Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 06.12.2007, Az.: 2 A 42/06

anzurechnendes Vermögen; Ausbildungsförderung; Bewilligungsbescheid; Grundsatz der Nachrangigkeit; Kenntnis; Rechtsmissbrauch; rechtsmissbräuchliche Vermögensminderung; Rückforderung; Rücknahme; Treuhandverhältnis; verdecktes Treuhandverhältnis; Verfügungsmacht; Vermögensanrechnung; Vermögensfreibetrag; Vermögensminderung; Vertrauensschutz

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
06.12.2007
Aktenzeichen
2 A 42/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 71866
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

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Die am … geborene Klägerin studierte seit dem Wintersemester 1999/2000 Sozialwissenschaften an der Beklagten. Im Wintersemester 2002/2003 war sie beurlaubt.

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Am 17. Februar 2000 stellte sie erstmals einen Antrag auf Bewilligung von Ausbildungsförderungsleistungen bei dem in diesen Angelegenheiten namens und im Auftrage der Beklagten handelnden Studentenwerk E.. Hierbei gab sie, wie auch in den Folgeanträgen vom 12. Juli 2000 und 12. September 2001, durch Einfügen eines Striches an, Vermögen nicht zu besitzen. Mit Bescheiden vom 31. Mai 2000, 29. September 2000, 30. März 2001, 31. Januar 2002 und 29. Oktober 2002 bewilligte die Beklagte der Klägerin auf der Basis ihrer Angaben Ausbildungsförderungsleistungen in Höhe von insgesamt 12.972,16 € für die Bewilligungszeiträume Februar 2000 bis August 2002.

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Im Januar 2002 erhielt die Beklagte vom vormaligen Bundesamt für Finanzen Mitteilung über zwei auf den Namen der Klägerin laufende Freistellungsaufträge für das Kalenderjahr 2000. Derjenige bei der K. Sparkasse belief sich auf 1.250,00 DM, derjenige bei der L., Filiale M., auf 849,00 DM. Nach den Ermittlungen der Beklagten ergab sich auf den Antragszeitpunkt 17. Februar 2000 bei der K. Sparkasse ein Guthaben in Höhe von 21.016,82 DM und bei der L. in Höhe von 30.651,67 DM. Vom Konto der L. überwies die Klägerin am 14. April 2000 an ihre Mutter 31.484,13 DM. Am selben Tag verfügte die Klägerin die Löschung dieses Kontos. Am 23. Februar 2001 verzeichnete das Konto bei der Sparkasse M. einen Abgang in Höhe von 15.000,00 DM an einen unbekannten Empfänger. Nach Angaben der Klägerin handelte es sich ebenfalls um ihre Mutter. Jedenfalls die Kontoauszüge der L. waren nach Eintritt von deren Volljährigkeit an die Klägerin versandt worden.

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Die Beklagte hörte die Klägerin zu einer beabsichtigten Rücknahme der bisherigen Bewilligungsbescheide an. Mit am 11. Juni 2003 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben erklärte die Klägerin zunächst, zu den Antragszeitpunkten über keine nennenswerten Vermögenswerte verfügt zu haben. Die dargestellten Kapitalbeträge seien ihr lediglich von ihrem Bruder N. kosten- und zinsfrei geliehen worden, damit sie diese anlegen und mit den mäßigen Erträgen u. a. ihr Studium finanzieren könne. Der Bruder der Klägerin zeichnete für die Richtigkeit dieser Angaben gegen. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12. Januar 2004 ließ die Klägerin sodann vortragen, sie habe die Gelder für ihren kriegsflüchtigen Onkel O. C. verwaltet.

