Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 16.09.1998, Az.: 14 a (6) U 281/96

Ausgleich im Innenverhältnis zwischen Gesamtgläubigern eines Bankguthabens bei portugiesischer Bank; Anwendung portugiesischen Rechts bei Sitz der Hauptverwaltung der Hauptverwaltung einer Bank in Portugal; Güterrechtliche Einschränkungen von Eheleuten in ihren Vertragsbeziehungen zu Banken im Außenverhältnis

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
16.09.1998
Aktenzeichen
14 a (6) U 281/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 30554
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1998:0916.14A6U281.96.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 17.09.1996 - AZ: 3 O 209/95

Der 14 a. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. August 1998
unter Mitwirkung
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 17. September 1996 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 275.000 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Den Parteien wird nachgelassen, Sicherheit durch Vorlage einer unbeschränkten, unbefristeten, unwiderruflichen und selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank, Sparkasse oder Volksbank zu leisten.

Beschwer für den Beklagten: 220.120,05 DM.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Zahlung der Hälfte eines Betrages von 44.482.176,80 Escudos, den der Beklagte von einem gemeinsamen Konto der Parteien in Portugal durch Umbuchung hat abheben lassen.

2

Die Parteien leben seit 1975 in Deutschland und sind portugiesische Staatsangehörige. Sie haben am 7. Februar 1979 die Ehe vor dem portugiesischen Konsulat in Hamburg geschossen. Sie leben seit dem 8. Oktober 1993 getrennt.

3

Während des vorliegenden Rechtsstreits ist die Ehe durch Urteil des Amtsgerichts Cuxhaven vom 31. Oktober 1997 nach portugiesischem Recht geschieden worden (Bl. 238 f d.A.); das Urteil ist rechtkräftig seit dem 10. Februar 1998 (Bl. 266 d.A.).

4

Die Klägerin war in der Zeit vom 1. August 1987 bis zum 31. Dezember 1993 selbständige Gastwirtin. Der arbeitslos gemeldete Beklagte half in der Gastwirtschaft mit. Die aus der gewerblichen Tätigkeit erzielten Überschüsse zahlten die Parteien auf das unter der Konto-Nr. ... bei der Banco Portogues Do Atlantico geführte gemeinsame Konto ein (Kontoblatt Bl. 7 d.A.), auf dem am 28. Oktober 1993 ein Guthaben in Höhe von 46.938.74,10 Port. Escudos war. Mit dem Geld wollten die Parteien ursprünglich den Bau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück der Eltern des Beklagten finanzieren. Zu diesem Zweck erteilten die Parteien dem Onkel des Beklagten, dem Zeugen ... am 7. Juni 1983 eine Vollmacht, die ihm im Namen der Parteien u.a. dazu berechtigte, die Konten der Parteien bei dem vorgenannten Bankinstitut zu bewegen (vgl. Vollmacht vom 7. Juni 1983 Bl. 39 f d.A.; Übersetzung Bl. 41 f. d.A.). Das Bauvorhaben der Parteien konnte 1987 abgeschlossen werden, ohne daß eine Kreditaufnahme oder eine Inanspruchnahme des Kontos erforderlich geworden war.

5

Von dem gemeinsamen Konto der Parteien transferierte der Zeuge ... am 28. Oktober 1993 44.482.176,80 Escudos auf ein anderes Konto in Portugal, auf das die Klägerin - im Gegensatz zum Beklagten - keinen Zugriff mehr hatte (Umbuchungsbeleg Bl. 9 d.A.). Die Klägerin beansprucht die Hälfte des abgehobenen Betrages. Sie forderte den Beklagten mit Schreiben vom 19. Juli 1995 (Bl. 10 d.A.) auf, ihr über den Zahlungsanspruch eine vollstreckbare notarielle Urkunde zu erstellen und bis zum 2. August 1995 zu übersenden bzw. sie zu gleicher Frist klaglos zu stellen. Der Beklagte reagierte darauf nicht.

