Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 12.12.2001, Az.: 11 A 4238/00
Anspruch auf Einbürgerung trotz Wohngeldbezug; Begriff des "zu Ernähren imstande sein"
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 12.12.2001
- Aktenzeichen
- 11 A 4238/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 25217
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2001:1212.11A4238.00.0A
Rechtsgrundlage
- § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG
Verfahrensgegenstand
Einbürgerung
Prozessführer
Frau M.
Rechtsanwalt Lindner,
Kirchstraße 4, 26169 Friesoythe
Prozessgegner
Bezirksregierung Weser-Ems,
Theodor-Tantzen-Platz 8, 26122 Oldenburg, - ... -
In dem Verwaltungsstreit
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 11. Kammer -
ohne mündliche Verhandlung
am 12. Dezember 2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht ...,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. ...,
den Richter am Verwaltungsgericht ..., sowie
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Wohngeldbezug einer Einbürgerung der Klägerin entgegensteht.
Die Klägerin ist russische Staatsangehörige und reiste am 16. Januar 1995 in Begleitung ihres Ehemannes, einem Abkömmling eines Spätaussiedlers, in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ihr Ehemann wurde am 11. Dezember 1998 eingebürgert. Sie selbst erhielt vom Landkreis Cloppenburg eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die mehrfach verlängert wurde. Die Klägerin ist Hausfrau und Mutter von drei minderjährigen Kindern. Die Familie lebt vom Einkommen ihres Ehemanns als Schlosser, bezieht Kindergeld und Wohngeld (ab Mai 2001 i. H. v. 177,98 DM monatlich, zuvor i. H. v. 201,00 DM bzw. vor dem 1. Juni 2000 i. H. v. 324,00 DM monatlich).
Unter dem 2./20. Dezember 1998 beantragte die Klägerin ihre Einbürgerung bei der Beklagten. Diese lehnte ihren Antrag nach Anhörung durch Bescheid vom 20. Juli 2000 ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Klägerin könne nicht gemäß §§ 8, 9 StAG eingebürgert werden, weil sie und ihre Familie Wohngeldleistungen bezögen. Entgegen dem Erfordernis in § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG sei die Klägerin derzeit nicht imstande, sich nachhaltig auf Dauer aus eigenen Kräften und Mitteln zu unterhalten, ohne auf einen Anspruch auf Unterhalt aus öffentlichen Mitteln angewiesen zu sein. Das Wohngeld sei eine mit der Sozialhilfe, die die Einbürgerung zwingend ausschließe, zweckidentische Leistung. Nach Nr. 8.1.1.4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht (StAR-VwV) sei allerdings bei Wohngeldbezug eine Prognoseentscheidung dahingehend erforderlich, ob die Klägerin künftig in der Lage sein werde, sich ohne den Bezug solcher Leistungen aus eigenen Kräften zu unterhalten. Hierbei sei unter Berücksichtigung der geltend gemachten Umstände nicht anzunehmen, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Familie der Klägerin in naher Zukunft wesentlich ändern und diese ohne Wohngeldbezug auskommen könnte. Auch ein Verzicht auf die Inanspruchnahme des Wohngeldes würde zu keinem anderen Ergebnis führen, da der mögliche Anspruch auf öffentliche Mittel bereits ausreiche, um den Einbürgerungsantrag abzulehnen. Die Entscheidungüber den Einbürgerungsantrag sei auch nicht zurückzustellen, weil eine Einbürgerung der Klägerin nach § 85 AuslG frühestens im Januar 2003 in Frage komme.