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Mit Bescheid vom 30. Juli 2004 nahm die Beklagte sodann die bisher für die Bewilligungszeiträume Februar 2000 bis August 2002 ergangenen Bewilligungsbescheide über Ausbildungsförderung an die Klägerin zurück, setzte die ihr zustehende Leistung jeweils auf 0,00 € fest und forderte von der Klägerin insgesamt 12.972,16 € zurück. Zur Begründung des Bescheides gab die Beklagte an, die Klägerin habe über Vermögen verfügt, das den gesetzlichen Freibetrag jeweils überstiegen habe. Sämtliche Guthaben seien auf ihren Namen gelaufen. Ein geheimer Vorbehalt, nicht selbst Inhaber der Forderung zu sein, sei unbeachtlich. Ebenso wenig könne von einem Treuhandverhältnis ausgegangen werden, da dieses im Außenverhältnis nicht offenkundig geworden sei. Im übrigen sei das klägerische Vorbringen insoweit unglaubwürdig, als es ihren Angaben im Schreiben vom 11. Juni 2003 widerspreche. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen, da sie schon bei Anlegen geringer Sorgfalt hätte erkennen können, dass ihre Angaben unvollständig gewesen seien. Von der damit gegeben Möglichkeit der Bescheidrücknahme werde Gebrauch gemacht, weil sich andernfalls eine Begünstigung gegenüber Antragsfällen ergäbe, in denen die Verhältnisse pflichtgemäß vollständig angegeben würden. Aspekte, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich.

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Hiergegen legte die Klägerin am 18. August 2004 Widerspruch ein. Sie begründete ihn im Wesentlichen damit, sie habe die Gelder treuhänderisch für ihren Onkel verwaltet und keine Kenntnis über die Höhe des jeweiligen Guthabens gehabt. Sie habe lediglich gewusst, dass dort Gelder sind.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Das behauptete Treuhandverhältnis sei nicht anzuerkennen, weil es nicht offenkundig geworden sei. Soweit die Klägerin ihr Vermögen vermindert habe, sei dies unbeachtlich, weil es rechtsmissbräuchlich geschehen sei.

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Hiergegen hat die Klägerin am 22. Januar 2006 Klage erhoben.

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Zu deren Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihr Widerspruchsvorbringen.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 30. Juli 2004 und den Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2005 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2005.

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Die Kammer hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung informatorisch zu ihren Klagegründen angehört. Wegen der Einzelheiten ihrer Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 30. Juli 2004 und deren Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2005 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide ist § 45 SGB X. Rechtsgrundlage für die Rückforderung gewährter Ausbildungsförderung, wenn die Voraussetzungen des § 45 SGB X vorliegen, ist § 50 SGB X.

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Gemäß § 45 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der, wie hier die von der Beklagten aufgehobenen Bewilligungsbescheide für Ausbildungsförderung, einen rechtlichen Vorteil begründet, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nach Maßgabe der Absätze 2 - 4 zurückgenommen werden. Die Bewilligung von Ausbildungsförderung an die Klägerin in den Bewilligungszeiträumen Februar 2000 bis August 2002 ist rechtswidrig gewesen, denn sie verfügte über anzurechnendes Vermögen, das einer Leistung entgegenstand.

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Zu dem gemäß § 28 Abs. 2 und 4 BAföG jeweils maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung am 17. Februar und 12. Juli 2000 sowie 12. September 2001 hatte die Klägerin ausbildungsförderungsrechtlich Vermögenswerte in Form von Forderungen nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 BAföG gegen die K. Sparkasse und die L.. Diese hat die Beklagte auf die jeweiligen Antragszeitpunkte in zutreffender Höhe ermittelt. Die Werte überstiegen den Vermögensfreibetrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BAföG in einer Höhe, die die Gewährung von Ausbildungsförderungsleistungen ausschloss.

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Die jeweiligen Forderungen sind der Klägerin als eigenes Vermögen zuzurechnen, denn sie besaß jeweils als Kontoinhaberin formal die volle Verfügungsmacht über das Vermögen bei der K. Sparkasse und der L..

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An dieser Zuordnung ändert sich durch das von der Klägerin behauptete Treuhandverhältnis zu ihrem Onkel, Herrn O. C., nichts. In Anbetracht der Tatsache, dass die Klägerin mit Schreiben an das Studentenwerk E. vom 11. Juni 2003 zunächst behauptet hatte, diese Gelder von ihrem Bruder N. zur Verfügung gestellt bekommen zu haben, damit sie von den Erträgen ihr Studium habe bestreiten können, bestehen schon erhebliche Zweifel am tatsächlichen Vorliegen des später behaupteten Treuhandverhältnisses zu ihrem Onkel. Die Klägerin hat, vom Gericht zu diesem Widerspruch befragt, keine überzeugende Begründung für ihren abweichenden Vortrag geben können. Die Behauptung, sie habe ihren in München wohnenden Onkel nicht in die Sache hineinziehen wollen und deshalb zunächst angegeben, die Gelder stammten von ihrem Bruder, ist substanzlos und deshalb unglaubwürdig.

