Landgericht Lüneburg
Beschl. v. 16.07.2012, Az.: 4 T 12/12

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
16.07.2012
Aktenzeichen
4 T 12/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 44372
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 13.01.2012 - AZ: 23 K 27/10

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Eine Verkehrswertbeschwerde ist nicht allein deshalb unzulässig, weil der Schuldner dem Sachverständigen in erster Instanz den Zutritt zum Versteigerungsobjekt verwehrt hat.
2. Eine Beschwerde, mit der der Schuldner eine Besichtigung nunmehr erstmals anbietet, kann auch nicht mit der Begründung als unbegründet zurückgewiesen werden, dass der Schuldner hiermit präkludiert ist.
3. Hält der Schuldner, der mit der Beschwerde die unterbliebene Besichtigung rügt, auch im Beschwerdeverfahren weiterhin an seiner Weigerung fest, kann das Beschwerdegericht den Verkehrswert ohne erneute Begutachtung in entsprechender Anwendung des § 371 Abs. 3 ZPO schätzen.

Tenor:

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lüneburg vom 13.01.2012 wird zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdewert wird auf 43.835,40 EUR festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Schuldner erstrebt eine Heraufsetzung des Verkehrswerts.

Im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens gab das Vollstreckungsgericht mit Beschluss vom 18.03.2011 ein Verkehrswertgutachten in Auftrag und bestellte den Gutachter V. zum Sachverständigen (Bl. 73a d.A.).

Unter Hinweis auf dessen Tätigkeit im vorausgegangenen Verfahren 23 K 124/06 lehnte der Schuldner den Sachverständigen mit Schriftsatz vom 28.03.2011 ab (Bl. 76 d.A.). Den Befangenheitsantrag wies das Vollstreckungsgericht mit Beschluss vom 18.10.2011 als unbegründet zurück (Bl. 128 d.A.).

Den zunächst festgesetzten Besichtigungstermin für das Objekt bat der Schuldner mit Schreiben vom 07.11.2011 aufzuheben (Bl. 134 d.A.). Den daraufhin neu anberaumten Termin nahm der Schuldner nicht wahr.

Der Sachverständige erstellte somit nach Außenansicht das Gutachten vom 30.11.2011 (Bl. 139 ff. d.A.). Wegen der fehlenden Innenbesichtigung nahm der Sachverständige einen Abschlag in Höhe von 30 % des rechnerisch ermittelten Verkehrswerts vor (Bl. 176 d.A.). Zudem schätzte er den Aufwand für die Beseitigung von Baumängeln an Mauerwerk, Putz und Fenstern auf 50.000,00 EUR (Bl. 154 d.A.).

Nachdem der Schuldner binnen der ihm gesetzten Frist keine Einwendungen erhob, setzte das Vollstreckungsgericht mit Beschluss vom 13.01.2012 den Verkehrswert auf 205.000,00 EUR fest (Bl. 237 d.A.).

Gegen diesen Beschluss, dem Schuldner am 19.01.2012 zugestellt (Bl. 239 d.A.), erhob der Schuldner am 24.01.2012 Beschwerde. Unter Anderem rügte er, der Sachverständige habe sein Angebot, einen neuen Termin zu vereinbaren, nicht angenommen.

Das Amtsgericht holte eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 13.02.2012 ein (Bl. 248 ff. d.A.) und half sodann der Beschwerde mit Beschluss vom 20.02.2012 nicht ab (Bl. 254 d.A.).

Hierzu durch das Beschwerdegericht angehört lehnte der Schuldner den Sachverständigen wegen seiner Ausführungen in der Stellungnahme vom 13.02.2012 als befangen ab.

Mit Beschluss vom 21.03.2012 übertrug der Einzelrichter das Verfahren wegen besonderer Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art auf die Kammer (Bl. 267 d.A.). Die Kammer wies den Befangenheitsantrag mit Beschluss vom 21.03.2012 zurück. Zugleich beraumte sie einen Termin zur erneuten Begutachtung des Grundstücks wie des Gebäudeinneren an und wies den Schuldner darauf hin, dass nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung eine Schätzung des Zustands von außen erfolgen könne, wenn dieser Termin nicht wahrgenommen werde (Bl. 268 d.A.).

