Landgericht Hildesheim
Beschl. v. 15.03.2001, Az.: 5 T 904/00
Berücksichtigung der Gläubigerautonomie; Zurücktreten der Sonderinteressen einzelner Gläubigergruppen gegenüber dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger
Bibliographie
- Gericht
- LG Hildesheim
- Datum
- 15.03.2001
- Aktenzeichen
- 5 T 904/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 30525
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHILDE:2001:0315.5T904.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Holzminden - 01.12.2000 - AZ: 10 IN 20/00
Rechtsgrundlagen
- § 45 Abs. 1 BRAO
- § 57 InsO
- § 78 InsO
Fundstellen
- KTS 2001, 578-579
- WM 2001, 1164-1165 (Volltext mit red. LS)
In dem Insolvenzverfahren
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim
auf die sofortigen Beschwerden vom 18. und 20.12.2000
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Holzminden vom 01.12.2000
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... und
die Richterinnen am Landgericht ... und ...
am 15.03.2001
beschlossen:
Tenor:
Die sofortigen Beschwerden werden auf Kosten der Beschwerdeführerinnen, die auch die außergerichtlichen Kosten des Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde zu tragen haben, zurückgewiesen.
Wert: 5.000,00 DM.
Gründe
In der Gläubigerversammlung vom 23.11.2000 wählte diese mehrheitlich statt des vom Amtsgericht Holzminden bestellten Insolvenzverwalters Rechtsanwalt ... Rechtsanwalt ... aus ... zum neuen Insolvenzverwalter. Rechtsanwalt ... war im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn ... aus ... Inhaber der Firma ... in ... mit Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 03.06.2000 (371 IN 192/00) zum Sachverständigen bestellt worden. Das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren wurde für den Gemeinschuldner ... von dem Steuerberater ... der mit Rechtsanwalt ... soziiert ist, durchgeführt.
Der Insolvenzverwalter Rechtsanwalt ... hat gegen die Bestellung von Rechtsanwalt ... zum Insolvenzverwalter in der Gläubigerversammlung einen Antrag gemäß § 78 InsO gestellt. Diesen hat er damit begründet, dass bei der Beschlussverfassung der Gläubigerversammlung das gemeinsame Interesse der Insolvenzgläubiger, das in der bestmöglichen Befriedigung ihrer Forderungen liege, gegenüber dem Sonderinteresse einzelner Gläubigergruppen zurückzutreten habe. Dieses gemeinsame Interesse fordere auch die Vermeidung von neuen Masseverbindlichkeiten, die durch den Verwalterwechsel durch hierdurch entstehende Mehrkosten vergrößert würden. Des weiteren stellte Frau Rechtsanwältin ... als Vertreterin der Gläubigerin ... aus ... den Antrag,
die Bestellung von Rechtsanwalt ... durch das Insolvenzgericht zu versagen,
weil dessen Einsetzung "rechtsmissbräuchlich" sei.
Durch Beschluss vom 01.12.2000 hob das Amtsgericht Holzminden den Beschluss der Gläubigerversammlung vom 23.11.2000 betreffend die Wahl eines anderen Insolvenzverwalters auf. Es stützte seine Entscheidung auf § 78 InsO und legte dieser zugrunde, dass nicht nur der Insolvenzverwalter ... sondern auch Frau Rechtsanwältin ... eine Entscheidung nach § 78 InsO beantragt habe. In der Sache führte das Amtsgericht zur Begründung aus, § 78 InsO sei auch auf Beschlüsse gemäß § 57 InsO anwendbar, § 57 S. 2 InsO stelle insoweit keine abschließende Spezialregelung dar. Die Regelungen der §§ 57 und 78 InsO schlössen sich nicht gegenseitig aus. Gerade im Zusammenspiel beider Vorschriften komme die weitestgehende Berücksichtigung der Gläubigerautonomie zum Ausdruck, was sich nicht zuletzt daran zeige, dass ein Beschluss der Gläubigerversammlung nur auf Antrag aufgehoben werden könne. Die Eignung des Verwalters sei gegenüber sonstigen Interessen von derart herausragender Bedeutung, dass die Frage nicht der Disposition der Gläubiger überlassen bleiben könne, sondern vom Gericht in allen Verfahrensstadien auch von Amts wegen zu prüfen sei. Die Neuwahl des Insolvenzverwalters ... durch das Amtsgericht habe ergeben, dass diese in keiner Weise dem Grundgedanken eines jeden Insolvenzverfahrens, nämlich der bestmöglichen gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger gerecht werde. Da ein Fehlverhalten des Insolvenzverwalters ... in der Gläubigerversammlung nicht habe positiv festgestellt werden können, sei die Abwahl des Insolvenzverwalters ohne sachliche und durch das Gericht im Rahmen des § 78 InsOüberprüfbare Gründe erfolgt und damit unzulässig.
