Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 08.04.2008, Az.: 14 W 16/08
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 08.04.2008
- Aktenzeichen
- 14 W 16/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 42431
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2008:0408.14W16.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 13.06.2007 - AZ: 14 O 433/06
Fundstelle
- BtMan 2008, 167
In der Beschwerdesache
...
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 17. Juli 2007 gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Einzelrichters der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 13. Juni 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter am 8. April 2008 beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Sätze 2 und 3, 567 f. ZPO zulässige Beschwerde, die erst im Zuge des Nichtabhilfebeschlusses des Landgerichts vom 7. März 2008 dem Oberlandesgericht vorgelegt worden ist, ist nicht begründet.
1. Für die Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen ist im vorliegenden Fall nicht auf die unmittelbare eigene Kenntnis des Klägers abzustellen, da er infolge des streitbefangenen Verkehrsunfalls vom 2. Juni 2002 aufgrund der erlittenen schweren Verletzungen nicht in der Lage war, auch nur ansatzweise die ihm möglicherweise zustehenden Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche zu erkennen und geltend zu machen. Stattdessen ist die Kenntnis oder die grob fahrlässige Unkenntnis ("Kennenmüssen") seiner Betreuerin R.M. oder des von ihr bevollmächtigten Rechtsanwalts maßgeblich. Frau M. ist am 2. September 2002 vom Vormundschaftsgericht bei dem Amtsgericht Hameln zur Betreuerin für den Kläger bestimmt worden, unter anderem für den Aufgabenkreis "Vermögenssorge" (vgl. Bl. 126 Bd. I der Beiakte 11 Ds 107/03 AG Hameln). Der Aufgabenkreis Vermögenssorge umfasst die Vertretung in allen vermögensrechtlichen Fragen, also auch die Geltendmachung von Ansprüchen, die dem Betreuten zustehen, wie Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche gegen Dritte, und zwar unabhängig davon, ob der Grund für diese Ansprüche während des Laufs der Betreuung oder bereits vorher gelegt worden ist (vgl. OLG München, Beschl.v. 4. August 2005, Rpfleger 2006, 14, [OLG München 04.08.2005 - 33 Wx 29/05] juris-Rdnr. 13 m.w.N.). Die Vermögenssorgepflicht des bestellten Betreuers verlangt deshalb die konsequente Verfolgung der (Vermögens-)Interessen des Betreuten (vgl. BGH, Urt.v. 3. November 2004 - XII ZR 332/01, FamRZ 2005, 358, Rdnr. 9).
2. Die Betreuerin war damit aufgrund ihrer Bestellung für den Aufgabenkreis Vermögenssorge verpflichtet, auch etwaige Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche des Klägers gegenüber den Beklagten zu prüfen bzw. für eine entsprechende Prüfung durch Dritte im Namen des Klägers Sorge zu tragen. Zum Zeitpunkt ihrer Bestellung im September 2002 bestand auch schon hinreichend Möglichkeit aufgrund des laufenden Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger und der dort vorgenommenen Untersuchungen und Vernehmungen, vom Schaden und der Person der Ersatzpflichtigen soweit Kenntnis zu erlangen, um zumindest innerhalb des Laufs der Verjährungsfrist eine Feststellungsklage zu erheben (vgl. dazu näher Schmidt-Räntsch in: Erman, BGB, 11. Aufl., § 199 Rdnr. 18 f.m.w.N.). Das gilt umso mehr, als die Betreuerin Zeugin des Unfalls und als solche bereits am 25. Juni 2002 polizeilich vernommen worden war (Bl. 78 f. Bd. I der Beiakte). Ihr war das Geschehen also von Anfang an bekannt. Sie hat darüber hinaus am 3. September 2002 - also nur einen Tag nach ihrer Bestellung - einen Rechtsanwalt umfassend bevollmächtigt, unter anderem zur Vertretung in sonstigen Verfahren und bei außergerichtlichen Verhandlungen aller Art, insbesondere in Unfallsachen zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen Schädiger, Fahrzeughalter und deren Versicherer (vgl. die Vollmacht im Original auf Bl. 125 Bd. I der Beiakte). Mit Schreiben vom 27. August 2002 hatte sich bereits der Rechtsanwalt für den Kläger im Ermittlungsverfahren legitimiert und um Einsicht der Ermittlungsakte ersucht (Bl. 119 Bd. I der Beiakte), die ihm mit Verfügung vom 5. September 2002 für drei Tage gewährt wurde (Bl. 120 R, 121 Bd. I der Beiakte). Zu diesem Zeitpunkt war aber der Beklagte zu 1 schon als Zeuge vernommen worden (Bl. 83 f. Bd. I der Beiakte) und hatte sich auch schriftlich geäußert (Bl. 86 Bd. I der Beiakte). Am 7. Oktober 2002 hat der Rechtsanwalt des Klägers die erste Stellungnahme im Ermittlungsverfahren zur Akte gereicht und dabei erklärt, der Kläger sei nicht in der Lage, seine Rechtsgeschäfte selbst zu besorgen (Bl. 134 sowie auch Bl. 138 f. Bd. I der Beiakte). Außerdem wies er namens des Klägers darauf hin, "dass das Verkehrsverhalten des Zeugen B. [des Beklagten zu 1], der zu weit nach links geraten ist, zu einer Schreckreaktion bei Herrn W. [des Klägers] geführt hat, infolge derer er sich aufrichtete, womit natürlich das Krad der Kurvenführung nicht mehr folgte, sondern geradeaus und damit auf die Gegenfahrbahn kam, wo dann der schreckliche Unfall sich ereignete" (Bl. 135 Bd. I der Beiakte).
Die anspruchsbegründenden Umstände waren somit schon im Jahr 2002 bekannt.
3. Inwieweit der Rechtsanwalt des Klägers tatsächlich im Innenverhältnis von der Betreuerin ausschließlich nur zur Vertretung und Verteidigung in Straf- und Bußgeldsachen bevollmächtigt worden ist, wie der Kläger im Beschwerdeverfahren vorträgt, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn das ist für die Frage, ob der Klageanspruch verjährt ist, unerheblich, weil es allein die Verantwortlichkeit für die Fristversäumung betrifft. Gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist aber für den Beginn der Verjährungsfrist allein auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers - hier in Person seiner Betreuerin oder des durch diese bevollmächtigen Rechtsanwalts (§ 166 BGB) - abzustellen (vgl. Schmidt-Räntsch a.a.O., Rdnr. 15). Von deren Kenntnis bzw. Kennenmüssen vom Schaden und Schädiger ausgehend war der Lauf der Verjährungsfrist zu berechnen.
Dahinstehen kann außerdem, ob der Kläger zu einem späteren Zeitpunkt als seine Betreuerin selbst noch unmittelbar Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände erlangt hat, wofür allerdings das Schreiben seines Rechtsanwalts vom 18. Dezember 2003 (Bl. 101 d.A.) spricht, weil ihm damit über seine Betreuerin geraten wurde, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, und er vom Inhalt dieses Schreiben jedenfalls Anfang 2004 Kenntnis genommen haben will (Bl. 8 im PKH-Heft). Denn unabhängig von diesem Schreiben bestand - wie erwähnt - schon allein aufgrund des Strafverfahrens gegen den Kläger Kenntnis von den Umständen und Tatsachen, die einen Schadensersatzanspruch hätten begründen können. Ob und wann der Kläger selbst tatsächlich das Schreiben vom 18. Dezember 2003 zur Kenntnis genommen hat, ist für den Lauf der Verjährungsfrist ohne Belang. Schließlich haben weder er noch seine Betreuerin auf den eindeutigen und unmissverständlichen Hinweis des Rechtsanwalts in diesem Schreiben ("Höre ich binnen sechs Wochen ab heute von Ihnen nichts, so gehe ich davon aus, dass Sie keine Schadensersatzansprüche geltend machen wollen und werde die Akte weglegen", Bl. 101 d.A.) reagiert. Die Verjährungsfrist ist somit in keiner Weise gehemmt worden.
Die Frist begann demnach mit Ablauf des 31. Dezember 2002 und endete mit Ablauf des 31. Dezember 2005. Der streitbefangene Klageanspruch war damit ab dem 1. Januar 2006 verjährt. Die mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2006 erhobene Klage konnte daran nichts mehr ändern.
4. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 27. Aufl., § 118 Rdnr. 12).
Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.