Am 16. August 2000 legte die Klägerin Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, sie verfügeüber ein überdurchschnittliches Familieneinkommen, das im Monat Juni 4.008,00 DM betragen habe. Damit sei sie in der Lage, sich ohne staatliche Mittel im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 4 RuStAG zu ernähren. Bei sachgemäßer Auslegung dieser Vorschrift stehe lediglich der Bezug von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe) einer Einbürgerung entgegen. Wohngeld und Sozialhilfe seien keine zweckidentischen Mittel.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch am 19. Oktober 2000 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2000 unter Wiederholung und Vertiefung der Begründung des Ausgangsbescheides zurück. Ergänzend führte sie aus, auch der Wohngeldbezug lasse darauf schließen, dass der Einbürgerungsbewerber nicht in der Lage sei, eigenständig seinen Unterhalt zu sichern. Wohngeld werde nicht zu dessen "eigenen Mitteln" gerechnet, sondern stelle eine gezielte staatliche Leistung dar, die der Einzelne wegen seiner wirtschaftlichen Lage zur Sicherung eines angemessenen und familiengerechten Wohnens erhalte. Die gemeinsame Zweckbestimmung von Sozialhilfe und Wohngeld werde auch an der Zusammenführung beider Gesetze in dem Sozialgesetzbuch deutlich. Die von der Klägerin zitierte gegenteilige Verfassungsrechtsprechung beziehe sich auf eine Vorschrift des Wohngeldgesetzes, die nicht mehr gültig sei. Diese Auffassung werde durch die Rechtsprechung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beim Familiennachzug von Ausländern bestätigt, die nur unter entsprechenden Voraussetzungen möglich sei. Anders als beim Sozialhilfebezug führe der Wohngeldbezug nicht automatisch zur Ablehnung eines Einbürgerungsantrags, sondern nur dann, wenn aufgrund einer Prognose anzunehmen sei, dass der Einbürgerungsbewerber künftig nicht in der Lage sein werde, den Lebensunterhalt ohne in Anspruchnahme dieser Mittel zu bestreiten. Eine solche negative Prognose sei nach wie vor zu treffen. Die vorgelegte Verdienstbescheinigung vom Monat Juni 2000 sei nicht repräsentativ, weil sie das jährliche Urlaubsgeld enthalte. Bei dem zu berücksichtigenden Jahreseinkommen ergebe sich nach wie vor ein monatlicher Wohngeldanspruch in Höhe von 201,00 DM.
Die Klägerin hat am 17. November 2000 Klage erhoben, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens ihr Begehren weiter verfolgt. Ergänzend trägt sie vor, die restriktive Auslegung des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG laufe dem Gesetzeswortlaut zuwider, der keinerlei Aussage zum Wohngeldbezug treffe. Sie sei auch mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Artikel 6 GG nicht vereinbar. Die Verengung des Anwendungsbereichs der gesetzlichen Vorschrift über die angewendete Verwaltungsvorschrift verstoße gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz. Zumindest hätte - wie in der Vorbemerkung der Verwaltungsvorschriften vorgesehen - das Vorliegen eines besonderen Ausnahmefalls geprüft werden müssen. Ihre Unterhaltsfähigkeit sei anzunehmen, da das tatsächliche Einkommen der Familie einschließlich Kindergeld deutlich über dem sozialhilferechtlichen Regelbedarf liege. Die anzustellende Prognose müsse zu ihren Gunsten ausfallen, da die Höhe des Wohngeldbezugs kontinuierlich sinke.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2000 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie einzubürgern,
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über ihren Einbürgerungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert ergänzend, ein Verstoß gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz bzw. den Parlamentsvorbehalt liege nicht vor, da die einschränkende Voraussetzung bereits in § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG angelegt sei. Das Erfordernis der Unterhaltsfähigkeit werde in rechtlich nicht zu beanstandender Weise durch die Verwaltungsvorschriften ausgeformt, die auf Grundlage der Artikel 84 Abs. 2 und 86 S. 1 GG mit Zustimmung des Bundesrat erlassen und die für die Einbürgerungsbehörden bindend seien. Die von der Klägerin benannte Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 23. Juli 1998 (InfAuslR 1998, 509) stehe ihrer Einschätzung nicht entgegen, da nicht entschieden worden sei, ob Wohngeldbezug als solcher einbürgerungsschädlich wirke. Immerhin sei entschieden worden, dass der Bezug von Arbeitslosenhilfe die Unterhaltsfähigkeit ausschließe, das Anstellen einer Prognose negativ zu bewerten und Wohngeld zweckidentisch mit Sozialhilfe sei. Der von der Klägerin zitierte nordrhein-westfälische Erlass sei in Niedersachsen nicht gültig und ohnehin nach Inkrafttreten der StAR-VwV obsolet. Das geltend gemachte Gesamtnettoeinkommen für das Jahr 2000 (40.189,73 DM) rechtfertige keine andere Prognose, da die Familie der Klägerin gemäß Bescheid des Landkreises Cloppenburg vom 5. Mai 2000 bis April 2001 monatlich 201,00 DM bezogen habe und keine Anhaltspunkte fürÄnderung der wirtschaftlichen Verhältnisse geltend gemacht seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorliegenden Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden durfte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet.
