Landgericht Oldenburg
Beschl. v. 08.08.2007, Az.: 1 Qs 338/07
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 08.08.2007
- Aktenzeichen
- 1 Qs 338/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 61002
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:2007:0808.1QS338.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Brake - 28.06.2007 - AZ: 2 Gs 146/07
Tenor:
Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird der Beschluss des Amtsgerichts Brake vom 28. Juni 2007 (Az.: 2 Gs 146/07 ), durch den das Amtsgericht dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen hat, aufgehoben.
Gründe
Nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis hat der Beschuldigte am Abend des 9. Juni 2007 in alkoholisiertem Zustand sein Motorboot auf der Unterweser geführt und ist dabei mit einem fremden Boot kollidiert. Anhand der Blutprobe, die dem Beschuldigten am 10. Juni 2007 um 00.48 Uhr entnommen worden ist, haben die medizinischen Gutachter eine Blutalkoholkonzentration in Höhe von 1,48 ‰ (Mittelwert) festgestellt. Vor diesem Hintergrund hat das Amtsgericht Brake dem Beschuldigten durch Beschluss vom 28. Juni 2007 die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen. Dagegen wendet sich der Beschuldigte mit seiner Beschwerde vom 9. Juli 2007, die er unter dem 3. August 2007 näher begründet hat. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.
Das zulässige Rechtsmittel erscheint in der Sache begründet. Aus Sicht der Kammer liegen keine dringenden Gründe für die Annahme vor, dass dem Beschuldigten in dem zu erwartenden Urteil die Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB entzogen werden wird.
Nach ganz vorherrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur gilt für den Begriff des Kraftfahrzeugs im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB die verkehrsrechtliche Definition des § 1 Abs. 2 StVG, so dass nur Landfahrzeuge erfasst werden, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein (vgl. etwa BayObLG, MDR 1993, S. 1100, 1101; OLG Oldenburg, NJW 1969, S. 199 (zu § 42 m StGB a.F., dem Vorläufer des § 69 StGB); Athing, in: Münchener Kommentar, StGB, § 69, Rn. 30; Geppert, in: Leipziger Kommentar, StGB, 11. Aufl., § 69, Rn. 22; Hentschel, NZV 1993, S. 84; Lackner/Kühl, StGB, 26. Aufl., § 69, Rn. 3 i.V.m. § 44, Rn. 3; Stree, in: Schönke/Schröder, § 69, Rn. 11, jeweil m.w.N.). Boote fallen danach, soweit es § 69 StGB betrifft; generell nicht unter das Merkmal "Kraftfahrzeug".
Von dieser vorherrschenden Meinung abzurücken, hält die Kammer nicht für geboten. Den vereinzelten Gegenstimmen ( LG Kiel, NStZ-RR 2007, S. 59; LG München, NZV 1993, S. 83) ist zuzugeben, dass sich die Begriffsbestimmung in § 1 Abs. 2 StVG zunächst nur auf Kraftfahrzeuge "im Sinne dieses Gesetzes" bezieht. Aber auch die weiter gefasste Legaldefinition in § 248b Abs. 4 StGB gilt unmittelbar nur bei Anwendung "dieser Vorschrift". Wie die zwei unterschiedlichen Ansätze zeigen, lässt das Merkmal "Kraftfahrzeug" mehrere Interpretationen zu. Da § 69 StGB keine ausdrückliche Festlegung enthält, ist die Entstehungsgeschichte in den Blick zu nehmen, die wiederum Aufschluss über den Sinn und Zweck des § 69 StGB gibt. Die Norm wurde durch das Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 19. Dezember 1952 als § 42 m in das Strafgesetzbuch eingefügt. Das Gesetz bezweckte eine weitere Sicherung des Straßenverkehrs vor ungeeigneten Kraftfahrern, indem die früher allein der Verwaltungsbehörde zustehende Befugnis der Entziehung von Fahrerlaubnissen unter bestimmten Voraussetzungen auf den Strafrichter übertragen wurde. Die nachfolgenden Änderungen des § 42 m StGB a.F. betrafen nicht den Begriff des Kraftfahrzeugs, so dass dieser nach Überführung der Norm in § 69 StGB keine grundlegende Inhaltsänderung erfahren hat (vgl. BayObLG, MDR 1993, S. 1100, 11001 m.w.N.). Aus dem Schutzzweck folgt, dass Kraftfahrzeuge im Sinne des § 69 StGB einen Bezug zum Straßenverkehr aufweisen müssen. Eine Straftat im Zusammenhang mit dem Schiffsverkehr, wie sie hier vorliegt, scheidet daher als Anlasstat im Sinne des § 69 StGB aus (Hentschel, NZV 1993, S. 84).
Zu einem anderen Verständnis zwingt auch nicht der Umstand, dass § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB ausdrücklich auf die Strafvorschrift des § 316 StGB verweist, die das Führen von Motorschiffen im fahruntüchtigen Zustand mit erfasst (zu diesem Argument LG Kiel, NStZ-RR, S. 59). Die weiteren Delikte aus dem Katalog des § 69 Abs. 2 StGB legen eher die restriktive Interpretation der vorherrschenden Meinung nahe. So nennt § 69 Abs. 2 StGB zwar das Vergehen der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB), aber gerade nicht das Pendant zum Schutz des Bahn-, Schiffs- und Luftverkehrs (§ 315a StGB).
Da der Beschuldigte einer Trunkenheitsfahrt mit einem Motorboot dringend verdächtig ist und es somit an dem erforderlichen Bezug zum Straßenverkehr fehlt, kommt sein Verhalten nicht als Anlasstat im Sinne des § 69 StGB in Betracht. Schon deshalb erscheint die in § 111a Abs. 1 Satz 1 StPO verlangte Prognose, dass die Fahrerlaubnis entzogen werden wird, nicht möglich. Dementsprechend war nicht abschließend darüber zu befinden, ob in der Trunkenheitsfahrt des Beschuldigten charakterliche Mängel zum Ausdruck kommen, die ihn auch als Führer eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr als gefährlich und damit ungeeignet erscheinen lassen. Eine solche Würdigung hat gegebenenfalls die Verwaltungsbehörde vorzunehmen, sofern sie es für geboten hält, ein Entziehungsverfahren auf der Grundlage des § 3 StVG durchzuführen.