Gegen diese Entscheidung des Amtsgerichts haben die ... am 18.12.2000 und die ... am 20.12.2000 sofortige Beschwerde erhoben mit den Anträgen, den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts Holzminden aufzuheben. Zur Begründung haben die Beschwerdeführerinnen ausgeführt, die Aufhebung des Beschlusses der Gläubigerversammlung vom 23.11.2000 durch das Insolvenzgericht sei zu Unrecht schon deshalb erfolgt, weil dem Insolvenzverwalter ... kein Antragsrecht zugestanden habe. Gleiches gelte für den vom Amtsgericht als Antrag gemäß § 78 InsO gewerteten Antrag von Frau Rechtsanwältin ... § 78 InsO sei nicht anwendbar. Die Regelung in § 57 S. 1 InsOüber die Versagung der Ernennung eines neugewählten Verwalters stelle hinsichtlich des Wahlaktes der Gläubigerversammlung eine abschließende Spezialregelung dar, so dass ein auf Aufhebung der Neuwahl gerichteter Antrag nach § 78 Abs. 1 InsO von vornherein unzulässig gewesen sei. Prüfungsmaßstab habe nur § 57 InsO und nicht das gemeinsame Interesse der Insolvenzgläubiger sein dürfen.
Das Landgericht Hildesheim hat in seinem Beschluss vom 10.01.2001 den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts Holzminden aufgehoben und ist der Begründung der Beschwerdeführerinnen gefolgt. In der hiergegen gerichteten weiteren sofortigen Beschwerde des Insolvenzverwalter ... hat dieser unter Wiederholung seiner Rechtsauffassung zur Anwendbarkeit von § 78 InsO ausgeführt, dass Rechtsanwalt ... aus gesetzlichen Gründen gehindert sei, für die Schuldnerin das Amt des Insolvenzverwalters gemäß § 45 BRAO auszuführen.
Das Oberlandesgericht Celle hat auf die weitere sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 29.01.2001 entschieden, dass der angefochtene Beschluss des Landgerichts Hildesheim aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - zurückverwiesen werde. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts Hildesheim aufgrund der fehlenden Darstellung des der Entscheidung des Landgerichts zugrundeliegenden Sachverhaltes, insbesondere der fehlenden Wiedergabe des inhaltlichen Vertrags der Beteiligten, gerechtfertigt sei. Des weiteren hat das Oberlandesgericht darauf hingewiesen, dass die Kammer auch zu entscheiden haben werde, ob eine Bestellung des von der Gläubigerversammlung neugewählten Verwalters überhaupt noch in Betracht komme.