Im Anschluss an den erneuten Begutachtungstermin, in dessen Verlauf die Räumlichkeiten auch betreten werden konnten, nahm der Sachverständige mit Schrieben vom 12.04.2012 (Bl. 283 ff. d.A.), 28.04.2012 (Bl. 294 ff. d.A.) und 24.05.2012 (Bl. 319 ff. d.A.) zu den Wertveränderungen und zu Einwendungen des Schuldners Stellung. Der Schuldner erwiderte jeweils mit Schreiben vom 03.05.2012 (Bl. 307 ff. d.A.)., 18.05.2012 (Bl. 314 ff. d.A.) und 20.06.2012 (Bl. 336 ff. d.A.). Für die Einzelheiten wird auf die Schreiben Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Dem steht nicht entgegen, dass der Schuldner dem Sachverständigen zunächst bis zum Abschluss des Festsetzungsverfahrens in erster Instanz den Zutritt zum Gebäude verweigert hat. Soweit die Kammer in früheren Beschlüssen (insbesondere dem Beschluss des Einzelrichters vom 05.07.2007, 4 T 92/07, RPfleger 2008, 38) im Falle der Zutrittsverweigerung ein Rechtsschutzbedürfnis verneint hat, hält sie hieran nach erneuter Prüfung der Rechtslage nicht mehr fest.

Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde gemäß § 74a Abs. 5 Satz 3 ZVG ist grundsätzlich dann gegeben, wenn der Schuldner mit der Festsetzung nicht einverstanden ist. Eine seiner Ansicht nach unzutreffende Festsetzung kann er sogar nur mit der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss angreifen. Im späteren Verfahren ist er mit diesem Einwand ausgeschlossen, wie sich aus § 74a Abs. 5 Satz 4 ZVG ergibt. Auch unter Berufung auf Treu und Glauben ist es dem Beschwerdegericht verwehrt, diesen gesetzlich eröffneten Rechtsmittelweg abzuschneiden.

Etwas Anderes kann nach der Rechtsprechung des BGH nur gelten, wenn besondere Umstände vorliegen, die das Verlangen des Klägers, in die materiell-rechtliche Prüfung seines Anspruchs einzutreten, als nicht schutzwürdig erscheinen lassen (BGH, Urt. v. 04.03.1993, I ZR 65/91). Derartige Umstände müssen aber offensichtlich und von vornherein vorliegen. Ergeben sich diese Umstände erst aus der Beantwortung materiell-rechtlicher Fragen, so ist ein Interesse des Beschwerdeführers an der Durchführung des Verfahrens gegeben.

So liegen die Dinge aber hier. Wie bereits im Beschluss vom 05.07.2007 ausgeführt, wäre auch dann, wenn man bei Zutrittsverweigerung im Grundsatz die Unzulässigkeit der Verkehrswertbeschwerde annähme, im Einzelfall zu prüfen, ob die Beschwerde nicht ausnahmsweise doch zulässig ist. Es kommt in Betracht, dass der Schuldner rechtfertigende Gründe für seine Verweigerung vorbringt, sei es, dass er den Sachverständigen als befangen ablehnte, sei es, dass die Verweigerung nicht vorsätzlich, sondern krankheitsbedingt erfolgte. Überdies hat der damalige Beschluss selbst die Möglichkeit gesehen, dass die Verkehrswertfestsetzung auch unter Berücksichtigung einer vorsätzlichen Verweigerung fehlerbehaftet sein kann. Die Verweigerung eröffnet dem Vollstreckungsgericht nämlich keinesfalls die Möglichkeit, den Verkehrswert nach nicht nachprüfbarem Ermessen festzusetzen. Sie berechtigt lediglich - unter noch näher auszuführenden Voraussetzungen - zu einer Schätzung des Verkehrswerts unter Annahmen über den Zustand der nicht besichtigten Gebäudeteile. Diese Schätzung und die zugrunde liegenden Annahmen sind aber überprüfbar. Verbleibt somit auch im Falle einer sogar vorsätzlichen Zugangsvereitelung noch ein erhebliches materiell-rechtliches Prüfprogramm, ist eine Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig nicht begründbar.