Die Versagung der Einbürgerung der Klägerin in dem Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2000 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2000 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die Klägerin kann weder ihre Einbürgerung noch eine Neubescheidung ihres Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verlangen.
Die Klägerin kann nicht nach §§ 8, 9 StAG eingebürgert werden. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG, der auch bei der Einbürgerung der Ehegatten Deutscher zu beachten ist (§ 9 Abs. 1 StAG), ist eine der Mindestvoraussetzungen für eine Einbürgerung, dass der Ausländer imstande ist, sich und seine Angehörigen am Ort seiner Niederlassung im Inland zu ernähren. Dies ist bei der Klägerin infolge des derzeitigen und weiterhin absehbaren Bezugs von Wohngeld nicht der Fall.
Der Gesetzgeber hat mit der in § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG geforderten Unterhaltsfähigkeit des Ausländers einen unbestimmten Rechtsbegriff geschaffen, welcher durch Auslegung näher zu bestimmen ist. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht (StAR-VwV) vom 13. Dezember 2000 (BAnz. 2001, 1418) kann die gesetzlich geregelten Mindestvoraussetzungen der Einbürgerung nicht mit verbindlicher Wirkung über den innerdienstlichen Bereich hinaus interpretieren (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1999 - 1 C 16.98 - BVerwGE 109, 142, 144). Insbesondere sind Verwaltungsvorschriften keine die Verwaltungsgerichtsbarkeit bindenden Rechtsnormen (vgl. BVerfGE 78, 214, 227; Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1. Auflage 2000, RdNr. 151 ff.) und können deshalb auch nicht unmittelbar gerichtlicher Prüfungsgegenstand sein. Folglich lässt sich nicht bereits aus Nr. 8.1.1.4 letzter Absatz StAR-VwV der Rückschluss ziehen, dass die gesetzlich geforderte Unterhaltsfähigkeit durch Wohngeldbezug grundsätzlich ausgeschlossen ist. Diese - soweit ersichtlich - gerichtlich noch nicht geklärte Frage ist vielmehr nach allgemeinen Auslegungsprinzipien zu bestimmen; der Fassung der Verwaltungsvorschriften kommt allenfalls Indizwirkung zu. Danach ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass die geforderte Unterhaltsfähigkeit auch im Falle von Wohngeldbezug nicht gegeben ist.
Der Wortlaut von § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG ("...zu ernähren imstande") lässt die gefundene Auslegung entgegen der Auffassung der Klägerin zu. Ernähren bedeutet nach dem seit langem im Gesetz befindlichen Begriff das Befriedigen von Grundbedürfnissen. Dazu gehört auch das Vorhalten einer Wohnung. ImÜbrigen wird auch die Befriedigung von anderen Grundbedürfnissen durchaus durch den Wohngeldbezug beeinträchtigt. Wenn die Klägerin nämlich kein Wohngeld bekäme, müsste sie bei anderen Grundbedürfnissen und damit etwa auch bei den Lebensmitteln sparen.
Maßgeblich sind insbesondere Sinn und Zweck der gesetzlich geforderten Unterhaltsfähigkeit. Nach ständiger Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 22. Juni 1999, a.a.O., 143 m.w.N.; Urteil vom 27. Februar 1958 - I C 99.56 - BVerwGE 6, 207, 208) hat die inhaltsgleich gefasste Vorläufervorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 4 RuStAG nicht nur den Zweck, den deutschen Staat von finanziellen Lasten, die durch die Einbürgerung eines Ausländers entstehen könnten, freizuhalten, sondern darüber hinaus auch, dass die Einbürgerungsbewerber gewisse positive Voraussetzungen für ihre wirtschaftliche Integration erfüllen müssen. Die Voraussetzung des§ 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG ist nur dann gegeben, wenn der Ausländer nachhaltig imstande ist, sich auf Dauer am Orte seiner Niederlassung aus eigener Kraft zu ernähren (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1958, a.a.O., 209). Ein Ausländer, der vonöffentlicher Fürsorge lebt, erfüllt die sogenannte Unterhaltsfähigkeit nicht (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1999, a.a.O., 143). Unter dem Begriff der öffentlichen Fürsorge fallen nach gefestigter Rechtssprechung nicht nur klassische Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG), sondern auch fürsorgeähnliche Leistungen wie etwa Arbeitslosenhilfe (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1999, a.a.O., 143; Beschluss vom 5. Mai 1997 - 1 B 94.97 - DÖV. 1997, 836; VGH BW, Urteil vom 23. Juli 1998 - 13 S 2212/96 - InfAuslR 1998, 509, zur Arbeitslosenhilfe, wobei über die Einbürgerungsschädlichkeit von Wohngeldbezug nicht entschieden wurde).
