Amtsgericht Gifhorn
Urt. v. 27.04.2009, Az.: 13 C 1402/08 (XII)
Bibliographie
- Gericht
- AG Gifhorn
- Datum
- 27.04.2009
- Aktenzeichen
- 13 C 1402/08 (XII)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 50470
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- LG - AZ: 7 S 103/09
Tenor:
1.) Die Klage wird abgewiesen.
2.) Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Urkundsprozess von der Beklagten Zahlung aufgrund einer Gesellschaftsbeteiligung. Als Gesellschaftszweck gibt die Klägerin vornehmlich u.a. die Veräußerung und den Erwerb von Anteilen an Investmentvermögen an.
Nachdem die Beklagte im Herbst 2005 von einer Frau B. auf einem Reiterhof auf eine Kapitalanlage angesprochen worden war, unterschrieb die Beklagte mit Datum vom 06.09.2005 in ihrer Wohnung im Beisein besagter Frau B., einer Kollegin und deren Bezirksleiters eine „Beitrittserklärung“ zur Klägerin. Einige Tage später unterschrieb die Beklagte ebenfalls in ihrer Wohnung im Beisein von Frau B. einen Änderungsantrag, mit dem sie sich über das gewählte „Beteiligungsprogramm Multi B“ verpflichtete, neben der Zahlung einer Einmaleinlage in Höhe von 6.000,00 € monatliche Raten in Höhe von insgesamt 87,50 € über eine Laufzeit von 30 Jahren bei der Klägerin einzuzahlen. Dieser Änderungsantrag wurde auf den 06.09.2005 zurückdatiert.
Auf das Formular der Beitritterklärung (Bl. 5 d.A.) einschließlich der verwendeten Widerrufsbelehrung wird inhaltlich Bezug genommen.
Im November 2005 widerrief die Beklagte eine erteilte Einzugsermächtigung. Die Klägerin begehrt mit ihrer Urkundsklage 87 rückständige Raten zu 87,50 €. Mit Schreiben vom 10.12.2008 erklärte die Beklagte den Widerruf des Vertrages.
Sie beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.325,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, sowie weitere 359,50 € als Kosten außergerichtlicher Rechtsverfolgung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, Frau B. habe sie überraschend aufgesucht, nachdem ihr nach Abschluss des ursprünglichen Vertrages Bedenken gekommen seien und habe sie zu dem Änderungsantrag überredet.
Sie ist der Ansicht, die Widerrufsfrist habe nicht zu laufen begonnen, da die von der Klägerin verwendete Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß sei. Da die Belehrung bezüglich des Fristbeginns auf die Unterzeichnung der Widerrufsbelehrung, und die Aushändigung des schriftlichen Vertragsantrages oder einer Abschrift der Vertragsurkunde bzw. des Vertragsantrages abstelle, sei insbesondere der Beginn der Widerrufsfrist für einen Laien missverständlich.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die – auch im Urkundsprozess - zulässige Klage, ist im Ergebnis nicht begründet.
I.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Einzahlung rückständiger Einlagen aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Beteiligungsvertrag gemäß § 705 BGB i.V.m. der Beitrittserklärung („Änderungsantrag“) zu, da die Beklagte den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag mit Erklärung vom 10.12.2008 wirksam widerrufen hat.
Das Gericht ist dabei nicht gehindert, über die Klage bereits im Urkundsprozess abschließend zu entscheiden, da die für die Entscheidungen maßgeblichen Umstände, soweit sie sich nicht aus Urkunden ergeben, zwischen den Parteien im Ergebnis unstreitig sind, und daher keiner Beweisaufnahme bedürfen.
1.
Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag handelt es sich um ein Haustürgeschäft im Sinne der §§ 312, 355 BGB.