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Aber selbst wenn man ein solches Treuhandverhältnis annimmt, verhilft dies der Klage nicht zum Erfolg. Denn es handelt sich um ein verdecktes Treuhandverhältnis, das nach außen hin gegenüber niemandem zu erkennen gegeben worden ist. Ein solches verdecktes Treuhandverhältnis wird ausbildungsförderungsrechtlich nicht anerkannt; etwaige, im Innenverhältnis zum Onkel bestehende vertragliche Bindungen oder Beschränkungen stellen die rechtliche Verwertungsmöglichkeit im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG nicht infrage. Zur Begründung nimmt die Kammer zunächst auf ihre Ausführungen im Prozesskostenhilfebeschluss vom 13. September 2006 Bezug. Diese Rechtsprechung ist mittlerweile vom Nds. Oberverwaltungsgericht bestätigt worden (Beschlüsse vom 29.5.2007 -4 LA 88/07-, zitiert nach der Internetrechtsprechungsdatenbank des Gerichts; vom 28.6.2007 -4 LA 39/06-, NVwZ-RR 2007, 779 [OVG Niedersachsen 28.06.2007 - 4 LA 39/06]). In dem Beschluss vom 28.6.2007 heißt es auszugsweise:

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„....denn auch ein von einem Auszubildenden verdeckt treuhänderisch gehaltenes Vermögen stellt ausbildungsförderungsrechtlich Vermögen des Auszubildenden und nicht Vermögen des Treugebers dar (vgl. Senatsbeschl. v. 29. 5. 2007 - 4 LA 88/07 -; BayVGH, Beschl. v. 28. 2. 2007 - 12 ZB 06.2581 -; BayVGH, Beschl. v. 16. 2. 2007 - 12 ZB 06.182 -; OVG Bremen, Urt. v. 21. 2. 2007 - 2 A 245/07 -; OVG Saarlouis, Beschl. v. 23. 2. 2007 - 3 Y 13/06 -). Ob dies auch bei einem Treuhandverhältnis gilt, das offengelegt worden ist, kann dahinstehen. Denn von einem solchen Treuhandverhältnis ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Dabei kann unerörtert bleiben, ob die Darstellung der Klägerin zutreffend ist, dass die Anregung, Depotkonten auf ihren Namen einzurichten, von einem Mitarbeiter der L. stamme und ihr Vater ausschließlicher Ansprechpartner der Banken gewesen sei. Denn die Klägerin hat in dem von ihr unterschriebenen Antrag auf Eröffnung des Einzelkontos und -depots bei der L. vom 21. März 1997 angegeben, auf eigene Rechnung zu handeln. Außerdem hat sie Freistellungsaufträge gestellt und damit gegenüber den Banken und dem damaligen Bundesamt für Finanzen, dem die Daten des Freistellungsauftrags nach § 45 d Abs. 1 EStG a. F. mitzuteilen waren, geltend gemacht, dass die Kapitalerträge und damit auch das Kapital steuerrechtlich ihr zuzuordnen seien. Daher kann von einem offengelegten Treuhandverhältnis keine Rede sein. Die Klägerin hat das Treuhandverhältnis im Berufungszulassungsverfahren auch selbst als verdecktes bezeichnet.