An dem weiten Verständnis öffentlicher Fürsorgeleistungen hat die obergerichtliche Rechtssprechung trotz erheblicher Kritik aus der Literatur festgehalten. Angesichts der Tatsache, dass der Gesetzgeber trotz wiederholter Änderungen des Staatsangehörigkeitsrechts auch in neuerer Zeit die Bestimmung in§ 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG gerade nicht verändert hat, verbietet sich etwa eine Auslegung, die Sozialhilfeansprüche als Grundlage des Lebensunterhalts ausreichen lässt (BVerwG, Beschluss vom 5. Mai 1997 - 1 B 94.97 - DÖV 1997, 836 m.w.N.). Auch durch die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahre 1999 ist § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG nicht eingegrenzt oder in irgendeiner Form verändert worden, obwohl ein damaliger Gesetzentwurf der SPD/Fraktion noch folgenden Wortlauf für die Vorschrift vorsah: "...ohne von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe abhängig zu sein" (vgl. BT - Drucksache 14/533). Da sich dieser Vorschlag - anders als in § 85 Abs. 1 Nr. 3 und Satz 2 AuslG - im geltenden Gesetz nicht wiederfindet, ist auch nach dem Willen des Gesetzgebers von einem weiten Verständnisöffentlicher Fürsorgeleistungen auszugehen, die einer Einbürgerung entgegenstehen können. Ein entsprechender Wille des Gesetzgebers wird auch dadurch belegt, dass er in § 85 Abs. 1 und 3 AuslG geregelt hat, unter welchen Voraussetzungen die Inanspruchnahme von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe einer Einbürgerung nicht entgegensteht (vgl. zur Problematik: Hailbronner, in: Hailbronner/Renner/Kreutzer, Staatsangehörigkeitsrecht, 3. Auflage 2001,§ 8 StAG RdNr. 41). Der Umstand, dass die dortige Relativierung des Bezugs von Sozial- und Arbeitslosenhilfe als Ausschlussgrund für eine Einbürgerung mit bestimmten Wartezeiten verbunden ist, lässt den Schluss zu, dass an die Einbürgerungsvorschriften ohne Wartezeiten (nach wie vor) erhöhte Anforderungen zu stellen sind. Als Indiz kann auch die Fassung von Nr. 8.1.1.4 der StAR-VwV herangezogen werden, die vom Bundesinnenministerium nach § 39 S. 1 StAG i.V.m. Artikel 84 Abs. 2 und Artikel 86 Abs. 1 GG immerhin mit Zustimmung des Bundesrats erlassen worden sind. Die dort im letzten Absatz geforderte Prognoseentscheidung ergibt nur einen Sinn, wenn der Wohngeldbezug grundsätzlich der Annahme der Unterhaltsfähigkeit entgegensteht.
Vor diesem Hintergrund schließt auch der Bezug von Wohngeld die Annahme der Unterhaltsfähigkeit im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG aus. Wohngeld ist - ähnlich wie Sozialhilfe - eine staatliche Leistung, die gewährt wird, wenn das Familieneinkommen unter Berücksichtigung der Haushaltszugehörigen bestimmte Höchstgrenzen nicht erreicht, um dem Wohnungsinhaber zur Vermeidung sozialer Härten durch Zuschüsse zu den Wohnraumaufwendungen ein Mindestmaß an Wohnraum wirtschaftlich zu sichern (vgl. § 1 Wohngeldgesetz; Schoch, Sozialhilfe, 3. Auflage 2001, Seite 75 f.) Wohngeld wird demnach ebenso wie die Sozialhilfe nach individuellen, einkommensabhängigen Bedingungen gewährt und ist daher eine mit der Sozialhilfe zweckidentische Leistung, die bei Berechnung der Unterhaltsfähigkeit nicht dem Familieneinkommen zugerechnet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1974 - V C 46.73 - BVerwGE 45, 157 zu § 77 BSHG; VGH BW, Urteil vom 23. Juli 1998 - 13 S 2212/96 - InfAuslR 1998, 509, 511; Hailbronner, a.a.O., § 8 RdNr. 37). Es unterscheidet sich wesentlich von dem Erhalt von Kindergeld, das einkommensunabhängig gewährt wird. Wohngeld stellt auch keine Versicherungsleistung da, die (wenigstens teilweise) auf Leistungen oder erworbenen Rechtspositionen des Anspruchsberechtigten beruht, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt keine andere Einordnung geboten ist. Insoweit ist - unabhängig von der fehlenden Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften - unschädlich, dass in Nr. 8.1.1.4 StAR-VwV das Wohngeld in unmittelbarem Zusammenhang mit bestimmten Versicherungsleistungen erwähnt wird.