Unstreitig hat die Beklagte die maßgeblichen Erklärungen im Bereich ihrer Privatwohnung abgegeben, nachdem sie dort zunächst am 06.09.2005 von der Frau B. in Begleitung zweier weiterer Personen und sodann einige Tage später erneut von Frau B. aufgesucht wurde, bei dem dann der Änderungsantrag unterschrieben wurde. Dieser Vorgang ist zwischen den Parteien unstreitig geblieben. Soweit die Klägerin jedoch bestreitet, der zweite Besuch der Frau B. sei für die Beklagte überraschend gewesen, so fehlt es dem diesbezüglichen Bestreiten an der erforderlichen Substanz, worauf die Beklagtenvertreterin mit Schriftsatz vom 01.04.2009 zu Recht hingewiesen hat. Konkreter entgegenstehender Sachvortrag wird seitens der Klägerin hierzu nicht geleistet, diese beruft sich ausschließlich darauf, dass der Vortrag „unglaubwürdig und nicht nachvollziehbar“ sei. Selbst wenn die Beklagte aber bei der Frau B. angerufen haben sollte, um ihr ihre Bedenken bezüglich des Vertragsabschlusses mitzuteilen (wovon offenbar die Klägerin ausgeht), so wäre hierdurch das Widerrufsrecht der Beklagten gemäß § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB nicht ausgeschlossen.
Der Ausschluss des Widerrufsrechts ist nach dieser Vorschrift dann gegeben, wenn die mündlichen Verhandlungen, die auf denen der Abschluss des Vertrages beruht, auf Bestellung des Verbrauchers geführt worden sind.
Der eigentliche Vertrag vom 06.09.2005 ist jedenfalls unstreitig nicht auf Verhandlungen auf Bestellung der Beklagten geführt worden. Selbst wenn, was seitens der Klägerin gar nicht vorgetragen worden ist, der erneute Besuch der Frau B., der zur Modifikation des ursprünglichen Vertrages führte, auf Bitten der Beklagten erfolgt wäre, so würde dieses die Haustürsituation bei Abschluss des eigentlichen Vertrages nicht entfallen lassen.
Dies kann letztlich jedoch dahinstehen, da konkreter Vortrag seitens der Klägerin zu einer “Bestellung“ im Sinne des § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB nicht erfolgt ist. Ein bloßes Einverständnis des Verbrauchers mit einem Besuch reicht nicht aus (vgl. Palandt-Grüneberg, § 312 Rz. 24 m.w.N.).
2.
Der insoweit zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist durch die Beklagte wirksam mit Erklärung vom 10.12.2008 widerrufen worden.
3.
Der Widerruf ist rechtzeitig erfolgt, da die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen hat.
Die Widerrufsbelehrung ist nicht ordnungsgemäß erfolgt.
Ob dabei bereits die Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist missverständlich ist, kann vorstehend dahingestellt bleiben.
Jedenfalls fehlt es der von der Klägerin verwendeten Widerrufsbelehrung an der gemäß § 312 Abs. 2 BGB erforderlichen Belehrung über die Rechtsfolgen des § 357 Abs. 1 BGB.
Die von der Klägerin verwendete Widerrufsbelehrung belehrt den Verbraucher ausschließlich über die den Verbraucher nach Widerruf des Vertrages treffenden Pflichten, nicht jedoch über seine Rechte, wenn der Verbraucher darauf hingewiesen wird, dass er empfangene Leistungen binnen 30 Tagen an die Klägerin zurückzugewähren und gezogene Nutzungen herauszugeben, bzw. Wertersatz zu leisten hat.
Eine derartige Widerrufsbelehrung, die lediglich über die Pflichten des Verbrauchers im Falle des Widerrufs, nicht jedoch über dessen wesentliche Rechte informiert, entspricht nicht den Anforderungen des Gesetzes und ist deshalb unwirksam (BGH, MDR 2007, 878; zit. n. juris).
Der Schutz des Verbrauchers erfordert eine möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutige Belehrung (BGH, ZIP 2002, 1730, 1731). Eine diesen Anforderungen genügende Information über die Rechtsfolgen des § 357 Abs. 1 BGB kann sich nicht darauf beschränken, allein die Pflichten des Verbrauchers wiederzugeben, da zu den in § 357 Abs. 1 BGB geregelten Rechtsfolgen ebenfalls die Rechte des Verbrauchers gehören (BGH, MDR 2007, 878f).
Die Widerrufsbelehrung der Klägerin informiert demgegenüber einseitig nur über die Pflichten des Verbrauchers und ist somit geeignet, Unsicherheit beim Verbraucher hervorzurufen, inwieweit auch der Unternehmer gleicherweise zur Herausgabe empfangener Leistungen verpflichtet ist. Dem Ziel, den Verbraucher möglichst unmissverständlich zu belehren, wird die von der Klägerin verwendete Widerrufsbelehrung nicht gerecht.
Vor diesem Hintergrund hat die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen, weshalb der erklärte Widerruf rechtzeitig erfolgt ist.
II.
Die geltend gemachten Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.