Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 21.12.2007, Az.: 2 B 87/07

Auslagen; Baugebühr; grobes Missverhältnis; Prüfingenieur; Zeitaufwand

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
21.12.2007
Aktenzeichen
2 B 87/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 71741
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 15.04.2008 - AZ: 1 ME 17/08

Gründe

1

Der Antrag der Antragstellerin,

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die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 11. April 2007 gegen die Baugebührenbescheide der Beklagten vom 12. und 26. Oktober 2006 (Az.: 2 A 76/07) anzuordnen,

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hat keinen Erfolg.

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Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft. Mit den angefochtenen Bescheiden hat die Antragsgegnerin von der Antragstellerin Baugebühren erhoben, das heißt, öffentliche Abgaben und Kosten angefordert. Der Klage der Antragstellerin kommt deshalb gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufschiebende Wirkung nicht zu. Die Antragstellerin hat auch vor Anrufung des Gerichts erfolglos bei der Antragsgegnerin um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nachgesucht.

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Der Antrag ist jedoch unbegründet.

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Die im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung geht zu Lasten der Antragstellerin aus. Ihr Interesse, einstweilen vom Vollzug der Bescheide der Antragsgegnerin vom 12. und 26. Oktober 2006 verschont zu bleiben, überwiegt das Interesse der Antragsgegnerin am sofortigen Vollzug dieser Bescheide nicht. Maßgeblich für diese Abwägung ist der Umstand, dass diese Bescheide bei der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung der Rechtmäßigkeit voraussichtlich rechtmäßig sind. Die von der Antragstellerin gegen die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Gebühren für die Inanspruchnahme eines Prüfingenieurs geltend gemachten Einwände greifen nicht durch. Die Antragsgegnerin hat mit Bescheid vom 12. Oktober 2006 zu Recht 33.004,00 Euro und mit Bescheid vom 26. Oktober 2006 zu Recht 12.728,00 Euro Gebühren für die Inanspruchnahme des Prüfingenieurs Dipl.-Ing. D. von der Antragstellerin erhoben.

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Nach § 1 Abs. 1 b des Nds. Verwaltungskostengesetzes vom 07.05.1962 (Nds. GVBl S. 43) zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.11.2001 (Nds. GVBl S. 701) - NVwKostG - werden für Amtshandlungen im übertragenen Wirkungskreis der Gebietskörperschaften und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts nach diesem Gesetz Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben, wenn die Beteiligten zu der Amtshandlung Anlass gegeben haben. Die Einzelheiten regelt die auf § 3 Abs. 1 NVwKostG und § 66 Abs. 3 NBauO fußende Baugebührenordnung in der Fassung vom 13.01.1998 (Nds. GVBl S. 31), zuletzt geändert durch Verordnung vom 22.04.2005 (Nds. GVBl S. 126) - BauGO -. § 2 Abs. 1 BauGO bestimmt, dass die Prüfingenieurinnen und Prüfingenieure für Baustatik für ihre Leistungen in Angelegenheiten der Bauaufsicht Gebühren und Auslagen nach Maßgabe dieser Verordnung und den Anlagen 1 bis 5 erhalten, in denen die Umsatzsteuer enthalten ist. Nach § 1 Abs. 1 S. 3 BauGO sind Gebühren und Vergütungen, die von der Bauaufsichtsbehörde an ein Prüfamt für Baustatik, eine Prüfingenieurin oder einen Prüfingenieur für Baustatik oder an eine anerkannte Prüfstelle für Baustatik zu zahlen sind, als Auslagen zu erstatten, soweit sich aus dem Gebührenverzeichnis nichts anderes ergibt. Um derartige Auslagen, die nach § 6 Abs. 2 NVwKostG bereits mit der Aufwendung des zu erstattenden Betrages fällig werden, handelt es sich hier.

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Klage und Antrag der Antragstellerin können nur Erfolg haben, wenn der Antragsgegnerin eine unrichtige Sachbehandlung vorgeworfen werden kann. Für diesen Fall bestimmt nämlich § 11 Abs. 1 NVwKostG, dass solche Kosten (also auch Auslagen) dem Kostenschuldner zu erlassen sind. Im Sinne dieser Bestimmungen unrichtig ist jedes Verwaltungshandeln, das von der Rechtsordnung nicht gedeckt ist (vgl. Loeser/Barthel, NVwKostG, § 11, Rn. 3.1. m.w.N.). Es ergibt sich jedoch, dass die Antragsgegnerin sowohl bei der Vergabe des Prüfauftrags wie auch bei der Bezahlung der von dem Prüfingenieur verlangten Gebühr rechtmäßig gehandelt hat.