Die Beschwerdeführerinnen haben zur Frage der möglichen Interessenkollision des neugewählten Insolvenzverwalters vorgetragen, § 45 Abs. 2 Ziff. 1, 2 BRAO sei nicht einschlägig. Herr Rechtsanwalt ... sei Gutachter im Insolvenzantragsverfahren des Herrn ... gewesen. Schuldner der im Insolvenzverfahren der Gemeinschuldnerin angemeldeten Forderung sei die Firma ... und jetzt .... Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von Herrn ... ruhe bis zur Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan. Das Schuldenbereinigungsverfahren sei nicht durch Rechtsanwalt ..., sondern durch Herrn Steuerberater ... durchgeführt worden. Herr Rechtsanwalt ... werde weder für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn ... als Insolvenzverwalter, noch für den Fall des Verbraucherinsolvenzverfahrens als Treuhänder zur Verfügung stehen.
Die sofortigen Beschwerden haben keinen Erfolg.
Unabhängig von der Entscheidung der Rechtsfrage, ob das Insolvenzgericht zur Überprüfung des Beschlusses der Gläubigerversammlung unter Zugrundelegung der Kriterien des § 78 InsO berechtigt ist, ist die Aufhebung des Beschlusses der Gläubigerversammlung vom 23.11.2000 gemäß § 57 InsO gerechtfertigt. Das ist gemäß § 57 S. 2 InsO zur Versagung der Bestellung des von der Gläubigerversammlung gewählten Insolvenzverwalters Rechtsanwalt ... verpflichtet, weil dieser für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist.
Zwar bestehen keine Bedenken bezüglich der fachlichen und persönlichen Eignung von Rechtsanwalt ... Seine Eignung, im vorliegenden Insolvenzverfahren als Insolvenzverwalter tätig zu werden, ist aber deshalb nicht gegeben, weil er bereits als Gutachter im Insolvenzverfahren des Schuldners ... vor dem Amtsgericht Magdeburg als Gutachter tätig gewesen ist und folglich eine Vertretung der Gemeinschuldnerin gemäß § 45 Abs. 1 Ziff. 3 BRAO ausgeschlossen ist. Es ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich, dass die Gutachtertätigkeit nicht für die Schuldnerin, die Firma ... sondern für Herrn ... persönlich erfolgte. Insoweit ist wirtschaftliche Identität gegeben, da Herr ... unter der Firma ... als Einzelkaufmann gehandelt hat. Die mögliche Interessenkollision, die durch § 45 BRAO vermieden werden soll, ist in gleicher Weise gegeben.
Die Interessenkollision zwischen den Interessen der Gemeinschuldnerin in der Funktion als Insolvenzverwalter für diese und der der vorliegenden Tätigkeit von Rechtsanwalt ... als Gutachter im Insolvenzverfahren ... liegt darin, dass er in letzterem u.a. auch die Forderung der Gemeinschuldnerin gegen ... geprüft hat und nunmehr im Insolvenzverfahren der Gemeinschuldnerin gegen ... die gleiche Aufgabe aus anderer Sicht vorzunehmen hat. Dies gilt um so mehr, als die Höhe der Forderung zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Schuldner ... streitig ist und sich die Aufgabe des Insolvenzverwalters im jetzigen Stadium des Insolvenzverfahrens der Gemeinschuldnerin auf die Durchsetzung berechtigter Forderungen auch gegenüber den Schuldnern fokussiert.
Gleiches gilt im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren ... für die Tätigkeit des mit Rechtsanwalt ... soziierten Steuerberaters ... im Schuldenbereinigungsverfahren des Insolvenzverfahrens .... Auch insoweit begegnet die Tätigkeit von Rechtsanwalt ... als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren der Gemeinschuldnerin Bedenken gemäß § 45 Abs. 1 Ziff. 3, Abs. 3 BRAO.
Der Ausschluss der Tätigkeit eines Rechtsanwalts gemäß § 45 Abs. 1 BRAO ist im Rahmen der Prüfung der Geeignetheit gemäß § 57 S. 2 InsO als Eignungskriterium zu berücksichtigen. Gerade die Interessenkollision, die durch die Regelung in § 45 BRAO vermieden werden soll, ist für die Frage der Eignung eines Insolvenzverwalters ein bestimmendes Kriterium.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 4 InsO, 91 ZPO.