvertragsrecht vergleichbar, wobei einer Nachforderung i.d.R. § 242 BGB entgegensteht (vgl. BGHZ a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O. und OLG Hamburg a.a.O.).
Zwar haben die Vertragsparteien wegen § 3 Abs. 3 des Pachtvertrags kein Leistungsbestimmungsrecht des Verpächters im Sinne des § 315 BGB vereinbart. Während der langjährigen Dauer der Vertragsdurchführung ist von ihnen jedoch in einer Weise verfahren worden, die der Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts durch den Verpächter nahekam. Mit der Übersendung von Rechnungen über die Höhe des Pachtzinses hat der Verpächter eine Erklärung gegenüber dem Beklagten abgegeben, die mit einer Bestimmung gemäß § 315 Abs. 2 BGB vergleichbar ist. Der Beklagte hat dem nicht widersprochen, sondern die entsprechend höheren Zahlungen geleistet, sich hierbei jedoch darauf verlassen, daß in Anbetracht einer ziffernmäßig bestimmten Anforderung des Pachtzinses die Leistung abschließend berechnet war. Wird gleichwohl später für zurückliegende Zeiträume eine Pachtzinsdifferenz nachgefordert, so setzt sich ein Verpächter zu seinem früheren Verhalten unter Verstoß gegen Treu und Glauben in Widerspruch. Da der Klägerin die Pachtzinsansprüche abgetreten sind, das vor der Abtretung liegende Verhalten des damaligen Verpächters ihr zuzurechnen ist (§ 404 BGB), verstößt ihr Verlangen auf Nachforderung von Pachtzinszahlungen gegen § 242 BGB.
Die Nebenentscheidungen über die Kosten, die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Beschwer beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 und 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Die Beschwer der Klägerin beträgt 24.674,38 DM.