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Die Beklagte durfte dem Dipl.-Ing. D. den Auftrag erteilen, den von der Antragstellerin eingereichten allgemeinen Standsicherheitsnachweis und den Wärmeschutznachweis zu prüfen.

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Der von der Antragstellerin geplante und mittlerweile durchgeführte Neubau einer Wohnanlage mit 44 Altenwohnungen, einem Cafe-Restaurant und einem Laden ist eine baugenehmigungspflichtige Maßnahme (§§ 68, 69 Abs. 1 NBauO).Die Baugenehmigung darf nur erteilt werden, wenn die Baumaßnahme dem öffentlichen Baurecht entspricht (§ 75 Abs. 1 NBauO). Bauliche Anlagen müssen im Ganzen, in ihren einzelnen Teilen und für sich allein standsicher sein (§ 18 S. 1 NBauO); sie müssen einen für ihre Benutzung ausreichenden Wärmeschutz bieten (§ 21 Abs. 1 NBauO). Deshalb sind zum Bauantrag unter anderem ein Standsicherheits- und ein Wärmeschutznachweis zur Prüfung einzureichen (§ 71 Abs. 2 NBauO i.V.m. § 6 der Bauvorlagenverordnung vom 22.09.1989 - Nds. GVBl. S. 358 -, zuletzt geändert durch Verordnung vom 06.06.1996 - Nds. GVBl. S. 287 -), was die Antragstellerin getan hat. Für statisch-konstruktiv schwierige Baumaßnahmen kann die Bauaufsichtsbehörde u.a. die Prüfung der Standsicherheit und des Wärmeschutzes einem Prüfingenieur für Baustatik übertragen (§ 66 Abs. 1 NBauO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 der bautechnischen Prüfungsverordnung vom 24.07.1987 - Nds. GVBl. S. 129 -, zuletzt geändert durch Verordnung vom 04.09.1989 - Nds. GVBl. S. 325 -). Unstreitig handelt es sich bei dem Bauvorhaben der Antragstellerin um eine derartige Baumaßnahme.

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Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin auch zu Recht die vom Prüfingenieur D. verlangten Gebühren in vollem Umfang in Rechnung gestellt.

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Nach Nr. 9.1 des Gebührenverzeichnisses zur BauGO i.V.m. Tafel 4 beträgt die Gebühr für die Prüfung des Standsicherheitsnachweises bei einem Rohbauwert von 2.048.500,00 € und einer Einstufung in die Bauwerksklasse 4 16.965,00 € (was durch Interpolation ermittelt wird). Zu Recht hat jedoch die Antragsgegnerin, der Abrechnung des Prüfingenieurs D. folgend Auslagen für die Prüfung nach Zeitaufwand erstattet und dies auch in richtiger Höhe getan. Denn der Gesamtbetrag von 16.965,00 €, der dem Dipl.-Ing. D. danach zustehen würde, steht in einem groben Missverhältnis zu dem von ihm bzw. seinem Mitarbeiter Dipl.-Ing. E. betriebenen Aufwand. In solchen Fällen bestimmt Nr. 9.14 des Gebührenverzeichnisses, dass Leistungen nach Nr. 9.1 bis 9.5 nach Zeitaufwand zu entlohnen sind.

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Mit den beiden Baugebührenbescheiden vom 12. und 26. Oktober 2006 wird ein Zeitaufwand von insgesamt 618 Stunden für Prüfingenieurleistungen geltend gemacht. Zu Unrecht wendet sich die Antragstellerin gegen die Richtigkeit dieser Stundenzahl mit dem vermeintlichen Plausibilitätsargument, der Prüfingenieur habe dann 5 ½ Monate ununterbrochen an ihren Planungsunterlagen gearbeitet haben müssen, was unwahrscheinlich sei. Der Prüfingenieur hat halbstundengenaue Stundennachweise für die geleistete Arbeit zu den Akten gereicht. In diesen Nachweisen ist jede einzelne erbrachte Arbeitsstunde aufgeführt und rechnerisch richtig addiert worden. Es ergibt sich in der Tat der geltend gemachte Zeitaufwand von 618 Stunden. Dem hat die Antragstellerin - obwohl sie Akteneinsicht genommen hat - substantiiert nichts entgegengesetzt. Die Kammer hat keinen Anlass, an den Angaben des Prüfingenieurs zu zweifeln. So wird das vermeintliche Plausibilitätsargument der Antragstellerin, das auf der Annahme einer Fünftagewoche fußt, allein schon dadurch entkräftet, dass sich aus den Stundennachweisen ergibt, dass durchgehend auch Samstags und Sonntags gearbeitet worden ist. Hinzu kommt, dass diese Stundenzahl nicht nur nachgewiesen ist, sondern auch schlüssig erscheint. Die zu prüfenden Planungsunterlagen waren schon in ihrer Erstfassung äußerst umfangreich. Die Prüfung erschwerend kam für den Prüfingenieur D. hinzu, dass er sich vor allem in den Monaten Juli und August 2006 mit etwa fünf von der Antragstellerin nach und nach eingereichten Planänderungen bzw. -ergänzungen beschäftigen musste. Dies alles unter enormem Zeitdruck und dem Ergebnis, dass auf den Bauantrag der Antragstellerin vom 11. Mai 2006 hin am 15. September 2006 eine Teilbaugenehmigung für die Bodenplatte des Bauvorhabens und am 12. Oktober 2006 die endgültige Baugenehmigung erteilt werden konnte. Die insgesamt abgerechneten 618 Arbeitsstunden treffen danach zur Überzeugung der Kammer zu.