Eine andere Auslegung ist auch im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie in Artikel 6 Abs. 1 und 2 GG nicht geboten. Artikel 6 Abs. 1 GG, nach dem Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen, gewährleistet ausländischen Ehegatten Deutscher keinen grundrechtlichen Anspruch auf Einbürgerung. Das Schutz- und Förderungsgebot des Artikel 6 GG wirkt zwar dahin, dass eine einheitliche deutsche Staatsangehörigkeit der im Bundesgebiet lebenden Familie wünschenswert ist, verpflichtet aber nicht, ihr unter allen Umständen Geltung zu verschaffen. Es belässt dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum, innerhalb dessen er öffentliche Interessen, die von einer Einbürgerung berührt werden, angemessen berücksichtigen darf, selbst wenn ihnen Verfassungsrang nicht zukommt (vgl. BVerfG, Urteil vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 101/84 - BVerfGE 76, 1, 53; BVerwG, Urteil vom 27. September 1988 - 1 C 20/88 - InfAuslR 1989, 91; Urteil vom 31. März 1987 - 1 C 29.84 - BVerwGE 77, 164, 173). Hiervon ausgehend ist weder zu beanstanden, dass der Gesetzgeber in § 9 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG die Unterhaltsfähigkeit als Voraussetzung für die Einbürgerung von Ehegatten Deutscher vorsieht, noch ist geboten, die der Unterhaltsfähigkeit entgegenstehenden Fürsorgeleistungen eng zu fassen und den Wohngeldbezug hiervon auszunehmen. Denn das legitime Interesse des Staates daran, dass Einbürgerungsbewerber umfassend in der Lage sind sich ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu ernähren, bevor sie in den deutschen Staatsverband eingebürgert werden, ist als gewichtig anzusehen. Dies ergibt sich - nicht zuletzt unter Berücksichtigung der stark belasteten öffentlichen Haushalte - aus der nicht unwesentlichen Höhe und Dauer von Wohngeldleistungen. Durch die strengen Anforderungen wird ein Anreiz für den Einbürgerungsbewerber geschaffen, alle ihm möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um aus eigener Kraft dauerhaft ohne öffentliche Sozialleistungen auszukommen. Demgegenüber treten die (im Wesentlichen immateriellen) Interessen der Einbürgerungsbewerber an Einbürgerung und einer einheitlichen innerfamiliären Staatsangehörigkeit zurück. Insoweit ergeben sich auch im Hinblick auf die erleichterten Einbürgerungsmöglichkeiten gemäß §§ 85, 86 AuslG nach Ablauf bestimmter Wartezeiten keine unzumutbaren Nachteile für die Betroffenen.