2. Die auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist aber unbegründet.

Das Vollstreckungsgericht hat zu Recht den Verkehrswert gemäß § 74a Abs. 5 Satz 1 ZVG auf 205.000,00 EUR festgesetzt.

Der Sachverständige hatte in seinem Ursprungsgutachten vom 14.12.2011 den Verkehrswert bereits auf 205.000,00 EUR geschätzt. Dabei hatte er einen Abschlag in Höhe von 30 % auf den rechnerisch ermittelten Verkehrswert vorgenommen, den er damit begründete, dass ihm eine Innenbesichtigung verwehrt worden sei.

a) Der Schuldner, der die Beschwerde insbesondere auf die fehlende Innenbesichtigung und die daraufhin erfolgten Schätzungen stützt, ist mit diesem Beschwerdevorbringen auch nicht präkludiert, mit der Folge, dass mit der Beschwerde nur geltend gemacht werden könnte, dass die Schätzungen des Sachverständigen unzutreffend sind (insofern entgegen LG Göttingen, Beschl. v. 13.01.1998, 10 T 4/98, RPfleger 1998, 213; LG Dortmund, Beschl. v. 20.04.2000, 9 T 400/00, RPfleger 2000, 466 und VerfGH Berlin, Beschl. v. 19.02.2007, 19 A/07, 19/07). Für eine derartige Präklusion ist mangels einer gesetzlichen Bestimmung kein Raum.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die von den Fachgerichten zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Zwar gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz dagegen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt. Die Nichtberücksichtigung eines von den Fachgerichten als erheblich angesehenen Beweisangebots verstößt aber dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG, Beschl. v. 08.04.2004, 2 BvR 743/03).

Eine derartige Stütze ist aber im Prozessrecht nicht erkennbar. Würde man das Vorbringen des Schuldners unberücksichtigt lassen, liefe dies darauf hinaus, dass man seine Angriffs- und Verteidigungsmittel im Beschwerderechtszug beschneidet und ihm solche Einwände nimmt, die er in erster Instanz bereits hätte vorbringen können. Im Ergebnis käme dies einer Erstreckung der Präklusionsvorschriften der §§ 530, 531 ZPO auf das Beschwerdeverfahren gleich. Denn das Angebot des Schuldners, die Besichtigung der Räumlichkeiten nunmehr doch zu ermöglichen, steht einem neuen Beweisangebot gleich (vgl. OLG München, Urt. v. 03.11.1983, 24 U 185/83, NJW 1984, 807).

Diese Präklusionsvorschriften, nach denen im Berufungsrecht neuer Vortrag zurückgewiesen werden kann, sind aber vom Gesetzgeber nicht für das Beschwerdeverfahren übernommen worden. Vielmehr bestimmt § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO gerade das genaue Gegenteil, nämlich dass die Beschwerde auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt werden kann. Diese Vorschrift gilt vermittelt durch § 96 ZVG auch für die Verkehrswertbeschwerde, da die §§ 97 bis 104 ZVG keine abweichende Sonderregelung beinhalten. Der Gesetzgeber sah die Rechtfertigung für § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO darin, „dass den im Beschwerdeverfahren angefochtenen Entscheidungen in der Regel kein mit dem erstinstanzlichen Urteilsverfahren vergleichbares förmliches Verfahren mit eingehender Tatsachenfeststellung und ausführlich begründeter Abschlussentscheidung zugrunde liegt. Das Beschwerdegericht muss daher wie bisher die Möglichkeit haben, neue Tatsachen und Beweise uneingeschränkt zu berücksichtigen.“ (BT-Drs. 14/4722, 113). Der BGH zieht hieraus den Schluss, dass das Beschwerdegericht verpflichtet ist, neuen Vortrag unabhängig vom Zeitpunkt der Möglichkeit des erstmaligen Vorbringens zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v. 27.03.2008, IX ZB 144/07).

