Landgericht Hannover
Beschl. v. 23.10.1978, Az.: 9 T 233/75

Internationale Zuständigkeit für die Feststellung des Familiennamens und des Personenstands eines Kindes; Anwendbarkeit des Heimatrechts des Ehemannes zur Zeit der Geburt des Kindes für die Beurteilung der Ehelichkeit und des Namens ; Spanisches Registerrecht als ein zum Teil eigens vereinfachtes und kostensparendes Verfahren ; Vereinfachte Feststellung der Abstammung vom nichtehelichen Vater und zur Namensänderung des betroffenen Kindes ; Verstoß gegen den inländischen ordre public; Anerkennung des Verlustes des Namens auf Grund eines spanischen Registerverfahrens durch deutsche Gerichte

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
23.10.1978
Aktenzeichen
9 T 233/75
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1978, 12951
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:1978:1023.9T233.75.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 17.07.1975 - AZ: 85 III 91/74
nachfolgend
LG Hannover - 29.12.1978 - AZ: 9 T 233/75

Fundstelle

  • IPRspr 1978, 193

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    International zuständig für die Feststellung des Personenstands und daraus folgend des Namens sind die Gerichte des Staates, dessen Recht für die eheliche bzw. nichteheliche Kindschaft maßgeblich ist.

  2. 2.

    Die Kammer hat keine Bedenken, den Verlust des Namens aufgrund eines Register Verfahrens anzuerkennen. Diese spanische Registergesetzgebung und Rechtsprechung trägt den offensichtlichen gesellschaftlichen Beziehungen und der biologischen Wirklichkeit Rechnung. Gleichzeitig ist das nichteheliche Kind Dritten gegenüber durch namensrechtliche Regelung vor der Aufdeckung der nichtehelichen Abstammung geschützt, wobei darüber hinaus die nach romanischem Recht verschiedenen Arten nichtehelicher Kindschaft überwunden werden.

In der Personenstandssache
hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die Beschwerde ... und ... des ... vom 22. Oktober 1975
gegen den Beschluß des Amtsgerichts Hannover vom 17.7.1975,
am 23. Oktober 1978
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...,
den Richter am Landgericht ... und
der Richterin am Landgericht ...
beschlossen:

Tenor:

Der Beschluß des Amtsgerichts Hannover vom 17. Juli 1975 - 85 III 91/74 - wird abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Der Standesbeamte wird angewiesen, das Geburtenbuch Nr. 31/72 des Standesamtes Hannover wie folgt zu berichtigen:

Die Arbeiterin ..., römisch-katholisch spanische Staatsangehörige, wohnhaft in ..., Kreis ..., hat am 17. August 1971 um 17.19 Uhr in ..., einen Knaben geboren. Das Kind hat die Vornamen ... nicht erhalten.

Sein Identifikationsname ist ... Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Am 17. August 1971 hat die im Kreis ... wohnhafte spanische Staatsangehörige ... (römisch-katholisch) in Hannover einen Knaben mit dem Vornamen ... geboren. Die Mutter hatte am 7.3.1955 in ... den (damals) spanischen Staatsangehörigen ... geheiratet, von dem sie aber seit 1962 getrennt lebt und den sie 1965 zum letzten Mal gesehen hat. ... lebte 1971 bereits in ..., wohin er 1970 ausgewandert ist.

2

In einem Privatbrief vom 5.12.1971 an das spanische Generalkonsulat in ... sowie in einer eidesstattlichen Versicherung, die am 23.6.1972 vor einem Notar in ... abgegeben wurde, hat ... sich als spanischer Staatsbürger ausgegeben. Eine Auskunft, die der deutsche Konsul in Winnipeg bei der ... der kanadischen Regierung in ... eingeholt hat, hat ergeben, daß für ... kein Certificate of Canadian Citizenship or Naturalisation erteilt worden ist und auch ein entsprechender Antrag nicht registriert war. Bei der Einbürgerung erhält jeder eingebürgerte Kanadier ein derartiges Dokument. ... hat in dem erwähnten Privatbrief auch behauptet, ein Gericht in ... habe die eheliche Trennung ausgesprochen; überdies sei er in Kanada geschieden worden. Das spanische Generalkonsulat in Hannover hat ermittelt, daß am 19.1.1965 bei dem Gericht erster Instanz Nr. 10 in Madrid ein Antrag auf vorläufige eheliche Trennung gestellt und gemäß Art. 68 span. Codigo civil bewilligt wurde. Eine entsprechende Trennungsklage, wurde jedoch nachfolgend nicht erhoben.