6

Die Klägerin hat behauptet, der Onkel des Beklagten habe von diesem den Auftrag erhalten, die Umbuchung unter Vorlage der alten und erledigten Vollmacht vorzunehmen. Der Beklagte habe das Geld für sich in Sicherheit gebracht. Zumindest habe er freien Zugriff auf das Geld. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, daß ihr als Mitinhaberin des Kontos zumindest die Hälfte des abgehobenen Betrages in Höhe von 22.241.088,40 Escudos zustehe.

7

Die Klägerin hau beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 160.135,84 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 28. Oktober 1993 zu zahlen,

8

hilfsweise

den Beklagten zu verurteilen, an sie 22.241.088,40 Escudos nebst 4 % Zinsen seit dem 28. Oktober 1993 zu zahlen.

9

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Er hat in erster Instanz behauptet, sein Onkel habe die Abhebung aus freien Stücken vorgenommen, ohne von ihm dazu veranlaßt worden zu sein. Er selbst sei von seinem Onkel genau so hintergangen und bestohlen worden, wie die Klägerin.

11

Das Landgericht hat im Wege der Rechtshilfe den Zeugen ... in Portugal vernehmen lassen (vgl. das Protokoll des Amtsgerichts Ilhavo Bl. 96 ff.; Übersetzung Bl. 102 ff.).

12

Das Landgericht hat sodann den Beklagten auf den Hilfsantrag der Klägerin hin zur Zahlung von 22.241.088,40 Escudos verurteilt mit der Begründung, daß der Beklagte gemäß § 430 BGB verpflichtet sei, der Klägerin insoweit Ausgleich zu gewähren, als er von den von dem gemeinsamen Konto der Parteien bei der Banco Portogues Do Atlantico abgehobenen Betrag mehr als die Hälfte für sich vereinnahmt habe.

13

Mit der Berufung rügt der Beklagte die Anwendung deutschen Rechts. Er meint, daß portugiesisches Recht anwendbar sei. Nach portugiesischem Recht habe der Beklagte als Verfügungsbefugter aber über das gemeinsame Konto verfügen dürfen dürfen. Solange die Ehe bestehe, habe gemäß Artikel 1688, 1689 portugiesisches Zivilgesetzbuch kein Ehegatte das Recht, den anderen Ehegatten gerichtlich auf Zahlung oder Übergabe von Vermögenswerten in Anspruch zu nehmen. Das gelte auch nach einer Trennung. Die Ausgleichung erfolge erst mit Beendigung der ehelichen Vermögensverhältnisse durch Auflösung, Ungültigkeitserklärung oder Aufhebung der Ehe. Der Beklagte räumt in der Berufungsinstanz ein, daß sein Onkel auf seine - des Beklagten - Veranlassung gehandelt habe, und behauptet nunmehr, daß er (der Beklagte) das Geld zwischenzeitlich für Vergnügungen und Spielbankbesuche ausgegeben habe.

14

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

16

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht geltend, die Berechtigung der Klagforderung folge auch aus unerlaubter Handlung, und zwar sowohl nach deutschem als auch nach portugiesischem Recht.

17

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluß vom 26. November 1997 (Bl. 245/246 d.A.); hierauf wird verwiesen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten von Prof. ... vom 4. Mai 1998 (Bl. 269-286 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.

19

I.

Die Klägerin hat einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 22.241.088,40 Escudos aus Art. 533 des portugiesischen Zivilgesetzbuches (Gesetzestext S. 12/13 des rechtsvergleichenden Gutachtens, Bl. 280/281 d.A.).

20

1.