Eine einschränkende Auslegung dieser Norm dahin, dass aus dem Anwendungsbereich des § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorsätzlich zurückgehaltene Beweismittel ausscheiden, erscheint der Kammer nicht möglich. Zwar ist es nach der Rechtsprechung des BVerfG zulässig, auch die Prozessnormen im Lichte des das gesamte Zivilrecht beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben auszulegen (Beschl. v. 15.10.2009, 1 BvR 2333/09). Einer derartigen Auslegung steht aber entgegen, dass der Gesetzgeber an anderer Stelle durchaus die Präklusion in Abhängigkeit vom Verschuldensgrad vorgesehen (vgl. etwa §§ 296, 531 ZPO), in § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO eine verschuldensabhängige Ausnahme aber überhaupt nicht aufgenommen hat, obwohl ihm die Problematik des in Verzögerungsabsicht zurückgehaltenen Vortrags - wie die Existenz von § 531 ZPO zeigt - im Grundsatz bekannt ist.

Ferner steht einer analogen Anwendung von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO entgegen, dass Präklusionsnormen wegen der einschneidenden Folgen, die sie für die säumige Partei nach sich ziehen, strengen Ausnahmecharakter haben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.10.1999, 2 BvR 1292/96). Ausnahmevorschriften, die im Lichte des Verfassungsrechts somit einer strengen Handhabung bedürfen, sind aber nicht analogiefähig.

b) In entsprechender Anwendung von § 371 Abs. 3 ZPO käme im Beschwerdeverfahren eine Zurückweisung des Angebots einer neuen Besichtigung nur dann in Betracht, wenn der Schuldner an seiner Weigerung auch im Beschwerdeverfahren festhalten würde. Dann läge eine Form der Beweisvereitelung vor, die zu einer Schätzung des Zustands des Gebäudes berechtigen würde. Wegen dieser einschneidenden Folge, die mit einem erheblichen Abschlag beim Verkehrswert verbunden sein kann, ist der Schuldner in einem solchen Fall nach Auffassung der Kammer regelmäßig gemäß § 139 ZPO auf die Folgen seiner prozessualen Entscheidung hinzuweisen, wenn er sich nicht offensichtlich darüber im Klaren ist. Für die erste Instanz könnte dieser Hinweis auch bereits vorsorglich bei Anordnung der Begutachtung erfolgen, wenn überhaupt noch keine Anzeichen für eine Zutrittsverweigerung vorliegen.

Hier fehlte es aber in der Beschwerdeinstanz an einer fortbestehenden Weigerung. Der Schuldner rügte mit der Beschwerde, dass sein Angebot, einen neuen Termin zu vereinbaren, nicht angenommen worden sei. Ob dieser Vortrag der Wahrheit entspricht, ist dabei ohne Belang. Jedenfalls musste die Kammer diesem Vortrag die grundsätzliche Bereitschaft, eine Besichtigung zuzulassen, entnehmen. Dem entsprechend hat der Schuldner - vorsorglich auf die Folgen einer Weigerung hingewiesen - eine Innenbesichtigung auch ermöglicht.

c) Nach nunmehr erfolgter Innenbesichtigung hat der Sachverständige insbesondere mit Schreiben vom 28.04. (Bl. 294 ff. d.A.) und 28.05.2012 (Bl. 319 ff. d.A.) Abschläge für eine ausgebliebene Modernisierung und Fertigstellung des Gebäudes errechnet, die nachvollziehbar ein Festhalten am bereits festgesetzten Verkehrswert erlauben.

Für die Modernisierung der Fenster hat der Sachverständige einen Wert von 1.580,04 EUR pro Fenster hergeleitet, den er angemessen auf den Betrag von 1.600,00 EUR aufgerundet hat. Gegen diesen Ansatz hat der Schuldner auch keine konkreten Einwände mehr erhoben. Hieraus ergeben sich Modernisierungskosten für das gesamte Erdgeschoss in Höhe von 35.000,00 EUR.

Mit der Stellungnahme vom 20.06.2012 hat der Schuldner lediglich erneut kritisiert, dass die Kosten für die - unstreitig erforderliche - Erneuerung der Fenster doppelt in Abzug gebracht würden. Im Ausgangsgutachten sei nämlich bereits ein Abschlag in Höhe von 50.000,00 EUR ermittelt worden, der sich auch auf den von außen erkennbaren Zustand der Fenster beziehe (S. 16 des Gutachtens). Der Sachverständige hat aber in seiner Stellungnahme vom 28.04.2012 diesen pauschalen Abzug auf nur noch 10.000,00 EUR wegen der Mängel an Putz und Mauerwerk reduziert. Insofern ist es folgerichtig, dass er nach Herausnahme des Anteils am Pauschalbetrag von 50.000,00 EUR, der auf die Fenster entfiel, die nunmehr konkret ermittelten Kosten für die Modernisierung der Fenster zusätzlich in Abzug bringt.