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Nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 BauGO beträgt die Gebühr nach Zeitaufwand je angefangene halbe Arbeitsstunde für Beamtinnen und Beamte des höheren Dienstes und für vergleichbare Angestellte sowie für Prüfingenieurinnen und Prüfingenieure für Baustatik 37,00 € (entspricht 74,00 € je voller Stunde). Danach ergibt sich eine Gebühr in Höhe von 45.7323,00 €, die der Dipl.-Ing. D. von der Antragsgegnerin verlangen konnte und die von der Antragstellerin in Form von Auslagen zu erstatten sind. Dem hält die Antragstellerin sehr wahrscheinlich zu Unrecht entgegen, nicht der Prüfingenieur D. selbst, sondern sein Mitarbeiter E. habe die Prüfung im Wesentlichen vorgenommen. Dieser Einwand trifft zwar in der Sache zu, verfängt rechtlich indes nicht. Schon § 6 Abs. 2 Nr. 1 BauGO lässt erkennen, dass eine Unterscheidung des Zeitaufwands eines Prüfingenieurs je danach, ob er selbst oder ein Mitarbeiter tätig geworden ist, nicht vorzunehmen ist. Eine derartige Differenzierung findet sich dort nicht. Bestätigung findet diese Annahme durch § 5 der Verordnung über die bautechnische Prüfung von Baumaßnahmen (Bautechnische Prüfungsverordnung -BauPrüfVO-). Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 BauPrüfVO ist der Prüfingenieur allein für die Richtigkeit und Vollständigkeit der bautechnischen Prüfung verantwortlich. Ist dies so, so ist es auch gerechtfertigt den Stundensatz von 74,00 € zu erheben, wenn und soweit sich der Prüfingenieur eines befähigten und zuverlässigen Mitarbeiters bedient. Hierzu ist er gemäß § 5 Abs. 4 BauPrüfVO berechtigt. Die Begrenzung des Umfangs dieser Mitarbeiter auf eine Zahl, dass der Prüfingenieur ihre Tätigkeit voll überwachen kann, bestätigt, die Letztverantwortung des Prüfingenieurs.

15

Die sich nach Nr. 9.14 des Gebührenverzeichnisses zur BauGO i.V.m. Tafel 4 ergebende Gebühr in Höhe von 45.7323,00 € steht schließlich auch in einem groben Missverhältnis zu der Gebühr nach 9.1 des Verzeichnisses in Höhe von 16.965,00 €. Ohne dass es auf eine allgemeinverbindliche Festlegung dieses Verhältnisses ankommt, liegt ein solches Missverhältnis jedenfalls dann vor, wenn, wie hier, die Gebühr nach 9.14 des Verzeichnisses mehr als doppelt so hoch ist wie diejenige nach 9.1 (vgl. Urteil der Kammer vom 12.10.2006 -2 A 425/05-).

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Die von der Antragstellerin vorgebrachten Einwände gegen die Höhe des Rohbauwertes und der Bauwerksklasse liegen neben der Sache. Auf diese Werte kommt es bei der Gebührenerhebung, die nach Nr. 9.14 des Gebührenverzeichnisses erfolgt allenfalls für die Bestimmung des groben Missverhältnisses an. Folgte man indes der Argumentation der Antragstellerin insoweit, wäre dieses Missverhältnis noch größer, so dass erst Recht nach 9.14 abgerechnet werden dürfte.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung folgt die Kammer dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (NVwZ 2004, 1327). Nach dessen Abschnitt 1.5 beträgt in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wegen sonstiger auf bezifferte Geldleistungen gerichteten Verwaltungsakte der Streitwert in der Regel 1/4 des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwertes. Dieser beträgt 28.797,00 €.