Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 10.09.1998, Az.: 4 W 192/98

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Unkenntnis über die Form der weiteren sofortigen Beschwerde; Verschulden hinsichtlich der Unkenntnis über die Form der weiteren sofortigen Beschwerde; Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der weiteren sofortigen Beschwerde

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
10.09.1998
Aktenzeichen
4 W 192/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1998, 18793
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1998:0910.4W192.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 30.06.1998 - AZ: 9 T 41/97

Fundstellen

  • NJW-RR 1999, 811-812 (Volltext mit amtl. LS)
  • NZM 1999, 287-288
  • OLGReport Gerichtsort 1999, 2-3

In der Wohnungseigentumssache
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter ...,
den Richter ... und
die Richterin ...
am 10. September 1998
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Antrag des Antragstellers auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der weiteren sofortigen Beschwerde gegen den Beschluß der 9. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 30. Juni 1998 wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den vorgenannten Beschluß des Landgerichts Stade wird als unzulässig verworfen.

  3. 3.

    Der Antragsteller hat die im Verfahren über die weitere sofortige Beschwerde und das Wiedereinsetzungsgesuch entstandenen Gerichtskosten zu tragen.

  4. 4.

    Wert des Beschwerdeverfahrens: 2.000,00 DM.

Gründe

1

Gegen den ihm am 16. Juli 1998 zugestellten Beschluß der 9. Zivilkammer des Landgerichts Stade hat der Antragsteller durch einen von ihm selbst unterzeichneten Schriftsatz vom 27. Juli 1998 Beschwerde eingelegt; dieser Schriftsatz ist entsprechend der vom Antragsteller durch Numerierung vorgegebenen Reihenfolge zunächst der Präsidentin des Landgerichts Stade persönlich zur Kenntnis vorgelegt worden und bei ihr am 28. Juli 1998 eingegangen; er ist sodann an die 9. Zivilklammer des Landgerichts weitergeleitet worden und dort entsprechend dem Datum der Verfügung des Vorsitzenden (Anforderung der Akten) spätestens am letzten Tage des Fristablaufes am 30. Juli 1998 eingegangen und sodann mit Verfügung vom 13. August 1998 nach Akteneingang an das Oberlandesgericht weitergeleitet worden. Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 24. August 1998 ist der Antragsteller darauf hingewiesen worden, daß die Beschwerdeschrift entgegen §§ 45 WEG, 29 Abs. 1 Satz 2 FGG nicht durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet worden ist. Mit am 7. September 1998 - und somit binnen der durch Verfügung vom 24. August 1998 gesetzten Frist - eingegangenen Anwaltsschriftsatz vom 4. September 1998 beantragt der Beschwerdeführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legt zugleich weitere sofortige Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluß des Landgerichts ein. Zur Wiedereinsetzung macht er geltend, ihm gereiche die Fristversäumnis nicht zum Verschulden. In erster Instanz habe das Amtsgericht seinem Beschluß eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, der er habe entnehmen können, daß er selbst - ohne Zuziehung eines Anwalts - sofortige Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluß habe einlegen können. Das Landgericht habe dem angefochtenen Beschluß keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt. Er als Laie habe deshalb ohne Verschulden annehmen dürfen, auch eine weitere sofortige Beschwerde durch von ihm selbst unterzeichneten Schriftsatz einlegen zu können. Erstmals durch Verfügung des Vorsitzenden des erkennenden Senats sei er auf diesen Formfehler aufmerksam gemacht worden. In gleicher Weise habe auch schon das Landgericht am 30. Juli 1998 auf diesen Formfehler hinweisen können; ggf. würde dann der Beschwerdeführer noch am selben Tage - und somit innerhalb der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde - einen Rechtsanwalt mit der Unterzeichnung einer Beschwerdeschrift beauftragt haben können.

2

In der Sache selbst verfolgt er sein vorinstanzliches Vorbringen weiter und macht geltend, durch den angefochtenen Beschluß der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Entfernung des Küchenlüfters in seinen Rechten verletzt zu sein. Er hat in dem anwaltlichen Schriftsatz vom 4. September 1998 sämtliche Wohnungseigentümer als weitere Beteiligte aufgeführt. Der Senat hat von einer Beteiligung der vom Antragsteller bezeichneten Beteiligten zu 2 bis 26 im Kosteninteresse des Antragstellers abgesehen, weil die sofortige weitere Beschwerde unzulässig und sein Wiedereinsetzungsantrag unbegründet ist.

3

1.