Nachvollziehbar und mit einer detaillierten Kostenschätzung unterlegt hat der Sachverständige sodann für die Fertigstellung des Obergeschosses Kosten in Höhe von 155.000,00 EUR ermittelt. Dem ist der Schuldner unter Bezugnahme auf Ausführungen der von ihm zu Rate gezogenen Architektin zum Schluss nur noch pauschal mit der Behauptung entgegen getreten, der Sachverständige gehe von falschen Flächenangaben aus. Überdies ist er nur bereit, sich die Kosten für die Sanierung von Türen und Fenstern, der Ergänzung von Rauspund-Brettern und der Erstellung eines Putzes in Abzug bringen zu lassen. Zu Recht ist hingegen der Sachverständige davon ausgegangen, dass ein möglicher Erwerber des Objektes die Kosten kalkulieren wird, die erforderlich sein werden, um das Objekt in einen bewohnfähigen Zustand zu versetzen. Hierzu zählen neben den genannten Kostenpositionen auch die Kosten für die Erstellung einer Elektro- und Heizungsinstallation, einer Dämmung und einer Tapete. Der Schuldner kann mit dem wiederholten Argument nicht durchdringen, dass nichts dafür erkennbar sei, dass die Elektroinstallation entfernt worden sei. Diese sei möglicherweise nie vorhanden gewesen. Dem Erwerber ist es einerlei, ob er erstmalig eine solche Installation vornehmen muss, oder ob eine frühere Installation verschwunden ist. Die Kosten sind in beiden Fällen völlig identisch.

Im Übrigen ist zu bedenken, dass der Verkehrswert nur näherungsweise und keineswegs exakt im Sinne mathematischer Genauigkeit ermittelt werden kann. Sowohl die Wahl der Wertermittlungsmethode als auch die Ermittlung selbst unterliegen notwendig wertenden Einschätzungen, die nicht geeignet sind, Erwerbsinteressenten die Gewissheit zu vermitteln, das Objekt werde bei einer Veräußerung genau den ermittelten Wert erzielen (vgl. BGH, Beschluss vom 19.06.2009, V ZB 129/07).

3. Die Kostenfolge ergibt sich aus dem Gesetz. Die §§ 91 ff. ZPO sind im vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Deren Anwendung setzt ein kontradiktorisches Verfahren voraus. Daran fehlt es im Zwangsversteigerungsverfahren, wenn nicht das Vollstreckungsrechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger im Vordergrund steht, wie bei einem Streit um die Anordnung, Einstellung oder Fortsetzung des Verfahrens regelmäßig anzunehmen ist, sondern Entscheidungen angefochten werden, die auch andere Verfahrensbeteiligte betreffen oder bei denen Gläubiger und Schuldner nicht zwangsläufig widerstreitende Interessen verfolgen. Hiervon geht der V. Senat des Bundesgerichtshofs für den Regelfall bei der Verkehrswertbeschwerde aus (BGH, Beschl. v. 25.01.2007, V ZB 125/05).

4. Den Beschwerdewert bemisst die Kammer in ständiger Rechtsprechung auf die Hälfte der erstrebten Heraufsetzung des Verkehrswerts. Hier hat sich der Beschwerdeführer gegen den seiner Ansicht nach unberechtigten Abschlag vom rechnerischen ermittelten Verkehrswert in Höhe von 87.670,80 EUR gewandt. Daraus ergibt sich der Beschwerdewert zu 43.835,40 EUR.

5. Gründe, die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 ZPO zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Zwar sind die Ausführungen zur Präklusion nach Auffassung der Kammer grundsätzlicher Art. Durch die Rechtsauffassung der Kammer ist der Schuldner indes nicht beschwert. Im Übrigen handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, die maßgeblich auf den tatsächlichen Gegebenheiten des Versteigerungsobjekts beruht. Die übrigen Beteiligten sind nicht beschwert, da der erstinstanzlich festgesetzte Verkehrswert bestätigt wurde.