Ausgehend von dem so verstandenen Erfordernis der Unterhaltsfähigkeit erfüllt die Klägerin nicht die Mindestvoraussetzungen für eine Einbürgerung, weil sie zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gemeinsam mit ihren Familienangehörigen Wohngeld bezieht. In Anlehnung an den Gesetzeswortlaut von § 8 Abs. I. Nr. 4 StAG ("sich und seine Angehörigen") und Absatz 1 Satz 1 und 2 der Nr. 8.1.1.4 StAR-VwV kann auf die Situation der Familie abgestellt werden. Nachdem sie in den vergangenen Jahren ein monatliches Wohngeld in Höhe von zunächst 314,00 DM, später 201,00 DM bezogen haben, beziehen sie derzeit entsprechende Wohngeldleistungen i. H. v. 177,98 DM vom Landkreis Cloppenburg. Ob die Unterhaltsfähigkeit auch dann anzunehmen ist, wenn - wie in Nr. 8.1.1.4 StAR-VwV vorgesehen - eine positive Prognose dahingehend getroffen werden kann, dass der Einbürgerungsbewerber künftig in der Lage sein wird, sich ohne Bezug solcher Leistungen aus eigenen Kräften zu unterhalten, erscheint zweifelhaft, braucht hier aber nicht entschieden zu werden. Denn die Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise eine gegenteilige Prognose angestellt. Angesichts aller von der Klägerin dargelegten und sonst bekannt gewordenen Umstände, insbesondere der beruflichen Qualifikation ihres Ehemanns und seiner bisherigen Einkünfte, durfte die Beklagte ohne weiteres davon ausgehen, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse künftig nicht derart ändern, dass sie - auch dauerhaft - ohne Wohngeldbezug auskommt. Zwar ist festzustellen, dass das Familieneinkommen im Jahre 2000 im Vergleich zum Vorjahr leicht angestiegen ist. Dies ist zum einen auf eine geringe Lohnerhöhung des Ehemanns der Klägerin zurückzuführen, aber vor allem auf eine große Anzahl von vergüteten Überstunden. Es ist aber nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass sich die Einkommenssituation grundlegend verändert hätte. Dem entspricht auch, dass sich die Höhe des bezogenen Wohngeldes gegenüber dem Vorjahr leicht reduziert hat, die Familie der Klägerin aber nach wie vor Wohngeld in nicht unwesentlicher Höhe von 177,98 DM pro Monat bezieht.
Die Versagung der Einbürgerung führt auch im Einzelfall der Klägerin nicht zu einem Ergebnis, das mit der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung in Artikel 6 Abs. 1 und 2 GG unvereinbar wäre. Atypische Nachteile durch die (zeitweise) Versagung der Einbürgerung für sich oder ihre Familienangehörigen hat sie nicht geltend gemacht. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass ihr ein Zuwarten bis zum Frühjahr 2003 unzumutbar wäre, ab dem eine Einbürgerung nach dem § 85 AuslG in Betracht kommt, der weniger hohe Voraussetzungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Integration enthält.
Eine andere Einschätzung vermag die Klägerin auch nicht unter Hinweis auf die Vorbemerkung zur StAR-VwV verlangen, wonach in besonders begründeten Ausnahmefällen von dieser allgemeinen Verwaltungsvorschrift abgewichen werden kann. Wie bereits ausgeführt ist die Verwaltungsvorschrift nicht geeignet, über den innerdienstlichen Bereich hinaus gesetzlich geregelte Mindestvoraussetzungen zu interpretieren. Im Übrigen dient die erwähnte Ausnahmemöglichkeit der Einbürgerungsbehörde dazu, in besonders gelagerten Einzelfall von der sie grundsätzlich bindenden Verwaltungsvorschrift abzuweichen. Sie soll als Handreichung bei der Sachbearbeitung dienten, eine einheitliche Gesetzesanwendung sicherstellen und Vorgaben für ggf. eröffnetes Ermessen geben. Die Abweichungsmöglichkeit sichert damit einen grundrechtskonformen und insbesondere verhältnismäßigen Gesetzesvollzug in atypischen Sonderfällen. Eine eigenständige, auch vom Gericht zu berücksichtigende Anspruchsgrundlage wird hiermit nicht eröffnet. Vielmehr war das Gericht gehalten, bei der Anwendung der gesetzlichen Voraussetzungen von § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG etwaige Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dies ist auch in der Weise geschehen, dass das Gericht keine atypischen Umstände im Falle der Klägerin feststellen konnte, nach denen sich die Versagung der Einbürgerung mangels Unterhaltsfähigkeit etwa als unverhältnismäßig darstellen würde.
Der Klägerin steht auch ein Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband nach § 85 Abs. 1 AuslG ersichtlich (noch) nicht zu. Die hierfür erforderliche Voraussetzung eines achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalts im Inland kann die Klägerin frühestens im Januar 2003 erfüllen. Eine Miteinbürgung nach Ermessen gemäß § 85 Abs. 2 AuslG war hier nicht in Betracht zu ziehen, weil die Einbürgerung des Ehemanns nicht nach § 85 Abs. 1 AuslG, sondern nach den Vorschriften des Bundesvertriebenengesetzes erfolgt ist.
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.
Gegen dieses Urteil ist die Berufung nur eröffnet, wenn sie von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zugelassen worden ist.