Die binnen der zweiwöchigen Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde nach § 45 Abs. 1 WEG, § 22 Abs. 1, § 29 Abs. 2 FGG eingegangene sofortige Beschwerde vom 27. Juli 1998 war unzulässig, weil sie entgegen § 29 Abs. 1 Satz 2 FGG nicht von einem Rechtsanwalt unterzeichnet war. Die am 7. September 1998 eingegangene sofortige weitere Beschwerde ist nun zwar formgerecht durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet, jedoch nicht innerhalb der Beschwerdefrist eingelegt worden.

4

Sie war deshalb als unzulässig zu verwerfen, weil aus den Gründen zu 2. dem Antragsteller Wiedereinsetzung versagt werden muß.

5

2.

Der Antrag des Antragstellers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zwar fristgerecht eingegangen und glaubhaft gemacht worden. Der vom Antragsteller geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund rechtfertigt die Wiedereinsetzung aber nicht, weil auch nach Maßgabe des eigenen Vortrages des Antragstellers die Fristversäumnis nicht unverschuldet i. S. des § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG i. V. m. § 29 Abs. 4 FGG ist. Im Kern macht der Antragsteller geltend, seine Unkenntnis über die Form der weiteren sofortigen Beschwerde sei unverschuldet. Das ist schon im Ausgangspunkt unzutreffend. Nach allgemeinem Zivilprozeßrecht kommt bei Rechtsunkenntnis einer rechtsunkundigen Partei Wiedereinsetzung nicht in Betracht, wenn sie sich nicht in zumutbarer Weise rechtzeitig nach Form und Frist eines Rechtsmittel erkundigt (Baumbach/Hartmann, ZPO, 56. Aufl., § 233, Rn. 30, Stichwort "Rechtsunkenntnis" m. w. M. aus der Rechtsprechung). Insbesondere in der Rechtsprechung der Rechtsbeschwerdegerichte zur Wiedereinsetzung im Wohnungseigentumsrecht liegen zu allen vom Antragsteller geltend gemachten Besonderheiten seines Falles bereits Entscheidungen insbesondere des Bayerischen Obersten Landesgerichts vor, denen der Senat folgt. Sie stehen einer Wiedereinsetzung entgegen.

6

Im Wohnungseigentumsverfahren besteht für das Gericht keine Pflicht zur Rechtsmittelbelehrung (BayObLG WE 1996, 148). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, daß das Landgericht im Gegensatz zum Amtsgericht seiner Entscheidung keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt hat. Das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung gibt deshalb grundsätzlich keinen Wiedereinsetzungsgrund (vgl. auch Bärmann/Pick/Merle WEG 7. Aufl., § 45 Rn. 50).

7

Ebenso hat das Bayerische Oberste Landesgericht in der vorerwähnten Entscheidung (WE 1996, 148) bereits entschieden, daß das Gericht, bei dem innerhalb der Rechtsmittelfrist ein nicht der gesetzlichen Form entsprechendes Rechtsmittel eingeht, nicht zu außerordentlichen, vom normalen ordnungsmäßigen Geschäftsgang abweichenden Maßnahmen verpflichtet ist, um innerhalb der Rechtsmittelfrist den Eingang eines ordnungsmäßigen Rechtsmittels zu gewährleisten. Das ist insbesondere auch im Hinblick auf die vom Antragsteller erwähnte Möglichkeit eines telefonischen Hinweises im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1987, 440/441) ausgesprochen worden.