3

Der Standesbeamte in Hannover hat das Kind am 3.1.1972 als eheliches Kind von ... und ... ins Geburtenregister eingetragen. In das Geburtenregister des konsularischen Standesamtes des spanischen Generalkonsulats ... wurde das Kind mit dem Namen ... eingetragen. Die Mutter des Kindes lebt mit dem ledigen spanischen Staatsangehörigen ... seit mindestens 1969 zusammen. Das Kind stammt von ... ab. ... hat am 3.5.1974 mit Zustimmung der Kindesmutter beim spanischen Generalkonsulat in ... die Durchführung, eines Verwaltungsverfahrens wegen Änderung des Familiennamens des Kindes beantragt. Der spanische Konsul erließ als Richter im Namensänderungsverfahren am 27.9.1974 folgenden, einen Tag später den Interessenten mitgeteilten Beschluß:

  1. a)

    Die Daten der Eintragung der Geburt sind folgendermaßen abzuändern: Erster Nachname "..." anstelle von "..."; zweiter Nachname "...".

  2. b)

    Alle Angaben hinsichtlich des Vaters, der Mutter und der Eheschließung haben zu entfallen.

  3. c)

    In der Eintragung ist zu vermerken, daß der Geborene zum Zwecke der Identifizierung als Namen des Vaters und der Mutter "..." und "..." führt.

  4. d)

    Der Antragsteller ist darauf hinzuweisen, daß es nicht eher möglich ist, die Eintragung der Anerkennung der natürlichen Abstammung des minderjährigen Kindes vorzunehmen, bis der entsprechende Gerichtsbeschluß vorliegt, es sei denn, daß die Anerkennung mittels Testament erfolgt sei.

  5. e)

    Die in Band 16 Seite 95 erfolgte Eintragung der Geburt des Minderjährigen wird aufgrund der Berichtigung der Eintragung annulliert.

4

Am 3. Oktober erfolgte die Annullierung der alten spanischen Geburtseintragung; gleichzeitig wurde die Neueintragung in Band 22, Seite 177 Nr. 89 entsprechend dem Beschluß vorgenommen. Beweisgrundlage für den Beschluß des spanischen Konsuls waren

  1. a)

    die Aussagen von 2 Bekannten der Kindesmutter und des natürlichen Vaters über das ständige Zusammenleben der beiden letztgenannten Personen und die Annahme der Zeugen, das Kind stamme von diesen beiden Personen ab,

  2. b)

    die bereits erwähnte eidesstattliche Versicherung des Segura Fajardo vom 23.6.1972, in der dieser u.a. erklärte, nicht der Vater des Kindes zu sein, da er sich bereits 1962 von der Mutter getrennt und diese 1965 letztmalig gesehen habe.

5

Das spanische Generalkonsulat hat seinen Beschluß vom 27.9.1974 dem Standesamt Hannover "mit der Bitte um weitere Veranlassung" zugeleitet. Der Standesbeamte hat gemäß § 45 II PStG ... das Amtsgericht angerufen, da er die Beischreibung eines Randvermerks im deutschen Geburtenbuch gemäß dem spanischen Beschluß für unzulässig hält. Gegen die diese Auffassung teilende Entscheidung des Amtsgerichts haben Frau ... und ... Herr ... Beschwerde eingelegt.

6

Die Beschwerden der natürlichen Eltern des betroffenen Kindes sind nach §§ 48 Abs. 1 PStG, § 20 FGG zulässig, selbst wenn nach spanischem Recht nach keine familienrechtlichen Beziehungen zu dem Kind bestehen sollten.