Art. 533 des portugiesischen Zivilgesetzbuches (nachfolgend CC abgekürzt) regelt den Ausgleich im Innenverhältnis zwischen Gesamtgläubigern i.S. des Art. 513 des portugiesischen Zivilgesetzbuches (S. 11 unten des Gutachtens, Bl. 280 d.A.). Die formelle Gesamtgläubigerschaft der Parteien für das Guthaben auf dem gemeinsamen "Oder-Konto" bei der portugiesischen Bank ergab sich aus den vertraglichen Beziehungen der Parteien zu dieser Bank, also aus Bankvertragsrecht. Insoweit gilt das Schuldrechtsstatut des Art. 28 EGBGB. Das führt zur Anwendung portugiesischen Rechts. Rechtsprechung und herrschende Meinung knüpfen für Kreditgeschäfte gemäß Art. 28 Abs. 2 EGBGB nämlich an das Recht desjenigen Staates an, in dem die betroffene Bank ihre Haupverwaltung hat (Palandt/Heldrich, 54. Aufl. 1995, Art. 28 EGBGB, Rdnr. 12). Aber selbst wenn man mit von ... (Soergel, BGB, 12. Aufl., Art. 28 EGBGB, Rdnr. 318) auch bei Bankgeschäften auf die Person der Darlehensgeber abstellt, führt dies vorliegend zur Anwendung portugiesischen Rechts. Zwar haben die Parteien nach wie vor ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Sie sind aber andererseits beide portugiesische Staatsangehörige und hatten die hier streitigen Vermögenswerte bewußt zum dauernden Verbleib (und nicht nur aus steuerlichen Gründen) in Portugal angelegt.

21

Materiell-rechtlich ergab sich die - für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche - Mitberechtigung der Klägerin im Innenverhältnis zwischen den Parteien aus dem Ehegüterrecht. Für das Ehegüterrecht gilt aber - von den Parteien auch gar nicht bestritten - unzweifelhaft portugiesisches Recht (vgl. die Ausführungen auf S. 3 unten des Gutachtens, Bl. 271 d.A.).

22

Für die Gesamtgläubigerschaft und die Ausgleichspflicht ist deshalb portugiesisches Recht anzuwenden.

23

Vorsorglich sei aber festgehalten, daß für den Fall der Anwendbarkeit deutschen Rechts das Landgericht der Klage zu Recht aus § 430 BGB stattgegeben hat; insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, wobei ergänzend darauf hinzuweisen ist, daß die Ausgleichspflicht aus § 430 BGB auch für die noch intakte Ehe gilt (Palandt/Heinrichs a.a.O., § 430 Rdnr. 2.).

24

2.

Die Voraussetzungen des Art. 533 CC sind in Höhe der Klagforderung (Hälfte des durch Umbuchung abgehobenen Betrages vom gemeinsamen Konto) erfüllt.

25

a)

Bezüglich des Guthabens auf dem sogenannten Oder-Konto (portugiesisch "OU", siehe Kontoblatt Bl. 7 d.A.) bei der Banco Portugues do Atlantico waren die Parteien Gesamtgläubiger, d.h. im Verhältnis der Bank zu den Parteien war jede der Parteien berechtigt, über das Guthaben auf dem Konto allein zu verfügen mit der Folge einer Schuldbefreiung seitens der Bank. Insoweit trifft die Auffassung des Beklagten zu, er sei zu der beanstandeten Umbuchung berechtigt gewesen. Im übrigen sieht auch das Ehegüterrecht vor, daß Eheleute in ihren Vertragsbeziehungen zu Banken (im Außenverhältnis) keinerlei güterrechtlichen Einschränkungen unterliegen (Art. 1680 CC, Gesetzestext Bl. 308 d.A.).

26

b)

Durch diese Verfügung zu seinen Gunsten hat der Beklagte bezüglich des abgehobenen bzw. umgebuchten Betrages mehr erlangt, als ihm im Innenverhältnis zwischen den Parteien zustand, so daß auch die weiteren Voraussetzungen des Art. 533 CC erfüllt sind mit der Folge einer Ausgleichspflicht des Beklagten.

27

Das Guthaben auf dem gemeinsamen Konto war nämlich Bestandteil des Gesamtgutes der Eheleute, an dem gemäß Art. 1730 Abs. 1 CC (Gesetzestext Bl. 312 d.A. aus der Sammlung Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Loseblattsammlung, Bd. IX) die Parteien je zur Hälfte beteiligt waren.