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Der Zuordnung des Wertpapiervermögens zum Vermögen der Klägerin steht schließlich auch nicht entgegen, dass Gegenstände, die der Auszubildende aus rechtlichen Gründen nicht verwerten kann, nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG von seinem Vermögen ausgenommen sind. Denn vertragliche Bindungen und Beschränkungen, die eine objektive Zugriffsmöglichkeit auf die Vermögensgegenstände unberührt lassen, können angesichts des Grundsatzes der Nachrangigkeit staatlicher Ausbildungsförderung die Herausnahme aus der Vermögensanrechnung nicht rechtfertigen (BVerwG, Beschl. v. 16. 2. 2000 - 5 B 182.99 -; BayVGH, Beschl. v. 28. 2. 2007 - 12 ZB 06.2581 -; OVG Bremen, Urt. v. 21. 2. 2007 - 2 A 245/05 -). Das gilt auch für verdeckte Treuhandvereinbarungen (vgl. OVG Saarlouis, Beschl. v. 23. 2. 2007 - 3 Y 13/06 -; OVG Schleswig, Beschl. v. 29.11.2005 - 2 LA 89/05 -).“

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Dem hat die Kammer nichts hinzuzufügen.

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Die Beklagte hat die Forderungen der Klägerin gegen die kontoführenden Banken auf die Antragszeitpunkte 12. Juli 2000 und 12. September 2001 auch insoweit zutreffend erfasst, als sie die Wertabgänge an die Mutter der Klägerin am 14. April 2000 (31.484,13 DM) und an eine unbekannte Person, angeblich ebenfalls die Mutter, am 23. Januar 2001 (15.000,00 DM) nicht vom Vermögen der Klägerin abgezogen hat. Diese Verfügungen sind ausbildungsförderungsrechtlich unbeachtlich, weil rechtsmissbräuchlich. Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auch insoweit zunächst auf die Ausführungen der Kammer im Prozesskostenhilfebeschluss vom 13. September 2006 Bezug genommen. Ergänzend wird ausgeführt, dass der etwaige, von der Klägerin allerdings nicht einmal behauptete Wille, mit den Verfügungen ihren internen Verpflichtungen aus dem vermeintlichen Treuhandverhältnis nachzukommen, an der Beurteilung des Rechtsmissbrauchs nichts ändert. Denn andernfalls liefe dies darauf hinaus, das verdeckte Treuhandverhältnis ausbildungsförderungsrechtlich doch anzuerkennen. Es stellt sich die Verfügung in Erfüllung eines behaupteten verdeckten Treuhandverhältnisses nicht anders dar als die rechtliche Beurteilung, ob aufgrund eines solchen Treuhandverhältnisses eine, das Vermögen mindernde Verbindlichkeit im Sinne von § 28 Abs. 3 BAföG gegenüber dem Treugeber besteht. Eine solche Verbindlichkeit ist nicht anzuerkennen, weil sonst verdecktes Treuhandvermögen stets außer Betracht zu bleiben hätten (OVG Lüneburg, Beschluss vom 28.6.2007, a.a.O.). Aus dem gleichen Grund kann auch eine Zahlung auf eine derartige Verbindlichkeit ausbildungsförderungsrechtlich nicht zu einer Verminderung des Vermögens des Auszubildenden führen. Die Klägerin hat zudem weder schriftsätzlich noch bei ihrer Befragung in der mündlichen Verhandlung Angaben dazu gemacht, welchen rechtlich anzuerkennenden Grund die Vermögenszuwendungen an Dritte sonst hätten haben sollen. Es bleibt als einzig erkennbarer Grund derjenige, in den Genuss von Ausbildungsförderungsleistungen zu gelangen, ohne auf eigenes vorhandenes Vermögen zurückgreifen zu müssen. Dies ist rechtsmissbräuchlich.

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Die Klägerin kann sich gegenüber der Rücknahme der ursprünglichen Bewilligungsbescheide nicht auf Vertrauensschutz berufen.

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Gemäß § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte, wie hier die Klägerin, erbrachte Leistungen verbraucht hat. Allerdings kann sich gemäß Satz 3 Nr. 2 der Vorschrift der Begünstigte nicht auf Vertrauensschutz berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Dies ist bei der Klägerin der Fall.