7

Denn durch die Umbenennung des Kindes und die Feststellung seiner Nichtehelichkeit wird der Weg unter Umständen frei für eine Anerkennung oder Adoption des Kindes.

8

Die Beschwerde war auch nicht fristgebunden im Sinne des § 49 Abs. 1 Satz 1 PStG, denn durch die angefochtene Verfügung ist der Standesbeamte nicht zur Vornahme einer Amtshandlung angehalten worden.

9

Da die Namensgebung aufgrund eines Beschlusses des als Registerrichters fungierenden spanischen Konsuls erfolgte, liegt hier ein spanisches FGG-Verfahren vor, das die Feststellung des Familiennamens und mithin des Personenstands des Kindes betrat. ... International zuständig für die Feststellung des Personenstands und daraus folgend des Namens sind die Gerichte des Staates, dessen Recht für die eheliche bzw. nichteheliche Kindschaft maßgeblich ist.

10

Wie sich aus dem Rechtsgutachten des Juristischen Seminars der Universität ... vom 6.2.1978 ergibt, ist davon auszugehen, daß auch der Ehemann der Mutter des Kindes zur Zeit der Geburt noch Spanier war.

11

Mithin waren alle fraglichen Beteiligten spanische Staatsangehörige. Deshalb ergibt sich notwendig die Anknüpfung an spanisches Recht. Die Verweisung des deutschen IPR wird von Artikel 9 C.c. (in der 1971 geltenden Fassung) angenommen. Danach ist das Heimatrecht des Ehemannes zur Zeit der Geburt des Kindes für die Beurteilung der Ehelichkeit und auch des Namens maßgebend.

12

Mithin war ein spanisches Gericht zur Feststellung des Personenstandes und ggf. auch nur zu Namensänderung des betroffenen Kindes allein zuständig. Die Änderung des Namens ist aufgrund eines Beschlusses des als Richter erster Instanz fungierenden Konsuls erfolgt. Dieses durchgeführte spanische Verfahren ist von der spanischen Seite als Verwaltungsverfahren zur Änderung des. Familiennamens bezeichnet worden. Ein auch nach dem C.c. vorgesehenes streitiges Verfahren vor den ordentlichen Gerichten zur Feststellung der Nichtehelichkeit des Kindes hat nicht stattgefunden. Nun hat jedoch in Spanien das Registerrecht ein zum Teil eigens vereinfachtes und kostensparendes Verfahren eingeführt, das die Feststellung der Abstammung vom nichtehelichen Vater vereinfacht und zur Namensänderung des betroffenen Kindes führt.

13

Insofern sei auf daß ausführliche und überzeugende Rechtsgutachten verwiesen, das inzwischen in der Zeitschrift. Das Standesamt 1978, Heft 5, S. 120 ff. veröffentlicht worden ist. Der Gutachter qualifiziert dieses Verfahren als FGG-Verfahren. Da mithin eine ausländische gerichtliche Entscheidung vorliegt, sind die deutschen Gerichte an diese Entscheidung gebunden, ohne ihre inhaltliche Richtigkeit überprüfen zu können.

14

Der Kammer verbleibt lediglich die Überprüfung der spanischen internationalen Zuständigkeit, die bereits oben bejaht wurde, und die Frage des. Verstoßes gegen den inländischen ordre public, wobei § 328 ZPO analog herangezogen wird.

15

Die Kammer hat keine Bedenken, den Verlust des Namens aufgrund eines Register Verfahrens anzuerkennen, da diese spanische Registergesetzgebung und Rechtsprechung den offensichtlichen gesellschaftlichen Beziehungen und der biologischen Wirklichkeit Rechnung trägt, und gleichzeitig das nichteheliche Kind Dritten gegenüber durch namensrechtliche Regelung vor der Aufdeckung der nichtehelichen Abstammung schützt, wobei sie darüber hinaus die nach romanischem Recht verschiedenen Arten nichtehelicher Kindschaft überwindet. Dies geschieht durch Zuteilung der Namen der natürlichen Eltern, wobei nach außen der fehlende Äbstammungsstatus nicht mehr in Erscheinung tritt.