28

Das Ehegüterrecht zwischen den Parteien unterliegt unbestritten dem portugiesischem Recht (s.o.). Da die Parteien keinen besonderen Güterstand vereinbart hatten, unterlägen sie gemäß Art. 1717 CC (Gesetzestext Bl. 311 d.A.) dem gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft nach Art. 1721 f CC. Nach Art. 1724 CC (Gesetzestext Bl. 312 d.A.) fallen in das Gesamtgut als Teil der Errungenschaftsgemeinschaft sowohl der Erlös der Arbeit der Ehegatten als auch das von den Ehegatten während des Bestehens der Ehe erworbene Vermögen, das nicht vom Gesetz ausgenommen ist. Beide Alternativen sind vorliegend erfüllt. Der Beklagte nimmt auch nicht mehr in Abrede, daß das Guthaben auf dem gemeinsamen Konto Teil des Gesamtgutes war.

29

c)

Der mithin in seinen Voraussetzungen erfüllte Ausgleichsanspruch der Klägerin aus Art. 533 CC ist auch zur Zahlung fällig.

30

Der Beklagte beruft sich zu Unrecht auf die Vorschriften der Art. 1688 und 1689 CC (Gesetzestext Bl. 310 d.A.). Das Urteil des Amtsgerichts Cuxhaven, das die Scheidung der Parteien nach portugiesischem Recht ausgesprochen hat, ist nach deutschem Recht seit dem 10. Februar 1998 rechtskräftig. Nun hat allerdings der Beklagte persönlich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 26. August 1998 erklärt, die Parteien seien nach portugiesischem Recht noch nicht wirksam geschieden (ohne daß der Beklagte diese Auffassung erläutern konnte). Der Hinweis des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat beruht wahrscheinlich darauf, daß ausländische Entscheidungen in Portugal erst dann Rechtskraftwirkungen entfalten können, wenn sie von einem dafür zuständigen portugiesischen Gericht überprüft und bestätigt worden sind (Bergmann/Ferid/Hörster, a.a.O., Portugal, 74. Lieferung 1982, S. 16/17). Es mag sein, daß dieses Überprüfungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Gleichwohl ist der Ausgleichsanspruch der Klägerin fällig. Denn die Regelung des Art. 533 CC geht den Vorschriften der Art. 1688, 1689 CC vor, wie der Gutachter Prof. ... auf S. 13 unten/14 des Gutachtens (Bl. 281/282 d.A.) ausgeführt hat. Der Senat tritt dieser Auffassung des Gutachters bei. Zum einen deckt sie sich mit der deutschen Rechtsprechung zu § 430 BGB (der Ausgleichsanspruch aus § 430 BGB gilt auch bei intakter Ehe, s.o.); zum anderen stand und steht dem Beklagten auch während der Ehe kein alleiniges Verwaltungsrecht für die auf dem gemeinsamen Konto der Parteien angelegt gewesenen Teile des Gesamtgutes zu; denn die Voraussetzungen der Art. 1678 Abs. 1, Abs. 2 a bis g und Abs. 3 und Art. 1679 CC (Gesetzestexte Bl. 308 d.A.) waren und sind nicht erfüllt.

31

Da der Ausgleichsanspruch mithin schon bei noch bestehender Ehe zur Zahlung fällig war, sind auch die vom Landgericht unter Berücksichtigung des vorgerichtlichen Schreibens der Klägerin vom 19. Juli 1995 zuerkannten Verzugszinsen begründet.

32

II.

Nach alledem kann offen bleiben, ob die Klagforderung auch aus unerlaubter Handlung begründet ist (sei es nach portugiesischem oder deutschem Deliktsrecht).

33

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO; die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 108 546 ZPO.

34

IV.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird gemäß § 15 GKG auf 220.120,05 DM festgesetzt (Eingang der Berufung am 21. Oktober 1996; Mittelkurs von 100 ESC im Oktober 1986 ausweislich des Monatsberichts der Deutschen Bundesbank von November 1996 (dort S. 76): 0,9897 DM).

Streitwertbeschluss:

Beschwer für den Beklagten: 220.120,05 DM.