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Jedenfalls ab Erteilung der Freistellungsaufträge an die K. Sparkasse und die L. durch die Klägerin hätte sich ihr aufdrängen müssen, dass auf diesen Konten weit höhere Vermögensbeträge existierten als der ausbildungsförderungsrechtliche Freibetrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BAföG. Andernfalls wären Feistellungsaufträge in Höhe von 1.250,00 DM (K. Sparkasse) bzw. 849,00 DM (L.) völlig unverständlich gewesen. Auch wenn die Klägerin geglaubt haben sollte, sie sei zur Angabe ihres Vermögens nicht verpflichtet gewesen, weil es sich aus ihrer Sicht um Treuhandvermögen ihres Onkels gehandelt habe, muss ihr grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Mindestens der Vorwurf einer derart grob fahrlässigen unrichtigen Angabe ist der Klägerin zu machen. Denn von einem volljährigen Auszubildenden ist schon bei Anspannung geringer Sorgfalt zu verlangen, dass er bei der Beklagten bzw. dem für sie handelnden Studentenwerk nachfragt, was es denn ausbildungsförderungsrechtlich mit der Erteilung eines Freistellungsauftrages auf sich hat. Dadurch, dass die Klägerin eine derartige Nachfrage unterlassen hat, handelte sie in Bezug auf ihre, hier unterstellte, Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der Bewilligung von Ausbildungsförderung grob fahrlässig.

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Der Klägerin kann Vertrauensschutz auch nicht gewährt werden, soweit die Rücknahme der Bewilligungsbescheide vom 29. September 2000 und 31. Januar 2002 maßgeblich darauf beruht, dass der Klägerin rechtsmissbräuchlich weggegebenes Vermögen ausbildungsförderungsrechtlich weiterhin zugerechnet wird.

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Wie oben dargelegt, hätte die Klägerin bei Anspannung geringer Sorgfalt durch Nachfrage bei der Beklagten erkennen können, dass sie im Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung über anzurechnendes Vermögen verfügte. Es gehört sodann zur allgemeinen Kenntnis auch rechtlich unerfahrener Personen, dass Anspruch auf staatliche Sozialleistungen nur besteht, wenn und soweit die für den Lebensunterhalt erforderlichen Mittel anderweit nicht zur Verfügung stehen. Dieser Grundsatz ist in § 1 BAföG gesetzlich verankert. Es liegt deshalb für jeden Auszubildenden auf der Hand, dass er eigenes Vermögen nicht ohne sachlichen Grund weggeben darf, um erst so die Leistungsvoraussetzungen des Ausbildungsförderungsgesetzes herbeizuführen, anstatt es für den Lebensunterhalt während der Ausbildung einzusetzen. Selbst wenn die Klägerin auch insoweit Zweifel gehabt haben sollte, wäre von ihr eine Nachfrage bei der Beklagten zu verlangen gewesen. Die Sachlage stellt sich in diesem Zusammenhang nicht anders dar als bei Zweifeln, ob treuhänderisch gehaltenes Vermögen ausbildungsförderungsrechtlich anzurechnen ist oder nicht. Da ein sachlicher Grund für die Übertragung der Forderungen von der Klägerin an ihre Mutter und evtl. eine dritte Person weder zu erkennen ist noch von der Klägerin geltend gemacht wird und sie eine Aufklärung etwaiger Zweifel pflichtwidrig unterlassen hat, hat sie auch in ihren Anträgen auf Gewährung von Ausbildungsförderung am 12. Juli 2000 und 12. September 2001 mindestens grob fahrlässig unrichtige Angaben gemacht.

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Schließlich liegt ein Ermessensfehler der Beklagten bei der Rücknahme der streitbefangenen Bescheide im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO nicht vor.

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Die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte steht gem. § 45 Abs. 1 SGB X im Ermessen der Sozialleistungsbehörde („darf zurückgenommen werden“). Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Zu einer rechtmäßigen Ermächtigungsausübung zählt insbesondere, dass die Verwaltungsbehörde alle für ihre Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte erkennt und in ihre Entscheidung einstellt. Dies hat die Beklagte zutreffend getan. Zur Begründung wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2005 Bezug genommen. Gesichtpunkte, die einen Ermessensfehler erkennen ließen, hat die Klägerin weder vorgetragen noch sind sie sonst für das Gericht ersichtlich.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.