16

Die Kammer sieht auch keinen Verstoß gegen den inländischen ordre public darin, daß das betroffene Kind durch die von ... in StA 78/120 als "indirekte" Ehelichkeitsanfechtung namens- und statusmäßig nunmehr wie ein Kind unbekannter Abstammung behandelt wird. Hinsichtlich der väterlichen Abstammung verhält sich das deutsche Recht bei nichtehelichen Kindern ebenfalls so, daß eine Vaterschaftsfeststellung oder -Anerkennung vorliegen muß. In den meisten romanischen Rechten ist auch eine Anerkennung durch die Mutter des Kindes erforderlich, um dem Kinde eine familienrechtliche Abstammung zu gewähren. Das deutsche Recht trägt diesen Verschiedenheiten der nationalen Familienrechte Rechnung, indem es in § 29 b Personenstandsgesetz die Mutterschaftsanerkennung als eintragungsfähig bezeichnet. Da mithin die Namensänderung nicht dem inländischen ordre public widerspricht, war der Standesbeamte anzuweisen, den geänderten Namen des Kindes ... im Geburtenbuch einzutragen. Die Beschwerde hatte jedoch insofern keinen Erfolg, als sie darauf abzielte, die Beischreibung der Mutter in das Geburtenbuch zu verhindern. Denn die Eintragung in deutsche Personenstandsbücher wird nur nach deutschem Personenstandsrecht vorgenommen. § 21 Abs. 1 Nr. 1 Personenstandsgesetz sieht die Eintragung der Mutter in das Geburtenbuch vor. Dabei handelt es sich bei dieser Vorschrift nicht um materielies Familienrecht, sondern um reines Personenstandsrecht. Der Begriff der Mutter ist somit rein tatsächlich zu verstehen. Selbst wenn nach dem anzuwendenden ausländischen Recht familienrechtliche Beziehungen zwischen dem nichtehelichen Kinde und der Mutter nicht geltend gemacht werden können, ist die wirkliche Mutter also in das Geburtenbuch einzutragen. Das Kind darf nach deutschem Recht daher nicht etwa wie ein Findelkind behandelt werden, wenn die nach ausländischem Recht erforderliche Mutterschaftsanerkennung fehlt (vgl. hierzu Maßfeller-Hoffmann, Personenstandsgesetz § 29 b RdNr. 38, 39 m.w.N.).

17

Im Geburtenbuch ist daher der Name der Mutter einzutragen, wobei wegen des fehlenden tatsächlichen Personenstandsbesitzes eines ehelichen Kindes ein Hinweis auf die Eheschließung der Mutter ohne Belang ist und daher zu unterbleiben hat.

18

Da ausländisches Recht für die Namensgebung maßgebend ist, regelt sich auch nach diesem Recht, ob ein Berichtigungsverfahren nach § 47 Personenstandsgesetz oder ein Verfahren nach § 30 Personenstandsgesetz durchzuführen ist. Die Namensänderung des Kindes ... ist nicht aufgrund eines streitigen gerichtlichen Verfahrens mit dem Ziele der Feststellung der Nichtehelichkeit infolge Anfechtung der Ehelichkeit erfolgt, sondern aufgrund eines Registerverfahrens. Nach dem spanischen Registerrecht war die Eintragung des Kindes ... mit dem Familiennamen Segura Cordero von Anfang an falsch, da das Kind den tatsächlichen Personenstand eines ehelichen Kindesrecht besaß. Die Änderung im spanischen Register ist demnach nach spanischem Recht als echte Berichtigung einer von Anfang an falschen Eintragung anzusehen. Daher ist die Berichtigung im Verfahren nach § 47 Personenstandsgesetz durchzuführen.

19

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 131 Abs. 1 und 5 Kostenordnung, 13 a FGG.

20

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 KO.