Landgericht Aurich
Beschl. v. 03.01.2013, Az.: 12 Qs 175/12

Verpflichtung und Berechtigung eines Gerichts zur Nachholung einer unterbliebenen Entscheidung auf eine Gegenvorstellung hin bzgl. Versäumung einer zu Gunsten eines Nebenklägers zu treffenden Auslagenentscheidung

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
03.01.2013
Aktenzeichen
12 Qs 175/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 10024
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGAURIC:2013:0103.12QS175.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Aurich - 10.08.2012 - AZ: 6 Ds 167/10

Fundstelle

  • AGS 2013, 197-198

Amtlicher Leitsatz

Dasjenige Gericht, dass eine zu Gunsten eines Nebenklägers zu treffende Auslagenentscheidung versäumt hat, ist jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen eine sofortige Beschwerde nach § 464 Abs. 3 Satz 1,2. Halbsatz StPO ggf. nicht statthaft ist, auf eine Gegenvorstellung hin berechtigt bzw. verpflichtet, die unterbliebene Entscheidung nachzuholen.

In der Strafsache
gegen
...........
wegen gefährlicher Körperverletzung
hier: sofortige Beschwerde gegen Kostenentscheidung
hat die 2. große Strafkammer des Landgerichts Aurich auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten durch die unterzeichneten Richter
am 3.1.2013
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die (nachgeholte) Kostenentscheidung im Beschluss des Amtsgerichts ..... vom 10.08.2012 (Aktenzeichen 6 Ds 167/10) wird auf seine Kosten (§ 473 Abs. 1 StPO) als unzulässig verworfen.

Gründe

1

Die sofortige Kostenbeschwerde ist gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz StPO bereits unzulässig.

2

I.

Das Amtsgericht ...... hat ein Strafverfahren gegen den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des als Nebenkläger zugelassenen Geschädigten unter Auflagen für die Dauer von 6 Monaten vorläufig gemäß § 153 a StPO eingestellt. Noch während der Einstellungsfrist beantragte der Nebenkläger, dem Angeklagten u.a. seine notwendigen Auslagen aufzuerlegen, woraufhin das Amtsgericht ........ dem Nebenkläger mitteilte, dass über diesen Antrag erst im Rahmen einer abschließenden Entscheidung entschieden werde. Ohne Anhörung des Nebenklägers und nach Auflagenerfüllung stellte das Amtsgericht ........ sodann mit Beschluss vom 23.03.2012 das Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 153 a StPO endgültig ein, wobei die Kosten des Verfahren gemäß § 467 Abs. 1 StPO der Staatskasse auferlegt, die notwendigen Auslagen des Angeklagten jedoch nicht erstattet wurden. Eine Kostenentscheidung hinsichtlich der notwendigen Auslagen des geschädigten Nebenklägers wurde indes nicht getroffen. Mit Schriftsatz vom 06.07.2012 erinnerte der Nebenkläger noch einmal das Amtsgericht daran, seinen Antrag, seine notwendigen Auslagen dem Angeklagten aufzuerlegen, zu bescheiden. Darüber hinaus bat der Nebenkläger um Übersendung des Beschlusses über die endgültige Einstellung des Verfahrens. Daraufhin änderte das Amtsgericht am 10.08.2012 den endgültigen Einstellungsbeschluss vom 23.03.2012 dahingehend ab bzw. ergänzte diesen dahingehend, dass dem Angeklagten auch die notwendigen Auslagen des Nebenklägers gemäß § 472 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 StPO auferlegt werden sollen. Mit Schriftsatz vom selben Tage legte der Nebenkläger gegen die ursprüngliche Kostenentscheidung vom 23.3.2012 vorsorglich "sofortige Beschwerde" ein, mit der Begründung, dass mit dem Einstellungsbeschluss vom 23.3.2012 auch die notwendigen Auslagen des Nebenklägers dem Angeklagten hätten auferlegt werden müssen. Gegen die Ergänzung der Kostenentscheidung im Beschluss des Amtsgerichts Emden vom 10.08.2012, durch die dem Angeklagten auch die notwendigen Auslagen des Nebenklägers auferlegt werden, wendet sich nunmehr der Angeklagte mit der sofortigen Beschwerde.