8

Ebenso wenig kann der Antragsteller etwas daraus für sich herleiten, daß ihm das Amtsgericht im Gegensatz zum Landgericht eine Rechtsmittelbelehrung erteilt hat. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat ausdrücklich entschieden: Hat das Amtsgericht eine gesetzlich nicht vorgeschriebene Rechtsmittelbelehrung erteilt, das Landgericht aber davon abgesehen, so begründet dies bei einem Antragsteller, der seine Belange als Wohnungseigentümer gewandt und mit hinreichenden Sachkenntnissen verfolgt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde nicht, wenn er ein solches Rechtsmittel zwar fristgerecht, aber formungültig eingelegt hat (WE 1992, 52). Dies trifft auf den hier zu beurteilenden Fall zu. Der Antragsteller hat sowohl vor dem Amtsgericht als auch vor dem Landgericht seine Belange selbst wahrgenommen und dabei ersichtlich - wie durch die Zitierung gesetzlicher Vorschriften des WEG zum Ausdruck kommt - sich mit der Sache befaßt und wie jemand geriert, der über hinreichende Sachkenntnis verfügt. Seine Annahme, aufgrund der Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts habe er annehmen können, auch für den Fall eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung des Landgerichts in gleicher Weise durch von ihm selbst unterzeichneten Schriftsatz eine weitere sofortige Beschwerde einlegen zu können, beruht nicht auf unverschuldeter Rechtsunkenntnis. Das Amtsgericht hat in der seinem Beschluß beigefügten Rechtsmittelbelehrung sich ausdrücklich - wie der Sache nach auch selbstverständlich - darauf beschränkt, den Beschwerdeführer über die Möglichkeit der Anrufung des Landgerichts im Wege einer sofortigen Beschwerde zu belehren. Das besagt nichts dafür, welches Rechtsmittel ggf. gegen eine Entscheidung des Landgerichts gegeben und welcher Form und Frist es einzulegen wäre. Es ist schon deshalb nicht ersichtlich, weshalb der Antragsteller durch die Belehrung des amtsgerichtlichen Beschlusses von der oben erwähnten Erkundigungspflicht über Form und Frist von Rechtsmitteln gegen den landgerichtlichen Beschluß enthoben sein könnte. Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob einem Rechtsmittelführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann, wenn zwar der Beschluß erster Instanz, nicht aber die Beschwerdeentscheidung einer Rechtsmittelbelehrung enthalten hat und der Beschwerdeführer aufgrund dessen irrtümlich zu dem Ergebnis gekommen ist, die Beschwerdeentscheidung sei unanfechtbar (so wohl aufgrund eines Mißverständnisses der eben zitierten Entscheidung BayObLG WE 1992, 52, Bärmann/Pick/Merle, a. a. O., § 45 Rn. 54). Der Antragsteller hat nämlich, wie der von ihm selbst unterzeichnete Schriftsatz vom 27. Juli 1998 zeigt, aus dem Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung des Landgerichts nicht etwa den Schluß gezogen, der Beschluß sei unanfechtbar. Er hat sich vielmehr lediglich über die Form des Rechtsmittels geirrt. Insoweit gilt auch hier für ihn der allgemeine Grundsatz, daß, wer ein Rechtsmittel einlegen will, sich nicht auf mangelndes Verschulden berufen kann, wenn er sich nicht über die Form des Rechtsmittels erkundigt hat. Im übrigen muß sich nach Auffassung des Senats auch einem rechtsunkundigen Laien der Gedanke geradezu aufdrängen, daß für die Anrufung eines Oberlandesgerichts durch eine weitere sofortige Beschwerde gegen eine Beschwerdeentscheidung eines Landgerichts andere Maßstäbe gelten könnten als für die Anfechtung einer amtsgerichtlichen Entscheidung. Daß er sich erkundigt und dabei die Auskunft erhalten habe, er könne durch einen von ihm selbst unterzeichneten Schriftsatz weitere sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht einlegen, behauptet der Antragsteller selber nicht. Wenn er sich aber über die Form der Einlegung einer weiteren sofortigen Beschwerde nicht erkundigt hat, ist der dem Antragsteller unterlaufene Formfehler nicht unverschuldet.

9

3.

Den Beschwerdewert hat der Senat kurzerhand und ohne nähere Prüfung auf den vom Landgericht angesetzten und vom Antragsteller auch nicht beanstandeten Wert von 2.000,00 DM festgesetzt. Er hat die Frage nicht problematisiert, ob, was freilich zweifelhaft sein könnte, der Antragsteller durch die Verpflichtung zur Entfernung eines Küchenlüfters überhaupt mindestens in Höhe der Beschwerdesumme von 1.500,00 DM beschwert ist und sein Rechtsmittel auch aus diesem Grunde unzulässig sein könnte.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Von der nach der Rechtsprechung des Senats bei Verwerfung unzulässiger Beschwerden regelmäßig zu treffenden Bestimmung, daß auch außergerichtliche Kosten dem Gegner ganz oder teilweise zu erstatten sind (§ 47 Satz 2 WEG) hat der Senat im vorliegenden Fall keinen Gebrauch gemacht, weil der Beschwerdegegnerin die Einlegung einer weiteren Beschwerde sogleich zusammen mit dem Hinweis des Vorsitzenden vom 24. August 1998 auf den Formmangel bekanntgegeben worden ist, so daß die Beschwerdegegnerin keinen Anlaß hatte, sich vor einer Behebung dieses Formmangels am Verfahren über die weitere Beschwerde zu beteiligen. Tatsächlich hat sie sich auch nicht beteiligt. Aus eben diesem Grund hat der Senat auch davon abgesehen, die Wohnungseigentümer selbst als weitere Beteiligte zu 2 bis 26 am Verfahren über die weitere sofortige Beschwerde zu beteiligen und ihnen die dafür vorgesehenen Abschriften des Schriftsatzes vom 4. September 1998 zuzustellen.

Streitwertbeschluss:

Wert des Beschwerdeverfahrens: 2.000,00 DM.