3

II.

Die in eine sofortige Kostenbeschwerde umzudeutende "Beschwerde" des Angeklagten ist gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz StPO bereits unzulässig.

4

Der Beschwerdeführer geht zwar im Ansatz zutreffend davon aus, dass die seinerzeit vom Nebenkläger erhobene sofortige Beschwerde gegen die ursprüngliche Kosten- und Auslagenentscheidung in dem Einstellungsbeschluss vom 23.03.2012 gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz StPO unzulässig ist. Nach dieser Bestimmung ist die sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen nämlich dann ausgeschlossen, wenn die Anfechtung der das Verfahren abschließenden Hauptsachenentscheidung durch den Beschwerdeführer - hier also Nebenkläger - nicht statthaft ist. Nicht statthaft ist die Anfechtung wiederum dann, wenn die betroffene Person unabhängig von der Frage der Beschwer nicht zur Einlegung eines Rechtsmittels oder eines anderen verbindlichen Rechtsbehelfs befugt ist (vgl. OLG Frankfurt, NStZ-RR 1996, 128; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2001, 63, 64; Meyer-Goßner, StPO, § 464 Rz. 17 ff. m.w.N.). Dieser Ausschluss gilt ohne Rücksicht darauf, ob die Nebenentscheidung gesetzeswidrig ist (Meyer-Goßner, StPO, § 464 Rz. 18). Dies ist hier der Fall, weil dem Nebenkläger gegen Einstellungsbeschlüsse nach den §§ 153 ff. StPO - und damit auch gegen einen solchen nach § 153 a StPO - kein Rechtsmittel zusteht, auch wenn sie verfahrensfehlerhaft ergangen sind (BGH NJW 2002, 2401 [BGH 22.03.2002 - 4 StR 485/01]; Meyer-Goßner, StPO, § 400 Rz. 9 m.w.N.).

5

Gleichwohl war das Amtsgericht zur Ergänzung der Kostenentscheidung mittels des hier angefochtenen Beschlusses vom 10.03.2012 befugt. Denn dasjenige Gericht, dass eine zu Gunsten eines Nebenklägers zu treffende Auslagenentscheidung versäumt hat, ist jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen - wie hier - eine sofortige Beschwerde nach § 464 Abs. 3 Satz 1,2. Halbsatz StPO aus den vorgenannten Gründen nicht statthaft ist, auf eine Gegenvorstellung hin berechtigt bzw. verpflichtet, die unterbliebene Entscheidung nachzuholen (KG Berlin, JR 1989, 392; OLG Düsseldorf, MDR 1993, 786; OLG DüsseldorfVRS 84, 446). Insofern ist die ursprünglich vom Nebenkläger eingelegte sofortige Beschwerde in eine Gegenvorstellung bzw. Gehörsrüge umzudeuten, so dass der unterbliebene Ausspruch bzgl. der Auslagen des Nebenklägers gemäß § 33 a StPO durch die Ausgangsinstanz nachgeholt werden durfte (vgl.Meyer-Goßner, § 464 Rz. 12 m. w .N.), zumal der Nebenkläger vor der Kostenentscheidung im endgültigen Einstellungsbeschluss vom 23.03.2012 nicht gehört worden ist.

6

Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei der angefochtenen Entscheidung vom 10.08.2012 der Sache nach um eine auf eine Gegenvorstellung bzw. Gehörsrüge hin ergangene Abhilfeentscheidung. Eine solche kann aber nicht im Wege der Beschwerde angegriffen werden, da ansonsten diejenigen Regelungen, die - wie hier § 464 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz StPO - die Anrufung der nächsten Instanz ausschließen, unzulässig unterlaufen würden (so ausdrücklich OLG Frankfurt, NStZ- R 2001, 63, 64; Meyer-Goßner, StPO, § 33 a Rz. 10 m.w.N.).

7

Angesichts dessen war die hier gegen die ergänzende Kostenentscheidung eingelegte sofortige Beschwerde mit der sich aus§ 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge bereits als unzulässig zu verwerfen.

G.
R.
Dr. H.